OGH 10ObS25/18a

OGH10ObS25/18a14.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Werner Pletzenauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. T*****, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Jänner 2018, GZ 8 Rs 78/17z‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00025.18A.0314.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Tochter des Klägers wurde am 8. 4. 2015 geboren. In der Zeit von 1. 4. 2015 bis 14. 5. 2015 – somit in der Zeit vor und nach der Geburt – konsumierte der Kläger unbezahlten Urlaub. Zuvor war er von 22. 6. 2014 bis 31. 3. 2015 und dann wieder von 15. 5. 2015 bis 7. 4. 2016 als Angestellter in einem sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis tätig.

Der Kläger beantragte die Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum von 8. 4. 2016 bis 7. 6. 2016.

Mit Bescheid vom 8. 8. 2016 lehnte die beklagte Wiener Gebietskrankenkasse die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes ab.

Das Erstgericht sprach dem Kläger das von ihm begehrte Kinderbetreuungsgeld zu. Das Nichtbestehen einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit am Ende des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums nach § 24 Abs 1 Z 2 KBGG stelle eine weniger als 14 Kalendertage dauernde Unterbrechung dar, die dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes nicht entgegenstehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu.

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Die Revisionswerberin macht zusammengefasst geltend, auch eine Unterbrechung („Erwerbslücke“) am Ende des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums wirke sich anspruchsschädlich aus. Unterbrochen könne nur etwas werden, was innerhalb des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums (somit spätestens am Tag vor der Geburt des Kindes) wieder fortgesetzt werde.

Dazu ist auszuführen:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 24 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2013/117 ist für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld eine durchgehende in Österreich sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit in den sechs Monaten unmittelbar vor der Geburt bzw vor dem Beginn des Beschäftigungsverbots erforderlich.

2.1 Geringfügige Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit – das sind solche bis zu 14 Tagen – sind aber nicht anspruchsschädlich; mit dieser Regelung in § 24 Abs 1 Z 2 KBGG sollen Härtefälle vermieden werden.

2.2 Nach ständiger Rechtsprechung stellt das Nichtbestehen einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit am Ende des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums eine den Anspruch nicht hindernde „Unterbrechung“ im Sinn des Gesetzes dar (10 ObS 92/15z = RIS‑Justiz RS0129363 [T2]; 10 ObS 110/15z, SSV‑NF 30/2; 10 ObS 155/15i, ZAS 2017/5, 29 [zust Naderhirn]). Als Begründung wurde ausgeführt, dem in § 24 Abs 1 Z 2 KBGG verwendeten Begriff „Unterbrechung“ sei nicht immanent, dass es sich dabei um eine bloß vorübergehende „Unterbrechung“ handeln müsse. Andernfalls wäre einem Elternteil das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld auch dann zu versagen, wenn eine Unterbrechung erstmals am letzten Tag des Sechsmonatszeitraums der durchgehenden Erwerbstätigkeit eintrete. Dieses Auslegungsergebnis würde aber nicht nur der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufen, Härtefälle zu vermeiden, sondern auch zu einer sachlich ungerechtfertigten Benachteiligung jener Anspruchswerber führen, die nicht während, sondern am Ende des Sechsmonatszeitraums ihre sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit – etwa infolge einer Erkrankung ohne Entgeltfortzahlungsanspruch – im Rahmen des § 24 KBGG unterbrechen müssten. Demnach ist eine Unterbrechung auch dann nicht anspruchsschädlich, wenn der sechsmonatige Beobachtungszeitraum während oder mit einer Unterbrechung endet.

3. Mit dieser Rechtsprechung steht die Ansicht der Vorinstanzen in Einklang, die Erwerbstätigkeit des Klägers sei im sechsmonatigen Beobachtungszeitraum vor der Geburt (8. 11. 2014 bis 8. 4. 2015) durch den Wegfall der Pflichtversicherung infolge Konsumierung des unbezahlten Urlaubs ab 1. 4. 2015 unterbrochen gewesen, ohne dass dies dem Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld entgegenstehe.

4.1 Wie das Berufungsgericht bereits ausgeführt hat, liegt nur eine weniger als 14 Kalendertage dauernde „Unterbrechung“ vor, weil die außerhalb des Beobachtungszeitraums (nach der Geburt) gelegenen Zeiten des unbezahlten Urlaubs nicht zu berücksichtigen sind. Das Revisionsvorbringen, der Kläger habe seinen unbezahlten Urlaub nach der Geburt fortgesetzt, sodass die Erwerbstätigkeit als beendet gelte, entfernt sich von der Feststellung, nach der der Kläger seine Erwerbstätigkeit als Angestellter ab dem 15. 5. 2015 wieder aufgenommen hat.

4.2 Für die Frage der Auswirkung einer „Unterbrechung“ der Erwerbstätigkeit am Ende des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums macht es auch keinen Unterschied, ob – wie in der Entscheidung 10 ObS 92/15z = RIS-Justiz RS0129363 [T2] – der sechsmonatige Beobachtungszeitraum mit dem Datum des (individuellen) Beschäftigungsverbots der Mutter vor der Geburt (§ 3 Abs 3 MSchG) begann und nicht – wie im vorliegenden Fall – mit dem Datum der Geburt. Diese Unterscheidung erklärt sich nur daraus, dass für Mütter infolge der zwingenden Beschäftigungsverbote die tatsächliche Ausübung der Erwerbstätigkeit bis zur Geburt (außer im Fall einer Frühgeburt vor Beginn der Schutzfrist) nicht möglich ist, sodass gemäß § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung der zuvor mindestens sechs Monate andauernden Erwerbstätigkeit während des Beschäftigungsverbots als der tatsächlichen Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit gleichgestellt gelten.

5. Da eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zur maßgebenden Rechtsfrage bereits vorliegt, die Entscheidungen der Vorinstanzen sich im Rahmen dieser Rechtsprechung halten und es der Revisionswerberin nicht gelingt, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung geltend zu machen, war die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

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