Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Die am 19.10.1937 geborene Klägerin verletzte sich am 30.6.1994 bei einem Sturz von einem Kirschbaum in dem hinter ihrem landwirtschaftlichen Anwesen stehenden Hausgarten. Sie hatte damals gemeinsam mit ihrem Mann mehrere landwirtschaftliche Grundstücke und hält auch Tiere, die sie mit dem von den Wiesen geernteten Heu versorgte. Mangels eigener landwirtschaftlicher Geräte führte die Mäharbeiten ein Nachbar durch, der hiefür nicht mit Geld entlohnt wurde, sondern statt dessen die Hälfte der eingebrachten Futtermittel behalten durfte. Neben dieser kleinen Viehwirtschaft bezogen die Eheleute F***** auch daraus eine Einnahme, daß sie das Obst der Bäume im Hausgarten an ein Lagerhaus verkauften. Die Kirschen des im Hausgarten befindlichen Baumes wurden allerdings nicht an dieses Lagerhaus, sondern gegen geringes Entgelt an Nachbarn und Bekannte verkauft. Erst per 1.1.1995 verpachteten die Eheleute ihre landwirtschaftlichen Grundstücke an Anton und Josefa E*****.
Mit dem bekämpften Bescheid sprach die beklagte Partei aus, daß das Ereignis vom 30.6.1994 gemäß §§ 175 ff ASVG nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde.
Das Erstgericht gab der von der Klägerin dagegen erhobenen Klage Folge und sprach aus, daß die beklagte Partei das Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und der Klägerin die gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung zu erbringen habe.
Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß die Klägerin beim Pflücken der Kirschen für ihren landwirtschaftlichen Betrieb tätig gewesen sei. Da bei Landwirten lediglich der Zusammenhang zwischen dem Unfall und der landwirtschaftlichen Tätigkeit zu prüfen sei und es nicht auf die grundbücherliche Widmung einer bestimmten Grundstücksfläche ankomme, sei der Umstand, daß der Hausgarten nicht als landwirtschaftlicher Grund gewidmet gewesen sei, unmaßgeblich.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm sowohl die Feststellungen als auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes und führte hiezu noch ergänzend aus, daß die zum Unfall führende Tätigkeit der Klägerin im Rahmen der Urproduktion erfolgt sei.
Rechtliche Beurteilung
Die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte, gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige und von der Klägerin nicht beantwortete Revision der beklagten Partei ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.
1. Nach den vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen handelte es sich beim Hausgarten, in welchem der Kirschbaum stand, von dem die Klägerin beim Pflücken von Obst stürzte und sich verletzte - anders als in dem in SSV-NF 6/146 behandelten und veröffentlichten Fall - nicht um einen solchen, der nur zur häuslichen Versorgung bearbeitet wurde; dieser Garten diente vielmehr der Einnahmenerzielung durch Verkauf des Obstes im überwiegendem Ausmaß an das Lagerhaus, im geringeren Ausmaß (so auch den Kirschbaum betreffend) der ebenfalls entgeltlichen Veräußerung an Nachbarn und Bekannte. Schon daraus ergibt sich - worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat -, daß kein bloßer Annex zum Haushalt, sondern sehr wohl zum landwirtschaftlichen Betrieb zum Zeitpunkt des Unfallereignisses bestand, wie dies der Senat bereits in der Entscheidung SSV-NF 1/29 hervorgehoben hatte. Insoweit war das Pflücken der Kirschen hier tatsächlich der landwirtschaflichen Urproduktion zuzuzählen und stand damit unter dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz (vgl hiezu auch etwa SSV-NF 3/146, 10 ObS 89/89 und 10 ObS 49/96 - letztere beide nicht veröffentlicht). Die Entscheidung steht damit auch nicht in Widerspruch zu jener vom Senat erst jüngst am 22.10.1996 zu 10 ObS 2390/96k gefällten, worin der Sturz eines Eisen- und Maschinenhändlers von einem Baum im Garten des Wohnhauses anläßlich des Erntens von Nüssen nicht als Arbeitsunfall anerkannt wurde, weil dort - anders als hier - die eigenwirtschaftlichen Gesichtspunkte ganz eindeutig im Vordergrund gestanden waren: Das Ernten der Nüsse an einem Feiertag war nämlich (so die Prozeßbehauptungen und Feststellungen) vom Versicherten lediglich in der Absicht erfolgt, einem Freund und Geschäftspartner, der dem Kläger gefälligerweise gelegentlich seine Werkstätte zur Durchführung vereinzelter Reparaturen zur Verfügung stellte, diese Nüsse zu schenken, "um sich sein Wohlwollen zu erhalten".
2. Dennoch ist die Rechtssache - auch wenn die Vorfrage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, zu bejahen ist - noch nicht im Sinne einer Bestätigung der Entscheidungen der Vorinstanzen spruchreif, weil der - mangels gestellten Klagebegehrens amtswegig formulierte und vom Berufungsgericht unbeanstandet übernommene - Spruch des Ersturteils nicht dem Gesetz entspricht. Ein Anspruch darauf, daß die Beklagte einen Unfall als Arbeitsunfall "anerkenne", besteht nicht; der Zuspruch von "gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung" (gemeint offenbar im Sinne der §§ 189 ff ASVG) ist völlig unbestimmt. Ein derartiger Spruch ist auch nicht umdeutbar in ein Feststellungsbegehren, weil die Urteile der Vorinstanzen keine Tatsachenfeststellungen über eine Gesundheitsstörung (als Folge ihres Arbeitsunfalles) im Sinne des § 65 Abs 2 ASGG - zumindest bei Schluß der Verhandlung erster Instanz - enthalten (ausführlich SSV-NF 8/14). Ebenfalls wurden keine Tatsachenfeststellungen getroffen, die die Ermittlung einer konkreten Versehrtenrente nach § 203 Abs 1 ASVG ermöglichen würden (SSV-NF 8/81). Da - wie ausgeführt - bei der gesetzlichen Unfallversicherung mehrere Leistungsansprüche in Frage kommen, wird die Klägerin (erforderlichenfalls durch richterliche Anleitung) dazu anzuhalten sein, in ihrer Klage - selbst unter den geminderten Anforderungen an die Bestimmtheit des Begehrens nach § 82 Abs 2 bis 5 ASGG - die konkrete Leistung zu bezeichnen, auf die sie ihre Klage gerichtet haben möchte (SSV-NF 1/35, 7/43).
Aus diesem Grunde waren die Urteile der Vorinstanzen zur Gänze aufzuheben und die Sache - in Stattgebung der Revision - an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Ein Kostenvorbehalt hatte zu entfallen, weil sie die Klägerin weder am Berufungs- noch am Revisionsverfahren beteiligt hat.
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