OGH 10ObS2390/96k

OGH10ObS2390/96k22.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinz Paul und Dr.Ernst Oder (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing.Herbert S*****, Geschäftsmann, ***** vertreten durch Dr.Karl Trindorfer, Rechtsanwalt in Enns, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4.Juli 1996, GZ 11 Rs 107/96a-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 6.Oktober 1995, GZ 24 Cgs 53/95f-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 23.11.1953 geborene Kläger ist Inhaber der Firma E***** in K***** und betreibt einen Eisen- und Maschinenhandel. Er hat eine Gewerbeberechtigung für den Handel mit Waren aller Art, die auch die Durchführung kleinerer Reparaturen umfaßt. Etwa zehnmal im Jahr repariert er in einer ihm von Ing.Franz W*****, den er seit der Schulzeit kennt und mit dem er befreundet ist, zur Verfügung gestellten Werkstätte verkaufte Sägeblätter. Dort wird ihm ein Platz an einer Werkbank zur Verfügung gestellt, eine Entgeltleistung dafür wurde nicht vereinbart. Da der Kläger diese Reparaturen teilweise außerhalb der üblichen Geschäftszeiten durchführte und sich das Wohlwollen seines Freundes, dem er auch Waren zu üblichen Preisen verkaufte, erhalten wollte, brachte er diesem von Zeit zu Zeit Walnüsse aus dem Garten seines Wohnhauses. Auch am 26.Oktober 1994 (Nationalfeiertag) war der Kläger bei der Nußbaumernte in seinem Garten tätig. Er stieg auf den Nußbaum, um mit seinem Körpergewicht Äste zu schütteln. Er rutschte von der Leiter ab und verletzte sich dabei. Die an diesem Tag geernteten Walnüsse wollte er Ing.W***** bringen; er sah dies als Gegenleistung für die Benützung der Werkbank an. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf Grund der Unfallverletzungen betrug ab 30.11.1994 durch vier Monate 20 v.H.

Mit Bescheid vom 15.3.1995 lehnte die Beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt den Anspruch auf Entschädigung aus Anlaß dieses Unfalls ab, weil die zum Unfall führende Tätigkeit anläßlich der Nußernte in keinem Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden selbständigen Erwerbstätigkeit gestanden sei und deshalb ein Arbeitsunfall nicht vorliege.

Das Erstgericht gab dem dagegen erhobenen Klagebegehren statt und erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger aus Anlaß des Arbeitsunfalles eine Versehrtenrente von 20 v.H. der Vollrente für die Zeit vom 27.12.1994 bis 31.3.1995 samt Familiengeld für drei Angehörige jeweils im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen. Der Unfallversicherungsschutz eines selbständig Erwerbstätigen erstrecke sich auf jede Tätigkeit, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung oder Abwicklung der selbständigen Existenz diene. Der Kläger habe mit der Übergabe der Nüsse an seinen Freund den Zweck verfolgt, sich dessen Wohlwollen zu erhalten. Die Reparaturarbeiten in dessen Werkstätte sei für den Kläger nutzbringend. Die Nußernte habe daher wesentlich seinen betrieblichen Interessen gedient und stehe unter Unfallversicherungsschutz.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Die Unfallversicherung beziehe vor allem die Gefahr in ihren Schutzbereich ein, denen ein Versicherter als Erwerbstätiger ausgesetzt sei. Die Tätigkeit müsse einem vernünftigen Menschen als Ausübung der Erwerbstätigkeit erscheinen und sie müsse vom Handelnden selbst in dieser Absicht entfaltet werden. Bei Selbständigen seien als Ausübung der Erwerbstätigkeit alle diejenigen Verrichtungen anzusehen, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienen. Bei Tätigkeiten, die sowohl eigenwirtschaftlichen als auch betrieblichen Interessen dienen (gemischte Tätigkeiten) sei unter diesen Voraussetzungen Versicherungsschutz gegeben, wenn der dem Unternehmen dienende Teil nicht einen Nebenzweck darstelle, sondern ein wesentlicher Anlaß für die gemischte Tätigkeit sei. Die betrieblichen Interessen dürften daher gegenüber den privaten nicht erheblich in den Hintergrund treten. Bei objektiver Betrachtung stelle sich die Nußernte des Klägers im Garten seines Wohnhauses an einem Feiertag nicht als eine Ausübung der Erwerbstätigkeit eines Handelsunternehmers dar. Zwar könnten auch Verrichtungen, die nicht unmittelbar im Betrieb, sondern nebenher zur mittelbaren Förderung des Betriebes vorgenommen werden wie zum Beispiel zur Werbung, zum Kundendienst oder zur Pflege des geschäftlichen Ansehens dem Schutz der Unfallversicherung unterstehen; der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit müsse jedoch auch bei diesen Verrichtungen gegeben sein. Bei unternehmensfremden Gefälligkeitsdiensten müsse deshalb zur Bejahung des Versicherungsschutzes die Gefälligkeit als Kundendienst eng mit dem Betrieb zusammenhängen. Der Zusammenhang zwischen der unternehmensfremden Leistung (Nußernte) und dem Betrieb des Klägers (Eisen- und Maschinenhandel mit Durchführung kleinerer Reparaturen) sei zu weit, um einen Versicherungsschutz zu begründen. Der Unfall sei daher dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 175 Abs 1 ASVG sind Arbeitsunfälle solche Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigungen ereignen. Der Versicherungsschutz der in der Unfallversicherung teilversicherten selbständig Erwerbstätigen wird nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG durch die Mitgliedschaft zu einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft erworben und erstreckt sich daher auf Tätigkeiten, die im oben genannten Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft bildet. In diesem Rahmen ist ein selbständiger Erwerbstätiger gegen alle Gefahren geschützt, denen er in dieser Rolle ausgesetzt ist. Im Vordergrund stehen dabei sogenannte Ausübungshandlungen, das sind Tätigkeiten, die einem vernünftigen Menschen als Ausübung der Erwerbstätigkeit erscheinen (objektive Bedingung) und die vom Handelnden in dieser Intention entfaltet werden (subjektive Bedingung). Als Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit sind daher alle durch die Gewerbeberechtigung gedeckten Tätigkeiten abzusehen, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienen (SSV-NF 4/32 mwN, 8/31; zuletzt 10 ObS 2095/96b). Der Unfallversicherungsschutz ist aber dabei keineswegs nur auf berufsspezifische Tätigkeiten eingeschränkt: So wurde etwa in der Entscheidung SSV-NF 2/107 ausgesprochen, daß ein selbständiger technischer Zeichner, der die Einrichtungsgegenstände seines Büros ausbessert, bei dieser Tätigkeit unter Unfallversicherungsschutz steht, weil eine zweckmäßige, den beruflichen Notwendigkeiten angepaßte Büroausstattung Voraussetzung für die Abwicklung der selbständigen Existenz ist. In der Entscheidung SSV-NF 8/81 hielt der Senat die Befestigung einer vom Sturm heruntergerissenen Rohrmatte an einem Maschendrahtzaun, der die Zufahrt zum Lagerraum eines Obst- und Gemüsehändlers sicherte, als unfallversicherungsgeschützte Tätigkeit, weil diese Zufahrt wesentlich betrieblichen Zwecken diente und die Tätigkeit, die der Kläger dort entfaltete, mit dem Gewerbebetrieb in einem engen Zusammenhang stand.

Derartige Zurechnungskriterien fehlen jedoch bei der hier zu beurteilenden Tätigkeit des Klägers, der an einem Feiertag in seinem Garten Nüsse erntete. Bei objektiver Betrachtung stehen bei einer solchen Tätigkeit eigenwirtschaftliche Gesichtspunkte ganz im Vordergrund. Daran ändert nichts der Umstand, daß der Kläger beabsichtigte, diese Nüsse seinem Freund und Geschäftspartner zu schenken, um sich dessen Wohlwollen zu erhalten und auch in Zukunft wieder kleinere Reparaturarbeiten in dessen Werkstätte ohne Entgeltleistung vornehmen zu können. Das Ernten von Nüssen für den Freund und Geschäftspartner stellte eine unternehmensfremde Gefälligkeitsleistung dar. Es soll nicht verkannt werden, daß ein Versicherter bei Verrichtungen, die nicht unmittelbar in seinem Betrieb, sondern nebenher zur mittelbaren Förderung des Betriebes vorgenommen werden, wie zum Beispiel zur Werbung, zum Kundendienst oder zur Pflege des geschäftlichen Ansehens, dem Schutz der Unfallversicherung unterstehen kann. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit muß jedoch auch bei diesen Verrichtungen gegeben sein. Die Abgrenzung des Versicherungsschutzes ist in solchen Fällen schwierig. Würde man allerdings den Rahmen weiter ziehen und den Versicherungsschutz für unternehmensfremde Gefälligkeitsleistungen anerkennen, die lediglich aus Anlaß der auf den Geschäftsbeziehungen beruhenden Bekanntschaft erwiesen werden, so wäre eine klare Scheidung von versicherten Tätigkeiten und privaten Handlungen unter Menschen, die auch geschäftliche Beziehungen unterhalten, kaum noch möglich; dann wäre es unter Umständen geboten, die Betätigung in Vereinen und Gesellschaften verschiedener Art, die Teilnahme an lokalen geselligen Veranstaltungen und dergleichen mehr als Auswirkung des Unternehmens unter Versicherungsschutz zu stellen. Bei unternehmensfremden Gefälligkeitsdiensten muß deshalb zur Bejahung des Versicherungsschutzes die Gefälligkeit als Kundendienst eng mit dem Betrieb zusammenhängen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie in unmittelbarer Verbindung zu bestimmten, kurz vorher getätigten oder bald bevorstehenden Geschäftsabschlüssen steht (SSV-NF 6/21 mwN).

In dem hier zu beurteilenden Fall ist der Zusammenhang der unternehmensfremden Gefälligkeitsleistung (Nußernte) mit dem Betrieb des Klägers nach Ansicht des Senates zu locker, um Versicherungsschutz begründen zu können. Nach den Feststellungen hatte der Kläger für die gelegentliche Benützung der Werkstatt eines Freundes und Geschäftspartners kein Entgelt zu leisten. Das Ernten von Nüssen in der Absicht, ihm diese Nüsse zu schenken, um sich sein Wohlwollen zu erhalten, ist unter den dargestellten Umständen als eigenwirtschaftliche Tätigkeit zu betrachten und steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallsversicherung.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 lit b ASGG.

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