Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 14.11.1938 geborene Kläger hat nach Beendigung der Pflichtschule keine qualifizierte Berufsausbildung erfahren. Nach Beschäftigung im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb 1952 bis 1958 wurde er im Dezember 1958 bei der Raiffeisenkasse W***** als Bürohilfe angestellt, innerbetrieblich zum Bürokaufmann eingeschult und avancierte dort zuletzt zum Geschäftsleiter samt einer weiteren Filiale, wobei er diese leitende Tätigkeit - zusammen mit einem weiteren Geschäftsstellenleiter - über 16 Angestellte und drei Putzfrauen in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1.2.1995) ausgeübt hat. Laut Anforderungsprofil erfolgt die Bewältigung dieser Tätigkeit in geschlossenen temperierten Räumen und ist nur mit einer leichten körperlichen Beanspruchung verbunden. Ein forciertes Arbeitstempo ist berufstypischerweise fallweise zur Abdeckung von Belastungsspitzen (Terminarbeit, Kundenkontakt, Mitarbeiter) zu erbringen.
Aufgrund der vom Erstgericht im einzelnen festgestellten Leidenszustände kann der Kläger - im Rahmen des festgestellten Leistungskalküls - noch ganztägig leichte und im Ausmaß eines halben Arbeitstages auch mittelschwere Tätigkeiten verrichten, welche im Sitzen, Stehen und Gehen, im Freien sowie in geschlossenen Räumen unter Einhaltung der üblichen Ruhepausen ausgeübt werden können und auch Tätigkeiten mit Fingergeschicklichkeit einschließen. Das Heben und Tragen leichter Lasten ist in vollem Umfang möglich, hinsichtlich mittelschwerer Lasten nur für ein Drittel eines Arbeitstages. Die Benützung von Steighilfen ist zumutbar. Ein forciertes Arbeitstempo ist halbtägig, ein normales Arbeitstempo ganztägig zumutbar. Krankenstände sind (offenbar umgelegt auf ein Jahr) für zwei Wochen prognostiziert.
Ein Ortswechsel ist dem Kläger nicht mehr zumutbar, er ist jedoch in der Lage, zum Erreichen des Arbeitsplatzes öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.
Mit Bescheid vom 9.6.1995 hat die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 9.1.1995 auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 270 iVm § 253d ASVG abgewiesen.
In seiner Klage stellte der Kläger das Begehren auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, gerichtet auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 12.2.1995 ab. Ausgehend von den einleitend zusammengefaßt wiedergegebenen Feststellungen kam es zum rechtlichen Ergebnis, daß der Kläger entsprechend dem Anforderungsprofil die Berufsaufgaben eines RAIKA-Geschäftsleiters ohne Gefährdung seiner Gesundheit weiterhin ausüben könne.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Da dem Kläger Tagespendeln möglich sei, könne er einen Arbeitsplatz als Geschäfts- oder Zweigstellenleiter von seinem Heimatort W***** aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne weiteres in E*****, A*****, L*****, S*****, D***** und gegebenenfalls sogar in G***** erreichen, sodaß von einem ausreichenden regionalen Arbeitsmarkt auszugehen sei. Da der Kläger bis zu einem halben Tag auch forciertem Arbeitstempo gewachsen sei, sei er auch in der Lage, fallweise Belastungsspitzen abzudecken.
Rechtliche Beurteilung
In der gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässigen, auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten und von der beklagten Partei nicht beantworteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Klagsstattgebung.
Die Rechtsrüge läßt sich hiebei dahingehend zusammenfassen, daß über das konkrete Ausmaß forcierter Arbeitstätigkeit Feststellungen fehlten; überdies sei aufgrund der hohen persönlichen Verantwortung eines Filialleiters und der solidarischen Haftung für aus der Nichterfüllung von Obliegenheiten resultierende Schäden die psychische Belastung in einem derartigen Beruf überdurchschnittlich groß. Außerdem sei ihm ein Ortswechsel in eine andere Region nicht möglich und gebe es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes auch keinen ausreichenden regionalen Arbeitsmarkt für die Berufsgruppe des Klägers.
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof folgendes erwogen:
1. Zunächst ist auf den bereits angesprochenen Widerspruch zwischen seinem Antrag im Pensionsakt, der auch zum abschlägigen Bescheid führte, und dem Klagebegehren hinzuweisen. Während der Antrag bei der beklagten Partei vom 9.1.1995 ausdrücklich auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit - also nach § 270 iVm § 253d ASVG - gerichtet war (Blatt 21 des Pensionsaktes) und die beklagte Partei auch über diesen sodann bescheidmäßig erkannte, ist das (auch späterhin nie richtiggestellte) Klagebegehren auf die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension (also einer solchen nach § 271 ASVG) gerichtet. Ohne Erörterung dieses Umstandes haben beide Vorinstanzen jedoch das Begehren als solches gerichtet auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit verstanden und geht der Kläger auch selbst in seiner Revision (letzter Absatz in S. 3 = AS 135) hievon aus, wenngleich der Rechtsmittelantrag - weiterhin - auf Stattgebung des Klagebegehrens (und damit Gewährung einer "Berufsunfähigkeitspension") gerichtet ist. Dabei handelt(e) es sich jedoch offensichtlich um eine bloße dem Schriftsatzverfasser unterlaufene Ungenauigkeit in der gewählten Terminologie und nicht um ein vom vorangegangenen Bescheidverfahren bewußt begehrtes Aliud-Begehren. Dies ergibt sich unzweifelhaft auch bereits aus dem Rubrum im Klagsschriftsatz, in welchem in der Zeile "wegen" ausdrücklich "vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit" geschrieben ist und dies auch sowohl im Berufungsals auch im nunmehr verfahrensgegenständlichen Revisonschriftsatz so beibehalten wurde.
Insoweit unterscheidet sich dieser Fall damit auch von jenem zu 10 ObS 23/96, in welchem der beklagte Sozialversicherungsträger einem ausdrücklich eine Berufsunfähigkeitspension begehrenden Kläger bescheidmäßig (und damit vom Antrag abweichend) eine vorzeitige Alterspension (nach § 253a iVm § 270 ASVG) zugesprochen hatte und die sodann hiegegen erhobene Klage ausdrücklich (abermals) auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension gerichtet war. Die Entscheidung der Vorinstanzen hier steht jedoch nach dem Vorgesagten sowohl mit dem Antrag im Versicherungsakt als auch mit dem gesamten seit Klagseinbringung vom Kläger erstatteten Sach- und Rechtsvorbringen im Einklang.
2) Die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253d ASVG) wurde als neue Leistung der Pensionsversicherung durch die 51. ASVG-Novelle BGBl 1993/335 ab 1.7.1993 geschaffen (siehe hiezu auch die Erwägungen des Gesetzgebers in der RV 932 BlgNR 18 GP, 49). Anspruch auf diese hat danach ein Versicherter ua dann, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande ist, durch diese Tätigkeit wenigstens die Hälfte des Entgelts zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt (Abs 1 Z 4). Diese Bestimmung gilt gemäß § 270 ASVG auch in der Pensionsversicherung der Angestellten.
Im Falle des Klägers ist nun - nach den maßgeblichen Feststellungen der Tatsacheninstanzen - davon auszugehen, daß er tatsächlich jedenfalls ganztägig körperlich leichte Arbeiten (wie sie im Sinne des Anforderungsprofils lediglich anfallen) in geschlossenen Räumen bei normalem ganztägigen Arbeitstempo verrichten kann. Einem ebenfalls laut Anforderungsprofil berufstypisch nur fallweise (zur Abdeckung von Leistungsspitzen) geforderten forcierten Arbeitstempo ist er jedenfalls halbtägig gewachsen. Öffentliche Verkehrsmittel zum Erreichen des Arbeitsplatzes sind uneingeschränkt zumutbar. Schon aus dieser Zusammenfassung der entscheidungserheblichen Leistungskalkülbewertung ergibt sich, daß es beim Kläger an der Voraussetzung des § 253d Abs 1 Z 4 ASVG mangelt. Die Behauptung, daß bei ihm - offenbar gemeint zusätzlich - auch noch die besondere psychische Belastung aus der hohen persönlichen Verantwortung eines Filialleiters zu berücksichtigen sei, muß schon an dem nach der ständigen Rechtsprechung des Senates auch im Rechtsmittelverfahren in Sozialrechtssachen geltenden Neuerungsverbot scheitern (SSV-NF 1/45, 3/111, 4/24, 8/60). Bereits aufgrund des medizinischen Leistungskalküls braucht damit auch nicht auf die vom Berufungsgericht - unter Nennung der auch gerichtsbekannterweise im geographischen Umfeld des Wohnortes des Klägers gelegenen Bezirksstädte sowie der Landeshauptstadt eingegrenzte - näher ausgeführte Frage, ob ihm auch in diesem Bereich gegebenenfalls durch ein (ihm auch zumutbares) tägliches öffentliches Verkehrsmittel erreichbare adäquate Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, eingegangen zu werden.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)