Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin hat vom 1. 1. bis 31. 12. 2007 Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 5.303,45 EUR für ein Pflegekind bezogen, das am 1. 11. 2005 geboren und vom Jugendwohlfahrtsträger seit 31. 5. 2006 bei der Klägerin untergebracht worden war.
Laut Einkommensteuerbescheid vom 25. 9. 2008 betrug der Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin im Jahr 2007 12.033,79 EUR. Dieser Betrag setzt sich aus Leistungen der Pensionsversicherungsanstalt (9.846,39 EUR) und der Oberösterreichischen Energie AG (481,44 EUR) sowie 4.289,96 EUR abzüglich Werbungskosten von 2.584 EUR für die Tätigkeit als Pflegemutter zusammen. Nach Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen weist der Bescheid für das Jahr 2007 ein Einkommen von 9.240,25 EUR aus.
Mit Bescheid vom 28. 10. 2011 widerrief die beklagte Partei das der Klägerin für den Zeitraum des Kalenderjahres 2007 zuerkannte Kinderbetreuungsgeld und verpflichtete die Klägerin zur Rückzahlung binnen vier Wochen, weil der gemäß § 8 KBGG für das Jahr 2007 maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte 15.643,93 EUR betrage und den für das Jahr 2007 geltenden Grenzbetrag gemäß § 2 Abs 1 Z 3 KBGG von 14.600 EUR übersteige.
Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt und sprach aus, dass der Anspruch der beklagten Partei auf Ersatz der Leistung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum 1. 1. bis 31. 12. 2007 in Höhe von 5.303,45 EUR nicht zu Recht bestehe.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf. Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 ObS 147/09d folgend, von der abzuweichen die Ausführungen des Erstgerichts keinen Anlass böten, überschritten die Einkünfte der Klägerin aus unselbständiger Arbeit im Jahr 2007 (§ 8 Abs 1 Z 1 KBGG) die Zuverdienstgrenze von 14.600 EUR, weil weder Sonderausgaben noch außergewöhnliche Belastungen von den Einkünften abzuziehen seien. Unter Zugrundelegung des Gesamtbetrags der Einkünfte der Klägerin im Jahr 2007 von 12.033,79 EUR errechne sich gemäß § 8 Abs 1 Z 1 KBGG der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte mit 15.643,93 EUR. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei die geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze für sie nicht unvorhersehbar im Sinne der KBGG-Härtefälle-VO idF BGBl II 2004/91 gewesen. Die Klägerin begründe die „Unvorhersehbarkeit“ alleine mit der nicht vorhersehbaren Dauer der von ihr übernommenen Krisenpflege für das Kind, für das sie Kinderbetreuungsgeld bezogen habe. Das hiefür von ihr im Jahr 2007 erzielte Entgelt (laut Einkommensteuerbescheid 4.289,96 EUR) sei keinen (monatlichen) Schwankungen unterworfen gewesen. Vielmehr habe die Klägerin nach ihren eigenen Behauptungen monatlich regelmäßig als Angestellte ein Viertel des festgesetzten Erziehergehalts bezogen. Sie habe daher die Zuverdienstgrenze unabhängig von der Dauer der Krisenpflege in jedem einzelnen Monat des Jahres 2007 überschritten. Sie habe daher entweder ihre zu erwartenden Einkünfte aus ihrer unselbständigen Erwerbstätigkeit nicht geprüft oder ihrer Berechnung eine falsche Kalkulation zugrunde gelegt. Beide Gründe seien aber nicht geeignet, die Unvorhersehbarkeit der Überschreitung der Zuverdienstgrenze zu begründen. Da der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 8 Abs 1 Z 1 KBGG in der Stammfassung unter Berücksichtigung jener Einkünfte, die während der Kalendermonate mit Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes zugeflossen seien, und die Summe dieser während der Anspruchsmonate zugeflossenen Einkünfte (erhöht um 30 % bzw bei Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe um 15 %) durch die Anzahl dieser Anspruchsmonate zu teilen und mit zwölf zu vervielfachen sei (vgl RIS-Justiz RS0124063), habe die Klägerin die Zuverdienstgrenze nicht wegen der Dauer der Pflege, sondern allein wegen der insgesamt im Jahr 2007 monatlich regelmäßig zu hoch erzielten Einkünfte überschritten. Dem Argument des Erstgerichts, der Klägerin könne nicht vorgeworfen werden, unter Außerachtlassung des Kindeswohls ihre Tätigkeit als Krisenpflegemutter und damit als Angestellte des Vereins Pflege- und Adoptiveltern Oberösterreich vorzeitig zu beenden, sei daher aus rechtlicher Sicht der Boden entzogen. Das Wohl des Kindes könne nicht dazu führen, dass jemand, der zum Wohl eines Kindes seine Tätigkeit verrichte, bei Beurteilung der Frage, ob er mit seinen Einkünften die Zuverdienstgrenze im Anspruchszeitraum des Kinderbetreuungsgeldes überschritten habe, anders behandelt werde als ein Leistungsempfänger, der eine andere Tätigkeit verrichte. Die Klägerin habe daher gemäß § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG das unberechtigt empfangene Kinderbetreuungsgeld zurückzuzahlen. Die Sache sei jedoch noch nicht spruchreif, weil das Vorliegen der Billigkeitsvoraussetzungen für die Möglichkeit der Ratengewährung gemäß § 89 Abs 4 ASGG noch zu prüfen sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob die unvorhersehbare Dauer eines Arbeitsverhältnisses und die Unzumutbarkeit der Beendigung desselben im Einzelfall das Kriterium der „Unvorhersehbarkeit“ begründen könne, noch nicht auseinandergesetzt habe.
Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erhebt die Klägerin einen „ordentlichen Rekurs“ und zugleich einen „außerordentlichen Rekurs“ weil das Berufungsgericht den „ordentlichen Rekurs an den OGH“ nur zu einer Rechtsfrage zugelassen habe.
Rechtliche Beurteilung
1. Das Rechtsmittel gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts im Berufungsverfahren ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof, wenn das Berufungsgericht diesen zugelassen hat (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO). Der Rekurswerber kann in diesem Rechtsmittel auch erhebliche Rechtsfragen geltend machen, die vom Berufungsgericht nicht als erheblich angesehen wurden (5 Ob 294/03a). Die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels durch die klagende Partei schadet nicht (§ 84 Abs 2 letzter Satz ZPO).
2. Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) mangels einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
3. Der Oberste Gerichtshof hat in der ausführlich begründeten Entscheidung 10 ObS 147/09d zu § 8 Abs 1 Z 1 KBGG in der auch im zu entscheidenden Fall anzuwendenden Stammfassung (BGBl I 2001/103) ausgesprochen, dass Ausgaben im Rahmen von Sonderausgaben gemäß § 18 EStG 1988, außergewöhnlichen Belastungen gemäß §§ 34 f EStG 1988 sowie die Freibeträge gemäß §§ 104 f EStG nicht abgezogen werden dürfen. Die den im Wesentlichen auf Gesetzesmaterialien beruhenden Erwägungen des Erstgerichts folgenden Ausführungen der Rekurswerberin vermögen nicht zu überzeugen. Hiezu genügt es auf die Ausführungen in der Entscheidung 10 ObS 147/09d zu verweisen. Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 KBGG in der Stammfassung ist bei der Ermittlung des „maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs 1 Z 3)“ für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG 1988) von „jenen Einkünften auszugehen, die während der Kalendermonate mit Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes (Anspruchszeitraum) zugeflossen sind“. Da das Gesetz auf die Einkünfte und nicht auf das zu versteuernde Einkommen abstellt, ist hinreichend deutlich, dass nach Einkommensteuerrecht Einkünfte mindernde Ausgaben wie Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinn des § 8 Abs 1 Z 1 KBGG nicht zu berücksichtigen sind.
Gesetzesmaterialien haben keine normative Kraft. Schließlich halten die ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 13 fest, dass es sich bei den Erläuterungen zur Stammfassung des KBGG (ErläutRV 620 BlgNR 21. GP 61), wonach bei der Aufgliederung des 30%igen Zuschlags auch die „Sonderausgaben“ als Bestandteil der Pauschale genannt wurden, um ein Redaktionsversehen gehandelt hat. Im Übrigen erwähnen die zuletzt genannten Erläuterungen „außergewöhnliche Belastungen“ gar nicht als Bestandteil des pauschalen Zuschlags.
4. Die Frage, ob eine bloß geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze eine „unvorhersehbare“ Überschreitung im Sinn des § 1 lit a KBGG-Härtefälle-VO (BGBl II 2004/91) darstellt, und auch die Frage des zumutbaren Sorgfaltsmaßstabs können nur einzelfallbezogen gelöst werden und bilden in der Regel keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen (10 ObS 111/11p uva). Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen Leitlinien für die Beurteilung der Unvorhersehbarkeit im Sinn des § 1 lit a KBGG-Härtefälle-VO (BGBl II 2004/91) aufgestellt, denen das Berufungsgericht gefolgt ist. Nach diesen liegt das Kriterium der Unvorhersehbarkeit vor, wenn die Überschreitung der Zuverdienstgrenze trotz Anlegung eines zumutbaren Sorgfaltsmaßstabs nicht erkannt werden konnte. Dabei trifft den Leistungsbezieher eine Überprüfungspflicht hinsichtlich der Höhe der zu erwartenden Einkünfte (RIS-Justiz RS0124751). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt nicht einmal eine durch eine unrichtige Rechtsauskunft oder durch eine nicht vorwerfbare unrichtige Berechnung des maßgebenden Gesamtbetrags der Einkünfte hervorgerufene geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze eine „unvorhersehbare“ Überschreitung dar. Mag auch weder für die Klägerin noch für den Jugendwohlfahrtsträger zu Beginn des Jahres 2007 vorhersehbar gewesen sein, dass das Obsorgeverfahren und die damit verbundene Unterbringung des Kindes bei der Klägerin das ganze Jahr 2007 über dauern werde, so unterlagen doch die monatlichen Einkünfte der Klägerin keinen Schwankungen. Ab wann die Zuverdienstgrenze überschritten sein würde, konnte die Klägerin ermitteln. Im Übrigen kann auf die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichts verwiesen werden.
5. Der im vorliegenden Verfahren relevante Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG stellt ausschließlich auf die objektive Überschreitung der Zuverdienstgrenze ab, die anhand der Meldung der Einkunftsdaten durch die Abgabenbehörde an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse ermittelt wird, und nicht auf rückwirkend festgestellte Tatsachen im Sinn des § 31 Abs 2 erster Halbsatz KBGG. Für die Heranziehung des § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG ist nicht das zusätzliche Vorliegen eines der Rückforderungstatbestände des ersten Satzes des § 31 Abs 2 KBGG erforderlich (10 ObS 4/13f). Aus der Rechtsprechung zum Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 2 erster Halbsatz KBGG, wonach ein Rückforderungsanspruch nicht besteht, wenn dem Krankenversicherungsträger bei der Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes bereits alle für die Gewährung maßgebenden Umstände bekannt waren und er - etwa aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht oder einer unrichtigen Berechnung - trotzdem das Kinderbetreuungsgeld auszahlt und er erst nachträglich die Unrichtigkeit der Gewährung bemerkt (vgl RIS-Justiz RS0126122), ist daher für die Klägerin nichts zu gewinnen.
6. Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 ASGG.
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