OGH 10ObS17/04d

OGH10ObS17/04d16.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Marjan V*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft mbH in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. November 2003, GZ 8 Rs 88/03b-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. März 2003, GZ 34 Cgs 154/02d-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 8. 12. 1948 geborene Kläger war von 1971 bis 12. 6. 2002, somit auch im maßgebenden Zeitraum in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. 5. 2002), als LKW-Fahrer beschäftigt. Er besitzt eine Lenkerberechtigung der Klassen A, B, C und F und hat unter anderem auch Auslandsfahrten nach Ungarn, Deutschland, Frankreich, Belgien, Slowenien und Kroatien unternommen.

Der Kläger ist aufgrund seiner im Einzelnen festgestellten gesundheitlichen Leiden nur mehr in der Lage, leichte Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen im Freien sowie in geschlossenen Räumen unter Einhaltung der üblichen Arbeitszeiten und Ruhezeiten zu verrichten, wobei Hebe- und Tragearbeiten auf Lasten von 10 kg beschränkt werden müssen. Hebearbeiten sind um ein Drittel zu verringern. Ständige Überkopfarbeiten und ständige Arbeiten in gebückter Körperhaltung, Arbeiten an exponierten Stellen sowie Akkord- und Fließbandarbeiten sind zu vermeiden. Ein forciertes Arbeitstempo ist ganztägig möglich. Der Kläger ist nicht schulbar, jedoch noch anlernbar. Ortswechsel und Wochenpendeln sind zumutbar. Das Lenken eines Fahrzeuges mit allen Bedienungsvorgängen ist möglich.

Berufskraftfahrer sind in der Regel ungelernte, in Fahrschulen kurzfristig ausgebildete Arbeitskräfte, die im Besitz des entsprechenden Führerscheins sind. Seit dem Jahr 1987 besteht die Möglichkeit, diesen Beruf im Rahmen einer Lehrausbildung zu erlernen. Die Aufgabe von Berufskraftfahrern besteht darin, Kraftfahrzeuge verschiedener Kategorien (PKW, LKW, Tankwagen) zu lenken und mit diesen Personen, Tiere oder unterschiedlichste Güter zu befördern. Der Kraftfahrer übernimmt vom Arbeitgeber die Aufträge, Papiere und Lieferscheine, kontrolliert das Kraftfahrzeug auf Fahrbereitschaft und Verkehrssicherheit, nimmt Eintragungen in das Fahrtenbuch vor und bedient den Diagrammschreiber. Allenfalls be- und entlädt er das Kraftfahrzeug, ist jedenfalls aber für die ordnungsgemäße Verladung der zu transportierenden Güter verantwortlich. Unter Beachtung der Straßenverkehrsordnung fährt er bei Bedachtnahme auf die Bodenverhältnisse und das Ladegut mit angepasster Geschwindigkeit zum Bestimmungsort. Dort angekommen, sorgt er für die Entladung des Fahrzeuges durch händisches oder maschinelles Abladen, Kippen der Ladefläche oder Abpumpen. Im Personenverkehr nimmt er an Haltestellen, Taxiständen, über Funk/Telefon herbeigerufen vor Ort Fahrgäste auf, hilft beim Ein- und Aussteigen, führt diese an das gewünschte Ziel, nimmt das Inkasso vor und erteilt im Bedarfsfall Auskünfte. Nach dem Dienstende erfolgt die Verrechnung des Inkassos. Neben der dominanten Lenkertätigkeit kommen auch noch Wartungs- und Reinigungsarbeiten sowie die Durchführung kleinerer Reparaturen am Fahrzeug hinzu (Rahmen, Karosserie, Motor, Auspuffanlage, Batterie, Zündanlage, Lichtanlage, Filter, Reifen, Felgen, Kraftübertragungsanlage, Bremsanlage). Qualifizierte Berufskraftfahrer sind überdies in der Lage, selbständig die Strecken- und Terminplanung vorzunehmen, die für die jeweilige Beförderung erforderlichen Papiere zu handhaben und besitzen Grundkenntnisse über die wesentlichen Versicherungen, kraftfahrtechnische Vorschriften, die wichtigsten in- und ausländischen Verkehrswege, den Transport von Gefahrengut, die ordnungsgemäße Verladung und Kennzeichnung derselben etc.

Aufgrund seines Leistungskalküls und insbesondere der notwendigen Beschränkung von Hebearbeiten ist der Kläger nicht mehr in der Lage, den Anforderungen der Berufsaufgaben eines Berufskraftfahrers ohne Gefährdung seiner Gesundheit gerecht zu werden. Bei einem auf die Berufsgruppe der Berufskraftfahrer eingeschränkten Verweisungsfeld kommt trotz der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem Arbeitsmarkt noch die Tätigkeit eines Dienstwagenfahrers in Betracht. Diese Arbeitnehmer sind in Fahrschulen ausgebildete Arbeitskräfte, die im Besitz des entsprechenden Führerscheins (Klasse B) sind und auch eine entsprechende Praxis aufweisen. Die Aufgabe dieser auch unter den Berufsbezeichnungen "Chauffeur", "Dienstwagenfahrer/ Direktionsfahrer" oder "Vorstandsfahrer" tätigen Arbeitnehmer liegt darin, Personenkraftwagen verschiedener Typen zu lenken und damit Privatpersonen oder Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik unter Beachtung der verschiedenen gesetzlichen Vorschriften, besonderer Witterungs- und Straßenverhältnisse sowie unter Einhaltung vorgegebener Termine zu transportieren. Der Kraftfahrer übernimmt vom Arbeitgeber Dienstauftträge/-pläne und Papiere, kontrolliert das Kraftfahrzeug auf Fahrbereitschaft und Verkehrssicherheit, wählt die geeignetste Fahrroute aus und nimmt Eintragungen in das Fahrtenbuch vor. Unter Beachtung der Straßenverkehrsordnung fährt er bei Bedachtnahme auf die Bodenverhältnisse mit angepasster Geschwindigkeit zum Bestimmungsort. Dort angekommen begleitet er eventuell die zu chauffierende Person oder verbleibt bis zur Rückkehr derselben im Kraftfahrzeug. Neben der dominanten Lenkertätigkeit kommen auch noch Wartungs- und Reinigungsarbeiten am Fahrzeug hinzu (Batterie, Lichtanlage, Filter, Reifen, Bremsanlage, Kühler, Schmiermittel, Treibstoff etc).

Das Erstgericht wies das auf Gewährung einer Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 5. 2002 gerichtete Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass der Kläger zwar nicht mehr in der Lage sei, als angelernter Berufskraftfahrer weiterhin tätig zu sein. Doch selbst für den Fall, dass der Kläger Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer genieße, sei er nicht invalide, weil er auf die Tätigkeit eines Dienstwagenfahrers verwiesen werden könne. Für den Fall, dass kein Berufsschutz vorliege, sei der Kläger überdies auf die Tätigkeiten eines Wächters im Standpostendienst, eines Kassiers oder eines Telefonisten verweisbar. Der Kläger sei daher nicht invalide im Sinn des § 255 ASVG.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Eine Verweisung auf Teiltätigkeiten eines erlernten oder angelernten Berufes sei zulässig, wenn sich die Teiltätigkeit qualitativ hervorhebe und nicht bloß untergeordnet sei. Die Teiltätigkeit müsse insbesondere noch als Ausübung des erlernten oder angelernten Berufes angesehen werden können. Dabei sei neben dem festgestellten Inhalt der Tätigkeit auch die Einschulungs- oder Einweisungszeit, die ein ungelernter Arbeiter benötige, um solche Tätigkeiten verrichten zu können, wesentlich. Bei Vergleich des Anforderungsprofiles eines Berufskraftwagenfahrers mit jenem eines Dienstwagenfahrers ergebe sich, dass sich die Tätigkeiten im Kernbereich der Berufe deckten. Es könne daher entgegen der Ansicht des Berufungswerbers der Erwerb eines Führerscheins in Verbindung mit der nicht mehr als 14-tägigen Ausbildung in der Fahrschule für die Qualifikation als Dienstwagenfahrer nicht ausreichen. Ein Dienstwagenfahrer müsse zum einen über die entsprechende Praxis verfügen und zum anderen insbesondere auch Wartungsarbeiten und Fehlerfeststellung durchführen, Strecken- und Terminplanung vornehmen sowie Fahrtenschreiber und/oder Kontrollgeräte bedienen. Dazu bedürfe es naturgemäß erweiterter Kenntnisse unter anderem der berufsbezogenen Werkzeuge und Maschinen, der Werk- und Hilfsstoffe und der im Betrieb verwendeten Fahrzeuge, der Fahrzeugteile und des Zubehörs, wie sie schon im Berufsbild des Berufskraftwagenfahrers vorausgesetzt seien. Aus diesem Grunde könne davon ausgegangen werden, dass die Dauer der Anlernzeit für den Beruf eines Dienstkraftwagenfahrers zwei bis drei Monate bei weitem überschreite und diese Verweisungstätigkeit über einfache Hilfstätigkeiten hinausgehe. Der Kläger könne somit auf die Tätigkeiten eines Dienstwagenfahrers verwiesen werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof in seiner jüngsten Rechtsprechung (10 ObS 290/99s) abweichend von der älteren Judikatur (10 ObS 205/97p, 10 ObS 301/90) der Verweisung eines Berufskraftfahrers auf die Tätigkeit eines Dienstwagenfahrers nicht mehr vorbehaltlos zustimme, sondern die Zulässigkeit der Verweisung von der Dauer der Anlernzeit eines Dienstwagenfahrers abhängig mache.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.

Im Zusammenhang mit der Prüfung der Verweisbarkeit eines Versicherten nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG muss unterschieden werden, ob ein Berufsschutz im Sinne eines gelernten oder angelernten Berufes erst zu erwerben ist oder ob ein bereits erworbener Berufsschutz durch später ausgeübte Teiltätigkeiten weiterhin erhalten bleibt (SSV-NF 14/38 mwN ua). Strittig ist im Revisionsverfahren die Frage, ob der Kläger unter der Annahme, dass er einen Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer nach § 255 Abs 2 ASVG genießt, auf die Tätigkeit eines Dienstkraftwagenfahrers verwiesen werden kann, ob durch diese Tätigkeit der Berufsschutz gewahrt wird.

Würde der Kläger Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer nach § 255 Abs 2 ASVG genießen und wäre daher sein Anspruch auf Invaliditätspension nach § 255 Abs 1 ASVG zu beurteilen, so könnte er nach ständiger Rechtsprechung nur auf Berufstätigkeiten verwiesen werden, die eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie der für ihn maßgebende Lehrberuf des Berufskraftfahrers erfordern, wobei der Berufsschutz hiedurch nicht verloren gehen darf (SSV-NF 5/40 mwN ua). Die Tätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen wird, muss daher eine Tätigkeit in einem erlernten (angelernten) Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 und 2 ASVG sein. Aus § 255 Abs 1 ASVG ergibt sich nämlich, dass der Vergleich mit einem gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in dem in Betracht kommenden qualifizierten Beruf zu ziehen ist (SSV-NF 13/129 mwN ua).

Entscheidend für eine zulässige Verweisung ist nach ständiger Rechtsprechung, dass sich die Teiltätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden soll, qualitativ hervorhebt und nicht bloß untergeordnet ist. Die Teiltätigkeit muss noch als Ausübung des erlernten (angelernten) Berufes angesehen werden können, was insbesondere dann der Fall sein wird, wenn ein Kernbereich der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten bei Ausübung der Teiltätigkeit verwertet werden musste. Demgegenüber vermag also die Ausübung einer Teiltätigkeit, die sich qualitativ nicht hervorhebt und bloß untergeordnet ist, einen vorher bestehenden Berufsschutz nicht aufrechtzuerhalten und scheidet daher als Verweisungsberuf aus. Bei der Frage, ob bestimmte Tätigkeiten berufsschutzerhaltend waren, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die - sofern nicht offenkundig - in jedem Einzelfall aufgrund der Feststellungen über den Inhalt der zu verrichtenden Tätigkeiten, die dafür verwertbaren Teile der Ausbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten des erlernten (angelernten) Berufes sowie über die zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten und die Umstände, unter denen sie erworben werden können, zu prüfen ist (SSV-NF 16/75; 14/20; 13/129; 12/139; 10/58 mwN ua). Entscheidend dafür, ob ein Kernbereich der Ausbildung bzw der angelernten Kenntnisse und Fähigkeiten für eine qualitative Hervorhebung der Teiltätigkeit des Dienstkraftwagenfahrers gegenüber ungelernten Tätigkeiten erforderlich ist, ist neben dem festgestellten Inhalt der Tätigkeit auch die Dauer der Einschulungs- oder Einweisungszeit, die ein ungelernter Arbeiter benötigt, um solche Tätigkeiten verrichten zu können (SSV-NF 13/129 mwN ua). So kam der erkennende Senat beispielsweise in der in SSV-NF 15/123 veröffentlichten Entscheidung 10 ObS 324/01x ausgehend von der Feststellung, dass eine ungelernte Kraft mit einer Lenkerberechtigung der Klasse B nach einer Einschulung von maximal zwei Wochen in der Lage wäre, die von der damaligen Klägerin ausgeübten Tätigkeiten als Zustellerin/Ausführerin von Brot und Gepäck bzw Ladnerin in einer Bäckerei auszuführen, zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die in ihrem erlernten Beruf als Bäckerin erworbene Qualifikation nur in einem derart untergeordneten Maß verwerten konnte, dass sie den Berufsschutz verloren hat. In der in SSV-NF 12/139 veröffentlichten Entscheidung 10 ObS 309/98h gelangte der Oberste Gerichtshof im Falle eines gelernten Maurers ebenfalls zu dem Ergebnis, dass eine Verweisung auf die Tätigkeit eines Betonfassonierers dann nicht in Betracht komme, wenn ein ungelernter Arbeiter bzw ein Arbeiter, der einen anderen Beruf erlernt hat, diesen Verweisungsberuf bereits nach einer sehr kurzen Anlernzeit von zwei bis drei Monaten beherrscht, weil bei einer so kurzen Anlernzeit im Vergleich zur Lehrzeit des Maurers von drei Jahren wohl nur von einer untergeordneten Teiltätigkeit des Maurerberufes gesprochen werden könne, die bloß Kenntnisse erfordere, die über einfache Hilfsarbeiten nicht hinausgehen.

Im Sinne dieser Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof auch in der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 10 ObS 290/99s (= SSV-NF 13/129) ausgeführt, dass die Beurteilung der Frage, ob ein angelernter Berufskraftfahrer auf die Tätigkeit als Zusteller oder Dienstkraftwagenfahrer verwiesen werden könne, maßgeblich auch von der Dauer der Anlernzeit für diese Tätigkeiten abhänge. Genüge hiefür eine Anlernzeit von zwei bis drei Monaten, so handle es sich nicht um qualifizierte Tätigkeiten. Eine solche Tätigkeit wäre nicht berufsschutzerhaltend und eine Verweisung hierauf daher unzulässig. Im konkreten Fall wurden daher die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens (Feststellung der Dauer der Anlernzeit für die möglichen Verweisungstätigkeiten eines Zustellers und eines Dienstkraftwagenfahrers) aufgehoben.

Der erkennende Senat hält an dieser in der Entscheidung SSV-NF 13/129 dargelegten und einen durchaus vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Auffassung fest, wonach für die Beurteilung der Frage der Zulässigkeit einer Verweisung eines angelernten Berufskraftfahrers auf die Tätigkeit eines Dienstkraftwagenfahrers auch der - vom Erstgericht im vorliegenden Fall nicht festgestellten - Dauer der Anlernzeit für diesen Verweisungsberuf eine maßgebende Bedeutung zukommt. Auch in der Entscheidung 10 ObS 90/02m vom 18. 7. 2002 wurde zwar allgemein ausgesprochen, dass die Verweisungstätigkeit als Lenker von Dienstpersonenkraftwagen oder von Direktionsfahrzeugen eine berufsschutzerhaltende Teiltätigkeit des bisher ausgeübten erlernten oder angelernten Berufes eines Berufskraftfahrers sein könne, es erfolgte jedoch auch im konkreten Fall eine Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen zur näheren Klärung der an die genannten Verweisungstätigkeiten gestellten Anforderungen. Es wird daher im fortzusetzenden Verfahren im Sinn der Revisionsausführungen des Klägers insbesondere näher festzustellen sein, inwieweit die für die Tätigkeit eines Dienstwagenfahrers erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten über jene theoretischen und praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten hinausgehen, die von jedem Lenker eines Kraftfahrzeuges anlässlich der Führerscheinprüfung verlangt werden. Bei der Beurteilung der Frage der Zulässigkeit einer Verweisung wird auch zu berücksichtigen sein, dass insbesondere das Lenken von Lastkraftwagen unter Beachtung der einschlägigen kraftfahrrechtlichen und verkehrsrechtlichen Bestimmungen zum Berufsbild des Lehrberufes Berufskraftfahrer gehört und daher die dafür erforderliche Lenkerberechtigung der Klasse C eine unabdingbare Voraussetzung für diesen Lehrberuf darstellt (vgl § 2 Z 4 der Berufskraftfahrer-Ausbildungsordnung, BGBl II 1998/152; SSV-NF 13/48), während für die Tätigkeit eines Dienstkraftwagenfahrers lediglich das Vorliegen einer Lenkerberechtigung der Klasse B erforderlich ist. Erst nach Vorliegen entsprechender Feststellungen über die Dauer der Anlernzeit im Verweisungsberuf Dienstkraftwagenfahrer wird abschließend beurteilt werden können, ob es es dabei um eine zulässige Verweisungstätigkeit handelt. Insoweit kann daher die vom Berufungsgericht zitierte frühere Rechtsprechung (10 ObS 205/97p mwN), in der - ohne ausdrückliche Prüfung der Bewahrung des Berufsschutzes und der damit verbundenen Frage der Dauer der Anlernzeit im genannten Verweisungsberuf - die Verweisung eines Berufskraftfahrers auf die Tätigkeiten eines Fahrers von Dienstpersonenkraftwagen und eines Direktionschauffeurs bejaht wurde, nicht aufrechterhalten werden. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren gegebenenfalls weiters zu prüfen zu haben, ob nicht auch noch andere einschlägige, wenn auch nicht unmittelbar mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen verbundene Verweisungsberufe, wie beispielsweise der Fuhrparkleiter, für den Kläger in Betracht kommen (vgl SSV-NF 14/36; 13/129 ua).

Die den dargelegten Ausführungen zugrunde liegende Einschränkung des Verweisungsfeldes erfolgt unter der ebenfalls noch nicht hinreichend geklärten Voraussetzung, dass dem Kläger Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer zukommt. Sollte ausgehend von dieser Annahme für den Kläger keine Verweisungstätigkeit mehr in Betracht kommen, wird das Erstgericht daher auch die Frage, ob dem Kläger tatsächlich Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer zukommt, anhand der in der Rechtsprechung dazu entwickelten Kriterien (vgl SSV-NF 2/66; 4/80; 8/17; 9/63; 12/5; 13/107 ua; RIS-Justiz RS0084792; RS0084638) zu prüfen und entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Sollte das Erstgericht schließlich zu dem Ergebnis gelangen, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension zum Stichtag 1. 5. 2002 erfüllt, wird weiters zu berücksichtigen sein, dass gemäß § 86 Abs 3 Z 2 ASVG für den Anfall einer Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit regelmäßig auch die Aufgabe der Tätigkeit, aufgrund welcher der Versicherte als invalid gilt, erforderlich ist (vgl ZAS 2003/37 [Nocker] mwN ua). Es wird in diesem Fall mit den Parteien zu erörtern sein, ob der Kläger zum Stichtag 1. 5. 2002 oder zu einem späteren Stichtag seine bisherige Tätigkeit aufgegeben hatte. Nach den bisher getroffenen Feststellungen war der Kläger bis 12. 6. 2002 als LKW-Fahrer beschäftigt.

Es zeigt sich somit, dass für die abschließende Beurteilung wesentliche Fragen ungeklärt blieben, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens in diesen Punkten aufzuheben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen war.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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