Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die Klägerin hat die Kosten des Rekurs- und Berufungsverfahrens sowie die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin bezog für ihre am 14. 7. 2008 geborene Tochter H***** C***** vom 11. 3. 2010 bis 13. 1. 2011 Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 4.489,77 EUR. Mit Bescheid vom 11. 2. 2011 sprach die beklagte Partei aus, dass der Anspruch der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld rückwirkend mit 11. 3. 2010 beendet werde. Es bestehe kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, wenn sich das Kind mit dem Antragsteller nicht im gleichen Haushalt befindet (§ 2 Abs 1 Z 1 KBGG). Im letzten Satz der Begründung dieses Bescheids wird die Klägerin ersucht, den zu viel ausbezahlten Betrag von 4.489,77 EUR mit dem beiliegenden Erlagschein zurückzuerstatten.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht zu AZ 38 Cgs 64/11m Klage. Mit Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 6. 10. 2011 als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen, GZ 7 Rs 59/11t‑14, wurde infolge Berufung der beklagten Partei die Entscheidung des Erstgerichts, es werde gegenüber der beklagten Partei festgestellt, dass der rückwirkende Widerruf der Zuerkennung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld mit 11. 3. 2010 unzulässig sei, dahin abgeändert, dass dieses Begehren abgewiesen und festgestellt wurde, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld rückwirkend mit 11. 3. 2010 beendet sei. Die Entscheidung des Erstgerichts über die Zurückweisung des Antrags, die Klägerin zur Rückzahlung von 4.489,77 EUR zu verpflichten, wurde hingegen bestätigt.
Rechtlich ging das Berufungsgericht im Vorprozess davon aus, dass durch die Änderung des § 2 KBGG mit dem BGBl I 2009/116 mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2010 ein gemeinsamer Haushalt im Sinne des KBGG nur dann vorliege, wenn der Elternteil und das Kind an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet seien (§ 2 Abs 6 KBGG idF BGBl I 2009/116). Mögen die Klägerin und ihre Tochter im streitgegenständlichen Zeitraum auch gemeinsam in einer Wohnung gelebt haben, so sei doch unstrittig, dass die Klägerin von 30. 3. 2007 bis 5. 1. 2011 in R***** (Kärnten) hauptwohnsitzlich gemeldet gewesen sei, ihre Tochter H***** C***** sei hingegen vom 10. 3. 2010 bis 7. 1. 2011 in Wien und ab 7. 1. 2011 in V***** (Steiermark) hauptwohnsitzlich gemeldet gewesen. Zutreffend erweise sich jedoch die Zurückweisung des Antrags der beklagten Partei, die Klägerin zur Rückzahlung von 4.489,77 EUR an zu Unrecht bezogenem Kinderbetreuungsgeld zu verpflichten. Eine derartige Rückzahlungsverpflichtung hätte zur Voraussetzung, dass der beklagte Versicherungsträger über diese Verpflichtung bereits im Bescheid entschieden habe. Diese Voraussetzung fehle im zu beurteilenden Fall, da im Spruch des Bescheids eine Rückzahlungsverpflichtung nicht einmal angedeutet, sondern nur im Rahmen der Begründung um Rückzahlung ersucht worden sei.
Diese Entscheidung des Berufungsgerichts erwuchs in Rechtskraft.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. 12. 2011 widerrief die beklagte Partei (neuerlich) die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum 11. 3. 2010 bis 13. 1. 2011 und verpflichtete ‑ diesmal im Spruch des Bescheids ‑ die Klägerin zum Ersatz der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von insgesamt 4.489,77 EUR.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage, in der sie die Feststellung begehrt, dass der Widerruf der Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum 11. 3. 2010 bis 13. 1. 2011 unwirksam und sie nicht verpflichtet sei, der beklagten Partei 4.489,77 EUR zu ersetzen. Sie bringt zusammengefasst vor, die neuerliche Bescheiderlassung zur Widerrechtlichkeit des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld sei im Hinblick auf die rechtskräftige Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz rechtswidrig, weil sie gegen das Verbot des „ne bis in idem“ verstoße. Ein Rückforderungsanspruch sei vor allem deshalb unberechtigt, weil eine Mitarbeiterin der beklagten Partei auf telefonische Anfrage hin die unrichtige Auskunft erteilt habe, die Ummeldung der Tochter H***** C***** habe keine rechtlichen Auswirkungen auf den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeldbezug.
Die beklagte Partei wendete ein, in Bezug auf den Anspruch der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld ab 11. 3. 2010 liege infolge des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Graz im Vorverfahren eine entschiedene Rechtssache vor. Lediglich der Antrag auf Rückzahlung des zu Unrecht bezogenen Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von 4.489,77 EUR sei im Vorverfahren zurückgewiesen worden, weil im Bescheid die Rückzahlungsaufforderung nicht im Spruch, sondern lediglich in der Begründung desselben angeführt war. Im gegenständlich bekämpften (zweiten) Bescheid sei die Rückzahlungsverpflichtung im Spruch ausdrücklich genannt. Im Hinblick auf die Ergebnisse des Vorverfahrens komme die nunmehrige Klage einer mutwilligen Prozessführung nahe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass der Widerruf der Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum 11. 3. 2010 bis 13. 1. 2011 unwirksam sei, zurück (Punkt 1 des Spruchs). Das Klagebegehren des Inhalts, es werde festgestellt, dass die Pflicht zum Rückersatz von Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 4.489,77 EUR nicht zu Recht bestehe, wies das Erstgericht ab (Punkt 2 des Spruchs) und sprach aus, dass die Klägerin ihre Vertretungskosten selbst zu tragen habe. Ein Rückzahlungsauftrag gemäß § 89 Abs 4 ASGG über die Rückersatzpflicht der Klägerin an die beklagte Partei fehlt. Das Erstgericht legte seiner Entscheidung als unstrittig zu Grunde, dass die Klägerin und ihre Tochter im Zeitraum der Rückforderung nie an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet gewesen seien. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass hinsichtlich des Anspruchs der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld ab 11. 3. 2010 eine entschiedene Rechtssache vorliege, sodass das Klagebegehren in diesem Umfang als unzulässig zurückzuweisen sei. Betreffend die Rückzahlungsverpflichtung liege hingegen keine entschiedene Rechtssache vor, weil die beklagte Partei diese im Spruch des angefochtenen Bescheids erstmals ausdrücklich angeführt habe. Infolge Änderung des § 2 KBGG mit dem BGBl I 2009/106 sei mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2010 Voraussetzung für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, dass der Elternteil und das Kind an der selben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet seien. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Auch wenn man aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine Auskunfts‑, Aufklärungs‑, Informations‑ und Beratungspflicht der beklagten Partei als Sozialversicherungsträgerin ableiten wollte, würde eine Verletzung dieser Nebenpflicht nicht dazu führen, dass von einer Rückforderung des unstrittig entstandenen Übergenusses abzusehen wäre. Verletzungen der Auskunftspflicht führten möglicherweise zu Amtshaftungsansprüchen, die aber im vorliegenden Verfahren im Hinblick auf § 65 Abs 1 Z 1 ASGG nicht geltend gemacht werden könnten.
Das Berufungsgericht gab dem Rekurs der Klägerin gegen den Zurückweisungsbeschluss (Punkt 1 des Spruchs des Erstgerichts) nicht Folge und erklärte den Revisionsrekurs für nicht zulässig. Hingegen gab das Berufungsgericht der unter einem von der Klägerin erhobenen Berufung Folge und stellte in Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts fest, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, der beklagten Partei das vom 11. 3. 2010 bis 13. 1. 2011 in Höhe von 4.489,77 EUR bezogene Kinderbetreuungsgeld zu ersetzen. Es sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, im Hinblick auf § 87 Abs 4 ASGG wäre es Sache der beklagten Partei gewesen, einen Rückforderungstatbestand iSd § 31 KBGG zu behaupten und zu beweisen. § 87 Abs 4 ASGG lege der beklagten Partei nicht nur die subjektive Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen des Rückforderungsbegehrens auf, sondern weise ihr auch die objektive Beweislast zu. Der Versicherte solle durch die Zuweisung der formellen Klägerrolle nicht schlechter gestellt werden, als dies seiner materiellen Stellung entspricht. Gelinge dem beklagten Versicherungsträger der Beweis für die Voraussetzungen der Rückersatzpflicht nicht, dann sei dem negativen Feststellungsbegehren des Klägers stattzugeben und seine Rückzahlungspflicht zu verneinen. Ein entsprechendes Vorbringen sei von der beklagten Partei aber nicht erstattet worden, obwohl die Klägerin bereits in ihrer Klage darauf verwiesen habe, dass keine Tatbestände gegeben seien, die eine Rückforderung rechtfertigen. Dennoch habe die beklagte Partei in ihrer Klagebeantwortung nicht einmal ansatzweise vorgebracht, aus welchem Sachverhalt sie die Berechtigung der Rückforderung des zu Unrecht bezogenen Kinderbetreuungsgeldes ableite. Beweisergebnisse könnten ein Parteienvorbringen nicht ersetzen. Es sei auch nicht Aufgabe des Gerichts, aus der Wiedergabe von Entscheidungsgründen einer in einem anderen Verfahren ergangenen Entscheidung den Schluss zu ziehen, dass eine Partei ein nicht erstattetes Vorbringen habe erstatten wollen. Im Hinblick auf die Behauptung in der Klage, es lägen keine Tatbestände vor, die eine Rückforderung rechtfertigen könnten, sei das Gericht auch nicht dazu verhalten, darauf hinzuweisen, dass seitens der beweispflichtigen beklagten Partei das erforderliche Vorbringen nicht erstattet worden sei. Es sei daher der Berufung Folge zu geben und dem negativen Feststellungsbegehren der Klägerin stattzugeben. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die Entscheidung des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass das erstinstanzliche Urteil im Sinne einer Klageabweisung wiederhergestellt werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
In der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragte die klagende Partei, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Die beklagte Partei wendet sich in ihrer Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, es sei kein Vorbringen iSd § 31 Abs 2 KBGG erstattet worden. Sie habe bereits in der Klagebeantwortung klar und eindeutig auf die im Vorverfahren AZ 38 Cgs 64/11m des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz „rechtskräftig festgestellte“ Sach‑ und Rechtslage hingewiesen. Dass die Klägerin und ihre Tochter nicht am selben Hauptwohnsitz gemeldet gewesen seien, stehe seit der Vorentscheidung fest. Die Voraussetzungen des § 31 Abs 2 erster Halbsatz KBGG, der eine objektive Rückzahlungsverpflichtung normiere, seien somit gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu:
1. Nach dem ersten Absatz des § 31 KBGG ist der Leistungsbezieher im Falle der Einstellung, der Herabsetzung, des Widerrufs oder der Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Darüber hinausgehend sieht § 31 Abs 2 KBGG eine Verpflichtung zum Ersatz der empfangenen Leistung auch dann vor, wenn rückwirkend Tatsachen festgestellt werden, bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht.
2. Im vorliegenden Fall kommt allein der Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 2 erster Halbsatz KBGG in Betracht. Als „rückwirkend festgestellte Tatsachen“ gelten alle für die Zuerkennung des Anspruchs maßgeblichen Umstände, die erst zu einem nach der Zuerkennung liegenden Zeitpunkt, zum Beispiel durch Gerichtsurteil oder Entscheidung einer Behörde, festgestellt wurden ( Ehmer ua Kinderbetreuungsgeld² 230). Für diese Ansicht spricht, dass Abs 2 in Abgrenzung zu Abs 1 auch eine objektive Rückzahlungsverpflichtung normiert (RIS‑Justiz RS0124064). Diese hängt nur davon ab, dass sich nachträglich eine (ursprünglich nicht bekannte) Tatsache herausstellte, bei deren Vorliegen kein Anspruch auf die Leistung besteht (RIS‑Justiz RS0126122). Gegen eine verschuldensfreie Rückzahlungsverpflichtung auf der dargestellten Grundlage bestehen grundsätzlich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl VfGH G 128/08 zur Überschreitung der Zuverdienstgrenze).
3. Im vorliegenden Fall hat sich im Nachhinein eine anspruchshindernde Tatsache herausgestellt, indem bekannt wurde, dass die Klägerin und ihre Tochter im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet waren (§ 2 Abs 6 KBGG). Dies wurde ausdrücklich durch das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 6. 10. 2011 ‑ somit zu einem erst nach der Zuerkennung liegenden Zeitpunkt ‑ festgestellt. Die beklagte Partei hat in der Klagebeantwortung zur Begründung ihres Rückforderungsanspruchs auch auf diese Entscheidung hingewiesen, deren Inhalt im erstinstanzlichen Verfahren verlesen wurde. Das Erstgericht legte seinem Urteil zutreffend (siehe Klagevorbringen) als unstrittig zu Grunde, dass die Klägerin und ihre Tochter im Rückforderungszeitraum nicht an der selben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet waren. Auch ausgehend davon, dass der beklagte Versicherungsträger nach § 87 Abs 4 ASGG im Rückersatzverfahren für das Vorliegen der Voraussetzungen der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Rückersatzpflicht beweispflichtig ist, war demnach ein weiteres Vorbringen bzw weitere Feststellungen zur Begründung des Rückforderungsanspruchs nicht erforderlich.
4. Dem Einwand der Klägerin, der Rückersatzanspruch sei unberechtigt, weil ihr von einer Mitarbeiterin der beklagten Partei eine unrichtige Auskunft erteilt worden sei, ist ebenfalls nicht zu folgen:
Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, sind in Rechtsprechung und Lehre allgemeine Verhaltenspflichten des Versicherungsträgers gegenüber den Versicherten anerkannt, wobei teils auf die allgemeine behördliche Betreuungspflicht, teils auf das Sozialstaatsprinzip, auf den Gedanken sozialer Rechtsanwendung, auf den auch im öffentlichen Recht anerkannten Grundsatz von Treu und Glauben und schließlich auf die Lehre vom sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnis hingewiesen wird. Vor allem aus diesem lassen sich eine Reihe von Auskunfts‑, Aufklärungs‑, Informations‑ und Beratungspflichten der Versicherungsträger gegenüber den Versicherten begründen, aber auch sonstige Sorgfalts- und Schutzpflichten. Daraus darf aber nicht abgeleitet werden, dass die allfällige Verletzung solcher Nebenpflichten zu einem sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch des Versicherten führen kann. Wo kein eigenes Recht auf Erteilung von Auskunftsbescheiden festgelegt ist, sind die Versicherungsträger selbst an unrichtige Auskünfte an Versicherte nicht gebunden. Auskünfte sind bloße Wissenserklärungen und wollen ‑ anders als Bescheide ‑ Rechte weder gestalten noch bindend feststellen (RIS‑Justiz RS0111538). Somit begründet die von der Klägerin behauptete unrichtige Auskunft über allfällige Auswirkungen der Ummeldung ihrer Tochter weder einen sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch auf Kinderbetreuungsgeld, noch stünde eine solche Auskunft dem Rückersatzbegehren entgegen.
5. Im Hinblick auf die von ihr behauptete Verletzung von Auskunftspflichten könnte die Klägerin nur in einem gesonderten Verfahren Amtshaftungsansprüche geltend machen. Nach ständiger Rechtsprechung kann es zu Amtshaftungsansprüchen führen, wenn die aus dem sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnis abgeleiteten Auskunfts-, Aufklärungs-, Informations- und Beratungspflichten der Versicherungsträger verletzt werden (RIS-Justiz RS0111538).
6. Zum Fehlen eines Rückzahlungsauftrags an die Klägerin:
Wird in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 2 oder über die Kostenersatzpflicht des Versicherten nach § 65 Abs 1 Z 5 die Klage abgewiesen, weil eine Rückersatz- oder Kostenersatzpflicht des Klägers besteht, so ist ihm unter einem der Rück‑(Kosten‑)ersatz an den Beklagten aufzuerlegen. Hiebei ist die Leistungsfrist unter Berücksichtigung der Familien‑, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers nach Billigkeit zu bestimmen; insoweit kann das Gericht auch die Zahlung in Raten anordnen (§ 89 Abs 4 ASGG). Das Erstgericht hat einen derartigen Rückzahlungsauftrag unterlassen. Das Fehlen dieses Rückzahlungsauftrags kann aber auch nicht vom Obersten Gerichtshof im Rahmen einer Maßgabebestätigung saniert werden:
Nimmt das Erstgericht entgegen § 89 Abs 4 ASGG keinen Leistungsbefehl in sein Urteil auf, kann der Sozialversicherungsträger diesen Mangel wahlweise durch Rechtsmittel als Verfahrensmangel (§ 496 Abs 1 Z 1 ZPO) oder mit Urteilsergänzungsantrag gemäß § 423 Abs 1 ZPO bekämpfen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 419 ZPO ist allenfalls auch die Berichtigung des Urteils möglich ( Fink , Die sukkzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen, 537).
Im vorliegenden Fall hat nur die klagende Partei gegen das Ersturteil Berufung ergriffen, die beklagte Partei hat weder ein Rechtsmittel erhoben, noch einen Urteilsergänzungsantrag gestellt und auch in ihrer Berufungsbeantwortung das Fehlen des Rückzahlungsauftrags nicht gerügt. Ohne entsprechende Rüge im Rechtsmittel kann der Ausspruch aber nicht nachgetragen werden. Eine dennoch vorgenommene „Maßgabebestätigung“, mit der der Ausspruch über die Rückersatzverpflichtung nachgetragen wird, stellte in Wahrheit eine Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts dar und führte zu einer Überschreitung der durch den Umfang der Anfechtung gezogenen Entscheidungsgrenzen (10 ObS 228/90; Neumayr in ZellKomm 2 § 89 ASGG Rz 21; OLG Wien 7 Rs 104/04x). Der von Fink (aaO 538) vertretenen Ansicht, die Pflicht zur amtswegigen Erlassung eines Leistungsbefehls nach § 89 Abs 4 ASGG treffe nicht nur die erste Instanz, sondern gemäß § 2 Abs 1 ASGG iVm § 463 ZPO auch die Rechtsmittelgerichte, ist nicht zu folgen, weil mit der ASGG‑Novelle 1994, BGBl I 1994/624 durch die Regelung des § 90 Z 3 ASGG zwar klargestellt wurde, dass die Rechtsmittelgerichte das Fehlen eines Auftrags zur Erbringung einer vorläufigen Zahlung nach § 89 Abs 2 ASGG auch von Amts wegen aufzugreifen und diesen Ausspruch im Urteil nachzuholen haben, auch wenn der Versicherte kein Rechtsmittel erhoben hat oder in seinem Rechtsmittel das Fehlen des Auftrags nicht gerügt hat (RV 1654 BlgNR 18. GP 27; RIS‑Justiz RS0085734; Neumayr in ZellKomm² § 90 ASGG Rz 21), der die Verpflichtung zum Rück‑(kosten‑)ersatz regelnde § 89 Abs 4 ASGG, der keine gleichlautende Bestimmung enthält, jedoch unverändert blieb.
In Stattgebung der Revision der beklagten Partei war daher das Ersturteil wiederherzustellen, ohne dass der fehlende Leistungsbefehl nach § 89 Abs 4 ASGG nachzutragen war.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Rekurs- bzw Berufungsverfahrens sowie der Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Umstände, die einen Kostenersatzanspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.
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