OGH 10ObS14/97z

OGH10ObS14/97z28.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Doris S*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Alfons Klaunzer und Dr.Josef Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Zinsen, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.Oktober 1996, GZ 25 Rs 86/96z-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 25.April 1996, GZ 48 Cgs 292/95t-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen 4 % Zinsen aus S 198.001,20 vom 1.1.1995 bis 4.3.1996 und aus S 56.158,50 vom 5.3. bis 22.3.1996 zu zahlen, ab. Es führte dazu aus, daß Verzugszinsen im Sozialrechtsverfahren grundsätzlich nicht vorgesehen seien und daher für Leistungen aus den Sozialversicherungsgesetzen keine Verzugszinsen gebührten.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es verwies auf die höchstgerichtliche Judikatur, wonach für Leistungen nach den Sozialversicherungsgesetzen keine Verzugszinsen gebührten (SSV-NF 4/131). Soweit die Berufung ausführe, daß sich die Judikatur des Obersten Gerichtshofs nur auf den objektiven, nicht aber auf den subjektiven Verzug beziehe, könne dem nicht gefolgt werden, weil es bei den Verzugszinsen nach § 1333 ABGB belanglos sei, ob der Verzug verschuldet sei oder nicht. Die in der Literatur (Schrammel in Tomandl SV-System, 7. ErgLfg 177) vertretene Auffassung, daß die Ansicht des Obersten Gerichtshofs für den subjektiven Verzug nicht nachvollziehbar wäre, könne das Berufungsgericht nicht teilen. Der Berufung hinsichtlich des Zinsenbegehrens sei daher keine Folge zu geben. Schließlich sprach das Berufungsgericht aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, ihre auf die "neuere Judikatur" gestützten neuen Argumente zum Zinsenbegehren an das Höchstgericht heranzutragen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß dem Zinsenbegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Da das hier gegenständliche Klagebegehren auf Zahlung kapitalisierter Verzugszinsen keine wiederkehrenden Leistungen in Sozialrechtssachen betrifft, ist nach § 46 Abs 1 ASGG die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 45 Abs 1 ASGG nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Nach § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Hält der Oberste Gerichtshof die Revision entgegen dem Ausspruch der zweiten Instanz für nicht zulässig, dann braucht er das Parteivorbringen und die Feststellungen nicht wiederzugeben, vielmehr kann er sich mit dem Hinweis auf das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage - insbesondere auf den Einklang der angefochtenen Entscheidung mit der ständigen Rechtsprechung - begnügen (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 6 zu § 510; 10 Ob 521/94).

Das Vorliegen einer solchen erheblichen Rechtsfrage wird in der Revision nicht dargetan. Zunächst wird nicht entsprechend beachtet, daß die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung SSV-NF 4/131 nicht vereinzelt geblieben ist, sondern daß der Senat auch in der Folge daran festgehalten hat, daß einem Versicherten gegen den Versicherungsträger kein Anspruch auf die Zahlung von Verzugszinsen wegen verspäteter Leistung zusteht (10 ObS 134/94 = SSV-NF 8/51 mit ausführlicher Begründung). In dieser Entscheidung, die wegen ihrer Veröffentlichung als bekannt vorausgesetzt werden kann, hat der Senat sich auch eingehend mit den Ausführungen Schrammels (aaO) auseinandergesetzt. Weiters wurde darauf verwiesen, daß der 9. Senat des Obersten Gerichtshofs die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 1333 ABGB auch im Bereich des IESG verneint hat, weil auch diesem Gesetz eine planwidrige Unvollständigkeit hinsichtlich der Ansprüche auf Verzugszinsen nicht entnommen werden könnte (SZ 65/164). Weiters verwies der Senat auf die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland, wo erst mit der Einführung des § 44 SGB I eine alte sozialpolitische Forderung erfüllt wurde, die davon ausging, daß Ansprüche auf Sozialleistungen Rechtsansprüche seien und daher - ebenso wie im bürgerlichen Recht - die Nachteile verspäteter Zahlung ausgeglichen werden müßten. Schließlich hat der Senat auch die Meinung verworfen, die Verneinung der analogen Anwendung des § 1333 ABGB würde dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen. Gegen diese ausführlich begründete Entscheidung des Senates werden in der Revision keine neuen Argumente vorgebracht. Das Urteil des Berufungsgerichtes steht vielmehr mit einer ständigen und gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Einklang.

Zwar könnte die Revision auch in diesem Fall dann zulässig sein, wenn gewichtige Gegenstimmen in der Lehre erhoben wurden (Petrasch, ÖJZ 1983, 177; Kodek aaO 1080 in Rz 3 zu § 502). Zu der hier interessierenden Frage hat in letzter Zeit allerdings Herbert Fink (Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen [1995], 220 ff) Stellung genommen. Nach seiner Auffassung sind Anhaltspunkte dafür, daß im Leistungsrecht der Sozialversicherung die Zahlung gesetzlicher Verzugszinsen ausgeschlossen werden sollte, weder dem Inhalt, dem Zweck oder der Systematik der Sozialversicherungsgesetze noch deren Entstehungsgeschichte zu entnehmen. Er tritt dafür ein, daß die §§ 1333 f ABGB auch im Leistungsrecht der Sozialversicherung anwendbar seien. Da aber auch dieser Autor in Wahrheit keine wesentlichen neuen, in der bisherigen Rechtsprechung nicht bedachten Argumente vorbringt, sieht sich der Senat nicht veranlaßt, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Auch die Ausführungen Finks (auf die sich übrigens die Klägerin in ihrer Revision gar nicht bezieht) vermögen daher nicht die Zulässigkeit und letztlich einen Erfolg des Rechtsmittels zu begründen.

Im übrigen zeigt gerade der vorliegende Fall, daß den Verzugsfolgen mit dem Institut der vorläufigen Zahlung nach § 89 Abs 2 ASGG ausreichend begegnet werden hätte können: Das über die Weitergewährung der Invaliditätspension absprechende Grundurteil wurde nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes am 9.1.1995 rechtskräftig und vollstreckbar. Nach dem eingeschränkten Klagebegehren werden Verzugszinsen ab 1.1.1995 begehrt, also nicht wesentlich früher als von dem Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit an. Das Fehlen der im Gesetz zwingend angeordneten Auferlegung einer vorläufigen Zahlung in einem konkreten Urteil kann aber kein Argument für die Notwendigkeit von Verzugszinsen darstellen. Im übrigen ist fraglich, ob im Falle der Weitergewährung einer Pensionsleistung das Klagebegehren überhaupt der Höhe nach bestritten ist und nicht sofort in einer zahlenmäßig bestimmten Höhe erledigt werden kann. In einem solchen Fall bedarf es keines die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides, sondern das Leistungsurteil kann (nach Maßgabe des § 90 Z 2 ASGG) vollstreckt werden.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG war daher die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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