OGH 10ObS146/15s

OGH10ObS146/15s19.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Mag. Gregor Prchlik, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, wegen Höhe der Korridorpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 2015, GZ 7 Rs 104/15p‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00146.15S.0119.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der am ***** 1952 geborene Kläger hat zum Stichtag 1. Oktober 2014 420 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit und 62 Monate einer Ersatzzeit, insgesamt 482 Versicherungs‑ monate erworben.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2014 hat die beklagte Pensionsversicherungsanstalt dem Kläger ab 1. Oktober 2014 eine Korridorpension in Höhe von monatlich 1.317,39 EUR zuerkannt.

Der Kläger stützte sein Begehren auf eine höhere als die zugesprochene Leistung in erster Linie darauf, dass die beklagte Partei ihm eine Information zukommen habe lassen, wonach seine Pension zum 1. Oktober 2014 höher ausfallen werde als im bekämpften Bescheid letztlich ausgesprochen. An die von ihr gegebene Information sei die beklagte Partei aber gebunden.

Das Erstgericht hat zu diesem behaupteten Informationsschreiben keine Feststellungen getroffen.

In seinem Urteil vom 11. Juni 2015 wiederholte das Erstgericht den Inhalt des angefochtenen Bescheids und wies das auf eine höhere Leistung gerichtete Klagebegehren ab. Bei dem vom Kläger behaupteten Informationsschreiben habe es sich nicht um einen Bescheid der beklagten Partei gehandelt. Die beklagte Partei habe die Höhe der dem Kläger zustehenden Pension richtig berechnet. Allfällige Schadenersatzansprüche wegen behaupteter falscher Auskünfte der beklagten Partei an den Kläger könnten nicht im sozialgerichtlichen Verfahren thematisiert werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, sah die Tatsachenrüge als unberechtigt an und übernahm die Rechtsansicht des Erstgerichts. Dem vom Kläger behaupteten Informationsschreiben der beklagten Partei komme für das gegenständliche Verfahren keine maßgebliche rechtliche Relevanz zu, da dieses ‑ sogar ausgehend vom Vorbringen des Klägers ‑ nicht als Bescheid der beklagten Partei zu qualifizieren sei. Bloße Mitteilungen oder Verständigungen des Versicherungsträgers ohne einen erkennbaren Willen, damit eine bindende Regelung für den Versicherten zu erlassen, stellten keinen Bescheid dar. Dem behaupteten Informationsschreiben sei kein eindeutiger Bescheidwille einer Erledigung durch die beklagte Partei zu entnehmen.

In seiner außerordentlichen Revision stellt der Kläger in den Vordergrund, dass dem Informationsschreiben insofern ein Bescheidwille zu entnehmen sei, als damit dem Versicherten Planungsgrundlagen zur Verfügung gestellt würden, die dann durch einen anderslautenden Bescheid konterkariert würden. Der Versicherte müsse sich auf die Auskunft des Pensionsversicherungsträgers verlassen können. Mit dem Informationsschreiben habe die beklagte Partei einen normativen Akt gesetzt, indem sie sich verpflichtet habe, dem Kläger eine Korridorpension zu gewähren, deren Höhe 1.380 EUR monatlich nicht unterschreite.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesem Vorbringen wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

Zutreffend haben die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass eine unmittelbare Bindung der beklagten Partei an das behauptete Informationsschreiben voraussetzen würde, dass dieses als Bescheid zu qualifizieren wäre. Eine solche Qualifikation setzt wiederum voraus, dass der Inhalt den eindeutigen „Bescheidwillen“ des Versicherungsträgers erkennen lässt (RIS‑Justiz RS0085557 [T1]), indem zum Ausdruck kommt, dass ein Rechtsverhältnis der beklagten Partei zum Versicherten in bindender Weise festgestellt oder gestaltet werden soll (vgl RIS‑Justiz RS0085557 [T2]; näher Fink , Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen [1995] 261 ff). Die Rechtsprechung hat eine nicht als Bescheid bezeichnete Mitteilung oder Verständigung speziell dann als Bescheid qualifiziert, wenn darin über einen Antrag des Versicherten abgesprochen wird (10 ObS 2/01v, SSV‑NF 15/22; 10 ObS 1/02y, DRdA 2002/23, 302 [ Fink ] = SSV‑NF 16/7; RIS‑Justiz RS0049708 [T3], RS0085681 [T3]), weil hier der Versicherungsträger zum Ausdruck bringt, über einen Antrag des Versicherten zu entscheiden und ihm nicht nur eine Information zukommen zu lassen (10 ObS 124/07v, SSV‑NF 21/80; Neumayr in ZellKomm 2 § 67 ASGG Rz 8).

Gerade eine solche Situation liegt hier nicht vor, hat sich doch der Kläger nach seinen Behauptungen auf eine Information gestützt, aufgrund derer er erst in Bezug auf seinen (letztlich erst später gestellten) Pensionsantrag disponierte. Die beklagte Partei hat also mit der behaupteten allgemeinen Verständigung über die zu erwartende Pensionshöhe nicht auf einen Antrag des Klägers reagiert, sodass dieser auch nicht erwarten durfte, dass die beklagte Partei in irgendeiner Weise bindend für die weitere Zukunft das Rechtsverhältnis zu ihm neu ordnet.

Im Hinblick auf die dargestellte bisherige Rechtsprechung, mit der die angefochtene Entscheidung in Einklang steht, ist die außerordentliche Revision des Klägers mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

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