OGH 10ObS143/01d

OGH10ObS143/01d12.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj. Martin W*****, geboren am 26. Juni 1987, *****, vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin Christine W*****, ebendort, diese vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Land Tirol, vertreten durch das Amt der Tiroler Landesregierung, 6020 Innsbruck, Wilhelm-Greil-Straße 17, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Februar 2001, GZ 23 Rs 6/01f-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. November 2000, GZ 47 Cgs 125/00m-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Begründung des Berufungsgerichtes ist zutreffend, sodass auf deren Richtigkeit hingewiesen werden kann (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Den Revisionsausführungen ist noch folgendes entgegenzuhalten:

Der Kläger bezog nach dem Inhalt des Anstaltsaktes seit 1991 vom beklagten Land eine Pflegebeihilfe der Stufe 1 nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz und einen Zuschuss zur häuslichen Pflege der Stufe 4 nach dem Tiroler Sozialhilfegesetz. Auf Grund der Übergangsbestimmung des § 29 Abs 3 TirPGG, LGBl 1993/55, bezog der Kläger seit 1. 7. 1993 (Inkrafttreten dieses Landesgesetzes) ein Pflegegeld der Stufe 4, wobei allerdings nach der Übergangsbestimmung des Abs 1 dieser Gesetzesstelle nur ein Pflegegeld der Stufe 2 als rechtskräftig zuerkannt galt. Auf die Gewährung eines die Höhe des Pflegegeldes der Stufe 2 übersteigenden Pflegegeldes bestand nämlich damals kein Rechtsanspruch; das Land hatte den Differenzbetrag als Träger von Privatrechten zu gewähren, darüber aber keinen Bescheid, sondern eine bloße Mitteilung zu erlassen (§ 28 Abs 1 TirPGG idF LGBl 1993/55, abgeändert erst mit Wirkung vom 1. 7. 1995 durch die Novelle LGBl 1995/76). Der Kläger kann sich daher nicht darauf berufen, dass der ab 1. 7. 1993 erfolgten Auszahlung eines Pflegegeldes der Stufe 4 nach § 29 Abs 3 TirPGG, LGBl 1993/55, - diese Bestimmung hat nach § 28 Abs 1 TPGG, LGBl 1997/8, auf den Kläger weiterhin Anwendung zu finden - hinsichtlich des die Stufe 2 übersteigenden Betrages ein rechtskräftiger Bescheid zugrundelag, zumal über den Pflegegeldanspruch des Klägers unbestritten auch kein Feststellungsbescheid gemäß § 29 Abs 4 TirPGG, LGBl 1993/55, erlassen wurde. Das Pflegegeld kann daher nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichtes hinsichtlich des die Stufe 2 übersteigenden Ausmaßes auch ohne Änderung des bei der Zuerkennung vorgelegenen Sachverhaltes im Sinn des § 6 Abs 4 TPGG entzogen werden (SSV-NF 12/23; 12/114; 12/158; 10/110 ua). Es kommt daher entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht nicht auf einen Vergleich des körperlichen und geistigen Zustandes des Klägers am 1. 7. 1993 mit dem am 1. 10. 1999 bestehenden Zustand an. Soweit in der Revision in diesem Zusammenhang auch eine Verletzung der Manuduktionspflicht der beklagten Partei gegenüber dem unvertretenen Kläger über die Möglichkeit der Beantragung eines Feststellungsbescheides gemäß § 29 Abs 4 TirPGG, LGBl 1993/55, geltend gemacht wird, ist darauf hinzuweisen, dass selbst aus dieser behaupteten Verletzung aus dem sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnis resultierender Nebenpflichten durch den Versicherungsträger ein sozialversicherungsrechtlicher Leistungsanspruch des Versicherten nicht abgeleitet werden könnte (SSV-NF 13/8).

Beim Kläger besteht ein unstrittiger Pflegebedarf von 153 Stunden monatlich. Der einzig noch strittige (und vom Erstgericht mit weiteren 30 Stunden angenommene) Monatsaufwand ist nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen vor allem für die Beaufsichtigung des 13-jährigen Klägers erforderlich, da das geistige Entwicklungsalter von 1 1/2 bis 2 Jahren und die Neigung, ständig alles in den Mund zu nehmen, zu einer permanenten Selbstgefährdung führt. Weiters treten beim Kläger immer wieder Hyperventilationszustände im Sinne einer Selbststimulation auf, die letztlich zu epileptischen Anfällen führen, wodurch auch hier eine erhöhte Beaufsichtigung notwendig ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates ist abgesehen von den ausdrücklichen Regelungen (vgl § 2 Abs 2 Stufe 6 TPGG, § 4 Abs 2 Stufe 6 BPGG; § 4 EinstV zum TPGG, § 4 EinstV zum BPGG) die für eine notwendige Beaufsichtigung erforderliche Zeit nicht bei der Ermittlung des Betreuungs- und Hilfsaufwandes einzubeziehen und es ist dieser Zeitaufwand bei der Prüfung des Anspruches auf Pflegegeld nicht in Anschlag zu bringen (SSV-NF 13/27; 13/136; 12/94; 10 ObS 449/97w zum Tiroler Pflegegeldgesetz uva; RIS-Justiz RS0109571). Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat in Kenntnis dieser Rechtsprechung in den Novellierungen der verschiedenen Pflegegeldgesetze und der dazu ergangenen Einstufungsverordnungen insoweit auch keine Änderung der Rechtslage vorgenommen (10 ObS 257/00t; 10 ObS 319/00k; 10 ObS 38/99g; 10 ObS 265/99i; SSV-NF 13/27; 10 ObS 405/98a ua). Auch das auf Grund des bestehenden Anfallsleidens erforderliche Beobachten des Klägers sowie die Pflege notwendiger Sozialkontakte zum Kläger sind daher keine Verrichtungen im Sinne der Aufzählungskataloge zum Betreuungs- und Hilfsaufwand nach den §§ 1, 2 Tiroler Pflegebedarfsverordnung. Dieser Aufwand ist daher im Sinne der ständigen Rechtsprechung bei der Prüfung des Anspruches auf Pflegegeld nicht in Anschlag zu bringen (10 ObS 38/99g; 10 ObS 404/98d ua).

Da somit der Pflegebedarf des Klägers durchschnittlich zwar mehr als 120 Stunden monatlich beträgt, 160 Stunden monatlich aber nicht überschreitet, erfüllt der Kläger nur die Voraussetzungen für ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 3.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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