OGH 10ObS38/99g

OGH10ObS38/99g16.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Manhard (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj. Monika K*****, Schülerin, vertreten durch die Mutter Hilde K*****, diese vertreten durch Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Land Tirol, vertreten durch das Amt der Tiroler Landesregierung, 6020 Innsbruck, Wilhelm-Greil-Straße 17, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. Dezember 1998, GZ 25 Rs 128/98d-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 1. September 1998, GZ 47 Cgs 73/98h-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, daß die Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Pflegegeldes (Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 50 Stunden monatlich) nicht erfüllt, ist zutreffend, weshalb es ausreicht, darauf zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Sie steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (RIS-Justiz RS0109571; insbesondere 10 ObS 449/97w; 10 ObS 447/97a (SSV-NF 12/23 in Druck); 10 ObS 235/98a und 10 ObS 404/98d). In der ebenfalls die Pflegegeldregelungen des Landes Tirol betreffenden Entscheidung 10 ObS 449/97w hat der erkennende Senat ausführlich begründet, daß die Zeit der reinen Beaufsichtigung eines Pflegebedürftigen bei der Ermittlung des Betreuungsaufwandes nicht zu berücksichtigen ist, weil das Erfordernis der dauernden Beaufsichtigung oder eines gleichzuachtenden Pflegeaufwandes nur entscheidend wird, wenn der Pflegebedarf schon ohne diese Beaufsichtigung durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt.

Die in der Revision dazu vertretene Ansicht, dies stelle eine willkürliche Auslegung dar, vermag die auf die einschlägigen Bestimmungen des Tiroler Pflegegeldgesetzes (TPGG) und der Tiroler Pflegebedarfsverordnung gegründeten Ausführungen nicht zu widerlegen.

§ 2 Abs 2 Stufe 6 TPGG (entsprechend § 4 Abs 2 Stufe 6 BPGG) normiert den Anspruch auf Pflegegeld für Personen, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 180 Stunden im Monat beträgt, wenn eine dauernde Beaufsichtigung oder ein gleichzuhaltender Pflegeaufwand erforderlich ist. § 4 Tiroler Pflegebedarfsverordnung (entsprechend § 4 EinstV zum BPGG) bestimmt, daß die Anleitung sowie die Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Durchführung der in den §§ 1 und 2 angeführten Verrichtungen der Betreuung und Hilfe selbst gleichzusetzen ist. Diese Regelung zeigt, daß dem Verordnungsgeber die Problematik der notwendigen Beaufsichtigung einer behinderten Person bekannt war. Daß er nur für den dort genannten Fall die Berücksichtigung des Zeitaufwandes für die Beaufsichtigung vorsah, spricht dafür, daß er im übrigen die für eine notwendige Beaufsichtigung erforderliche Zeit nicht bei der Ermittlung des Betreuungs- und Hilfsaufwandes einbeziehen wollte (so auch 10 ObS 447/97a; 10 ObS 449/97w ua).

Eine aufgrund des bestehenden Anfallsleidens erforderliche Beaufsichtigung der Klägerin ist keine Verrichtung im Sinne der Aufzählungskataloge zum Betreuungs- und Hilfsaufwand nach den §§ 1, 2 Tiroler Pflegebedarfsverordnung. Dieser Aufwand ist daher im Sinne der ständigen Rechtsprechung bei der Prüfung des Anspruches auf Pflegegeld nicht in Anschlag zu bringen. Daran vermag auch der Hinweis in der Revision auf die wegen des unvorhersehbaren Auftretens epileptischer Anfälle bei der Klägerin bestehende erhöhte Gefahrensituation nichts zu ändern (vgl 10 ObS 404/98d; 10 ObS 447/97a ua). Da somit der bei der Klägerin zu berücksichtigende Pflegebedarf durchschnittlich nicht mehr als 50 Stunden monatlich beträgt, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung eines Pflegegeldes der Stufe 1 nicht vor.

Mit 1. 1. 1999 ist das Tiroler Landesgesetz vom 9. 12. 1998, LGBl 1999/1, mit dem das Tiroler Pflegegeldgesetz geändert wird, in Kraft getreten. Gemäß Art II idF dieser Novelle sind auf alle zum 1. 1. 1999 noch nicht bescheidmäßig erledigten Verfahren für die Zeit bis zum 31. 12. 1998 die bis zu diesem Zeitpunkt für die Beurteilung des Anspruches geltenden Bestimmungen des § 2 und der Pflegebedarfsverordnung, LGBl Nr 101/1993, weiterhin anzuwenden. Dies gilt auch im gerichtlichen Verfahren. Ab 1. 1. 1999 sind die Bestimmungen des Tiroler Pflegegeldgesetzes in der novellierten Fassung anzuwenden. Eine Änderung der Tiroler Pflegebedarfsverordnung ist bisher nicht erfolgt.

Die Anwendung des novellierten Tiroler Pflegegeldgesetzes führt zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis. In den Katalog der Richtwerte wurde der Betreuungsaufwand für das Einnehmen von Medikamenten mit 6 Minuten täglich (= drei Stunden monatlich) aufgenommen. Die Vorinstanzen haben hiefür fünf Stunden in Anschlag gebracht. Darüber hinaus haben die Vorinstanzen unbekämpft fünf Stunden Betreuungsaufwand für die Reinigung bei Inkontinenz nach großen Anfällen berücksichtigt. Damit erreicht der bei der Klägerin zu berücksichtigende Pflegebedarf nicht das für die Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 1 nach § 2 Abs 2 TPGG weiterhin erforderliche Ausmaß von durchschnittlich mehr als 50 Stunden im Monat. Eine Änderung der Tiroler Pflegebedarfsverordnung ist bisher nicht erfolgt. Es ist daher gemäß § 4 Tiroler Pflegebedarfsverordnung weiterhin davon auszugehen, daß die Anleitung sowie die Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung (nur) bei der Durchführung der in §§ 1 und 2 angeführten Verrichtungen der Betreuung und Hilfe gleichzusetzen ist. Der Klägerin steht somit auch aufgrund der ab 1. 1. 1999 geltenden Rechtslage kein Anspruch auf Pflegegeld zu.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Im Hinblick auf die vorliegende einheitliche Rechtsprechung sind besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens nicht erkennbar, so daß ein ausnahmsweiser Kostenersatzanspruch nach Billigkeit nicht gerechtfertigt ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte