European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00142.15B.0315.000
Spruch:
Der Revision der klagenden Partei wird dahin Folge gegeben, dass das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass es insgesamt lautet:
„1. Es wird festgestellt, dass bei der klagenden Partei von 24. April 2014 bis 31. Oktober 2014 vorübergehende Berufsunfähigkeit vorlag.
Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation waren nicht zweckmäßig.
Der Anspruch der klagenden Partei auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung besteht im Zeitraum von 24. April 2014 bis 31. Oktober 2014 zu Recht.
2. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Berufsunfähigkeitspension über den 30. Juni 2013 hinaus weiterzugewähren, wird abgewiesen.
3. Das Klagebegehren auf Feststellung des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld für die Zeiträume von 1. Juli 2013 bis 23. April 2014 und ab 1. November 2014 wird abgewiesen.
4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 526,06 EUR (darin 86,94 EUR Umsatzsteuer und 4,40 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 543,77 EUR (darin 90,33 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 371,52 EUR (darin 61,92 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der am ***** 1966 geborene Kläger, der von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt ab 1. September 2011 eine bis 30. Juni 2013 befristeteBerufsunfähigkeitspension bezogen hatte, war von 24. April 2014 bis 31. Oktober 2014 vorübergehend arbeitsunfähig. Im Rechtsmittelverfahren ist allein die Frage strittig, ab welchem Zeitpunkt dem Kläger Rehabilitationsgeld zusteht, entweder ab 24. April 2014 (Standpunkt des Klägers und des Erstgerichts) oder erst ab 1. Mai 2014 (Standpunkt der beklagten Partei und des Berufungsgerichts).
Mit Bescheid vom 26. Juni 2013 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 27. März 2013 auf Weitergewährung der Berufsunfähigkeitspension über den 30. Juni 2013 hinaus ab.
Soweit für das Rechtsmittelverfahren von Bedeutung, stellte das Erstgericht beim Kläger im Zeitraum von 24. April 2014 bis 31. Oktober 2014 „vorübergehende Invalidität“ fest, erachtete Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation für nicht zweckmäßig und bejahte den Anspruch des Klägers auf Rehabilitationsgeld für die Zeit von 24. April 2014 bis 31. Oktober 2014.
Nach den Feststellungen war dem Kläger aufgrund seines Gesundheitszustands (nur) im Zeitraum von 24. April 2014 bis 31. Oktober 2014 keine geregelte Arbeit möglich. Davor und danach war er in der Lage, eine Berufstätigkeit im Hilfskraftbereich, wie zum Beispiel als Portier, zu verrichten.
Bei vorübergehender Berufsunfähigkeit bestehe nach den Ausführungen des Erstgerichts im Fall des Fehlens eines Berufsschutzes nur Anspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation gegen den Pensionsversicherungsträger und auf Rehabilitationsgeld nach § 143a ASVG gegen den Krankenversicherungsträger. Dass im vorliegenden Fall Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien, ergebe sich aus der kurzen Dauer der Berufsunfähigkeit. Daher bestehe Anspruch auf Rehabilitationsgeld gegen den Krankenversicherungsträger für die Zeit von 24. April 2014 bis 31. Oktober 2014.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei dahin Folge, dass es aussprach, dass beim Kläger im Zeitraum von 24. April 2014 bis 31. Oktober 2014 vorübergehende Berufsunfähigkeit bestehe, dass Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation als nicht zweckmäßig erachtet werden und der Anspruch des Klägers auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung von 1. Mai 2014 bis 31. Oktober 2014 zu Recht bestehe.
Auch wenn Rehabilitationsgeld gemäß § 117 Z 3 ASVG eine Leistung der Krankenversicherung sei, habe die Leistung gemäß § 143a Abs 1 ASVG doch das Vorliegen vorübergehender Invalidität (Berufsunfähigkeit) zur Voraussetzung, über welches der Pensionsversicherungsträger nach den Bestimmungen der §§ 255b, 254 Abs 1 Z 2 bis 4, 236 Abs 1 und 223 Abs 2 ASVG nach dem 4. Teil des ASVG mit Bescheid gemäß § 367 Abs 4 ASVG zu entscheiden habe. Nach der Neufassung des § 223 Abs 2 ASVG durch die 55. Novelle zum ASVG habe die Feststellung, ob ein Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit eingetreten sei, ausschließlich zu dem durch die Antragstellung ausgelösten Stichtag zu erfolgen. Ungeachtet des § 223 Abs 1 Z 2 ASVG, wonach der Versicherungsfall mit Eintritt der Invalidität, wenn dieser Zeitpunkt feststellbar sei, als eingetreten gelte, könne daher die Frage, ob der Versicherungsfall eingetreten sei, gemäß § 223 Abs 2 ASVG nur zum Stichtag geprüft werden.
Gemäß § 361 Abs 1 Z 1 ASVG gelte sowohl in der Kranken‑ als auch in der Pensionsversicherung das Antragsprinzip. In der Pensionsversicherung sei der Leistungsantrag jedoch nicht nur eine formelle Leistungsvoraussetzung, sondern auch Voraussetzung für die Bestimmung des Stichtags und damit für die Prüfung sämtlicher materieller Leistungsvoraussetzungen und bejahendenfalls für das Entstehen des Leistungsanspruchs. Aus dem Antrags‑ und Stichtagsprinzip in der Pensionsversicherung resultiere, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen vorübergehender Invalidität bzw Berufsunfähigkeit stets zum Monatsersten nach Eintritt des Versicherungsfalls bzw mit dem Monatsersten, wenn der Versicherungsfall auf diesen Tag falle, zu prüfen seien. Daher könne sich ein Anspruch auf Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG auch nur am Stichtag gemäß § 223 Abs 2 ASVG orientieren.
Das Eintreten von Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 24. April 2014 ‑ während des erstinstanzlichen Verfahrens ‑ löse entsprechend seiner Klagsführung den 1. Mai 2014 als dem Eintritt des Versicherungsfalls der Invalidität folgenden Monatsersten als Stichtag aus. Somit bestehe der Anspruch des Klägers auf Rehabilitationsgeld erst ab dem 1. Mai 2014.
Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bislang noch nicht zur Frage des Anfalls von Rehabilitationsgeld Stellung genommen habe.
Rechtliche Beurteilung
Die von der beklagten Partei beantwortete, auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung gerichtete Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.
In seiner Revision macht der Kläger geltend, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 143a Abs 1 ASVG der Anspruch auf Rehabilitationsgeld ab Vorliegen der vorübergehenden Invalidität bzw Berufsunfähigkeit, somit in concreto ab 24. April 2014 bestehe. Dieses Ergebnis werde dadurch bestätigt, dass es sich beim Rehabilitationsgeld um eine Leistung aus der Krankenversicherung handle und § 86 Abs 1 ASVG einen Anfall der Leistung mit dem Entstehen des Anspruchs normiere. Eine planwidrige Gesetzeslücke, die eine Lückenschließung nach den pensionsversicherungsrechtlichen Regeln erfordern würde, liege nicht vor, weil es sich beim Rehabilitationsgeld um eine zeitlich begrenzte Geldleistung handle, die darauf abziele, Rehabilitationsmaßnahmen zu sichern; das Ausmaß des Rehabilitationsgeldes sei ‑ anders als beispielsweise beim Versicherungsfall der Alterspension - vom Zeitpunkt der Antragstellung unabhängig.
Die beklagte Partei wiederum führt in ihrer Revisionsbeantwortung aus, dass der Stichtag den maßgeblichen Prüfungszeitpunkt für die Feststellung bilde, ob Anspruch auf Rehabilitationsgeld bestehe. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und aus den Verweisen des § 143a Abs 1 ASVG, wonach Personen, für die auf Antrag bescheidmäßig festgestellt worden sei, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach § 255b (bzw § 273b, § 280b) ASVG erfüllt seien, ab Vorliegen der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) für deren Dauer Anspruch auf Rehabilitationsgeld hätten. § 273b ASVG, auf den § 143a ASVG direkt verweise, fordere, dass die Voraussetzungen nach § 271 Abs 1 Z 2‑4 ASVG vorliegen. § 271 ASVG nehme unter Abs 1 Z 3 indirekt und unter Abs 1 Z 4 direkt Bezug auf die Stichtagsregelung des § 223 Abs 2 ASVG. Ein Anspruch auf Rehabilitationsgeld könne sich daher gemäß § 143a ASVG nur am Stichtag gemäß § 223 Abs 2 ASVG orientieren.
Dazu ist auszuführen:
1. Mit dem Sozialrechts‑Änderungsgesetz 2012 (SRÄG 2012, BGBl I 2013/3), wurde die befristete Invaliditäts‑ bzw Berufsunfähigkeitspension für Versicherte, die am 1. Jänner 2014 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, abgeschafft. Für diese Personengruppe wurden ein Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation bei vorübergehender Invalidität/Berufsunfähigkeit sowie die neuen Leistungen des Rehabilitations- und des Umschulungsgeldes eingeführt.
2. Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld wurde systematisch der Krankenversicherung zugeordnet (§ 143a ASVG; Pfeil, Nach einem Jahr der Neuregelungen bei geminderter Arbeitsfähigkeit …, ÖZPR 2015, 4 [5]), und zwar als Leistung „aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder der geminderten Arbeitsfähigkeit“ (§ 117 Z 3 ASVG).
2.1. Voraussetzungen für den Leistungsanspruch sind im Wesentlichen, dass vorübergehende Invalidität bzw Berufsunfähigkeit im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar sind (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 20; Beck, Rehabilitationsgeld ‑ Koordinierung im Einklang mit Unionsrecht, SozSi 2014, 262 [263]).
2.2. Ein eigenständiger Antrag auf Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes ist im ASVG nicht vorgesehen, doch gilt nach § 361 Abs 1 Satz 2 ASVG ein Antrag auf Gewährung einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit vorrangig als Antrag auf Leistung der medizinischen Rehabilitation und von Rehabilitationsgeld.
2.3. Wird eine beantragte Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit abgelehnt, weil dauernde Invalidität oder dauernde Berufsunfähigkeit nicht anzunehmen ist, so hat der (Pensions-)Versicherungsträger nach § 367 Abs 4 ASVG von Amts wegen festzustellen,
„1. ob Invalidität (Berufsunfähigkeit) im Sinne des § 255 Abs. 1 und 2 (§ 273 Abs. 1) oder im Sinne des § 255 Abs. 3 (§ 273 Abs. 2) vorliegt und wann sie eingetreten ist (§ 223 Abs. 1 Z 2 lit. a);
2. ob die Invalidität (Berufsunfähigkeit) voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird;
3. ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig (§ 303 Abs. 3) und zumutbar (§ 303 Abs. 4) sind und für welches Berufsfeld die versicherte Person durch diese Maßnahmen qualifiziert werden kann;
4. ob Anspruch auf Rehabilitationsgeld (§ 255b, § 273b, § 280b) besteht oder nicht.“
Diese Bestimmung gilt auch für das Sozialgericht, weshalb diese in § 367 Abs 4 ASVG vorgegebenen Feststellungen gegebenenfalls auch in einem sozialgerichtlichen Verfahren von Amts wegen zu treffen sind (vgl Sonntag, Vorübergehende Invalidität nach dem SRÄG 2012 [2015] Rz 171).
2.4. Sowohl in Bezug auf den Zweck der Leistung als auch die Leistungszuständigkeit wählte der Gesetzgeber eine Mischkonstruktion zwischen Kranken‑ und Pensionsversicherung (Sonntag, Unionsrechtliche Koordinierung und Höhe des Rehabilitationsgeldes, ASoK 2014, 346). Die Leistung wird von der Pensionsversicherung finanziert, deren Träger auch über Gewährung und Entziehung zu entscheiden haben (siehe dazu auch die mit dem SVAG 2014, BGBl I 2015/2, eingefügten §§ 255b, 273b, 280b sowie § 367 Abs 4 Z 4 ASVG). Die ‑ nach § 143a Abs 2 ASVG an das Krankengeld angelehnte ‑ Berechnung und die Auszahlung des Rehabilitationsgeldes erfolgen allerdings durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung. Das weitere Vorliegen der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) ist vom Krankenversicherungsträger jeweils bei Bedarf, jedenfalls aber nach Ablauf eines Jahres nach der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes oder der letzten Begutachtung, im Rahmen des Case Managements (§ 143b ASVG) unter Inanspruchnahme des Kompetenzzentrums Begutachtung (§ 307g ASVG) zu überprüfen (Pletzenauer, Die Einordnung von Umschulungsgeld gem § 39b AlVG, Rehabilitationsgeld gem § 143a ASVG in den Leistungskatalog des Art 3 der VO (EG) 883/2004, DRdA 2014, 150 [151]).
3. Anspruch auf Rehabilitationsgeld besteht nach § 143a Abs 1 ASVG „ab Vorliegen der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) für deren Dauer“.
3.1. Die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 21) erläutern den Beginn des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld folgendermaßen:
„Es gebührt ab dem Vorliegen der vorübergehenden (mindestens sechsmonatigen) Invalidität (Berufsunfähigkeit), das heißt ab deren Eintritt bzw. ab der Antragstellung beim Pensionsversicherungsträger (wenn der Zeitpunkt des Eintrittes nicht feststellbar ist, vgl. § 223 Abs. 1 Z 2 lit. a ASVG in Verbindung mit § 367 Abs. 4 Z 1 ASVG).“
3.2. Pfeil (Systemfragen der geminderten Arbeitsfähigkeit, DRdA 2013, 363 [370]) weist auf den Umstand hin, dass das Gesetz keine spezielle zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld vorsieht; die Leistung gebühre vielmehr „ab Vorliegen“ der geminderten Arbeitsfähigkeit und „für deren Dauer“. Die erste Formulierung lege eine gegebenenfalls auch rückwirkende Zuerkennung nahe. Eine solche sei im Hinblick darauf geboten, dass in § 117 Z 3 ASVG eine Gleichsetzung des Versicherungsfalls der geminderten Arbeitsfähigkeit mit jenem der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit im Rahmen der Krankenversicherung vorgesehen sei, wohingegen es keine Festlegung des Eintritts des Versicherungsfalls wie bei der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gebe. Pfeil sieht darin eine planwidrige Lücke, die er durch eine analoge Anwendung des § 120 Z 2 ASVG schließt. Daraus folge ein Beginn des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld bereits mit dem Eintritt der geminderten Arbeitsfähigkeit. Dies decke sich auch mit der allgemeinen Regelung in § 85 Abs 1 ASVG, nach der Leistungsansprüche grundsätzlich mit der Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen entstehen und die Leistungen ‑ in Ermangelung einer Sonderregelung ‑ mit dem Entstehen des Anspruchs anfallen (§ 86 Abs 2 ASVG).
3.3. Nach Födermayr (in SV-Komm [142. Lfg] § 143a ASVG Rz 18) gebührt das Rehabilitationsgeld ab Eintritt der vorübergehenden zumindest sechsmonatigen geminderten Arbeitsfähigkeit; dieser Zeitpunkt sei gemäß § 367 Abs 4 ASVG von Amts wegen festzustellen. Könne der Eintritt nicht festgestellt werden, so sei im Sinne der Gesetzesmaterialien der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich.
4. Der Standpunkt der beklagten Partei und des Berufungsgerichts läuft darauf hinaus, dass der Anspruch auf Rehabilitationsgeld grundlegend vom Vorliegen vorübergehender Invalidität bzw Berufsunfähigkeit (im Ausmaß von zumindest sechs Monaten) abhängt, weshalb in erster Linie die diesbezüglichen Voraussetzungen, beurteilt zum Stichtag, maßgeblich sein sollen. In diesem Licht sei auch der seinerzeitige Antrag des Klägers auf Weitergewährung der ihm zuerkannten Berufsunfähigkeits-pension zu werten, wobei im Sinne der Rechtsprechung auf eine mögliche Stichtagsverschiebung Bedacht zu nehmen sei (RIS‑Justiz RS0085973 [T2]).
Ihren Standpunkt sieht die beklagte Partei durch das SVAG, BGBl I 2015/2, bekräftigt (siehe unten 5.3.).
5. Gemäß § 367 Abs 4 Z 1 ASVG hat das Gericht als erstes festzustellen, ob Invalidität bzw Berufsunfähigkeit vorliegt und „wann sie eingetreten ist“. Diesbezüglich wird auf § 223 Abs 1 Z 2 lit a ASVG verwiesen. Demnach gilt der Versicherungsfall bei Leistungen aus den Versicherungsfällen geminderter Arbeitsfähigkeit mit dem Eintritt der Invalidität bzw Berufsunfähigkeit eingetreten (wenn dieser Zeitpunkt nicht feststellbar ist, mit der Antragstellung). Auch in der Krankenversicherung gilt der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit „mit dem Beginn der … Arbeitsunfähigkeit“ als eingetreten (§ 120 Z 2 ASVG).
5.1. § 367 Abs 4 Z 1 ASVG verweist nicht auf das in § 223 Abs 2 ASVG normierte Stichtagsprinzip, wonach bei den Versicherungsfällen der Pensionsversicherung (§ 222 ASVG: Alter, geminderte Arbeitsfähigkeit und Tod) die Anspruchsvoraussetzungen jeweils zu einem (näher definierten) Monatsersten zu prüfen sind. Der Grund für das Stichtagsprinzip liegt im Wesentlichen in der Verwaltungsvereinfachung (Panhölzl in SV‑Komm [116. ErgLfg] § 223 ASVG Rz 22).
Das Stichtagsprinzip ändert aber nichts daran, dass der Versicherungsfall bereits vor dem Stichtag eingetreten sein kann; vielmehr dient der Stichtag der Prüfung, ob der Versicherungsfall (schon) eingetreten ist und auch die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.
5.2. § 143a Abs 1 ASVG legt fest, dass der Anspruch auf Rehabilitationsgeld „ab Vorliegen der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit)“ gebührt, ohne dass hier auf das in der Pensionsversicherung geltende Stichtagsprinzip Bezug genommen würde. Insoweit ähnelt die Regelung dem § 138 Abs 1 ASVG, in dem für den Anspruch auf Krankengeld ebenfalls auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit abgestellt wird: Anspruch auf Krankengeld besteht vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit an. Die Parallelität liegt auch sachlich nahe, weil es sich beim Rehabilitationsgeld um eine Leistung aus der Krankenversicherung handelt (§ 117 Z 3 ASVG); die Leistung soll nach ihrer Zweckrichtung nur vorübergehend gebühren, bis die Minderung der Arbeitsfähigkeit durch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation wieder beseitigt ist. Von diesem Ziel aus betrachtet sollen die Bemühungen um die Beseitigung des Zustands vom ersten Tag der Minderung der Arbeitsfähigkeit an eingreifen, ohne dass der folgende Monatserste abgewartet werden müsste. Insofern ist im Fehlen eines Verweises auf § 223 Abs 2 ASVG in § 367 Abs 4 Z 1 ASVG keine planwidrige Lücke zu erkennen.
5.3. Dem Argument der beklagten Partei, § 143a Abs 1 ASVG verweise direkt auf § 273b ASVG und dadurch indirekt auf § 271 Abs 1 Z 3 und 4 ASVG, steht entgegen, dass die von der beklagten Partei angesprochene Fassung des § 143a Abs 1 ASVG aus dem SVAG, BGBl I 2015/2, stammt; die Bestimmung wurde in der geänderten Form mit 1. Jänner 2015 in Kraft gesetzt (§ 688 Abs 1 Z 1 ASVG).
Billigt man § 273b ASVG nur klarstellenden Charakter zu (vgl ErläutRV 321 BlgNR 25. GP 7), ist zu betonen, dass die Prüfung der Erfüllung einer Wartezeit in der Krankenversicherung nicht zwingend einen Monatsersten als Stichtag voraussetzt, wie § 124 ASVG augenscheinlich zeigt. Gleiches gilt für die Beurteilung der Frage, ob bereits ein Anspruch auf Alterspension besteht. Aus der Verweiskette kann jedenfalls nicht zwingend abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber den Beginn des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld an einen Monatsersten binden wollte.
6. In diesem Sinn ist das Ersturteil mit der Maßgabe wiederherzustellen, dass es entsprechend den Vorgaben des § 367 Abs 4 ASVG klarer zu fassen ist. Im Hinblick auf § 367 Abs 4 Z 4 ASVG ist keine vorläufige Zahlung aufzutragen; die Höhe des Rehabilitationsgeldes ist vom Krankenversicherungsträger festzulegen (Pöltner, Das Sozialrechtsänderungsgesetz 2012 [SRÄG 2012], ZAS 2013/3, 13 [14]).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a, Abs 2 ASGG.
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