Spruch:
1.) Der Antrag des Klägers auf Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof wird zurückgewiesen.
2.) Die außerordentliche Revision des Klägers wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof zu beantragen. Ein solcher Antrag ist zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0058452).
2. Gegen die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, beim Kläger liege weder eine abstrakte Berufskrankheit iSd § 92 Abs 1 B-KUVG noch eine konkrete Berufskrankheit iSd § 92 Abs 3 B-KUVG vor, macht der Kläger in seiner außerordentlicher Revision geltend, die Bestimmung des § 92 B-KUVG stehe nicht im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. So verletze Mobbing die unantastbare Würde des Menschen (Art 1 der Charta) und das Recht jeder Person auf körperliche und geistige Unversehrtheit (Art 3 Abs 1). Der generelle Ausschluss von Mobbingopfern von Leistungen des beklagten Sozialversicherungsträgers sei gemeinschaftsrechtswidrig. Die Generalklausel des § 92 Abs 3 B-KUVG verstoße auch gegen die Grundrechte der Gleichheit vor dem Gesetz (Art 20), auf gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen (Art 31 Abs 1) sowie auf uneingeschränkten und unbehinderten Zugang zu allen Leistungen der sozialen Sicherheit in Österreich (Art 34 Abs 1). Die Entscheidung des Berufungsgerichts verstoße im Übrigen gegen das Grundrecht auf eine gute Verwaltung (Art 41 Abs 2) und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art 47).
2.1 Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass nach Art 6 Abs 1 EUV durch die Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union „die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in keiner Weise erweitert“ werden. Auch in Art 51 der Charta wird nochmals ausdrücklich festgelegt, dass die Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt. Sie dehnt den Geltungsbereich des Unionrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union, noch ändert sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben.
2.2 Die Mitgliedstaaten sollen somit durch die Charta „ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“ gebunden sein (Art 51 Abs 1). Staatliche Akte sollen daher nur im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts an den Grundrechten der EU-Charta zu prüfen sein. Durch die Bestimmungen der Charta werden die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in keiner Weise erweitert (vgl Obwexer, Die Rechtsstellung Einzelner in der Union nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, ÖJZ 2010/13, 101 ff [104]; Schima, Grundrechtsschutz in der EU: Neuerungen durch den Vertrag von Lissabon, ecolex 2010, 1020 [1021 f]; Eilmansberger, Die Anwendung der EU-Grundrechte durch nationale Gerichte (und Behörden), ecolex 2010, 1024 ff; Hatje in Schwarze (Hrsg), EU-Kommentar2 Art 51 GRC Rz 8 ff mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH ua).
2.3 Für die Geltung der EU-Grundrechte-Charta bedarf es somit eines Bezugs zum Unionsrecht (vgl auch VfGH vom 22. 9. 2011, B 1405/10; VwGH vom 25. 11. 2010, Zl 2010/16/0100 ua). Dass im gegenständlichen Fall ein solcher Bezug zum Unionsrecht vorläge, wird in der außerordentlichen Revision nicht einmal behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Zutreffend hat bereits das Erstgericht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht das soziale Sachrecht der Mitgliedstaaten - jedenfalls grundsätzlich - unberührt lässt und der Union auch keine allgemeine Rechtsetzungsbefugnis für das sozialrechtliche Sachrecht zukommt, weshalb sie auch nicht eine Harmonisierung der Sozialleistungssysteme schaffen kann (vgl 10 ObS 49/03h, SSV-NF 18/31; 10 ObS 151/99z mwN ua). Die Frage, ob eine Berufskrankheit vorliegt, ob es demnach einen Leistungsanspruch und in welcher Höhe gibt, bestimmt sich daher - jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall ohne erkennbare Auslandsberührung - nach dem Recht des zuständigen Staats, das heißt des Mitgliedstaats, in dem der Betroffene versichert ist (vgl Fuchs, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten in Oetker/Preis EAS, Gesamtausgabe 108. Aktualisierung, Juli 2005, B 9130 Rz 45). Demnach berührt der gegenständliche Fall nicht den Anwendungsbereich des Unionsrechts, sodass auch kein Anwendungsfall der Unionsgrundrechte vorliegt. Es erübrigt sich damit auch ein inhaltliches Eingehen auf die Frage, ob und inwieweit die vom Kläger konkret geltend gemachten Grundrechte der Europäischen Union bloße „Grundsätze“ im Sinne von „Unionszielbestimmungen“ oder tatsächliche soziale Grundrechte darstellen (vgl dazu Kreuz, Die sozialen Leistungsrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ecolex 2010, 1211 ff mwN ua) und ihre Anwendung im konkreten Fall überhaupt in Betracht kommt. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH war daher nicht erforderlich.
Die außerordentliche Revision war somit mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)