OGH 10ObS111/08h

OGH10ObS111/08h9.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Franz Gansch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erich F*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Mai 2008, GZ 8 Rs 37/08k-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Jänner 2008, GZ 23 Cgs 10/07v-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit der vorliegenden Klage wendet sich der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags auf Berufsunfähigkeitspension durch die beklagte Partei. Diese Ablehnung ist im Revisionsverfahren nur noch insoweit strittig, als sie von den Vorinstanzen mit seiner Verweisbarkeit auf kaufmännische Tätigkeiten wie Telefonverkäufer oder Fakturist begründet wird.

Der am 3. 4. 1951 geborene und zum Stichtag 1. 9. 2006 56 Jahre alte Kläger erlernte nach Abschluss der Pflichtschule von 1966 bis 1970 den Beruf eines Kfz-Elektrikers und war in diesem Beruf bis zum Jahr 1987 tätig. Da er damals gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, diesen Beruf weiterhin auszuüben, war er anschließend bis zum Jahr 2004 als Handelsangestellter im Ein- und Verkauf von Autozubehörteilen tätig. Da er aufgrund seines eingeschränkten medizinischen Leistungskalküls insbesondere keine mittelschweren Arbeiten verrichten kann, kann er die von ihm zuletzt ausgeübte Angestelltentätigkeit nicht mehr ausüben. Er wäre aber noch in der Lage, auf dem Arbeitsmarkt die Tätigkeiten eines Telefonverkäufers oder Fakturisten zu verrichten.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren des Klägers auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension unter Hinweis auf diese beiden genannten Verweisungstätigkeiten ab. Ein unzumutbarer sozialer Abstieg sei damit nicht verbunden.

Das Berufungsgericht begründete den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision damit, dass, soweit überblickbar, der Oberste Gerichtshof zur Frage, inwieweit unter Anwendung des Berufsunfähigkeitsbegriffs des § 273 ASVG die seinerzeitige Tätigkeit des Klägers als qualifizierter Facharbeiter in die Berufsschutzbetrachtungen bei der vorliegenden Konstellation einzubeziehen sei, noch nicht Stellung genommen habe.

Der Revisionswerber macht in seinen Rechtsmittelausführungen im Wesentlichen geltend, er habe als Verkäufer von Autozubehörteilen seinen erlernten Beruf als Kfz-Elektriker in Form einer qualifizierten (berufsschutzerhaltenden) Teiltätigkeit fortgesetzt. Die von den Vorinstanzen genannten Verweisungstätigkeiten als Telefonverkäufer und Fakturist seien jedoch keine zulässigen Verweisungstätigkeiten für einen gelernten Kfz-Elektriker.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem - das Revisionsgericht nicht bindenden (§ 508a ZPO) - Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil bereits eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage vorliegt.

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der auch hier strittigen Frage der Verweisbarkeit eines Facharbeiters, dessen im erlernten Beruf erworbene Kenntnisse bei seiner zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübten Angestelltentätigkeit von wesentlicher Bedeutung waren, in den Entscheidungen 10 ObS 71/06y (= SSV-NF 20/48) und 10 ObS 93/06h (= SSV-NF 20/50) jeweils vom 17. 8. 2006 ausführlich auseinandergesetzt. Es wurde darauf hingewiesen, dass nach der - auch hier unbestritten anzuwendenden - Bestimmung des § 273 Abs 1 ASVG der Versicherte als berufsunfähig gilt, dessen Arbeitsunfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Dabei ist von jenem Angestelltenberuf auszugehen, den der Versicherte zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat. Dieser Beruf bestimmt das Verweisungsfeld, also die Summe aller Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen sind, weil sie eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen. Daraus folgt, dass bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit eines Versicherten, der nach erfolgreicher Absolvierung einer Lehre und Ausübung dieser erlernten Tätigkeit zuletzt über einen längeren Zeitraum als Angestellter im Außendienst tätig war, von diesem zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübten Beruf als Außendienstmitarbeiter auszugehen ist. Soweit auch in den Revisionsausführungen der damaligen Kläger geltend gemacht wurde, es müsse im Rahmen der nach § 273 ASVG zu beurteilenden Frage der Verweisbarkeit auch auf die von ihnen erlernte und ausgeübte Tätigkeit als Schriftsetzer und Druckvorstufentechniker bzw Fleischer Bedacht genommen werden, weil die dabei erworbenen Kenntnisse für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Angestellter im Außendienst von wesentlicher Bedeutung gewesen seien, wurde darauf hingewiesen, dass nach den dargelegten Grundsätzen für die Frage der Verweisbarkeit nach § 273 ASVG die vom Versicherten zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübte kaufmännische Angestelltentätigkeit maßgebend ist und für die Beurteilung dieser Frage eine (einschlägige) Arbeitertätigkeit außer Betracht zu bleiben hat. Es wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass ein einmal erworbener Berufsschutz durch die Aufgabe der bisherigen Tätigkeit und Ausübung anderer Tätigkeiten auch wieder verloren gehen kann und der Versicherte durch die Ausübung einer kaufmännischen Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter einen eigenen und von einer anderen erlernten oder angelernten Tätigkeit unabhängigen Berufsschutz nach § 273 Abs 1 ASVG erworben hat. Der Oberste Gerichtshof erachtete daher in den beiden erwähnten Entscheidungen 10 ObS 71/06y und 10 ObS 93/06h die Beurteilung der Vorinstanzen, der damalige Kläger könne noch auf die entsprechenden kaufmännischen Tätigkeiten im Innendienst verwiesen werden und sei daher nicht berufsunfähig im Sinn des § 273 Abs 1 ASVG, als zutreffend (vgl in diesem Sinne auch 10 ObS 110/06h).

Die Ausführungen des Revisionswerbers im vorliegenden Verfahren bieten keinen Anlass, von diesen bereits in gefestigter Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen abzugehen. Sie lassen insbesondere außer Betracht, dass durch die Tätigkeit als Angestellter ein eigener und von einer anderen erlernten oder angelernten Tätigkeit unabhängiger Berufsschutz erworben wird und eine Verweisung auf andere Angestelltentätigkeiten daher nur insoweit in Betracht kommt, als durch deren Ausübung der Berufsschutz nach § 273 ASVG nicht verloren geht (10 ObS 79/01t). Auch wenn man im Sinne des Prozessstandpunkts des Revisionswerbers davon ausgeht, dass er - neben seinem neu erworbenen Berufsschutz als Angestellter - auch weiterhin den Berufsschutz als Kfz-Elektriker genießt, wäre dadurch für ihn im Ergebnis nichts gewonnen, weil ein Versicherter, der mehrfach Berufsschutz als Angestellter und/oder auch als qualifizierter Arbeiter in einem erlernten oder angelernten Beruf genießt, in allen Berufssparten verwiesen werden darf, auf die sich sein Berufsschutz erstreckt (10 ObS 79/01t mwN).

Die Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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