Spruch:
Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger und die Beklagte führten eine Lebensgemeinschaft. Anfang 2001 zog die Beklagte in eine vom Kläger gekaufte Eigentumswohnung. Schon zuvor war die Beziehung der Streitteile problematisch. Ende 2001 beauftragte der Kläger einen Rechtsanwalt mit der Erstellung eines Vertragsentwurfs über die Schenkung seiner Wohnung an die Beklagte. Da es für den Kläger wichtig war, jederzeit Zutritt zur Wohnung zu haben und dort nach Gutdünken „schalten und walten“ zu können, sollte ihm auch als Ausdruck des stärkeren Wohnrechts ein Fruchtgenussrecht eingeräumt werden. Er war bereit, der Beklagten ein Wohnrecht einzuräumen und sämtliche Auslagen für die Wohnung zu tragen. Am 29. 1. 2002 schlossen die Streitteile einen notariellen Schenkungsvertrag, nach dessen Punkt 4 sich der Kläger das lebenslängliche unentgeltliche Fruchtgenussrecht und das Recht der Verwaltung an den geschenkten Liegenschaftsanteilen vorbehielt. Über die Benutzung der geschenkten Liegenschaftsanteile und des damit verbundenen Wohnungseigentumsrechts wurde vereinbart, dass die Beklagte die Wohnung gemeinsam mit dem 1998 geborenen Sohn der Streitteile persönlich uneingeschränkt zu nutzen berechtigt sei, wobei dem Kläger als Fruchtnießer gleichermaßen ein jederzeitiges Benutzungsrecht zustehen sollte; die Klägerin verzichtete unwiderruflich - aus welchem Titel auch immer - auf den Widerruf dieses Fruchtgenussrechts. Der Kläger erklärte der Beklagten, dass sie dort mit niemandem anderen als mit dem Sohn wohnen könne, insbesondere wenn die Beziehung der Streitteile einmal beendet sei. Damit war die Beklagte einverstanden. Die Lebensgemeinschaft der Streitteile wurde 2003 beendet.
Das Berufungsgericht wies in Stattgebung der Berufung der Beklagten die im April 2008 eingebrachte Räumungsklage mit der wesentlichen Begründung ab, der Räumungsanspruch sei nach der erforderlichen Abwägung der Interessen des Klägers an der Aufhebung des Wohnungsgebrauchsrechts der Beklagten und jener an der Aufrechterhaltung zu verneinen, würde doch der Versorgungszweck der Vereinbarung bei Aufhebung nur eines Teils des Vertrags (des obligatorischen Wohnungsgebrauchsrechts der Beklagten) zur Gänze wegfallen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf:
Die behaupteten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers hat das Berufungsgericht weder den Grundsatz der Unmittelbarkeit dadurch verletzt, dass es eigene Feststellungen ohne Beweiswiederholung getroffen hätte, noch den Inhalt der Aussage des Klägers als Partei unrichtig wiedergegeben. Vielmehr hat es aus den Feststellungen den Tatsachenschluss gezogen, dass die gesamte Vereinbarung den Zweck der Wohnversorgung der Beklagten und - von dieser abgeleitet - des gemeinsamen Sohnes hatte. Diese Schlussfolgerung ist durch die vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts, insbesondere über die Vorgeschichte der Schenkung und über den Inhalt des Schenkungsvertrags gedeckt, wurde doch unter anderem festgestellt, dass ein Ende der Beziehung zwischen den Streitteilen nicht zum Verlust des Wohnrechts der Beklagten führen würde, durfte sie doch weiterhin mit ihrem Sohn wohnen bleiben.
Das Berufungsgericht hat die Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur außerordentlichen Kündigung eines obligatorischen Wohnungsrechts zutreffend wiedergegeben (RIS-Justiz RS0018813). Voraussetzung für eine Auflösung aus wichtigem Grund ist nach der Rechtsprechung insbesondere, dass einem Teil die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Gründe, mit denen bei Vertragsschluss bereits gerechnet werden musste, können prinzipiell nicht herangezogen werden (10 Ob 68/08k). Die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund ist das „äußerste Notventil“. Es ist ein strenger Maßstab anzulegen, ob ein wichtiger Grund für die Auflösung vorliegt; die Gründe müssen entsprechend gewichtig sein (10 Ob 68/08k mwN; RIS-Justiz RS0018813).
Welche schwerwiegenden Gründe im Einzelfall die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses bewirken und zu dessen Auflösung berechtigen, ist in aller Regel eine Frage der Abwägung im Anlassfall, der zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt und die zur Wahrung der Rechtssicherheit im Rahmen einer außerordentlichen Revision nur dann aufgegriffen werden könnte, wenn eine auffallende Fehlbeurteilung des Gewichts der Auflösungsgründe erkennbar wäre (RIS-Justiz RS0042834). Ein derartiger Fall wird vom Revisionswerber nicht dargetan. Das Berufungsgericht hat mit sorgfältiger und ausführlicher Begründung in jedenfalls vertretbarer Weise dem Interesse der Beklagten am Bestand des Benutzungsrechts im Hinblick auf den Vertragszweck (Wohnversorgung der Beklagten und - davon abgeleitet - des gemeinsamen Sohnes) mehr Gewicht als dem Auflösungsinteresse des Klägers zugemessen.
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