European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00055.15H.0630.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Der im Juni 2009 geborene mj L***** W***** ist der uneheliche Sohn von S***** W*****, in deren Haushalt er lebt. Laut einem eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Schreiben vom 19. 3. 2009 bestätigte E***** G***** der Vater des damals noch ungeborenen Kindes zu sein. Laut Mitteilung der Stadtgemeinde Klosterneuburg, in deren Geburtenbuch die Geburt eingetragen ist, ist dieses Schriftstück zur Beurkundung der Vaterschaft nicht geeignet, weil es sich nicht um eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde handelt.
Mit dem am 19. 2. 2010 beim Bezirksgericht Josefstadt eingelangten Antrag begehrte der Minderjährige, vertreten durch den Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger, die Feststellung der Vaterschaft des E***** G***** gemäß § 163 Abs 1 ABGB (in eventu gemäß § 163 Abs 2 ABGB), die Festsetzung von 192 EUR an monatlichem Unterhalt sowie die Gewährung eines vorläufigen Unterhalts gemäß § 382a EO.
Der Antrag wurde E***** G***** im Rechtshilfeweg in die Türkei zugestellt. Dessen Rechtsanwalt teilte daraufhin mit, sein Mandant sei mit einem Vaterschaftstest einverstanden und werde versuchen zur Abgabe einer DNA‑Probe nach Österreich zu kommen, ansonsten werde die Abgabe über die österreichische Botschaft in der Türkei vorzunehmen sein. In der Folge teilte das mit der Gutachtenserstellung beauftragte Institut jedoch mit, dass E***** G***** trotz dreimaliger schriftlicher Aufforderung und Terminvereinbarungen nicht bereit war, zur Probeentnahme zu kommen.
Mit Antrag vom 20. 1. 2011 beantragte der Minderjährige die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG mit dem Vorbringen, mangels Mitwirkung des E***** G***** habe das Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach mehr als einem Jahr noch immer nicht zum Abschluss gebracht werden können.
Das Erstgericht gewährte mit Beschluss vom 28. 2. 2011 Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG vom 1. 1. 2011 bis 31. 12. 2014 in Höhe von 180 EUR monatlich. Rechtlich ging es davon aus, E***** G***** habe seine Vaterschaft nicht bestritten. Im Vaterschaftsfeststellungs-verfahren habe er aber ein Verhalten an den Tag gelegt, aus dem abzuleiten sei, dass er die Schaffung eines seinen Kräften entsprechenden Unterhaltstitels vereitle, obwohl er dem Grunde nach als Unterhaltsschuldner feststehe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass der Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG abgewiesen wurde. Rechtlich ging es davon aus, die Echtheit der noch vor der Geburt des Minderjährigen datierenden „Bestätigung“ vom 19. 3. 2009 habe mangels Einbeziehung des Vaters bzw mangels dessen Stellungnahme nicht geprüft werden können. Da sich E***** G***** im Vaterschaftsfeststellungsverfahren mit der Einholung eines Gutachtens einverstanden erklärt habe, habe er zu erkennen gegeben, dass er sich ohne ein derartiges Gutachten nicht zum Anerkenntnis der Vaterschaft bewegen lasse. Es sei deshalb von der Bestreitung der Vaterschaft auszugehen. Ein Nachweis der Vaterschaft nach § 11 Abs 2 UVG wäre nur dann ausreichend, wenn die Vaterschaft nicht bestritten worden wäre. Eine Unterhaltsbevorschussung sei daher lediglich im Rahmen des § 4 Z 4 UVG möglich. Zwar sei E***** G***** mittlerweile als Vater des Minderjährigen festgestellt worden (und zwar mit Beschluss des Erstgerichts vom 13. 12. 2011, GZ 1 Fam 9/10z‑63 ‑ siehe ON 35). Auf Grundlage dieser Entscheidung habe das Erstgericht mit Beschluss vom 27. 6. 2012 für den Zeitraum 1. 4. 2012 bis 31. 3. 2017 Vorschüsse nach § 4 Z 4 UVG gewährt. Im vorliegenden Gewährungsverfahren sei darauf jedoch nicht Bedacht zu nehmen, weil für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ausschließlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz abzustellen sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es liege keine eindeutige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu dem Fall vor, dass zwar eine vor der Geburt außergerichtliche „Bestätigung“ der Vaterschaft abgegeben wurde, während des Abstammungsverfahrens aber dann doch „indirekt“ eine Bestreitung der Vaterschaft erfolgt sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist ‑ entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch ‑ unzulässig.
1. Der Zweck des § 4 Z 2 UVG ist darin gelegen, dass der Staat mit seinen Leistungen nicht nur dann einspringen soll, wenn sich ein Unterhaltsschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren dem Zugriff auf sein Vermögen oder seine Einkünfte entzieht, sondern auch dann, wenn er durch sein Verhalten die Schaffung eines seinen Kräften entsprechenden Unterhaltstitels vereitelt (hat), obwohl er dem Grunde nach als Unterhaltsschuldner feststeht (RIS‑Justiz RS0122152).
2.1 Dass jemand als Unterhaltsschuldner dem Grunde nach feststeht, erfordert nach Rechtsprechung und Lehre nicht die rechtswirksame Feststellung der Vaterschaft, vielmehr wird der Tatbestand der Abstammung vorausgesetzt. Dieser kann etwa gemäß § 11 Abs 2 UVG aus Pflegschaftsakten oder durch Urkunden etc bescheinigt werden.
2.2 Eine rechtswirksame Feststellung der Vaterschaft (etwa durch Erklärung vor Gericht, dem Jugendwohlfahrtsträger, dem Standesbeamten, einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland oder einem öffentlichen Notar) ist vom Unterhaltsvorschussgesetz als Voraussetzung für eine Bevorschussung an keiner Stelle gefordert. Die rechtswirksame Feststellung der Vaterschaft ist für eine Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG nur dann Voraussetzung, wenn die Vaterschaft bestritten oder sonst (völlig) ungewiss ist (RIS‑Justiz RS0120318 [T1]; vgl auch Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 4 UVG Rz 18).
2.3 Nach dem Gesamtgefüge des UVG muss aber jedenfalls ein Unterhaltsschuldner vorhanden sein, dessen (gesetzliche) Unterhaltspflicht durch den Staat unter bestimmten, im Gesetz genau determinierten Voraussetzungen bevorschusst werden kann. Ist die Person des Vaters als Unterhaltsschuldner gänzlich unbekannt, scheidet eine Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG aus, weil es sich bei Unterhaltsvorschüssen nicht um Leistungen handelt, die Unterhaltszahlungen ersetzen, sondern bevorschussen sollen (RIS‑Justiz RS0122151; RS0122152).
3. Mit diesen Grundsätzen der Rechtsprechung steht die Entscheidung des Rekursgerichts in Einklang:
Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vorschussgewährung ist das Datum der Entscheidung erster Instanz (RIS‑Justiz RS0076052 [T5, T7]; RS0128793 [T1]). Zu diesem Zeitpunkt (dem 28. 2. 2011) war E***** G***** als potentieller Vater und Unterhaltsschuldner bekannt. Zu beurteilen war, ob aufgrund der objektiven Aktenlage zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen war, dass er die Vaterschaft anerkannt hat und (lediglich) die Schaffung eines Unterhaltstitels verzögern bzw vereiteln wollte oder ob er die Vaterschaft bestritten hat. Diese Frage lässt sich aber jeweils nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilen und stellt keine über den besonderen Einzelfall hinausgehende Frage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Etwas anderes würde im Interesse der Rechtssicherheit nur gelten, wenn dem Gericht zweiter Instanz eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Eine solche zeigt der Revisionsrekurswerber mit seinen Ausführungen aber nicht auf. Die Ansicht des Rekursgerichts, das Verhalten und Vorbringen des E***** G***** habe ‑ bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung in erster Instanz ‑ eine Bestreitung der Vaterschaft zum Ausdruck gebracht, ist jedenfalls vertretbar. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalls auch eine andere Entscheidung als jene der Vorinstanzen gerechtfertigt hätten, kommt keine zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0042405 [T6]).
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs daher als unzulässig zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)