OGH 10Ob517/95(10Ob520/95)

OGH10Ob517/95(10Ob520/95)17.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier, Dr. Bauer, Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Eva-Maria K*****, geb. am 5. Dezember 1976, infolge des ordentlichen Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Dr. Oskar K*****, vertreten durch Dr. Alfred Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, sowie des außerordentlichen Revisionsrekurses der ehelichen Mutter Margarethe K*****, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 22. März 1975, GZ 45 R 226/95-23, womit infolge Rekurses der ehelichen Mutter der Beschluß des Bezirksgerichtes Purkersdorf vom 5. Oktober 1994, GZ P 36/94-15, teilweise bestätigt, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs des ehelichen Vaters wird zurückgewiesen.

Hingegen wird dem außerordentlichen Revisionsrekurs der ehelichen Mutter Folge gegeben. Der Beschluß des Rekursgerichtes, soweit er den erstgerichtlichen Beschluß bestätigt, und der Beschluß des Erstgerichtes, soweit er nicht bereits vom Rekursgericht aufgehoben wurde, werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Eltern der Minderjährigen sind verheiratet, leben aber getrennt; nach der Aktenlage ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Am 5.5.1994 stellte der Vater - offenbar namens der Minderjährigen - den Antrag, die Mutter ab 1.5.1994 zu einem monatlichen Unterhalt von S 6.600,-- zu verpflichten. Weiters beantragte er, ihm die alleinige Obsorge für die Tochter zuzuerkennen und ihn zum besonderen Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche zu bestellen. Da die Mutter nicht mehr im gemeinsamen Familienhaushalt wohnt, sei sie zur Leistung eines Geldunterhaltes verpflichtet.

Die Mutter trat diesem Antrag entgegen und wendete ein, daß die Tochter vom Vater weder gepflegt noch erzogen oder betreut werde; er stelle ihr lediglich eine Wohnstelle zur Verfügung, erbringe für sie jedoch keinerlei Leistungen und koche auch nicht. Sämtliche Aufwendungen würden von der Mutter getragen, sie finanziere von ihrem Einkommen alles, insbesondere das Schulgeld, die Kleidung, Kosmetika usw. Das Wohnhaus stehe im Hälfteigentum der Eltern, weshalb der Wert der Wohnstelle zur Hälfte auch der Mutter zuzurechnen sei.

Gleichzeitig stellte die Mutter namens der Minderjährigen den Antrag, den Vater ab 1.5.1994 zu einem monatlichen Unterhalt von S 7.000,-- zu verpflichten. Auch in diesem Antrag wurde vorgebracht, die Tochter werde vom Vater weder gepflegt noch erzogen oder betreut. Außer der Zurverfügungstellung einer Wohnstelle erhalte sie von ihm keinerlei Leistungen.

Der Vater bestritt diese Behauptungen und trat diesem Unterhaltsfestsetzungsantrag entgegen.

Ohne Durchführung eines Beweisverfahrens zu den widerstreitenden Behauptungen verpflichtete das Erstgericht die Mutter, zum Unterhalt der Minderjährigen ab 1.5.1994 monatlich S 6.600,-- zu Handen des Vaters zu zahlen. Gleichzeitig wies es den Antrag der Mutter, den Vater zur Unterhaltsleistung zu verpflichten, ab. Zur Begründung führte es aus, daß sich "unbestritten die Minderjährige noch "im Haushalt des Vaters" befinde. Die Mutter beziehe ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von rund S 32.300,--. Wieviel der Vater im einzelnen für anteilige Wohnungskosten, Essen, Waschen usw. aufwende und andererseits die Mutter für Kleidung und ähnliches, könne "hier nicht geklärt werden", noch dazu da ein 17-jähriges Mädchen zum Teil eigene Wege gehe und ihre Freizeit teils beim Vater teils bei der Mutter verbringe. Es könnten auch nicht die Kosten berücksichtigt werden, die die Mutter für den Kleidungskauf der Tochter aufwende, da Geld- und Naturalunterhalt nicht zu vermengen sei.

Gegen diesen Beschluß erhob die Mutter Rekurs mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß der Antrag des Vaters abgewiesen und umgekehrt er zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 7.000,-- verpflichtet werde.

Das Rekursgericht gab diesem Rekurs nur dahin teilweise Folge, daß es den erstgerichtlichen Beschluß, der hinsichtlich der Abweisung des Unterhaltsfest- setzungsantrages der Mutter und hinsichtlich der Verpflichtung der Mutter zu monatlichen Unterhaltsleistungen für das Kind beginnend ab 6.10.1994 bestätigt wurde, im übrigen, also in Ansehung des Leistungsbefehles vom 1.5. bis 5.10.1994 aufhob und dem Erstgericht in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Es sprach aus, daß gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Zur Begründung führte es aus, die Minderjährige befinde sich im Haushalt ihres Vaters und werde dort von diesem betreut. Er komme dadurch seiner anteiligen Unterhaltspflicht nach. Die von der Mutter behaupteten Unterhaltsleistungen für das Kind würden, soweit sie feststellbar seien, zu berücksichtigen sein. Es könne jedoch bereits jetzt beurteilt werden, daß dadurch jedenfalls nicht der gesamte Bedarf gedeckt werden könne. Die Versorgung mit Kleidung, Kosmetika und die Zahlung des Schulgeldes würde nicht alle Bedürfnisse des Kindes berücksichtigen. Daß darüber hinaus die Mutter auch Kosten für Unterkunft einschließlich anteiliger Betriebskosten für die Wohnung, und Verköstigung des Kindes zur Gänze getragen hätte und damit ihrer Unterhaltspflicht in vollem Umfang nachgekommen wäre, könne aufgrund der bisherigen Aktenlage nicht angenommen werden. Eine Unterhaltsverletzung ihrerseits als Voraussetzung für ihre Verpflichtung zur Geldalimentierung sei somit gegeben. Deren Ausmaß von monatlich S 6.600,-- könne als angemessen gewertet werden. Die Behauptung der Mutter, die Minderjährige lebe nunmehr bei ihr, verstoße gegen das Neuerungsverbot. Berechtigt sei ihr Rekurs nur insoweit, als die von ihr behaupteten Naturalleistungen, die bis zum Zeitpunkt der Beschlußfassung erster Instanz erbracht worden sein sollen, nicht geprüft und nicht festgestellt worden seien. Diese Zahlungen müßten im Leistungsbefehl berücksichtigt werden.

Gegen den aufhebenden Teil dieses Beschlusses richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß die Entscheidung des Erstgerichtes zur Gänze wiederhergestellt werde.

Gegen den bestätigenden Teil richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß der Unterhaltsfestsetzungsantrag des Vaters abgewiesen und umgekehrt er zu einer monatlichen Unterhaltsleistung für die Minderjährige verpflichtet werde.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel des Vaters ist unzulässig. Ein Beschluß, mit dem das Rekursgericht einen Beschluß des Gerichtes erster Instanz aufgehoben und diesem eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen hat, ist nach § 14 Abs 4 AußStrG nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist. Fehlt ein Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluß, dann ist ein Revisionsrekurs - unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage - generell unzulässig (5 Ob 528/94; 7 Ob 527,528/95 ua vgl auch Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren [1995] Rz 65). Da im vorliegenden Fall der Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz keinen Zulassungsausspruch enthält, war der Revisionsrekurs des Vaters zurückzuweisen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist hingegen zulässig, weil durch die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz erhebliche Rechtsgrundsätze verletzt werden. Er ist daher auch berechtigt.

Ein Antrag auf gerichtliche Festsetzung des Unterhaltes für ein mj. Kind setzt voraus, daß der Unterhaltspflichtige bisher keinen oder weniger als den nach dem Gesetz gebührenden Unterhalt geleistet hat. Die Mutter hat in erster Instanz vorgebracht, daß die Minderjährige zwar noch vorübergehend in dem beiden Eltern zur Hälfte gehörenden Haus wohne, jedoch vom Vater weder gepflegt noch erzogen oder betreut werde. Sie erhalte außer der Zurverfügungstellung der Wohnstelle von ihm keinerlei Leistungen und er koche nicht einmal für sie. Zu diesen vom Vater ausdrücklich bestrittenen Behauptungen wurden, wie bereits oben dargestellt, keinerlei Beweise aufgenommen. Mit Recht rügt daher die Mutter die Annahme des Rekursgerichtes, die Minderjährige befinde sich "im Haushalt ihres Vaters" und werde "dort von diesem betreut" als aktenwidrig, weil für diese Annahme keine aktenmäßigen Grundlagen bestehen. In den Materialien zum Bundesgesetz über die Neuordnung des Kindschaftsrechtes werden als Betreuungsleistungen zwar nur die Zubereitung der Nahrung, die Instandhaltung der Kleidung und Wäsche sowie die Pflege im Krankheitsfall aufgezählt; der in Wahrheit viel weitere Begriff der Betreuung umfaßt jedoch nicht nur die für die körperliche Pflege des Minderjährigen notwendigen Leistungen, sondern auch die Überlassung der Wohnung zur Mitbenützung und vor allem auch die geistig seelischen Erziehungsmaßnahmen, die sich in Geld nicht ausdrücken lassen (7 Ob 592/92). Wie weit grundsätzlich anrechenbare Leistungen bei der rückwirkenden Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sind, richtet sich nach dem Einzelfall, wobei alle Unterhaltsbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten ausgewogen abgedeckt werden müssen, so daß eine sachlich nicht gerechtfertigte Überalimentierung in einem Teilbereich nicht zu einer Kürzung in einem anderen Teilbereich führen darf (7 Ob 535, 536/93; 9 Ob 502/94). Zu berücksichtigen ist weiters, daß Leistungen eines Elternteiles für die Ehewohnung, die sich im Miteigentum beider Eltern befindet, nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich das familienrechtliche Verhältnis betreffen und keinen Naturalunterhalt für die darin wohnenden Kinder darstellen (RZ 1991/88 mwN). Der Anspruch des unterhaltsberechtigten Kindes auf Naturalunterhalt durch Wohnversorgung verwandet sich auch nicht schon dadurch in einen Anspruch auf Geldunterhalt, daß der Unterhaltspflichtige aus der Wohnung auszieht; vielmehr hat in einem solchen Fall das Kind das Recht, die Wohnung weiter zu benützen und dennoch darüber hinaus zur Befriedigung seiner übrigen Bedürfnisse Geldunterhalt zu verlangen (EvBl. 1992/108 = ÖA 1992, 91). Unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtsgrundsätze wird das Erstgericht über die widerstreitenden Behauptungen beider Eltern Beweise aufzunehmen und die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben, auf Grund derer beurteilt werden kann, gegen wen die Minderjährige einen Geldunterhaltsanspruch hat und in welcher Höhe.

Im fortgesetzten Verfahren wird auch für die gesetzliche Vertretung der Minderjährigen im Unterhaltsfestsetzungsverfahren zu sorgen sein. Die §§ 154 und 154 a ABGB regeln nur das Recht zur Vertretung der Kinder durch ihre Eltern nach außen, also Behörden und dritten Personen gegenüber, nicht aber im Innenverhältnis zwischen den Eltern. Bei gemeinsamem Haushalt der Eltern und gemeinsamer Pflege der Kinder kann daher kein Elternteil seine Kinder im Unterhaltsbemessungsverfahren gegen den anderen Elternteil vertreten; in einem solchen Fall bedarf es vielmehr der Übertragung der mit der vollen Betreuung der Kinder zusammenhängenden Rechte und Pflichten gemäß § 176 Abs 1 ABGB auf den antragstellenden Elternteil. Ohne eine solche Anordnung des Gerichtes kommt die alleinige Wahrnehmung der Rechte des Kindes in Unterhaltsbelangen durch einen Elternteil nur in Betracht, wenn die Eltern nicht nur vorübergehend (vgl. § 177 ABGB) getrennt leben und somit feststeht, welcher Elternteil die Kinder pflegt und erzieht und daher vom andern (namens des Kindes) Unterhalt in Geld begehren kann und welcher zur Geldalimentierung verhalten ist, oder wenn dies nach der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Eltern eindeutig ist. Keinesfalls kann ein Elternteil die Vertretung des Kindes in Unterhaltsbelangen gegenüber dem andern nur durch Setzung der ersten Verfahrenshandlung in Anspruch nehmen; das ergibt sich schon daraus, daß dann jener Elternteil, der an sich zu Recht vom anderen zusätzlich Leistungen verlangen könnte, dem aber der andere bei der Antragstellung zuvorgekommen ist, überhaupt nicht für die Kinder handeln und die ihnen zustehenden Leistungen vom andern

Elternteil begehren könnte (SZ 57/84 = JBl. 1985, 162 = ÖA 1984, 100

= EFSlg. XXI/1; ob in dem Fall, daß beide Teile gegeneinander namens

ihrer Kinder einschreiten, für diese ein Kollisionskurator zu bestellen wäre, konnte in diesem Fall ungeprüft bleiben). Ungeachtet ausstehender Sorgerechtsentscheidungen ist jener Elternteil, bei dem das minderjährige eheliche Kind mit Zustimmung des andern Elternteils lebt, zur Antragstellung im Unterhaltsverfahren zumindest vorläufig legitimiert. Im Unterhaltsantrag kann ein Antrag um Bestellung zum besonderen Sachwalter enthalten sein, dem das Gericht konkludent in seiner Unterhaltsentscheidung stattgeben kann (ZfRV 1993, 255).

Im vorliegenden Fall schreiten beide Elternteile gegeneinander namens ihres Kindes ein und begehren, jeweils den anderen Teil zum Unterhalt zu verpflichten, wenngleich dies etwa im Unterhaltsantrag des Vaters nicht besonders zum Ausdruck kommt (er wurde nicht in Vertretung der Minderjährigen, sondern im eigenen Namen gestellt). Wenngleich also, wie oben dargestellt, ein Elternteil das Kind im Unterhaltsverfahren vorläufig gegen den andern Elternteil vertreten kann, tritt eine Kollision auf, sobald der andere Elternteil seinerseits einen Unterhaltsantrag namens des Kindes stellt: In einem solchen Fall treten damit zwangsläufig beide Elternteile in einer Doppelfunktion auf, nämlich einmal als Unterhaltsschuldner im eigenen Namen und zum andern im Namen des Kindes (Unterhaltsgläubigers) als dessen gesetzlicher Vertreter. In einem solchen Fall führt am § 271 ABGB kein Weg vorbei (Fenyves in Ruppe, Familienverträge2 853).

Sollten also im fortgesetzten Verfahren beide Unterhaltsfestsetzungsanträge namens der Minderjährigen aufrecht erhalten werden, dann wird für die Minderjährige ein besonderer Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche zu bestellen sein, wobei für die Person dieses Sachwalters weder der Vater noch die Mutter in Betracht kommen können.

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