European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00045.23Z.0416.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Mit Beschluss vom 27. 3. 2023 erhöhte das Erstgericht – soweit verfahrensgegenständlich – die dem Kind mit Beschluss vom 25. 8. 2022 gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit von 1. 8. 2022 bis 31. 7. 2027 gewährten monatlichen Unterhaltsvorschüsse von 30 EUR ab 1. 1. 2023 auf monatlich 410 EUR.
[2] Der Bund bekämpfte den Erhöhungsbeschluss für den Zeitraum ab 1. 1. 2023 und begehrte den gänzlichen Entfall des über diesen Zeitraum absprechenden Spruchpunkts, hilfsweise die Feststellung, dass der Unterhaltsvorschuss von 30 EUR monatlich ab 1. 1. 2023 weiter „bestehe“.
[3] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Die Unterhaltshöhe sei im Exekutionstitel – einem gerichtlichen Vergleich – nicht nur bestimmbar ausgedrückt, sondern auch ziffernmäßig mit 410 EUR bestimmt. Es ließ den Revisionsrekurs nachträglich zu, weil der Frage, ob Vergleiche, die sich – wie der hier vorliegende Exekutionstitel – auf den Regelbedarf bezögen, den Anforderungen des § 3 UVG entsprächen, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
[4] Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig, weil er keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Rechtliche Beurteilung
[5] 1.1. Die Gewährung von (hier vorliegenden) Titelvorschüssen setzt nach § 3 Z 1 UVG das Bestehen eines im Inland vollstreckbaren Exekutionstitels voraus.
[6] Voraussetzung für die Vorschussgewährung ist daher die Vollstreckbarkeit des Titels. Dieser muss einen bestimmten Leistungsbefehl enthalten. Die bloße Feststellung, dass ein bestimmter Betrag geschuldet wird, und die bloße Bestimmbarkeit der Unterhaltshöhe aus dem Titel genügen diesem Erfordernis nicht (RS0000477; 10 Ob 33/17a [ErwGr 1.1.]; 10 Ob 42/13v [ErwGr 2]).
[7] Die Höhe der Unterhaltspflicht muss daher bei Titelvorschüssen ziffernmäßig bestimmt sein, da der Titel sonst nicht vollstreckbar ist (10 Ob 42/13v [ErwGr 2]).
[8] 1.2. Das Bewilligungsgericht hat die Verpflichtung nur auf Grund des Titels festzustellen. Es hat sich dabei an den Wortlaut des Titels zu halten und kann nur aus diesem selbst schließen, was die Parteien oder das Gericht dabei in Wirklichkeit gemeint haben. Wenn der Titel aus Parteienerklärungen besteht, wie beispielsweise bei einem Vergleich, kommt es auf den objektiven Sinn an, der sich aus der Verpflichtungserklärung im Zusammenhang mit dem sonstigen Inhalt des Titels ergibt (RS0000207 [T1, T12]).
[9] Wie ein singulärer Exekutionstitel aufzufassen ist, begründet keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0000207 [T14]).
[10] 2.1. Im vorliegenden Fall legte das Rekursgericht den Exekutionstitel dahin aus, dass er einen ziffernmäßig mit 410 EUR bestimmten Leistungsbefehl für den ab 1. 1. 2023 vom Unterhaltsschuldner zu zahlenden Unterhalt enthalte.
[11] Mit dieser Auslegung hat es den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum nicht überschritten.
[12] 2.2. Nach dem maßgeblichen (RS0000207 [T1, T12]) Wortlaut des Titels hat der Unterhaltspflichtige ab 1. 1. 2023 bis auf Weiteres einen monatlichen Betrag in Höhe des „jeweils aktuellen Regelbedarfs Gleichaltriger […], derzeit 410 EUR monatlich“ zu zahlen. Es ist vertretbar, diese Formulierung dahin aufzufassen, dass sie bei objektiver Auslegung die ab 1. 1. 2023 geschuldete Unterhaltshöhe mit 410 EUR festsetzte. Der Bezugnahme auf den Regelbedarf kommt nach dieser – vertretbaren – Auslegung ein begründender Charakter zu, der die ziffernmäßige Bestimmtheit nicht zu beseitigen vermag. Dass darin keine ziffernmäßig bestimmte Titulierung einer in der Zukunft 410 EUR übersteigenden monatlichen Unterhaltspflicht liegen kann, wurde vom Rekursgericht nicht in Zweifel gezogen; dies ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
[13] 2.3. Die Auslegung durch das Rekursgericht steht nicht im Widerspruch zu der im Revisionsrekurs zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
[14] Bei dem in der Entscheidung 7 Ob 195/06m zu beurteilenden Exekutionstitel handelte es sich um einen Vergleich, mit dem sich der Unterhaltspflichtige zur Leistung eines Prozentsatzes seines Nettoeinkommens verpflichtete („Bruchteilstitel“). Im Vergleich wurden einvernehmlich sein Einkommen zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses und der monatlich zu leistende Betrag festgestellt. Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus, die Anführung des ziffernmäßig bestimmten Betrags im Vergleich diene bloß zur Klarstellung des sich damals aus dem mit 31.000 ATS festgelegten Nettoeinkommen des Vaters errechneten Betrags.
[15] Angesichts des Umstands, dass in dem hier zu beurteilenden Unterhaltstitel die Höhe des zu leistenden Betrags nicht bloß festgestellt, sondern in den Leistungsbefehl aufgenommen wurde, ist die Beurteilung des Rekursgerichts auch im Lichte der Entscheidung 7 Ob 195/06m vertretbar.
[16] 2.4. Aus den im Revisionsrekurs zitierten Entscheidungen zur fehlenden zahlenmäßigen Bestimmtheit von Globaltiteln (10 Ob 42/13v; 10 Ob 11/22y) über die Unterhaltspflicht gegenüber mehreren Kindern ist für den vorliegenden Sachverhalt nichts zu gewinnen.
[17] Soweit im Revisionsrekurs vorgebracht wird, der Regelbedarfssatz könnte auch unter 410 EUR sinken, ändert das nichts daran, dass das Rekursgericht den Exekutionstitel in seiner konkreten Formulierung vertretbar als ziffernmäßig in dieser Höhe bestimmt ausgelegt hat.
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