OGH 7Ob195/06m

OGH7Ob195/06m13.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Isabelle G*****, geboren am 3. Dezember 1996, vertreten durch das Land Salzburg als Jugendwohlfahrtsträger, dieses vertreten durch die Stadtgemeinde Salzburg, Stadtjugendamt, 5020 Salzburg, St. Julienstraße 20, als Vertreter in Unterhaltsangelegenheiten gemäß § 212 Abs 2 ABGB, über den Revisionsrekurs des Vertreters des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 10. Mai (richtig) 2006, GZ 21 R 68/06f-U15, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 20. Dezember 2005, GZ 20 P 119/00g-U6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern des Kindes wurde am 13. 4. 2000 einvernehmlich geschieden. Im am 16. 6. 2000 pflegschaftsgerichtlich genehmigten Scheidungsfolgenvergleich wurde die Obsorge für das Kind allein der Mutter zuerkannt. Der Vater verpflichtete sich, zum Unterhalt des Kindes einen monatlichen Betrag in der Höhe von jeweils 16 % seines Nettoeinkommens zu zahlen. Sein damaliges monatliches Nettoeinkommen (einschließlich Sonderzahlungen) wurde im Vergleich einvernehmlich mit S 31.000,-- und der monatlich zu leistende Betrag mit „zur Zeit" S 5.000,-- festgestellt.

Das Erstgericht wies den Antrag, dem Kind gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG ab 1.9.2005 Unterhaltsvorschüsse zu gewähren ab, weil der geschuldete Unterhalt damit nicht ziffernmäßig bestimmt, sondern bloß bestimmbar festgestellt worden sei. Der Unterhaltsvergleich stelle keinen im Inland vollstreckbaren Exekutionstitel dar, weshalb die Voraussetzung des § 3 Abs 1 UVG für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nicht vorliege.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Ein gerichtlicher Vergleich über einen privatrechtlichen Anspruch (§ 1 Z 5 EO) stelle grundsätzlich einen im Inland vollstreckbaren Exekutionstitel im Sinne des § 3 Z 1 UVG dar. Damit die Exekution bewilligt werden könne, müsse ein Exekutionstitel einen bestimmten Leistungsbefehl enthalten und den Anforderungen des § 7 Abs 1 EO entsprechen. Dies sei bei Geldforderungen nur dann der Fall, wenn der geschuldete Betrag ziffernmäßig bestimmt sei. Bloße Bestimmbarkeit genüge nicht. Bestimmt bezeichnet sei eine Geldforderung auch dann, wenn sie so umschrieben sei, dass der ziffernmäßig geschuldete Betrag allein aus den Angaben im Exekutionstitel selbst, also ohne weitere aus anderen Quellen zu gewinnende Parameter, ermittelt werden könne. Es werde grundsätzlich eine jede objektive Ungewissheit und jeden Zweifel ausschließende Präzisierung der geschuldeten Leistung verlangt. Für so genannte Bruchteilstitel, das seien Titel, die auf den Bruchteil der Bezüge des Unterhaltsschuldners aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis lauteten, sei bis zur EO-Novelle 1991 im § 10a EO eine Ausnahme vom Bestimmtheitsgebot vorgesehen gewesen. Seit der Aufhebung dieser Bestimmung und Ablauf der Übergangsfrist am 31. 12. 1995 (Art XXXIV Abs 4 der EO-Nov 1991, BGBl 1991/628) stellten Bruchteilstitel mangels Bestimmtheit der geschuldeten Leistung keine im Inland vollstreckbaren Unterhaltstitel im Sinne der §§ 1, 7 EO mehr dar. Die nach dem Scheidungsfolgenvergleich vom Vater geschuldete Leistung, nämlich 16 % seines Nettoeinkommens, sei bloß bestimmbar und nicht ausreichend bestimmt im Sinne des § 7 Abs 1 EO, auch wenn der „zur Zeit" zu leistende Unterhaltsbetrag im Vergleich mit S 5.000,-- beziffert worden sei. Nach dem eindeutigen Vergleichswortlaut habe dies nämlich nur eine vorläufige Bezifferung dargestellt; die Verpflichtung sei unzweifelhaft auf eine monatliche Leistung von 16 % des jeweiligen Nettoeinkommens des Vaters gerichtet gewesen. Der Scheidungsfolgenvergleich sei somit als Bruchteilstitel anzusehen, der im Inland nicht vollstreckbar sei. Da Bruchteilstitel seit der EO-Nov 1991 der Vergangenheit angehörten und nicht mehr geschaffen werden dürften, hätte bereits das Pflegschaftsgericht die Eltern des Kindes anleiten müssen, den Scheidungsfolgenvergleich im Punkt „Unterhalt" im Sinne einer endgültigen betragsmäßigen Bezifferung umzuformulieren. Auf die Frage, ob der § 7 Abs 1 EO nicht entsprechende Bruchteilstitel im Wege einer Titelergänzungsklage nach § 10 EO saniert werden könnte, müsse nicht mehr eingegangen werden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage gebe, ob ein nach der EO-Nov 1991 geschaffener Titel, in dem neben einem Prozentsatz des Einkommens des Unterhaltsschuldners auch dasselbe als fixer Betrag sowie der derzeit zu leistende Unterhaltsbeitrag genannt seien, vollstreckbar sei.

Im Revisionsrekurs wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, der Minderjährigen (monatliche) Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG beginnend mit 1. 11. 2005 in Höhe von EUR 363,-- zu gewähren.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes insbesondere zu § 5 Abs 3 UVG nach der EO-Novelle 1991 angezeigt ist; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat erachtet die hier (etwas zusammengefasst) wiedergegebene Begründung des angefochtenen Beschlusses in allen Punkten - sowohl im Ergebnis, als auch in der methodischen Ableitung - für zutreffend. Gemäß § 71 Abs 3 zweiter Satz AußStrG reicht es daher aus, auf die Richtigkeit der Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz hinzuweisen und diese lediglich wie folgt zu ergänzen:

Die Anführung eines ziffernmäßig bestimmten Betrages (S 5.000,-- = EUR 363,--) im Scheidungsfolgenvergleich erfolgte eindeutig bloß zur Klarstellung des sich damals (gerade) aus dem mit S 31.000,-- festgelegten Nettoeinkommen des Vaters errechnenden Betrages. Sie ändert demnach nichts daran, dass die Bestimmung zukünftiger Unterhaltsforderungen jeweils von dem aktuellen (möglicherweise höheren oder niedrigeren) Nettoeinkommen des Vaters abhängig gemacht wurde und demnach die Angaben im Exekutionstitel selbst eben nicht ausreichen, um den zu einem späteren Zeitpunkt geschuldeten Unterhaltsbetrag ermitteln zu können. Bei der Bestimmung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters im Scheidungsfolgenvergleich („16 % des Nettoeinkommens") handelt es sich daher unzweifelhaft um einen so genannten Bruchteilstitel.

Wie Neumayr in Schwimann, ABGB3 I, § 5 UVG Rz 13 ausführt, sollte Bruchsteilstiteln durch die Beseitigung des § 10a EO durch die EO-Nov 1991, BGBl 1991/628, „mangels sonderlicher praktischer Relevanz mehr oder minder das Wasser abgegraben werden." Die Bestimmung des § 5 Abs 3 UVG blieb durch die EO-Nov 1991 allerdings formell unverändert; ihr wurde jedoch materiell derogiert. Dass § 5 Abs 3 UVG unverändert gelassen wurde, stellt offenbar ein Redaktionsversehen dar (vgl Haslberger, UVG § 5 Anm 7; LGZ Wien EFSlg 90.546), zumal keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass für Bruchteilstitel eine Ausnahme vom Grundsatz bestehen sollte, dass Titelvorschüsse nur auf Grund von im Inland vollstreckbaren Unterhaltstiteln zu gewähren sind (Neumayr aaO; LGZ Wien, EFSlg 90.546).

Da Bruchteilstitel mangels Bestimmtheit der geschuldeten Leistung also nicht mehr vollstreckbar sind (Jakusch in Angst, Komm EO § 7 Rz 46), haben die Vorinstanzen die begehrte Vorschussgewährung mangels der in § 3 Z 1 UVG normierten Voraussetzung eines im Inland vollstreckbaren Exekutionstitels für den Unterhaltsanspruch zu Recht abgelehnt.

Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.

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