OGH 10Ob41/11v

OGH10Ob41/11v28.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen T*****, geboren am *****, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Rechtsvertretung für den 10. Bezirk, 1100 Wien, Van der Nüll-Gasse 20), wegen Unterhaltsvorschuss, infolge Revisionsrekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Februar 2011, GZ 45 R 51/11z-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 13. Dezember 2010, GZ 28 PU 91/10t-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 11. 3. 2010 geborene mj T********** ist österreichischer Staatsbürger und lebt bei seiner Mutter in Wien.

Am 1. 6. 2010 brachte er (vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger) beim Erstgericht einen gegen P***** S***** gerichteten Antrag auf Feststellung der Vaterschaft ein und begehrte einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 320 EUR monatlich ab 11. 3. 2010; in der Folge schränkte er das Unterhaltsbegehren auf 270 EUR monatlich ein (ON 19).

Mit (mündlich verkündetem) Beschluss vom 12. 11. 2010 stellte das Erstgericht zu GZ 28 Fam 20/10s-10 die Vaterschaft des P***** S***** zum mj T***** fest. Noch am selben Tag beantragte der Minderjährige die Fortsetzung des unterbrochenen Unterhaltsverfahrens.

Am 29. 11. 2010 beantragte er die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 4 UVG.

Wie sich aus der Aktenlage ergibt, forderte das Erstgericht den Vater auf, sich zum Unterhaltsantrag zu äußern. Am 7. 12. 2010 erklärte dieser zu Protokoll, den Unterhaltsantrag des Kindes zur Kenntnis zu nehmen, damit aber nicht einverstanden zu sein. Er werde Unterlagen zu seinen Einkommensverhältnissen vorlegen.

Mit Beschluss vom 13. 12. 2010, GZ 28 PU 91/10t-8, wurden dem Minderjährigen monatliche Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 4 UVG in Richtsatzhöhe (180 EUR) von 1. 11. 2010 bis 31. 10. 2015 gewährt.

Nur gegen den Zuspruch von Unterhaltsvorschuss bereits ab 1. November 2010 erhob der Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, Rekurs; im Übrigen - in Ansehung der Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ab 1. 12. 2010 - erwuchs der Beschluss in Rechtskraft.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Es erachtete den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung für zulässig, dass keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, ob ein Unterhaltsschuldner vor der Vorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG zumindest die Möglichkeit haben muss, der Verpflichtung zur Zahlung des laufenden Unterhalts nachzukommen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

In seinem Revisionsrekurs hält der Präsident des Oberlandesgerichts an der Rechtsansicht fest, Unterhaltsvorschüsse wären nicht ab 1. 11. 2010, sondern erst ab 1. 12. 2010 zu gewähren. Wenngleich § 3 Z 2 UVG auf Richtsatzvorschüsse nach § 4 Z 4 UVG nicht unmittelbar anwendbar sei, sei aus § 3 Z 2 UVG ableitbar, dass einem Unterhaltsschuldner vor der Vorschussgewährung zumindest die Möglichkeit gewährt werden müsste, der Zahlung des laufenden Unterhalts nachzukommen. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss bereits entstehe, bevor noch der - wenngleich noch nicht rechtskräftig als solcher festgestellte - Unterhaltsschuldner die Möglichkeit hatte, den laufenden Unterhalt zu leisten.

Dazu ist auszuführen:

1. Anspruchsvoraussetzung für die Vorschussgewährung nach § 3 Z 2 UVG ist, dass der Unterhaltsschuldner „nach Eintritt der Vollstreckbarkeit“ des Titels den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet. Die Erfüllung dieser Voraussetzung wird auch bei einer Vorschussgewährung nach § 4 Z 1 UVG als erforderlich erachtet. Es wurde ausgesprochen, dass der mit dem Eintritt der Vollstreckbarkeit folgende Fälligkeitstermin erfolglos verstreichen muss, damit der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nach den §§ 3 Z 2, 4 Z 1 UVG entsteht (10 Ob 65/10x, 10 Ob 79/10f ua).

2. Für - im vorliegenden Fall zu beurteilende - Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 4 UVG idF des AußStr-BegleitG BGBl I 2003/112 ist das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels hingegen nicht Anspruchsvoraussetzung, sondern sind Vorschüsse dann zu gewähren, wenn die Abstammung eines Kindes in erster Instanz festgestellt und ein Antrag auf Unterhaltsfestsetzung bereits eingebracht worden ist. Derartige Vorschüsse sind in Richtsatzhöhe zu erbringen (begrenzt durch die im Unterhaltsantrag oder im gerichtlichen Unterhaltsvergleich festgelegte Höhe - § 5 Abs 4 UVG). Sie dürfen nur „bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens zur Feststellung der Abstammung des Kindes gewährt werden“ (§ 8 2. Satz UVG). Diese Wortfolge wurde aber von der Rechtsprechung zur Vermeidung einer Schutzlücke über ihren Wortlaut hinaus dahin verstanden, dass damit das gesamte in § 4 Z 4 UVG umschriebene Verfahren gemeint ist, nämlich das Verfahren über die Klage auf Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind und das damit verbundene Unterhaltsbegehren (RIS-Justiz RS0102082). Diese Rechtsprechung wurde auch nach den Novellierungen durch das AußStr-BegleitG und das FamRÄG 2009 und der sich daraus ergebenden zunehmenden gesetzlichen Verbesserung der Rechtsstellung des Kindes fortgeschrieben (10 Ob 86/10k). Selbst wenn das Verfahren über die Feststellung der Abstammung des Kindes also bereits rechtskräftig beendet ist, nicht aber das (bis dahin unterbrochene) Unterhaltsverfahren, gebühren grundsätzlich weiterhin Richtsatzvorschüsse nach § 4 Z 4 UVG.

3. Für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vorschussgewährung ist der maßgebliche Stichtag das Datum der Entscheidung erster Instanz (RIS-Justiz RS0076052 [T5]). Unterhaltsvorschüsse sind vom Beginn des Monats, in dem das Kind dies beantragt hat, zu gewähren (§ 8 erster Satz UVG).

Von diesen Grundsätzen weicht die Entscheidung des Rekursgerichts nicht ab:

4.1. Im vorliegenden Fall ist der für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen maßgebliche Stichtag des Datums der Entscheidung erster Instanz der 13. 12. 2010. Zu diesem Zeitpunkt waren die Voraussetzungen für die Bewilligung von Vorschüssen nach § 4 Z 4 UVG gegeben, indem P***** S***** als Vater in erster Instanz festgestellt und gegen ihn ein Unterhaltsantrag eingebracht war. Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 4 UVG können bereits ab der Bindung des Erstgerichts an seine Entscheidung, demnach mit der Verkündung der Entscheidung, bei nicht verkündeten Entscheidungen mit der Übergabe der Urschrift an die Geschäftsstelle gewährt werden (Neumayr in Schwimann, ABGB³ § 4 UVG Rz 87 mwN; RIS-Justiz RS0041721). Dass keine Feststellung dazu existiert, ob und gegebenenfalls wann die Entscheidung über die Abstammung in Rechtskraft erwachsen ist und sich dazu auch aus dem Akteninhalt nichts Eindeutiges entnehmen lässt, bleibt im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung (siehe oben Pkt 2) auf die Vorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG ohne Einfluss, solange das Unterhaltsverfahren noch nicht rechtskräftig beendet ist.

4.2. Es trifft zu, dass die Unterhaltsvorschussgewährung grundsätzlich eine Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht voraussetzt, sei es dass der Unterhaltsschuldner die ihm auferlegten Unterhaltspflichten nicht, verspätet oder nicht in vollem Ausmaß erbringt (Neumayr in Schwimann, ABGB3 § 3 UVG Rz 3). Die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht, weil P***** S***** noch vor Beschlussfassung am 13. 12. 2010 im Unterhaltsverfahren ohnedies zu Gericht geladen worden war und somit Gelegenheit erhalten hatte, zum Unterhaltsantrag Stellung zu nehmen. Daraus folgt aber auch, dass dem Rechtsstandpunkt des Revisionsrekurswerbers ohnehin dahin Rechnung getragen wurde, dem Unterhaltsschuldner auch im Fall der Vorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG vor Beschlussfassung die Möglichkeit zu gewähren, der Zahlung des laufenden Unterhalts nachzukommen, selbst wenn er noch nicht rechtskräftig als Vater des Minderjährigen feststehen sollte. Soweit die Argumentation des Revisionsrekurswerbers (mit einer analogen Anwendung des § 3 Z 2 UVG auf den hier verfahrensgegenständlichen Richtsatzvorschuss nach § 4 Z 4 UVG) darauf abzielt, dass dem Unterhaltsschuldner nach Verkündung der Feststellung seiner Vaterschaft am 12. 11. 2010 noch der nächste Monatserste zur Zahlung des laufenden Unterhalts zur Verfügung stehen müsste und daher - wie in einem Fall des § 3 Z 2 UVG - die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen erst ab 1. 12. 2010 in Betracht kommt, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass § 4 Z 4 UVG - anders als § 3 Z 2 UVG - nicht auf das Vorliegen eines vollstreckbaren Unterhaltstitels, sondern nur auf die Feststellung der Abstammung eines Kindes in erster Instanz und auf einen zu diesem Zeitpunkt bereits eingebrachten Unterhaltsfestsetzungsantrag oder für den Fall der Feststellung der Abstammung abgeschlossenen gerichtlichen Unterhaltsvergleich abstellt.

4.3. Der Antrag auf Unterhaltsvorschuss datiert vom 29. 11. 2010; im selben Monat hat das Erstgericht (mit Beschluss vom 12. 11. 2010) die Vaterschaft des P***** S***** zum mj T***** festgestellt. Im Hinblick auf die Monatsbezogenheit der Vorschüsse (RIS-Justiz RS0112995; Neumayr in Schwimann³, § 8 UVG Rz 3 mwN) bestand kein Hindernis, einen Vorschuss für den gesamten Monat November zu gewähren, also bereits ab Monatsbeginn und somit zu einem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für die Bewilligung von Titelvorschüssen nach § 4 Z 4 UVG noch gar nicht vorhanden waren.

Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG erweist sich der Revisionsrekurs als unzulässig.

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