OGH 10Ob19/99p

OGH10Ob19/99p9.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Lore W*****, Pensionistin, *****, 2. Walter W*****, Pensionist, *****, und 3. Marianne W*****, Pensionistin, *****, alle vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei S***** Aktiengesellschaft, vormals S***** Kredit- und Wechselbank, Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Dipl. Ing. Christoph Aigner und Dr. Thomas Feichtinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 17,556.032,54 sA, infolge außerordentlicher Revision der erstklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19. November 1998, GZ 4 R 107/98b-27, womit infolge Berufung der erstklagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. März 1998, GZ 5 Cg 292/96d-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der erstklagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die erstklagende Partei führt zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision aus, das Berufungsgericht sei von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, insbesondere von der im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Entscheidung vom 16. 12. 1997, 10 ObS 335/97f (= RdW 1998, 333 = ÖBA 1998, 643) abgewichen. Danach sei neues Vorbringen durch die Rechtskraft nicht präkludiert, wenn es mit dem Prozeßstoff des ersten Rechtsstreites nicht im Zusammenhang stünde. Im vorliegenden Rechtsstreit würden hingegen Schadenersatzansprüche der Klägers geltend gemacht, die nicht Gegenstand des Vorprozesses gewesen seien und über die auch das rechtskräftige Urteil nicht abgesprochen habe, weshalb darüber ein Beweisverfahren durchzuführen gewesen wäre. Unrichtig sei auch, daß die Schadenersatzansprüche notwendige Elemente der rechtskräftigen Entscheidung des Vorprozesses seien. Wenn der Gegenstand der Vorentscheidung sich in Wahrheit als Vorfrage für das nunmehr zu entscheidende Begehren darstelle, sei zu berücksichtigen, daß Vorfragebeurteilungen nicht isoliert rechtskraftfähig seien, soweit nicht darüber mit einem - hier eben nicht gestellten - Zwischenantrag auf Feststellung entschieden worden sei.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger begehren die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Klagssumme mit dem wesentlichen Vorbringen, sie seien von der Beklagten im Vorverfahren auf Grund für die Gustav W***** GmbH übernommener Wechselbürgschaften in Anspruch genommen worden. Die in jenem Verfahren klagende Bank habe ihr obliegende Schutzpflichten gegenüber den Bürgen verletzt und sie vertrags- und sittenwidrig geschädigt, da sie entgegen ihren Verpflichtungen gegenüber den Bürgen Zahlungseingänge zugunsten der Hauptschuldnerin nicht zur Abdeckung des gewähren Exportfonds-Kredits verwendet, sondern als Neukredit dem Unternehmen zur Aufrechterhaltung des Betriebes zur Verfügung gestellt habe. In Kenntnis dieses Vorgehens hätten die Kläger einer Bürgschaftsübernahme niemals zugestimmt. Eine Verständigung oder eine Zustimmung zu einer Neukrediteinräumung an die Gustav W***** GmbH sei nie erfolgt. Dabei handelt es sich im wesentlichen um die im Vorprozeß gegen ihre Inanspruchnahme als Wechselbürgen von den dortigen Beklagten erhobenen, jedoch erfolglos gebliebenen Einwendungen. In der Entscheidung vom 28. 9. 1995, 8 Ob 1016/95, mit der ihre außerordentliche Revision zurückgewiesen wurde, hatte der Oberste Gerichtshof wörtlich ausgeführt: "Dafür, ob eingehende Zahlungen zur Tilgung des verbürgten Kredites oder zur Abdeckung eines anderen Kredites des Hauptschuldners verwendet werden, ist grundsätzlich die vom Schuldner mit Einwilligung des Gläubigers vorgenommene Widmung im Sinne des § 1415 ABGB maßgeblich (ÖBA 1989/179; 1992/310; 1995/498). Von dem Absinken des von der Österreichischen ExportfondsGmbH geförderten Kreditvolumens infolge Rückganges der von der Hauptschuldnerin getätigten Exporte und der Eröffnung eines weiteren Kontos für den nicht mehr geförderten Teil des verbürgten Kredites unter Aufrechterhaltung der Haftung der Bürgen für das gesamte, nunmehr auf zwei Konten aufgeteilte Kreditvolumen von 13,2 Millionen S wurden die beklagten Parteien nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen von der klagenden Partei mit Schreiben vom 24. Juni 1992, Beilage ./N, verständigt. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist die klagende Partei mit dieser - von den Revisionswerbern negierten - Verständigung der beklagten Parteien der ihr nach den in der Entscheidung ÖBA 1992/310 dargelegten Grundsätzen obliegenden Aufklärungspflicht jedenfalls ausreichend nachgekommen, insbesondere wenn man auch noch in Betracht zieht, daß es sich bei den beklagten Parteien um die Gesellschafter der Hauptschuldnerin handelte. Da die klagende Partei daher ihre Aufklärungspflicht gegenüber den beklagten Parteien jedenfalls nicht verletzt hat, ist deren Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nicht sittenwidrig."

Daraus folgt, daß sich der Gegenstand der Vorentscheidung in Wahrheit als Vorfrage für das nunmehr zu entscheidende Begehren darstellt. Wenngleich richtig ist, daß angebliche Schadenersatzansprüche der Kläger gegen die Bank nicht Gegenstand des Vorverfahrens waren und darüber in dem rechtskräftigen Urteil auch nicht abgesprochen wurde, stellen die dortigen Prozeßergebnisse eine bindende Vorfragenbeurteilung im gegenständlichen Rechtsstreit dar. Der in der Revision erhobene Einwand, Vorfragenbeurteilungen würden nicht in Rechtskraft erwachsen, ist zwar an sich zutreffend, doch wird übersehen, daß es sich hier um die Beurteilung einer Vorfrage im anhängigen Verfahren handelte, über die im früheren Prozeß als Hauptfrage rechtskräftig entschieden wurde. Wenn die rechtskräftige Entscheidung des Vorprozesses nicht das Hauptsachbegehren des Folgeprozesses entschieden hat, sondern nur präjudiziell ist, weil sie über eine Vorfrage für den zweiten Prozeß rechtskräftig abgesprochen hat, ist das Gericht im zweiten Prozeß bei der Beurteilung dieser Vorfrage an die rechtskräftige Entscheidung gebunden, mit der darüber als Hauptsache entschieden wurde. Die Vorfragebeurteilung im Folgeprozeß darf nicht von der rechtskräftigen Entscheidung abweichen (Fasching, ZPR2 Rz 1501; 3 Ob 528/84; 1 Ob 577/89; 9 ObA 95/93; 8 Ob 1663/93; 1 Ob 574/95; 1 Ob 40/95; 4 Ob 581/95 ua; RIS-Justiz RS0041356).

Da das Berufungsgericht von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und ihm eine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung des Einzelfalles nicht vorzuwerfen ist, erweist sich die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig.

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