European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00011.15P.0324.000
Spruch:
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichts bestätigt, in dem festgestellt wurde, dass zugunsten zweier im Eigentum des Klägers stehender Grundstücke die Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts über einen in der Natur vorhandenen Weg in der Breite von 3 m auf einem im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstück besteht; die Beklagte wurde verpflichtet, in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen. Das Berufungsgericht ging unter anderem davon aus, dass die dreißigjährige Ersitzungszeit schon im Jahr 1996 abgelaufen gewesen sei; die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis der Unredlichkeit der Rechtsvorgänger des Klägers nicht erbracht.
Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass die Beklagte dem Berufungsgericht unrichtige rechtliche Beurteilung aufgrund einer Verkennung der vom Erstgericht getroffenen Feststellungsgrundlage vorwerfe und der Revisionswerberin zur Überprüfung dieser Frage zur Wahrung der Rechtssicherheit der Weg zum Höchstgericht zu eröffnen sei.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch ist die Revision nicht zulässig, weil zu den aufgeworfenen Fragen bereits gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, mit der die Entscheidungen der Vorinstanzen in Einklang stehen.
Da die Redlichkeit des Besitzes gemäß § 328 ABGB vermutet wird (RIS‑Justiz RS0010185 [T5]), muss der Ersitzungsgegner die Unredlichkeit beweisen (RIS‑Justiz RS0010185 [T6]). Die Beurteilung der Redlichkeit hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0010184 [T13], RS0010185 [T7]).
Nach den Feststellungen gingen die Rechtsvorgänger des Klägers schon seit Anfang der 1950er‑Jahre über das damals noch in ihrem und nunmehr im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück und fuhren mit Traktoren darüber, um zu ihren Gartengrundstücken zu gelangen und diese zu bewirtschaften. Sie setzten diese Wegbenutzung auch nach der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück an die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Jahr 1966 fort. Diese Wegbenutzung war den Rechtsvorgängern der Beklagten bekannt und wurde von diesen auch akzeptiert. Auf dieser Grundlage begegnet es keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht den Beginn des Laufs der Ersitzungsfrist mit 1966 angenommen hat, weil seit damals dem Inhalt nach ein Geh‑ und Fahrrecht ausgeübt wurde (8 Ob 51/12a). Hinweise auf einen Wegfall der Redlichkeit vor dem Ablauf der dreißigjährigen Ersitzungsfrist sind nicht hervorgekommen. Ein allfälliger Wegfall der Redlichkeit nach vollendeter Ersitzung schadet nicht (7 Ob 549, 550/77 = JBl 1978, 144 [ König ]).
Im Übrigen missversteht die Beklagte mit ihren Ausführungen zum Eintritt der Unredlichkeit im Jahr 2003 die Rechtsansicht des Berufungsgerichts: Dieses hat lediglich darauf hingewiesen, dass auch bei Annahme eines Wegfalls der Redlichkeit (bereits) im Jahr 2003 für die Beklagte im Hinblick auf den Beginn der Ersitzungszeit im Jahr 1966 nichts zu gewinnen wäre; das Berufungsgericht hat aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass es den Standpunkt der Beklagten betreffend die Unredlichkeit ab dem Jahr 2003 teile. Schließlich konnten der Kläger und seine Rechtsvorgänger sowie die Landarbeiter nach den Feststellungen den Weg „bis zum Jahr 2012 … uneingeschränkt benützen. Erst im Sommer 2012 wurde die klagende Partei in der Ausübung ihres Geh‑ und Fahrrechts beschränkt.“ Lediglich der Lebensgefährte der Beklagten nannte in seiner Zeugenvernehmung das „Thematisieren“ der Zufahrt („Bewusste Wahrnehmung zum Fahren habe ich eigentlich erst als das Ganze thematisiert worden ist, das war seit der Erbschaft meiner Lebensgefährtin, das war, glaube ich, 2003.“), ohne dass dies zum Gegenstand eines Vorbringens der Beklagten gemacht und in die Sachverhaltsfeststellungen übernommen worden wäre. Nach ihrem Vorbringen hat die Beklagte überhaupt erst etwa 2005/2006 wahrgenommen, dass der Rechtsvorgänger des Klägers den Weg befahren hat.
Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit der Revision der beklagten Partei hingewiesen, sodass ihm die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen sind.
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