OGH 10Ob10/16t

OGH10Ob10/16t15.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI R*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei W*****, vertreten durch Dr. Werner Goeritz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2. Dezember 2015, GZ 40 R 205/15s‑34, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00010.16T.0315.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes des § 30 Abs 1 MRG begründet verneint. Diese Begründung wird vom Revisionswerber nicht bekämpft, sodass dieser rechtlich gesondert beurteilbare Kündigungsgrund für den Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar ist (RIS‑Justiz RS0043338).

2. Nach ständiger Rechtsprechung ist maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des behaupteten Kündigungsgrundes der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Kündigungsgegner (RIS‑Justiz RS0070282). Dies gilt auch für den weiteren vom Revisionswerber geltend gemachten Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG (RIS‑Justiz RS0106984). Es ist daher zu prüfen, ob der behauptete Kündigungsgrund zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung gegeben war. Nur ausnahmsweise ‑ beim Kündigungsgrund des Eigenbedarfs und bei Kündigungsgründen, die eine Zukunftsprognose erfordern ‑ ist die Rechtsprechung von diesem Grundsatz abgegangen und hat auf die bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz eingetretenen Umstände Bedacht genommen, wenn dies im Interesse des Mieters erforderlich ist, um eine offenbar unbillige Entscheidung zu verhindern (4 Ob 231/10i mzwH; RIS‑Justiz RS0044892). Bei einer Kündigung wegen Weitergabe des Bestandobjekts kommt es weder auf das Vorliegen einer strafbaren Handlung, noch auf eine Zukunftsprognose an (4 Ob 231/10i). Fehlt es im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung an den Kündigungsgegner an einem Kündigungsgrund, kann daher auch dessen nachträgliche Verwirklichung nicht zu einer Wirksamerklärung der Aufkündigung führen (10 Ob 22/00h; RIS‑Justiz RS0070282 [T4]).

3. Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen wurde die aufgekündigte Wohnung zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung vom Beklagten und dessen Ehefrau (noch) durchgehend bewohnt. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das schon deshalb den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG als nicht verwirklicht ansah, steht mit der dargestellten Rechtsprechung im Einklang. Dies gilt auch für seine weitere Beurteilung, dass der rund drei Wochen nach Zustellung der Aufkündigung erfolgte Auszug des Beklagten aus der aufgekündigten Wohnung nicht nachträglich den Kündigungsgrund verwirkliche. Denn ein sich erst nach dem Zugang der Kündigung an den Kündigungsgegner verwirklichender Sachverhalt, mag er auch denselben Kündigungstatbestand erfüllen, der in der Kündigung ausgeführt wurde, vermag eine voreilige Aufkündigung im Nachhinein nicht zu rechtfertigen (10 Ob 22/00h mwH). Auf die zwischen dem Beklagten und seinem Nachmieter nach Zustellung der Aufkündigung getroffene Vereinbarung über eine Zahlung für Investitionen, Inventar und Übersiedlungskosten kommt es vor diesem Hintergrund ebenso wenig an, wie auf die vom Revisionswerber vor allem bekämpfte Auslegung eines im Mietvertrag vereinbarten Weitergaberechts und dessen Reichweite durch die Vorinstanzen.

4. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auch der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG aus den schon dargestellten Gründen im ‑ auch hier maßgeblichen (3 Ob 43/14s mwH) ‑ Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung im Anlassfall nicht verwirklicht ist, bekämpft der Revisionswerber nicht, sodass auch dieser Kündigungsgrund einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen ist.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte