BVwG W265 2201738-1

BVwGW265 2201738-15.11.2018

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W265.2201738.1.00

 

Spruch:

W265 2201739-1/8E

 

W265 2201738-1/7E

 

W265 2201737-1/7E

 

W244 2201735-1/7E

 

Schriftliche Ausfertigung des am 05.11.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.

XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , und

4. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1. vom XXXX , Zl. XXXX , 2. vom XXXX , Zl. XXXX , 3. vom XXXX , Zl. XXXX , und 4. vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Erstbeschwerdeführerin stellte für sich und für ihre minderjährigen Kinder, den Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin, als deren gesetzliche Vertreter am 27.01.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

 

2. Am 27.01.2017 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin statt. Dabei gab sie u.a. an, afghanische Staatsangehörige zu sein. Sie stelle deswegen den gegenständlichen Antrag, weil ihr Ehegatte in Österreich den Status des subsidiär Schutzberechtigten erhalten habe, weswegen sie für sich und ihre minderjährigen Kinder denselben Schutz beantrage. Sie und ihre minderjährigen Kinder seien mit dem Flugzeug legal und im Besitz eines österreichischen Visums in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

 

3. Am 24.04.2018 stellte XXXX für eine weitere, am XXXX bereits in Österreich geborene Tochter, die Viertbeschwerdeführerin, als dessen gesetzlicher Vertreter einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

4. Am 04.05.2018 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Hinsichtlich ihres Fluchtgrundes führte die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf das Wesentliche zusammengefasst aus, sie selbst habe keine Angst, aber sie habe Angst um ihre Kinder und um ihren Ehegatten. Der Bruder ihres Ehegatten sei aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten getötet worden. Die Leute, die mit der Familie ihres Ehegatten eine Feindschaft hätten, hätten gegenüber ihrem Ehegatten Drohungen ausgesprochen, die sich auch gegen sie und ihre Kinder gerichtet hätten. Andererseits werde sie von ihrem Bruder verfolgt, weil sie gegen dessen Willen ihren Ehegatten geheiratet habe. Nach der Ausreise ihres Ehegatten habe sie einige Zeit bei ihrem Schwiegervater gelebt. Sie sei aber auch bei ihrer Mutter aufhältig gewesen.

 

5. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit Bescheiden vom XXXX bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihnen gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

 

Gegen die Spruchpunkte I. dieser Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurde insbesondere vorgebracht, die Erstbeschwerdeführerin und die Drittbeschwerdeführerin seien wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen in Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt.

 

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 05.11.2018 in den gemäß § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Beschwerdeverfahren eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der die Erstbeschwerdeführerin in Anwesenheit ihres Vertreters ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurden. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil. Zu dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Länderberichtsmaterial erfolgte keine Stellungnahme und wurde auch keine Frist für eine Stellungnahme beantragt.

 

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses. Die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 05.11.2018 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl samt Hinweis auf die mündliche Verkündung übermittelt. Die Beschwerdeführer beantragten fristgerecht beim Bundesverwaltungsgericht die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

 

Die Erstbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Sie ist mit XXXX , welchem mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, seit etwa 2006 verheiratet. Die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte haben drei gemeinsame Kinder, den am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführer, XXXX , die am XXXX geborene Drittbeschwerdeführerin, XXXX , und die am XXXX geborene Viertbeschwerdeführerin, XXXX .

 

Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Paschtunen und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

 

Die Erstbeschwerdeführerin wurde im Dorf XXXX im Distrikt XXXX , Provinz Kapisa, Afghanistan geboren und wuchs auch dort auf. Die Beschwerdeführerin lebte mit ihren Eltern und Geschwistern als Nomadin im Distrikt XXXX . Sie hatten Schafe und Ziege. Die Beschwerdeführerin besuchte keine Schule in Afghanistan.

 

Die Brüder der Beschwerdeführerin leben nach wie vor im Dorf XXXX im Distrikt XXXX . Die Eltern der Beschwerdeführerin leben im Distrikt

XXXX .

 

Nach der Heirat ihres Ehegatten zog die Erstbeschwerdeführerin nach XXXX und lebte im Familienverband ihres Ehegatten. Nach der Ausreise ihres Ehegatten aus Afghanistan im Jahr 2011 lebte die Erstbeschwerdeführerin weiterhin im Familienverband ihres Ehegatten. Zwischenzeitlich hielt sie sich für einen kurzen Zeitraum in Pakistan auf. Die Erstbeschwerdeführerin hielt sich auch immer wieder für mehrere Monate bei ihren Eltern im Herkunftsdistrikt auf.

 

Der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin wurde in Afghanistan geboren.

 

Die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin reisten im Familienverband mit dem Flugzeug legal und im Besitz eines österreichischen Visums in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 27.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Für die bereits in Österreich geborene Viertbeschwerdeführerin wurde am 24.04.2018 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Paschtu.

 

Die Erstbeschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Der Zweitbeschwerdeführer, die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin sind strafunmündig.

 

1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern in Afghanistan aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten der Familie des Ehegatten bzw. Vaters physische und/oder psychische Gewalt droht.

 

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführerin durch ihre eigenen Familienmitglieder physische und/oder psychische Gewalt droht, weil sie gegen deren Willen ihren Ehegatten geheiratet hat.

 

Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich nicht um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie spricht sehr wenig Deutsch und kümmert sich in Österreich primär um den Haushalt und die Kinder, was sie auch in Afghanistan getan hat. Sie bedarf bei komplexeren Tätigkeiten einer Unterstützung durch ihren Ehegatten im Alltag. Sie trägt einen Schleier als Kopftuch und ist zur Verhandlung mit einer schwarzen Hose und einem langen Pullover erschienen.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass es dem Zweitbeschwerdeführer, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin unmöglich oder unzumutbar wäre, sich in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren, und dass dem Zweitbeschwerdeführer, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin auf Grund ihres Alters bzw. vor dem Hintergrund der Situation der Kinder in Afghanistan physische und/oder psychische Gewalt droht und sie deswegen einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären.

 

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 11.09.2018 (Schreibfehler teilweise korrigiert):

 

Sicherheitslage:

 

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

 

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

 

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

 

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

 

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

 

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

 

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

 

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

 

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

 

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

 

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

 

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

 

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

 

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

 

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

 

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

 

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

 

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

 

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

 

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

 

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

 

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

 

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

 

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

 

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

 

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

 

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

 

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

 

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

 

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

 

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

 

* Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

 

* Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

 

* Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

 

* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

 

* Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

 

* In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

 

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

 

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

 

* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

 

* Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).

 

* Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018).

 

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

 

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

 

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

 

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

 

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

 

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

 

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Gemäß Artikel 116 der Verfassung ist die Justiz ein unabhängiges Organ der Islamischen Republik Afghanistan. Die Judikative besteht aus dem Obersten Gerichtshof (Stera Mahkama, Anm.), den Berufungsgerichten und den Hauptgerichten, deren Gewalten gesetzlich geregelt sind. (Casolino 2011). Die wichtigste religiöse Institution des Landes ist der Ulema-Rat (Afghan Ulama Council - AUC, Shura-e ulama-e afghanistan, Anm.), eine nationale Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. den Präsidenten in islamrechtlichen Angelegenheiten berät und Einfluss auf die Rechtsformulierung und die Auslegung des existierenden Rechts hat (USDOS 15.8.2017; vgl. AB 7.6.2017, AP o.D.).

 

Das afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.:

Scharia] als auch auf dem nationalen Recht; letzteres wurzelt in den deutschen und ägyptischen Systemen (NYT 26.12.2015; vgl. AP o.D.).

Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen, einschließlich Menschenrechtsverträge, vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt. Ein Beispiel dieser Komplexität ist das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist (AP o.D.; vgl. vertrauliche Quelle 10.4.2018). Die Organe der afghanischen Rechtsprechung sind durch die Verfassung dazu ermächtigt, sowohl das formelle als auch das islamische Recht anzuwenden (AP o.D.).

 

Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten umgesetzt. Die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich. Dem Gesetz nach gilt für alle Bürger/innen die Unschuldsvermutung und Angeklagte haben das Recht, beim Prozess anwesend zu sein und Rechtsmittel einzulegen; jedoch werden diese Rechte nicht immer respektiert. Bürger/innen sind bzgl. ihrer Verfassungsrechte oft im Unklaren und es ist selten, dass Staatsanwälte die Beschuldigten über die gegen sie erhobenen Anklagen genau informieren. Die Beschuldigten sind dazu berechtigt, sich von einem Pflichtverteidiger vertreten und beraten zu lassen; jedoch wird dieses Recht aufgrund eines Mangels an Strafverteidigern uneinheitlich umgesetzt (USDOS 20.4.2018). In Afghanistan existieren keine Strafverteidiger nach dem westlichen Modell; traditionell dienten diese nur als Mittelsmänner zwischen der anklagenden Behörde, dem Angeklagten und dem Gericht. Seit 2008 ändert sich diese Tendenz und es existieren Strafverteidiger, die innerhalb des Justizministeriums und auch außerhalb tätig sind (NYT 26.12.2015). Der Zugriff der Anwälte auf Verfahrensdokumente ist oft beschränkt (USDOS 3.3.2017) und ihre Stellungnahmen werden während der Verfahren kaum beachtet (NYT 26.12.2015). Berichten zufolge zeigt sich die Richterschaft jedoch langsam respektvoller und toleranter gegenüber Strafverteidigern (USDOS 20.4.2018).

 

Gemäß einem Bericht der New York Times über die Entwicklung des afghanischen Justizwesens wurden im Land zahlreiche Fortbildungskurse für Rechtsgelehrte durch verschiedene westliche Institutionen durchgeführt. Die Fortbildenden wurden in einigen Fällen mit bedeutenden Aspekten der afghanischen Kultur (z. B. Respekt vor älteren Menschen), welche manchmal mit der westlichen Orientierung der Fortbildenden kollidierten, konfrontiert. Auch haben Strafverteidiger und Richter verschiedene Ausbildungshintergründe: Während Strafverteidiger rechts- und politikwissenschaftliche Fakultäten besuchen, studiert der Großteil der Richter Theologie und islamisches Recht (NYT 26.12.2015).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan üblicherweise akzeptiert wird, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang; oft werden die Bestimmungen des islamischen Rechts zugunsten des Gewohnheitsrechts missachtet, welches den Konsens innerhalb der Gemeinschaft aufrechterhalten soll (USIP 3.2015; vgl. USIP o.D.). Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem das Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, die Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. USIP o.D., NYT 26.12.2015, WP 31.5.2015, AA 5 .2018). Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz im Fall eines Konflikts zwischen dem traditionellen islamischen Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 5 .2018).

 

Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten. Bei Angelegenheiten, wo keine klar definierte Rechtssetzung angewendet werden kann, setzen Richter und lokale Schuras das Gewohnheitsrecht (welches auch nicht einheitlich ist, Anm.) durch (USDOS 20.4.2018).

 

Gemäß dem "Survey of the Afghan People" der Asia Foundation (AF) nutzten in den Jahren 2016 und 2017 ca. 20.4% der befragten Afghan/innen nationale und lokale Rechtsinstitutionen als Schlichtungsmechanismen. 43.2% benutzten Schuras und Jirgas, währed 21.4% sich an die Huquq-Abteilung [Anm.: "Rechte"-Abteilung] des Justizministeriums wandten. Im Vergleich zur städtischen Bevölkerung bevorzugten Bewohner ruraler Zentren lokale Rechtsschlichtungsmechanismen wie Schuras und Jirgas (AF 11.2017; vgl. USIP o.D., USDOS 20.4.2018). Die mangelnde Präsenz eines formellen Rechtssystems in ruralen Gebieten führt zur Nutzung lokaler Schlichtungsmechanismen. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 3.3.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles auf der Scharia basierendes Rechtssystem um (USDOS 20.4.2018).

 

Die Unabhängigkeit des Justizwesens ist gesetzlich festgelegt; jedoch wird die afghanische Judikative durch Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquate Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert (USDOS 20.4.2018). Rechtsstaatliche (Verfahrens‑)Prinzipien werden nicht konsequent angewandt (AA 9 .2016). Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Fähigkeit die hohe Anzahl an neuen und novellierten Gesetzen einzugliedern und durchzuführen. Der Zugang zu Gesetzestexten wird zwar besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt aber für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben, erhöht sich weiterhin (USDOS 3.3.2017). Im Jahr 2017 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit auf 1.000 geschätzt (CRS 13.12.2017), davon waren rund 260 Richterinnen (CRS 13.12.2017; vgl. AT 29.3.2017). Hauptsächlich in unsicheren Gebieten herrscht ein verbreiteter Mangel an Richtern und Richterinnen. Nachdem das Justizministerium neue Richterinnen ohne angemessene Sicherheitsmaßnahmen in unsichere Provinzen versetzen wollte und diese protestierten, beschloss die Behörde, die Richterinnen in sicherere Provinzen zu schicken (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin, Anisa Rasooli, als erste Frau zur Richterin des Obersten Gerichtshofs ernannt, jedoch wurde ihr Amtsantritt durch das Unterhaus [Anm.: "wolesi jirga"] verhindert (AB 12.11.2017; vgl. AT 29.3.2017). Auch existiert in Afghanistan die "Afghan Women Judges Association", ein von Richterinnen geführter Verband, wodurch die Rechte der Bevölkerung, hauptsächlich der Frauen, vertreten werden sollen (TSC o.D.).

 

Korruption stellt weiterhin ein Problem innerhalb des Gerichtswesens dar (USDOS 20.4.2017; vgl. FH 11.4.2018); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen (FH 11.4.2018), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 20.4.2017). Wegen der Langsamkeit, der Korruption, der Ineffizienz und der politischen Prägung des afghanischen Justizwesens hat die Bevölkerung wenig Vertrauen in die Judikative (BTI 2018). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das "Anti-Corruption Justice Center" (ACJC), um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (AB 17.11.2017; vgl. Reuters 12.11.2016). Der afghanische Generalprokurator Farid Hamidi engagiert sich landesweit für den Aufbau des gesellschaftlichen Vertrauens in das öffentliche Justizwesen (BTI 2018). Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.2.2018).

 

Religionsfreiheit:

 

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5 .2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

 

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

 

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5 .2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5 .2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

 

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

 

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

 

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

 

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).

 

Ethnische Minderheiten:

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5 .2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).

 

Paschtunen

 

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 20.4.2018). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

 

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Frauen:

 

Die Lage afghanischer Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren zwar insgesamt ein wenig verbessert, jedoch nicht so sehr wie erhofft. Wenngleich es in den unterschiedlichen Bereichen viele Fortschritte gab, bedarf die Lage afghanischer Frauen spezieller Beachtung. Die afghanische Regierung ist bemüht, die Errungenschaften der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu verfestigen - eine Institutionalisierung der Gleichberechtigung von Frauen in Afghanistan wird als wichtig für Stabilität und Entwicklung betrachtet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). In einigen Bereichen hat der Fortschritt für Frauen stagniert, was großteils aus der Talibanzeit stammenden, unnachgiebigen konservativen Einstellungen ihnen gegenüber geschuldet ist (BFA Staatendokumentation 4.2018). Viel hat sich seit dem Ende des Talibanregimes geändert: Frauen haben das verfassungsmäßige Recht an politischen Vorgängen teilzunehmen, sie streben nach Bildung und viele gehen einer Erwerbstätigkeit nach (TET 15.3.2018). Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (MPI 27.1.2004). In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte (AA 5 .2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9 .2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Traditionell diskriminierende Praktiken gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter (AA 5 .2018).

 

Bildung

 

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014). Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig. Aufgeschlossene und gebildete Afghanen, welche die finanziellen Mittel haben, schicken ihre Familien ins Ausland, damit sie dort leben und eine Ausbildung genießen können (z.B. in die Türkei); während die Familienväter oftmals in Afghanistan zurückbleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Eine der Herausforderungen für alle in Afghanistan tätigen Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich; speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch den United Nations Children's Fund (UNICEF) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) landesweit 4.055 Dorfschulen errichtet - damit kann die Bildung von mehr als 119.000 Kindern in ländlichen Gebieten sichergestellt werden, darunter mehr als 58.000 Mädchen. Weitere 2.437 Ausbildungszentren in Afghanistan wurden mit Unterstützung von USAID errichtet, etwa für Personen, die ihre Ausbildung in frühen Bildungsjahren unterbrechen mussten. Mehr als 49.000 Student/innen sind in diesen Ausbildungszentren eingeschrieben (davon mehr als 23.000 Mädchen). USAID hat mehr als 154.000 Lehrer ausgebildet (davon mehr als 54.000 Lehrerinnen) sowie 17.000 Schuldirektoren bzw. Schulverwalter (mehr als 3.000 davon Frauen) (USAID 10.10.2017).

 

Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen (USAID 10.10.2017).

 

Dem afghanischen Statistikbüro (CSO) zufolge gab es im Zeitraum 2016-2017 in den landesweit 16.049 Schulen, insgesamt 8.868.122 Schüler, davon waren 3.418.877 weiblich. Diese Zahlen beziehen sich auf Schüler/innen der Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren sowie Religionsschulen. Im Vergleich mit den Zahlen aus dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Studentinnen um 5,8% verringert (CSO 2017). Die Gesamtzahl der Lehrer für den Zeitraum 2016-2017 betrug 197.160, davon waren 64.271 Frauen. Insgesamt existieren neun medizinische Fakultäten, an diesen sind 342.043 Studierende eingeschrieben, davon

77.909 weiblich. Verglichen mit dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Frauen um 18.7% erhöht (CSO 2017).

 

Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (TE 13.8.2016; vgl. MORAA 31.5.2016). Im Jahr 2017 wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem 70 Mädchen aus Waisenhäusern in Afghanistan, die Gelegenheit bekommen ihre höhere Bildung an der Moraa Universität genießen zu können (Tolonews 17.8.2017).

 

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (KP 18.10.2015; vgl. UNDP 10.7.2016). Im Jahr 2017 haben die ersten Absolvent/innen des Masterprogramms den Lehrgang abgeschlossen: 15 Frauen und sieben Männer, haben sich in ihrem Studium zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte ausbilden lassen; dazu zählen Bereiche wie der Rechtsschutz, die Rolle von Frauen bei der Armutsbekämpfung, Konfliktschlichtung etc. (UNDP 7.11.2017).

 

Berufstätigkeit

 

Berufstätige Frauen sind oft Ziel von sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen. Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit (AA 5 .2018). Aus einer Umfrage der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen außerhalb des Hauses unter den Hazara 82,5% beträgt und am höchsten ist. Es folgen die Usbeken (77,2%), die Tadschiken (75,5%) und die Paschtunen (63,4%). In der zentralen Region bzw. Hazarajat tragen 52,6% der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, während es im Südwesten nur 12% sind. Insgesamt sind 72,4% der befragten Afghanen und Afghaninnen der Meinung, dass Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten sollen (AF 11.2017). Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig erhöht und betrug im Jahr 2016 19%. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UNW o. D.).

 

Nichtsdestotrotz arbeiten viele afghanische Frauen grundlegend an der Veränderung patriarchaler Einstellungen mit. Viele von ihnen partizipieren an der afghanischen Zivilgesellschaft oder arbeiten im Dienstleistungssektor. Aber noch immer halten soziale und wirtschaftliche Hindernisse (Unsicherheit, hartnäckige soziale Normen, Analphabetismus, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu Märkten) viele afghanische Frauen davon ab, ihr volles Potential auszuschöpfen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. Davor war der Widerstand gegen arbeitende Frauen groß und wurde damit begründet, dass ein Arbeitsplatz ein schlechtes Umfeld für Frauen darstelle, etc. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent und afghanische Frauen sehen sich immer noch Hindernissen ausgesetzt, wenn es um Arbeit außerhalb ihres Heimes geht. Im ländlichen Afghanistan gehen viele Frauen, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Das Gesetz sieht zwar die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf vor, jedoch beinhaltet es keine egalitären Zahlungsvorschriften bei gleicher Arbeit. Das Gesetz kriminalisiert Eingriffe in das Recht auf Arbeit der Frauen; dennoch werden diese beim Zugang zu Beschäftigung und Anstellungsbedingungen diskriminiert (USDOS 20.4.2018).

 

Dennoch hat in Afghanistan aufgrund vieler Sensibilisierungsprogramme sowie Projekte zu Kapazitätsaufbau und Geschlechtergleichheit ein landesweiter Wandel stattgefunden, wie Frauen ihre Rolle in- und außerhalb des Hauses sehen. Immer mehr Frauen werden sich ihrer Möglichkeiten und Chancen bewusst. Sie beginnen auch wirtschaftliche Macht zu erlangen, indem eine wachsende Zahl Teil der Erwerbsbevölkerung wird - in den Städten mehr als in den ländlichen Gebieten. Frauen als Ernährerinnen mit Verantwortung für die gesamte Familie während ihr Mann arbeitslos ist, sind keine Seltenheit mehr. Mittlerweile existieren in Afghanistan oft mehr Arbeitsmöglichkeiten für Frauen als für Männer, da Arbeitsstellen für letztere oftmals schon besetzt sind. In und um Kabul eröffnen laufend neue Restaurants, die entweder von Frauen geführt werden oder in ihrem Besitz sind. Der Dienstleistungssektor ist zwar von Männern dominiert, dennoch arbeitet eine kleine, aber nicht unwesentliche Anzahl afghanischer Frauen in diesem Sektor und erledigt damit Arbeiten, die bis vor zehn Jahren für Frauen noch als unangebracht angesehen wurden (und teilweise heute noch werden). Auch soll die Anzahl der Mitarbeiterinnen im Finanzsektor erhöht werden. In Kabul zum Beispiel eröffnete im Sommer 2017 eine Filiale der First MicroFinance Bank, Afghanistan (FMFB-A), die nur für Frauen gedacht ist und nur von diesen betrieben wird. Diese Initiative soll es Frauen ermöglichen, ihre Finanzen in einer sicheren und fördernden Umgebung zu verwalten, um soziale und kulturelle Hindernisse, die ihrem wirtschaftlichen Empowerment im Wege stehen, zu überwinden. Geplant sind zwei weitere Filialen in Mazar-e Sharif bis 2019. In Kabul gibt es eine weitere Bank, die - ausschließlich von Frauen betrieben - hauptsächlich für Frauen da ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Eine Position in der Öffentlichkeit ist für Frauen in Afghanistan noch immer keine Selbstverständlichkeit. Dass etwa der afghanische Präsident dies seiner Ehefrau zugesteht, ist Zeichen des Fortschritts. Frauen in öffentlichen bzw. semi-öffentlichen Positionen sehen sich deshalb durchaus in einer gewissen Vorbildfunktion. So polarisiert die Talent-Show "Afghan Star" zwar einerseits das Land wegen ihrer weiblichen Teilnehmer und für viele Familien ist es inakzeptabel, ihre Töchter vor den Augen der Öffentlichkeit singen oder tanzen zu lassen. Dennoch gehört die Sendung zu den populärsten des Landes (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Politische Partizipation und Öffentlichkeit

 

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9 .2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Das per Präsidialdekret erlassene Wahlgesetz sieht eine Frauenquote von min. 25% in den Provinzräten vor. Zudem sind min. zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Indpendent Electoral Commission, IEC) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung veröffentlichte im Jänner 2018 einen Strategieplan zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst um 2% für das Jahr 2018 (AA 5 .2018). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UNW o.D.). Im Winter 2017 wurde mit Khojesta Fana Ebrahimkhel eine weitere Frau zur afghanischen Botschafterin (in Österreich) ernannt (APA 5.12.2017). Dennoch sehen sich Frauen, die in Regierungspositionen und in der Politik aktiv sind, weiterhin mit Bedrohungen und Gewalt konfrontiert und sind Ziele von Angriffen der Taliban und anderer aufständischer Gruppen. Traditionelle gesellschaftliche Praktiken schränken die Teilnahme der Frauen am politischen Geschehen und Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft weiterhin ein. Der Bedarf einer männlichen Begleitung bzw. einer Arbeitserlaubnis ist weiterhin gängig. Diese Faktoren sowie ein Mangel an Bildung und Arbeitserfahrung haben wahrscheinlich zu einer männlich dominierten Zusammensetzung der Zentralregierung beigetragen (USDOS 20.4.2018).

 

Strafverfolgung und rechtliche Unterstützung

 

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 5 .2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9 .2016).

 

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 5 .2018). Andere Frauen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können, erhalten in einigen Fällen Unterstützung vom Ministerium für Frauenangelegenheiten und Nichtregierungsinstitutionen, indem Ehen für diese arrangiert werden (USDOS 20.4.2018). Eine erhöhte Sensibilisierung seitens der afghanischen Polizei und Justiz führt zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen hatte positive Auswirkungen (AA 9 .2016). Um Frauen und Kindern, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, beizustehen, hat das Innenministerium (MoI) landesweit Family Response Units (FRU) eingerichtet. Die FRU sind mit Fachleuten wie Psychologen und Sozialarbeitern besetzt, welche die Opfer befragen und aufklären und ihre physische sowie psychische medizinische Behandlung nachverfolgen. Im Jahr 2017 existierten 208 FRU im Land (USDOD 12.2017).

 

EVAW-Gesetz

 

Das Law on Elimination of Violence against Women (EVAW-Gesetz) wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt (AA 5 .2018). Das EVAW-Gesetz ist nach wie vor in seiner Form als eigenständiges Gesetz gültig (Pajhwok 11.11.2017; vgl. UNN 22.2.2018); und bietet rechtlichen Schutz für Frauen (UNAMA 22.2.2018).

 

Das EVAW-Gesetz definiert fünf schwere Straftaten gegen Frauen:

Vergewaltigung, Zwangsprostitution, die Bekanntgabe der Identität eines Opfers, Verbrennung oder Verwendung von chemischen Substanzen und erzwungene Selbstverbrennung oder erzwungener Selbstmord. Dem EVAW-Gesetz zufolge muss der Staat genannte Verbrechen untersuchen und verfolgen, auch, wenn die Frau die Beschwerde nicht einreichen kann bzw. diese zurückzieht. Dieselben Taten werden auch im neuen afghanischen Strafgesetzbuch kriminalisiert (UNAMA/OHCHR 5.2018). Das EVAW-Gesetz wird jedoch weiterhin nur unzureichend umgesetzt. Frauen können sich grundsätzlich, abgesehen von großen Städten wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht ohne einen männlichen Begleiter in der Öffentlichkeit bewegen. Es gelten strenge soziale Anforderungen an ihr äußeres Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, deren Einhaltung sie jedoch nicht zuverlässig vor sexueller Belästigung schützt (AA 5 .2018).

 

Frauenhäuser

 

Nichtregierungsorganisation in Afghanistan betreiben etwa 40 Frauenhäuser, zu denen auch Rechtsschutzbüros und andere Einrichtungen für Frauen, die vor Gewalt fliehen, zählen. Alle Einrichtungen sind auf Spenden internationaler Gruppen angewiesen - diese Einrichtungen werden zwar im Einklang mit dem afghanischen Gesetz betrieben, stehen aber im Widerspruch zur patriarchalen Kultur in Afghanistan. Oftmals versuchen Väter ihre Töchter aus den Frauenhäusern zu holen und sie in Beziehungen zurückzudrängen, aus denen sie geflohen sind, oder Ehen mit älteren Männern oder den Vergewaltigern zu arrangieren (NYT 17.3.2018). Die EVAW-Institutionen und andere Einrichtungen, die Gewaltmeldungen annehmen und für die Schlichtung zuständig sind, bringen die Gewaltopfer während des Verfahrens oft in Schutzhäuser (z. B. Frauenhäuser) (UNAMA/OHCHR 5.2018).

 

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft für die Notlage (mit-)verantwortlich ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre (AA 5 .2018). Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte (AA 5 .2018; vgl. NYT 17.3.2018). Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden. Das Schicksal von Frauen, die auf Dauer weder zu ihren Familien noch zu ihren Ehemännern zurückkehren können, ist bisher ohne Perspektive. Für diese erste "Generation" von Frauen, die sich seit Ende der Taliban-Herrschaft in

 

den Schutzeinrichtungen eingefunden haben, hat man in Afghanistan bisher keine Lösung gefunden. Generell ist in Afghanistan das Prinzip eines individuellen Lebens weitgehend unbekannt. Auch unverheiratete Erwachsene leben in der Regel im Familienverband. Für Frauen ist ein alleinstehendes Leben außerhalb des Familienverbandes kaum möglich und wird gemeinhin als unvorstellbar oder gänzlich unbekannt beschrieben (AA 5 .2018). Die EVAW-Institutionen konsultieren in der Regel die Familie und das Opfer, bevor sie es in ein Frauenhaus bringen (UNAMA/OHCHR 5.2018).

 

Gewalt gegen Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

 

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet und kaum dokumentiert. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzung und Misshandlung über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigung und Mord (AA 5 .2018). Zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt zählen außerdem noch die Praxis der badal-Hochzeiten (Frauen und Mädchen, die im Rahmen von Heiratsabmachungen zwischen Familien getauscht werden, Anm.) bzw. des ba'ad (Mädchen, die zur Konfliktlösung abgegeben werden, Anm.) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 4.12.2017). Dem Bericht der AIHRC zufolge wurden für das Jahr 2017 4.340 Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert. Die Anzahl der gemeldeten Gewaltvorfälle und der Gewaltopfer steigt (AIHRC 11.3.2018).

 

Soziale Medien in Afghanistan haben Frauen und Mädchen neue Möglichkeiten eröffnet, um ihr Schicksal zu teilen. In den Medien ist der Kampf afghanischer Frauen, Mädchen und Buben gegen geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt in all ihren Formen tiefgründig dokumentiert. Die afghanische Regierung hat anerkannt, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein Problem ist und eliminiert werden muss. Das soll mit Mitteln der Rechtsstaatlichkeit und angemessenen Vollzugsmechanismen geschehen. Zu diesen zählen das in Afghanistan eingeführte EVAW-Gesetz zur Eliminierung von Gewalt an Frauen, die Errichtung der EVAW-Kommission auf nationaler und lokaler Ebene und die EVAW-Strafverfolgungseinheiten. Auch wurden Schutzzentren für Frauen errichtet und die Rekrutierung von Frauen in der Polizei verstärkt. Mittlerweile existieren für Frauen 205 Spezialeinsatzeinheiten, die hauptsächlich von weiblichen Mitarbeiterinnen der afghanischen Nationalpolizei geleitet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Legales Heiratsalter:

 

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre (15 Jahre, wenn dies von einem Elternteil bzw. einem Vormund und dem Gericht erlaubt wird) und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 5 .2018). Dem Gesetz zufolge muss vor dem Ehevertrag das Alter der Braut festgestellt werden. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung besitzt Geburtsurkunden. Quellen zufolge ist die frühe Heirat weiterhin verbreitet. Gemäß dem EVAW-Gesetz werden Personen, die Zwangsehen bzw. Frühverheiratung arrangieren, für mindestens zwei Jahre inhaftiert; dennoch hält sich die Umsetzung dieses Gesetzes in Grenzen (USDOS 20.4.2018). Im Rahmen von Traditionen geben arme Familien ihre Mädchen im Gegenzug für "Brautgeld" zur Heirat frei, wenngleich diese Praxis in Afghanistan illegal ist. Lokalen NGOs zufolge, werden manche Mädchen im Alter von sechs oder sieben Jahren zur Heirat versprochen - unter der Voraussetzung, die Ehe würde bis zum Erreichen der Pubertät nicht stattfinden. Berichte deuten an, dass diese "Aufschiebung" eher selten eingehalten wird. Medienberichten zufolge existiert auch das sogenannte "Opium-Braut-Phänomen", dabei verheiraten Bauern ihre Töchter, um Schulden bei Drogenschmugglern zu begleichen (USDOS 3.3.2017).

 

Familienplanung und Verhütung

 

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22% (überwiegend in den Städten und gebildeteren Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten (AA 5 .2018). Ohne Diskriminierung, Gewalt und Nötigung durch die Regierung steht es Paaren frei, ihren Kinderwunsch nach ihrem Zeitplan, Anzahl der Kinder usw. zu verwirklichen. Es sind u.a. die Familie und die Gemeinschaft, die Druck auf Paare zur Reproduktion ausüben (USDOS 3.3.2017). Auch existieren keine Berichte zu Zwangsabtreibungen, unfreiwilliger Sterilisation oder anderen zwangsverabreichten Verhütungsmitteln zur Geburtenkontrolle (USDOS 20.4.2018). Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 5 .2018; vgl. USDOS 3.3.2017).

 

Orale Empfängnisverhütungsmittel, Intrauterinpessare, injizierbare Verhütungsmethoden und Kondome sind erhältlich; diese werden kostenfrei in öffentlichen Gesundheitskliniken und zu subventionierten Preisen in Privatkliniken und durch Community Health Workers (CHW) zur Verfügung gestellt (USDOS 3.3.2017).

 

Ehrenmorde

 

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014) und kommen auch weiterhin vor (USDOS 3.3.2017). Laut AIHRC waren von 277 Mordfällen an Frauen im Jahr 2017 136 Eherenmorde (AIHRC 11.3.2018; vgl. Tolonews 11.3.2018).

 

Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist das Misstrauen eines Großteils der afghanischen Bevölkerung in das juristische System (KP 23.3.2016).

 

Reisefreiheit

 

Es existieren gewisse Sicherheitsbedenken, wenn Frauen alleine reisen: Manchmal ist es der Vater, der seiner Tochter nicht erlaubt alleine zu reisen und manchmal ist es die Frau selbst, die nicht alleine reisen will. In vielen Firmen, öffentlichen Institutionen sowie NGOs ist die Meinung verbreitet, dass Frauen nicht alleine in die Distrikte reisen sollten und es daher besser sei einen Mann anzustellen. Doch hat sich die Situation wesentlich verbessert. So kann nach eigener Aussage eine NGO-Vertreterin selbst in unsichere Gegenden reisen, solange sie sich dabei an die örtlichen Gegebenheiten hält, also lokale Kleidungsvorschriften einhält (z. B. tragen einer Burqa) und sie die lokale Sprache kennt (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Während früherer Regierungen (vor den Taliban) war das Tragen des Chador bzw. des Hijab nicht verpflichtend - eine Frau konnte auch ohne sie außer Haus gehen, ohne dabei mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. In der Stadt Mazar-e Sharif wird das Tragen des Hijab heute nicht so streng gehandhabt, wie in den umliegenden Gegenden. Andere Provinzen sind bei diesem Thema viel strenger. In Mazar-e Sharif könnte es in Einzelfällen sogar möglich sein, ganz auf den Hijab zu verzichten, ohne behelligt zu werden. Garantie besteht darauf natürlich keine (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Frauen in Afghanistan ist es zwar nicht verboten Auto zu fahren, dennoch tun dies nur wenige. In unzähligen afghanischen Städten und Dörfern, werden Frauen hinter dem Steuer angefeindet etwa von Gemeindevorständen, Talibansympathisanten oder gar Familienmitgliedern. Viele Eltern unterstützen zwar grundsätzlich die Idee ihren Töchtern das Autofahren zu erlauben, haben jedoch Angst vor öffentlichen Repressalien. Die Hauptstadt Kabul ist landesweit einer der wenigen Orte, wo autofahrende Frauen zu sehen sind. In Kabul sowie in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Jalalabad gibt es einige Fahrschulen; in Kabul sogar mehr als 20 Stück. An ihnen sind sowohl Frauen als auch Männer eingeschrieben. In Kandahar zum Beispiel sind Frauen generell nur selten alleine außer Haus zu sehen - noch seltener als Lenkerin eines Fahrzeugs. Jene, die dennoch fahren, haben verschiedene Strategien um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Manche tragen dabei einen Niqab, um unerkannt zu bleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Kinder

 

Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Während Mädchen unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen waren, machen sie von den heute ca. acht Millionen Schulkindern rund drei Millionen aus. Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Den geringsten Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika) (AA 5 .2018). Landesweit gehen in den meisten Regionen Mädchen und Buben in der Volksschule in gemischten Klassen zur Schule; erst in der Mittel- und Oberstufe werden sie getrennt (USDOS 3.3.2017).

 

Bildungssystem in Afghanistan

 

Der Schulbesuch ist in Afghanistan bis zur Unterstufe der Sekundarbildung Pflicht (die Grundschule dauert sechs Jahre und die Unterstufe der Sekundarbildung drei Jahre). Das Gesetz sieht kostenlose Schulbildung bis zum Hochschulniveau vor (USDOS 20.4.2018).

 

Aufgrund von Unsicherheit, konservativen Einstellungen und Armut haben Millionen schulpflichtiger Kinder keinen Zugang zu Bildung - insbesondere in den südlichen und südwestlichen Provinzen. Manchmal fehlen auch Schulen in der Nähe des Wohnortes (USDOS 3.3.2017). Auch sind in von den Taliban kontrollierten Gegenden gewalttätige Übergriffe auf Schulkinder, insbesondere Mädchen, ein weiterer Hinderungsgrund beim Schulbesuch. Taliban und andere Extremisten bedrohen und greifen Lehrer/innen sowie Schüler/innen an und setzen Schulen in Brand (USDOS 20.4.2018). Nichtregierungsorganisationen sind im Bildungsbereich tätig, wie z. B. UNICEF, NRC, AWEC und Save the Children. Eine der Herausforderungen für alle Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich - speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind. UNICEF unterstützt daher durch die Identifizierung von Dorfgemeinschaften, die mehr als drei Kilometer von einer ordentlichen Schule entfernt sind. Dort wird eine Dorfschule mit lediglich einer Klasse errichtet. UNICEF bezeichnet das als "classroom". Auf diese Art "kommt die Schule zu den Kindern". Auch wird eine Lehrkraft aus demselben, gegebenenfalls aus dem nächstgelegenen Dorf, ausgewählt - bevorzugt werden Frauen. Lehrkräfte müssen fortlaufend Tests des Provinzbüros des Bildungsministeriums absolvieren. Je nach Ausbildungsstand beträgt das monatliche Gehalt der Lehrkräfte zwischen US$ 90 und 120. Die Infrastruktur für diese Schulen wird von der Dorfgemeinschaft zur Verfügung gestellt, UNICEF stellt die Unterrichtsmaterialien. Aufgrund mangelnder Finanzierung sind Schulbücher knapp. Wenn keine geeignete Lehrperson gefunden werden kann, wendet sich UNICEF an den lokalen Mullah, um den Kindern des Dorfes doch noch den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. UNICEF zufolge ist es wichtig, Kindern die Möglichkeit zu geben, auch später einem öffentlichen Schulplan folgen zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

In Afghanistan existieren zwei parallele Bildungssysteme; religiöse Bildung liegt in der Verantwortung des Klerus in den Moscheen, während die Regierung kostenfreie Bildung an staatlichen Einrichtungen bietet (BFA Staatendokumentation 4.2018). Nachdem in den meisten ländlichen Gemeinden konservative Einstellungen nach wie vor präsent sind, ist es hilfreich, wenn beim Versuch Modernisierungen durchzusetzen, auf die Unterstützung lokaler Meinungsträger zurückgegriffen wird - vor allem lokaler religiöser Würdenträger, denen die Dorfgemeinschaft vertraut. Im Rahmen von Projekten arbeiten unterschiedliche UN-Organisationen mit religiösen Führern in den Gemeinden zusammen, um sie in den Bereichen Frauenrechte, Bildung, Kinderehen und Gewalt, aber auch Gesundheit, Ernährung und Hygiene zu beraten. Eines dieser Projekte wurde von UNDP angeboten; als Projektteilnehmer arbeiten die Mullahs der Gemeinden, die weiterzugebenden Informationen in ihre Freitagpredigten ein. Auch halten sie Workshops zu Themen wie Bildung für Mädchen, Kinderehen und Gewalt an Frauen. Auf diesem Wege ist es ihnen möglich eine Vielzahl von Menschen zu erreichen. Im Rahmen eines Projektes hat UNICEF im Jahr 2003 mit rund 80.000 Mullahs zusammengearbeitet, mit dem Ziel Informationen zu Gesundheit, Ernährung, Hygiene, Bildung und Sicherheit in ihre Predigten einzubauen. Die tatsächliche Herausforderung dabei ist es, die Informationen in den Predigten zu vermitteln, ohne dabei Widerstand innerhalb der Gemeinschaft hervorzurufen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können (AA 9 .2016). Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld (AA 9 .2016; vgl. CAN 2.2018), in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Das Curriculum für angehende Lehrer beinhaltet immerhin Handreichungen zur Vermeidung eines gewaltsamen Umgangs mit Schülern (AA 9 .2016). Einer Befragung in drei Städten zufolge (Jalalabad, Kabul und Torkham), berichteten Kinder von physischer Gewalt - auch der Großteil der befragten Eltern gab an, physische Gewalt als Disziplinierungsmethode anzuwenden. Eltern mit höherem Bildungsabschluss und qualifizierterem Beruf wendeten weniger Gewalt an, um ihre Kinder zu disziplinieren (CAN 2.2018).

 

Kinderarbeit

 

Das Arbeitsgesetz in Afghanistan setzt das Mindestalter für Arbeit mit 18 Jahren fest; es erlaubt Jugendlichen ab 14 Jahren als Lehrlinge zu arbeiten und solchen über 15 Jahren "einfache Arbeiten" zu verrichten. 16- und 17-Jährige dürfen bis zu 35 Stunden pro Woche arbeiten. Kinder unter 14 Jahren dürfen unter keinen Umständen arbeiten. Das Arbeitsgesetz verbietet die Anstellung von Kindern in Bereichen, die ihre Gesundheit gefährden. In Afghanistan existiert eine Liste, die gefährliche Jobs definiert; dazu zählen: Arbeit im Bergbau, Betteln, Abfallentsorgung und Müllverbrennung, arbeiten an Schmelzöfen sowie in großen Schlachthöfen, arbeiten mit Krankenhausabfall oder Drogen, arbeiten als Sicherheitspersonal und Arbeit im Kontext von Krieg (USDOS 20.4.2018).

 

Afghanistan hat die Konvention zum Schutze der Kinder ratifiziert (AA 5 .2018; vgl. UNTC 9.4.2018). Kinderarbeit ist in Afghanistan somit offiziell verboten (AA 5 .2018). Berichten zufolge arbeiten mindestens 15% der schulpflichtigen Kinder (IRC 15.2.2018; vgl. FEWS NET 29.3.2018, IDMC 1.2018). Viele Familien sind auf die Einkünfte ihrer Kinder angewiesen (AA 5 .2018; vgl. IDMC 1.2018). Daher ist die konsequente Umsetzung eines Kinderarbeitsverbots schwierig. Es gibt allerdings Programme, die es Kindern erlauben sollen, zumindest neben der Arbeit eine Schulausbildung zu absolvieren. Auch ein maximaler Stundensatz und Maßnahmen zum Arbeitsschutz (wie z. B. das Tragen einer Schutzmaske beim Teppichknüpfen) wurden gesetzlich geregelt. Der Regierung fehlt es allerdings an durchsetzungsfähigen Überprüfungsmechanismen für diese gesetzlichen Regelungen (AA 5 .2018). Allgemein kann gesagt werden, dass schwache staatliche Institutionen die effektive Durchsetzung des Arbeitsrechts hemmen und die Regierung zeigt nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 5 .2018).

 

Kinderarbeit bleibt ein tiefgreifendes Problem (USDOS 20.4.2018; vgl. IRC 15.2.2018, FEWS NET 29.3.2018, IDMC 1.2018). Das Arbeitsministerium verweigert Schätzungen zur Zahl der arbeitenden Kinder in Afghanistan und begründet dies mit fehlenden Daten und Mängeln bei der Geburtenregistrierung. Dies schränkt die ohnehin schwachen Kapazitäten der Behörden bei der Durchsetzung des Mindestalters für Arbeit ein. Berichten zufolge werden weniger als 10% der Kinder bei Geburt registriert. Oft sind Kinder sexuellem Missbrauch durch erwachsene Arbeiter ausgesetzt (USDOS 20.4.2018).

 

Strafverfolgung von Kindern

 

Das Gesetz besagt, dass die Festnahme eines Kindes als letztes Mittel und so kurz wie möglich vorgenommen werden soll. Berichten zufolge mangelt es Kindern in Jugendhaftanstalten landesweit an Zugang zu adäquater Verpflegung, Gesundheitsvorsorge und Bildung. Festgenommenen Kindern werden oftmals Grundrechte wie z.B. die Unschuldsvermutung, das Recht auf einen Anwalt, oder das Recht auf Information über die Haftgründe sowie das Recht, nicht zu einem Geständnis gezwungen zu werden, verwehrt. Das Gesetz sieht eine eigene Jugendgerichtsbarkeit vor; wegen limitierter Ressourcen sind spezielle Jugendgerichte nur in sechs Gebieten funktionsfähig:

Kabul, Herat, Balkh, Kandahar, Nangarhar und Kunduz. In anderen Provinzen, in denen keine speziellen Gerichte existieren, fallen Kinder unter die Zuständigkeit allgemeiner Gerichte. Im afghanischen Strafjustizsystem sind Kinder oftmals eher die Opfer als die Täter (USDOS 20.4.2018).

 

Viele Kinder sind unterernährt. Ca. 10% (laut offizieller Statistik 91 von 1.000, laut Weltbank 97 von 1.000) der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Straßenkinder gehören zu den am wenigsten geschützten Gruppen Afghanistans und sind jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt (AA 9 .2016). Nachdem im Jahr 2016 die Zahl getöteter oder verletzter Kinder gegenüber dem Vorjahr um 24% gestiegen war (923 Todesfälle, 2.589 Verletzte), sank sie 2017 um 10% (861 Todesfälle, 2.318 Verletzte). 2017 machten Kinder 30% aller zivilen Opfer aus. Die Hauptursachen sind Kollateralschäden bei Kämpfen am Boden (45%), Sprengfallen (17%) und zurückgelassene Kampfmittel (16%) (AA 5 .2018).

 

1.3.2. Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016:

 

"7. Frauen mit bestimmten Profilen oder unter bestimmten Bedingungen lebende Frauen

 

Die Regierung hat seit 2001 einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung, insbesondere durch Verabschiedung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz), den Erlass von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe von Frauen und die Einrichtung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten.

 

Die Verbesserungen der Situation von Frauen und Mädchen blieben jedoch Berichten zufolge marginal und Afghanistan wird weiterhin als ‚sehr gefährliches' Land für Frauen und Mädchen betrachtet. Fortschritte, die in der Vergangenheit in Hinblick auf die Menschenrechte von Frauen erzielt wurden, wurden teilweise durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in einigen Teilen des Landes zunichte gemacht. Die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleibt endemisch. Berichten zufolge ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor weit verbreitet und nimmt weiter zu. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte üblicherweise straflos bleiben. Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.

 

Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz von Frauenrechten weiterhin nur langsam umgesetzt werden, dies betrifft insbesondere die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz). Das im August 2009 verabschiedete Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge der politische Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend wird es Berichten zufolge nicht vollständig durchgesetzt, insbesondere nicht in ländlichen Gebieten. Die überwiegende Mehrheit der Fälle der gegen Frauen gerichteten Gewaltakte, einschließlich schwerer Straftaten gegen Frauen, wird immer noch nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen statt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt. UNAMA berichtet, dass sowohl die afghanische nationale Polizei (ANP) als auch die Staatsanwaltschaften zahlreiche Fälle, einschließlich schwerwiegender Straftaten, an jirgas und shuras zum Zweck der Beratung oder Entscheidung weiterleiten und dadurch die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz) unterminieren und die Praktizierung schädlicher traditioneller Bräuche fördern. Durch Entscheidungen gemäß diesen Mechanismen sind Frauen und Mädchen der Gefahr weiterer Schikanierung und Ausgrenzung ausgesetzt.

 

Das schiitische Personenstandsgesetz, das Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung und Erbrecht für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft regelt, enthält mehrere diskriminierende Bestimmungen für Frauen, insbesondere in Bezug auf Vormundschaft, Erbschaft, Ehen von Minderjährigen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit außerhalb des Hauses.

 

Während die in diesem Abschnitt beschriebenen Menschenrechtsprobleme Frauen und Mädchen im gesamten Land betreffen, gibt die Situation in Gebieten, die tatsächlich von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden, Anlass zu besonderer Sorge.

Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) haben Berichten zufolge in diesen Gebieten die Rechte von Mädchen und Frauen in schwerwiegender Weise beschnitten, darunter ihr Recht auf Bewegungsfreiheit und politische Partizipation. Außerdem besteht in von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrollierten Gebieten eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Frauen besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zur Justiz ausgesetzt sind und ihnen keine wirksamen Rechtsmittel gegen die Verletzung ihrer Rechte zur Verfügung stehen. Die von den regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) in den von ihnen kontrollierten Gebieten betriebene Paralleljustiz verletzt Berichten zufolge tatsächlich regelmäßig die Rechte von Frauen.

 

[...]

 

8. Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen

 

Trotz Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf. Frauen ohne Unterstützung und Schutz durch Männer wie etwa Witwen sind besonders gefährdet. Angesichts der gesellschaftlichen Normen, die allein lebenden Frauen Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit und auf Erwerbsmöglichkeiten, sind sie kaum in der Lage zu überleben. Inhaftierungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia betreffen Berichten zufolge in überproportionaler Weise Frauen und Mädchen, einschließlich Inhaftierung aufgrund ‚moralischer Vergehen' wie beispielsweise dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung, Ablehnung einer Heirat, außereheliche sexuelle Beziehungen (die als Ehebruch angesehen werden) und ‚Weglaufen von zu Hause' (einschließlich in Situationen von häuslicher Gewalt). Mehr als der Hälfte der in Afghanistan inhaftierten Mädchen und Frauen wurden ‚moralische Vergehen' zur Last gelegt. Da Anklagen aufgrund von Ehebruch und anderen ‚moralischen Vergehen' Anlass zu Ehrenmorden geben können, versuchen die Behörden Berichten zufolge in einigen Fällen, die Inhaftierung von Frauen als Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen.

 

[...]

 

In Gebieten, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, besteht für Frauen und Männer, die unmoralischer Verhaltensweisen bezichtigt werden, das Risiko, über die parallelen Justizstrukturen dieser regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) zu harten Strafen, einschließlich zu Auspeitschung und zum Tod, verurteilt zu werden."

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:

 

Die Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Beschwerdeführer ergeben sich aus den dahingehend übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, den vorgelegten Dokumenten sowie bei der Viertbeschwerdeführerin insbesondere auch aus der im Akt einliegenden Geburtsurkunde. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Beschwerdeführer im Asylverfahren.

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer gründen sich auf ihre diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen der Beschwerdeführer zu zweifeln.

 

Die Angaben der Beschwerdeführer zu ihren Geburtsorten, ihren Aufenthaltsorten, ihrer Schulausbildung und ihrem beruflichen Werdegang, dem Zeitpunkt ihrer Eheschließung und ihrer Einreise nach Österreich waren - soweit dies angesichts des Bildungshintergrundes gefordert werden kann - im Wesentlichen gleichlautend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel.

 

Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

 

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:

 

2.2.1. Zu einer allfälligen Gefährdung der Beschwerdeführer aus den Gründen, die zur Ausreise des Ehegatten bzw. Vaters aus Afghanistan führten, bei einer Rückkehr nach Afghanistan ist bereits deshalb eine Negativfeststellung zu treffen, da der Ehegatte bzw. Vater der Beschwerdeführer seine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. (Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten), welches sich auf Grundstücksstreitigkeiten seiner Familie bezog, in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.07.2014 zurückzog. Die Erstbeschwerdeführerin konnte im gegenständlichen Verfahren nicht schlüssig darlegen, inwiefern sie bzw. ihre Kinder persönlich wegen der Grundstücke verfolgt wurden bzw. wären. Insbesondere wurden seitens der Erstbeschwerdeführerin keine konkreten Bedrohungsszenarien vorgebracht. Ihr diesbezügliches Vorbringen blieb vage und unsubstantiiert, ein konkretes Bedrohungsszenario wurde nicht geschildert (vgl. Einvernahme BFA AS 61-82) sowie Seite 16 ff des Verhandlungsprotokolls).

 

2.2.2. Des Weiteren konnte die Erstbeschwerdeführerin nicht glaubhaft machen, dass ihr seitens ihrer eigenen Familie physische und/oder psychische Gewalt droht, da sie gegen den Willen ihrer Eltern bzw. Brüder mit ihrem Ehegatten mitgegangen sei und geheiratet habe. Beweiswürdigend ist dazu festzuhalten, dass sich die Erstbeschwerdeführerin bereits in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in zahlreiche Ungereimtheiten verstrickte und darüber hinaus behauptete, nach der Ausreise ihres Ehegatten aus Afghanistan auch wieder bei ihrer Mutter Unterkunft genommen zu haben. Diese Angaben wurden von der Erstbeschwerdeführerin auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt und sie bejahte zudem über Nachfragen, dass auch während ihres Aufenthaltes die Brüder die elterliche Unterkunft aufgesucht hätten (vgl. Seite 19 des Verhandlungsprotokolls). Eine aktuelle Gefährdung seitens der Brüder der Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wird seitens der erkennenden Richterin als nicht glaubhaft erachtet.

 

2.2.3. Die Feststellungen zur Erstbeschwerdeführerin als eine nicht am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte afghanische Frau ergeben sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem persönlichen Eindruck, der von der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung gewonnen werden konnte. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die vorgebrachte Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführerin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der westlich orientieren Frauen erstmals in der Beschwerde ausgeführt wurde.

 

Es sind im gesamten Verfahren jedoch keine Umstände hervorgekommen, die darauf schließen ließen, dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich bereits in einem solchen Maße eine ("westliche") Lebensweise führt, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt.

 

So handelt es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um eine erwachsene, einfache Frau, ohne Schulbildung, deren Fokus nach wie vor auf der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder liegt, während das Streben nach - auch künftiger - eigener Selbständigkeit im Entscheidungszeitpunkt nur in Ansätzen erkennbar ist.

 

Trotz ihres fast zweijährigen Aufenthalts in Österreich verfügt die Erstbeschwerdeführerin über nur äußerst geringe Deutschkenntnisse (vgl. Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Dass sie besondere Anstrengungen unternehmen würde, um Deutsch zu lernen, ist aus ihren Aussagen nicht hervorgekommen (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls).

 

Die Erstbeschwerdeführerin bringt zwar vor, hier in Österreich selbst arbeiten zu wollen. Diese Aussage weicht jedoch erkennbar von ihrer Lebenswirklichkeit ab, zumal in der mündlichen Verhandlung ein besonderes eigenes Engagement und eine klare Vorstellung sowie eine konkrete Planung ihres Berufszieles nicht erkennbar waren und die Erstbeschwerdeführerin nicht in der Lage war, der erkennenden Richterin nachvollziehbar darzulegen, dass sie angesichts ihrer nur geringen Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache in der Lage ist, diesen Wunsch auch in absehbarer Zeit in die Tat umzusetzen (vgl. Seite 14 f des Verhandlungsprotokolls). Der grundsätzliche Wunsch nach einem Beruf kann daher nicht als ausschlaggebendes Motiv für eine "westliche Orientierung" angesehen werden, aus der eine Verfolgung im Heimatland abzuleiten wäre.

 

In der mündlichen Verhandlung wurde zudem der Eindruck gewonnen, dass die Erstbeschwerdeführerin sich in Österreich nur innerhalb eines äußerst kleinen Radius bewegt. Sie hat zwar angegeben, selbständig einkaufen zu gehen und mit den Kindern in den Park zu gehen (vgl. Seiten 11 und 13 des Verhandlungsprotokolls); derartige Unternehmungen in der näheren Umgebung stellen aber nach Auffassung des Gerichts für sich genommen noch kein ausreichend tragfähiges Substrat für die Annahme eines selbstbestimmten Lebens dar.

 

Die Erstbeschwerdeführerin ist darüber hinaus bei komplexeren Erledigungen auf die Unterstützung durch ihren Ehegatten bzw. ihrer Kinder angewiesen (vgl. Seiten 11 und 13 des Verhandlungsprotokolls), was der Annahme eines selbstbestimmten Lebens diametral entgegenläuft. Auffallend war auch, dass die Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage war, die genauen Geburtsdaten ihrer Kinder zu nennen (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls), woraus sich eine Unselbständigkeit im Außenkontakt mit ihren Kindern ableiten lässt.

 

Dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich bereits nachhaltige soziale Kontakte geknüpft hätte, was die Annahme einer westlichen Lebensführung zumindest indizieren könnte, konnte sie in der mündlichen Verhandlung nicht dartun. Die überschaubaren und wenig nachhaltigen Kontakte, die sie bislang gewonnen hat, beschränken sich die Kontakte auf das Grüßen von Nachbarn und kurze Gespräche über die Kinder (vgl. Seiten 12 und 13 des Verhandlungsprotokolls).

 

Den Angaben der Beschwerdeführerin zufolge konnte sie in Afghanistan keine Schulausbildung absolvieren. Ein entsprechender Wunsch der Beschwerdeführerin nach Bildung für sich löst keine asylrelevante Verfolgung aus, zumal Frauen in Afghanistan keinem generellen Verbot unterliegen, jegliche grundlegende Bildung - etwa das Lesen und Schreiben - zu erwerben. Vielmehr würde ein solches Verbot den geltenden afghanischen Gesetzen widersprechen und ist jedenfalls auch nicht die landesweit übliche Einstellung.

 

Die Erstbeschwerdeführerin legte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dar, dass ihr die Bildung ihrer Kinder ein großes Anliegen ist und sie diese diesbezüglich in jeder Hinsicht unterstützt. Die von ihr geäußerten Wünsche betreffend die Bildung ihrer Kinder stellen sich jedoch nicht als substanzieller Bruch mit den gesellschaftlichen Normen in Afghanistan dar, da zumindest grundlegende Bildung keineswegs verboten, sondern seitens des afghanischen Staates auch für Mädchen/Frauen ausdrücklich unterstützt wird.

 

Zur Kleidung der Erstbeschwerdeführerin ist zunächst anzumerken, dass sie einen Schleier als Kopftuch trägt und zur Verhandlung mit Hose und einem langen Pullover erschienen ist (vgl. Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Es ist nicht anzunehmen, dass ihr dieser Kleidungsstil zumindest in den Großstädten Afghanistans grundlegende Probleme bereiten würde.

 

Zusammenfassend kann somit im Falle der Erstbeschwerdeführerin davon ausgegangen werden, dass diese eine "westlichen Orientierung", der eine selbstbestimmte und selbstverantwortliche Lebensweise immanent ist, weder verinnerlicht noch in ihrer alltäglichen Lebensführung verankert hat. Die Erstbeschwerdeführerin ist eine zum Entscheidungszeitpunkt unselbständige Frau mit äußerst geringen Deutschkenntnisse, deren Leben in Österreich sich insgesamt nicht wesentlich von jenem unterscheidet, welches sie über Jahre in Afghanistan führte (Haushaltsführung und Kinderbetreuung). Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen und aus dem im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen Gesamteindruck, den die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, lässt sich eine Verinnerlichung einer "westlichen Lebensweise", die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt, nicht ableiten.

 

2.2.4. Auch hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin konnte eine begründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK - insbesondere im Zusammenhang mit einem Wunsch nach Schulbildung und einem selbstbestimmten Leben - nicht festgestellt werden. Dies insbesondere, weil es sich um eine unmündige Minderjährige im Alter von acht Jahren handelt, der eine Wiedereingliederung in das afghanische Normensystem zumindest unter dem Aspekt des Fehlens einer drohenden asylrelevanten Verfolgung zumutbar wäre. Anhand der Ausführungen in der Beschwerde, wonach sie in Österreich die Schule besuche und in ihrer Freizeit manchmal gemeinsam mit ihrem Vater schwimmen gehe, lässt sich erkennen, dass es sich bei der Drittbeschwerdeführerin um ein Mädchen handelt, das für ihr Alter typische Interessen hat. Dass eine "westliche" Lebensführung bereits ein wesentlicher Bestandteil ihrer Persönlichkeit geworden ist, lässt sich angesichts dieser Ausführungen nicht erkennen.

 

Bei dem Zweitbeschwerdeführer, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin handelt es sich um einen zehnjährigen Buben, ein achtjähriges Mädchen sowie ein sieben Monate altes Mädchen. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es dem Zweitbeschwerdeführer, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin unmöglich oder unzumutbar wäre, sich in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren.

 

Eine persönliche Bedrohung, die sich gezielt gegen den Zweitbeschwerdeführer, die Drittbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin gerichtet hätte, hat die Erstbeschwerdeführerin weder im behördlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht.

 

Das Bundesverwaltungsgericht geht auch nicht davon aus, dass unmündigen Minderjährigen dieses Alters eine eigene politische Gesinnung im Zusammenhang mit einer "westlichen Lebensweise" zugesonnen werden kann.

 

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass es keine Hinweise in den vorliegenden Länderberichten darauf gibt, dass der Zugang zu Bildung in Afghanistan gänzlich unmöglich wäre. Aus den Länderinformationen ergibt sich zwar, dass der Zugang zu Bildung für Kinder, insbesondere Mädchen in gewissen Teilen Afghanistans teilweise nicht uneingeschränkt gegeben ist, allerdings gilt dies nicht allgemein für alle Mädchen. Warum der Zweitbeschwerdeführer, die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin persönlich keinen Zugang zu Bildung haben sollten, wurde allerdings weder in der Beschwerde noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt. Weiters haben sich dafür auch während des Verfahrens keine Anhaltspunkte ergeben.

 

Für eine asylrelevante Verfolgung des Zweitbeschwerdeführers sowie der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund ihrer spezifischen Situation als Kinder gab es auch keine Anhaltspunkte im Laufe des Verfahrens.

 

Die beschwerdeführenden Parteien waren somit nicht in der Lage eine asylrelevante Bedrohung geltend zu machen.

 

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

Die oben wiedergegebenen Länderberichte wurden den Beschwerdeführern - neben darüber hinaus gehenden Länderfeststellungen - in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übergeben. Den Beschwerdeführern wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Beschwerdeführer verzichteten auf eine Stellungnahme.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Die Beschwerde ist zulässig.

 

3.2. Zur Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten:

 

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

 

3.2.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass eine Gefährdung, die auf eine Verfolgungsgefahr iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention hindeuten könnte, nicht feststellbar gewesen sei. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht:

 

3.2.2.1. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten sowie von Seiten der Familie der Erstbeschwerdeführerin:

 

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführer, ihnen drohe bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten der Familie des Ehegatten bzw. Vaters physische und/oder psychische Gewalt, keine Glaubhaftigkeit zu. Ebenso wenig konnte als glaubhaft erachtet werden, dass der Erstbeschwerdeführerin durch ihre eigenen Familienmitglieder physische und/oder psychische Gewalt droht, weil sie gegen deren Willen ihren Ehegatten geheiratet habe. Den Beschwerdeführern ist es deshalb insoweit insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan sowie der mangelnden Glaubhaftigkeit des Vorbringens kann daher nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern insofern im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

 

3.2.2.2. Zur (fehlenden) westlichen Orientierung der Erstbeschwerdeführerin:

 

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, konnte im Fall der Erstbeschwerdeführerin nicht festgestellt werden, dass diese seit ihrer Einreise nach Österreich im Jänner 2017 eine Lebensweise angenommen hat, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde, somit eine "westliche" Lebensführung angenommen hat, die ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden wäre und mit der sie mit den sozialen Gepflogenheiten des Heimatlandes brechen würden.

 

Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Frauen in Afghanistan haben sich keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, einer Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass sich laut jüngsten Länderberichten die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert hat.

 

Bezogen auf Afghanistan führt die Eigenschaft des Frau-Seins an sich gemäß der ständigen Judikatur der Höchstgerichte nicht zur Gewährung von Asyl. Lediglich die Glaubhaftmachung einer persönlichen Wertehaltung, die sich an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert, wird als asylrelevant erachtet; es ist daher zu prüfen, ob westliches Verhalten oder westliche Lebensführung derart angenommen und wesentlicher Bestandteil der Identität einer Frauen geworden ist, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (VfGH 12.06.2015, Zl. E 573/2015).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden. Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301, mwN).

 

Den bisherigen Aktivitäten bzw. der Lebensweise der Erstbeschwerdeführerin seit ihrer Einreise ist insgesamt nicht zu entnehmen, dass diese einen derartigen "westlichen", selbstbestimmen Lebensstil anstrebt oder bereits pflegt. Auch eine entsprechende innere Wertehaltung konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Infolgedessen verletzt die Erstbeschwerdeführerin mit ihrer Lebensweise die herrschenden sozialen Normen in Afghanistan nicht in einem Ausmaß, dass ihr bei einer Rückkehr (unter Beibehaltung des derzeitigen Lebensstils) eine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention drohen würde.

 

3.2.2.3. Zur spezifischen Situation des Zweitbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin als Kinder:

 

Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin konnte eine begründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention, insbesondere im Zusammenhang mit einem (zukünftigen) Wunsch nach Schulbildung und einem selbstbestimmten Leben, nicht festgestellt werden, dies insbesondere, weil es sich um unmündige Minderjährige im Alter von, zehn, acht und etwas mehr als einem halben Jahren handelt und ihnen ein Aufwachsen im afghanischen Normensystem zumindest unter dem Aspekt des Fehlens einer drohenden asylrelevanten Verfolgung zumutbar wäre. Für eine asylrelevante Verfolgung des Zweitbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund ihrer spezifischen Situation als Kinder gab es auch keine Anhaltspunkte im Verfahren. Auch unter Berücksichtigung der strengen Anforderungen an die Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz von Minderjährigen (VfGH 11.10.2017, E 1803/2017 ua., mwN) ist somit weder aufgrund des Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin noch sonst eine individuelle Bedrohung oder Verfolgung des Zweitbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin im Verfahren hervorgekommen.

 

3.2.2.4. Da sich auch sonst keine konkreten Anhaltspunkte für eine gegen die Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in ihrem Heimatstaat ableiten ließen, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist - soweit diese nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN).

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