FPG §88 Abs2a
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W254.2204835.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2020, Zl. XXXX zu Recht:
A) Die Beschwerde von XXXX wird gemäß § 88 Abs. 2a FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2020, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Der Beschwerde von XXXX wird stattgegeben. XXXX ist gemäß § 88 Abs. 2a FPG ein Fremdenpass auszustellen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin XXXX (in Folge: BF1), eine iranische Staatsangehörige, und der Zweitbeschwerdeführer XXXX (in Folge: BF2), ein afghanischer Staatsangerhöriger, sind traditionell verheiratet. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA oder belangte Behörde) vom XXXX 2018 wurden unter anderem die Anträge der BF1 und des BF2 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (für den BF2) bzw. in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (für die BF1) abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde den BF nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Afghanistan (betr. BF2) bzw. deren Abschiebung nach Iran (betr. BF1) gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
2. Mit Erkenntnis vom XXXX 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht unter anderem die Beschwerden hinsichtlich Spruchpunkt I. dieser Bescheide gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab (Spruchpunkt I.), erkannte den BF den Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 AsylG iVm § 34 Absatz 3 AsylG (hinsichtlich der BF1 in Bezug auf Iran und des BF2 in Bezug auf Afghanistan) zu (Spruchpunkt II.1 und 5) und erteilte ihnen jeweils gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX 2021 (Spruchpunkt II.2 und 6).
3. Am 22.09.2020 stellten die BF jeweils einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG.
4. Nachdem mit Schreiben des BFA vom 16.10.2020 den BF eine Frist von zwei Wochen zur Erstattung einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt worden war, zwecks Darlegung der Gründe, weshalb sie außerstande sind, sich bei der jeweiligen Botschaft einen Reisepass zu beschaffen, erging am 04.11.2020 eine Stellungnahme seitens der BF, in welcher sie im Wesentlichen ausführten, dass sie nicht über gültige Reisepässe verfügen würden und ihnen die Beschaffung eines Reisedokuments über die jeweilige Vertretungsbehörde in Österreich unzumutbar sei. Der BF2 sei in Österreich zum Christentum konvertiert, weshalb es ihm unzumutbar sei, sich an die afghanische Vertretungsbehörde zuwenden. Sein bereits abgelaufener Reisepass sei von der afghanischen Botschaft im Iran ausgestellt worden. Ebenso sei die BF1 zum Christentum konvertiert und in der XXXX getauft worden. Daher sei es der BF2 nicht möglich bzw. zumutbar sich einen Reisepass bei der Botschaft vom Iran oder Afghanistan zu beschaffen.
5. Mit Bescheiden vom 18.12.2020 wies das BFA die Anträge auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG idgF ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die BF in der Lage seien, sich ein Reisedokument des Heimatstaates zu besorgen. Sie hätten keine Reisepässe bei ihrer jeweiligen Botschaft beantragt. In Bezug auf den BF2 wurde ausgeführt, dass laut Information der Staatendokumentation die afghanische Botschaft mitgeteilt habe, dass afghanische Vertretungsbehörden im Ausland verpflichtet seien, eine Ausstellung von afghanischen Reisepässen nach den in Afghanistan geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu vollziehen. Die BF seien im Besitz von Originaldokumenten aus ihrem jeweiligen Herkunftsland und wären somit in der Lage, einen Reisepass ihres Herkunftsstaates zu erlangen. Mangels Erfüllung der Voraussetzungen seien die Anträge daher abzuweisen gewesen.
6. Gegen diese Bescheide erhoben die BF im Wege ihrer Rechtsvertretung fristgerecht per Schreiben vom 21.01.2021 Beschwerde, worin geltend gemacht wurde, dass die BF zum Christentum konvertiert seien. Die Konversion vom Islam zum Christentum würde in Afghanistan bzw. Iran drakonisch bestraft werden. Die BF würden daher in der jeweiligen Botschaft kein Reisedokument erhalten, vielmehr würden sie Familienangehörige, die noch in Afghanistan bzw. Iran leben, gefährden.
7. Die Beschwerdevorlagen langten am 22.02.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
8. Mit Schreiben vom 12.11.2021 übermittelten die BF eine Bekanntmachung der afghanischen Botschaft in Wien.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX 2020 wurde den BF gemäß § 8 Absatz 1 AsylG iVm § 34 Absatz 3 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (hinsichtlich der BF1) bzw. Afghanistan (hinsichtlich des BF2) zuerkannt. Die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum XXXX 2021 erteilt.
Die BF beantragten jeweils am 22.09.2020 die Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG.
1.2. Die BF1 legte im Asylverfahren unter anderem eine Bestätigung über ihre traditionelle Eheschließung mit dem BF2 im Original vor.
Unter Vorlage von Dokumenten und Einhaltung bestimmter Procedere/ eines Prüfverfahrens können iranische Staatsbürger ein Reisedokument bei der iranischen Botschaft in Wien beantragen. Iranischen Staatsbürgern werden seitens der iranischen Botschaft in Wien grundsätzlich auch Reisepässe ausgestellt. Sollte die Prüfung ergeben, dass der Antragsteller nicht im iranischen Staatenverband verzeichnet ist, so wird dieser Person über diese Tatsache eine Bestätigung ausgestellt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF1 nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen.
1.3. Der BF2 ist nicht in der Lage, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates Afghanistan zu beschaffen.
Auf der Homepage der Botschaft der „Islamischen Republik Afghanistan“ in Wien (http://www.afghanistan-vienna.org/ ) sind folgende Bekanntmachungen vom 22.09.2021 veröffentlicht:
„Bekanntmachung V.1:
[…]
Es sei erwähnt, dass Klienten, die einen neuen Reisepass beantragen wollen, dies aufgrund technischer Probleme zurzeit nicht möglich ist und hier auf die nächste Bekanntmachung gewartet werden muss.
[…]“
(abrufbar unter: http://www.afghanistan-vienna.org/wp-content/uploads/2021/08/G1_0001.jpg , zuletzt eingesehen am 03.02.2022)
„Bekanntmachung V.2:
An alle afghanische Staatsbürger, die sich im Amtsbereich der Botschaft und Ständige Mission der Islamischen Republik Afghanistan in Wien – Österreich aufhalten, wird mitgeteilt, dass die Dienstleistungen der Konsularabteilung dieser Botschaft wie bisher in den folgenden Bereichen nicht erbracht werden:
[…]
4) Reisepass Beantragung (Neu)
[…]
Das zentrale System der oben genannten Dienste wird vorübergehend eingestellt. Es ist zurzeit nicht möglich, diese Anträge zu bearbeiten. Daher werden diese Dienste und die Ausstellung eines elektronischen Reisepasses in Wien ausgesetzt, bis das System wieder an das Zentralsystem angeschlossen werden kann.
[…]“
(abrufbar unter: http://www.afghanistan-vienna.org/wp-content/uploads/2021/09/G2_0001.jpg , zuletzt eingesehen am 03.02.2022).
1.4. Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zum subsidiären Schutzstatus der BF und zu den Antragstellungen auf Ausstellung eines Fremdenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen bezüglich der Möglichkeit der Beschaffung eines iranischen Reisedokumentes ergeben sich aufgrund folgender Erwägungen:
Dass die BF1 im Asylverfahren unter anderem die Bestätigung ihrer traditionellen Eheschließung im Original vorlegte, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl L506 2204832-1.
Aus dem hg. Amtswissen sowie den notorischen Länderberichten ergibt sich zweifelsfrei, dass die iranischen Auslandsvertretungen angewiesen sind, Reisepässe jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (zB aus dem LIB Iran mit der letzten Änderung vom 22.12.2021, unter dem Kapitel Bewegungsfreiheit).
Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die den Schluss darauf zuließen, dass dies gerade im Fall der BF1 nicht möglich sein sollte, zumal diese nicht vorbringt, dass sie bereits versucht habe, zumindest mit ihrer Heiratsurkunde einen Reisepass bei der iranischen Botschaft zu erlangen. Vor diesem Hintergrund ist auch der Feststellung des BFA im angefochtenen Bescheid, wonach die BF1 im Besitz von Originaldokumenten aus ihrem Herkunftsland sei, nicht entgegenzutreten.
Sohin bestehen gegenständlich keine Anhaltspunkte dafür, dass es der BF1 nicht möglich wäre, ein gültiges iranisches Reisedokument zu erhalten. Es liegen auch keine Hinweise vor, dass die Botschaft der BF1 bei Vorliegen der Voraussetzungen die Ausstellung eines Reisepasses verweigern würde. Die BF1 hat nach der Aktenlage bis dato keine Anstrengungen zur Erlangung eines iranischen Reisepasses unternommen. Letztlich stützt die BF1 das Unvermögen bzw. Unzumutabrkeit einen Reisepass bei der iranischen Botschaft zu erlangen lediglich auf das Argument, dass sie zum Christentum konvertiert sei. Dazu ist Folgendes zu sagen:
Insofern die BF1 im Beschwerdeschriftsatz darauf verweist, dass ihr eine Vorsprache bei der iranischen Botschaft nicht zumutbar sei, weil sie zum Christentum konvertiert sei und die Konversion vom Islam zum Christentum im Iran drakonisch bestraft würde, ist auf das in Rechtskraft erwachsene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX 2020, Zlen. L506 2204832-1 und 2204835-1 ua, zu verweisen, worin nachvollziehbar dargelegt wurde, dass ein Abfall vom Islam und eine Konversion zum Christentum hinsichtlich der BF1 nicht festgestellt werden könne. Demgemäß könne nicht festgestellt werden, dass sie sich nachhaltig dem christlichen Glauben zugewandt hat und dieser Glaube für die BF1 identitätsstiftend ist. Insoweit könne auch eine Verfolgung von staatlichen Behörden aufgrund der Religion nicht festgestellt werden. Aus der behaupteten Konversion der BF1 lässt sich daher kein Risiko für sie und ihre Familie im Falle der Vorsprache bei der iranischen Botschaft erblicken.
Zusammenfassend konnte daher nicht festgestellt werden, dass der BF1 die Erlangung eines iranischen Reisedokumentes nicht möglich sei.
2.3. Die Feststellung, dass der BF2 nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen, ergibt sich aus den festgestellten Bekanntmachungen auf der Homepage der Botschaft der „Islamischen Republik Afghanistan“ in Wien. Diese entsprechen im Ergebnis auch den englischsprachigen Versionen („Announcement V.1“ abrufbar unter: http://www.afghanistan-vienna.org/wp-content/uploads/2021/08/E1_0001.jpg und „Announcement V.2“ abrufbar unter: http://www.afghanistan-vienna.org/wp-content/uploads/2021/09/E2_0001.jpg , jeweils zuletzt eingesehen am 03.02.2022). Daraus lässt sich entnehmen, dass die Ausstellung eines Reisepasses durch die Botschaft der „Islamische Republik Afghanistan“ in Wien bis zum „Anschluss an das Zentralsystem“ nicht möglich ist. In Anbetracht der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August 2021 ist seitens des Bundesverwaltungsgerichts nicht absehbar, wann ein solcher Anschluss wieder erfolgen kann. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF2 ein gültiges Reisedokument von seinem Heimatstaat erhalten kann.
2.4. Die Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus den jeweils im Akt einliegenden Strafregisterauszügen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Ausstellung von Fremdenpässen:
Gemäß § 88 Abs. 2a FPG sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, Fremdenpässe auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2144 BlgNR XXIV. GP ) wird zu Abs. 2 und Abs. 2a des § 88 FPG wie folgt ausgeführt: „Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, unter anderem in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat, vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie sieht diesbezüglich vor, dass subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wird durch § 88 Abs. 2a umgesetzt, indem subsidiär Schutzberechtigten nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich."
Subsidiär Schutzberechtigte sind dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Heimatstaates (Herkunftsstaates) zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigert. Dem Fremden muss es konkret (tatsächlich) möglich sein, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Dies ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn dem Antragsteller die Ausstellung eines Reisedokuments seitens der Vertretungsbehörde tatsächlich verweigert wird (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 88 FPG K8.).
Die bloß abstrakte Möglichkeit im Falle der Vorlage geeigneter Dokumente grundsätzlich willens zu sein, dem Beschwerdeführer ein Reisedokument auszustellen, reicht für die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses nicht aus, vielmehr muss für den Antragsteller die konkrete Möglichkeit bestehen, sich Reisedokumente seines Heimatstaates zu beschaffen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 88 FPG E7).
Österreich eröffnet mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit zu reisen und übernimmt damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürgern einzunehmende Haltung erfordert einen restriktiven Maßstab (vgl. VwGH 2003/21/0053 vom 19.11.2003). Das in § 88 Abs. 2a FPG normierte Erfordernis, dass der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Heimatsstaates zu beschaffen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaates bedeutet, weshalb dem Gesetz die Prämisse zugrunde liegt, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedokumentes wenden müssen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, K 8 zu § 88 FPG 2005).
Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung. Die „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ müssen sich auf die den Betroffenen mit dem Fremdenpass eröffnete Reisefreiheit beziehen (Schrefler-König/Szymanski [Hrsg], Fremdenpolizei und Asylrecht zu § 88 FPG Anm 2).
3.2. Angewendet auf den gegenständlichen Sachverhalt bedeutet das:
3.2.1. Wie bereits beweiswürdigend dargelegt wurde, kann im gegenständlichen Fall nicht davon ausgegangen werden, dass die BF1 nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates Iran zu beschaffen.
Das BFA ging im angefochtenen Bescheid daher zu Recht davon aus, dass dieses zwingende Tatbestandsmerkmal für die Ausstellung von Fremdenpässen an subsidiär Schutzberechtigte in casu nicht erfüllt ist und die Ausstellung eines Fremdenpasses daher im Falle der BF1 nicht in Frage kommt.
Das BFA hat daher zu Recht den Antrag der BF1 auf Ausstellung eines Fremdenpasses abgewiesen, sodass die Beschwerde der BF1 spruchgemäß abzuweisen war.
3.2.2. Bezüglich BF2 ist festzuhalten, dass wie im Rahmen der Feststellungen und der Beweiswürdigung bereits näher ausgeführt wurde, der BF2 in Anbetracht der „Bekanntmachungen“ auf der Homepage der Botschaft der „Islamischen Republik Afghanistan“ nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.
Grundsätzlich kann ein Fremdenpass nur ausgestellt werden, wenn die Identität des Fremden feststeht. In Fällen, in denen ein Identitätsdokument ohne Verschulden des Fremden nicht erlangbar ist, muss dieses Erfordernis aber an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst und somit als relativiert zu gelten haben, wenn insgesamt von der Glaubwürdigkeit des Betreffenden auszugehen ist (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 88 FPG K10). Die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht sind im asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren von der Identität und der afghanischen Staatsangehörigkeit des BF2 ausgegangen.
Von der belangten Behörde wurden zum Entscheidungszeitpunkt keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung festgestellt, die gegen die Ausstellung des beantragten Reisedokumentes sprechen würden. Solche sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen. Auch im aktuell eingeholten Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des BF2 auf.
Aus den dargelegten Gründen war in Bezug auf den BF2 daher spruchgemäß zu entscheiden, weshalb ihm ein Fremdenpass auszustellen ist.
Gemäß § 5 Abs. 1a Z 3 FPG obliegt die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
In den gegenständlichen Fällen sind die genannten Kriterien erfüllt, weil der Sachverhalt durch die Verwaltungsbehörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist. In den Beschwerden wurde zudem kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte sohin unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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