AsylG 2005 §35 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §15
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W239.2271853.1.00
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 13.03.2023, Zl. XXXX , den Beschluss:
A)
Der Beschwerde wird gemäß §§ 15 und 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 Abs. 1 und 5 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Das beantragte Visum ist zu erteilen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin stellte am 25.07.2021 schriftlich sowie am 20.07.2022 persönlich bei der österreichischen Botschaft Damaskus (ÖB Damaskus) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005.
Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, angeführt, welcher der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei. Ihm war mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 16.07.2021 der Status des Asylberechtigten in Österreich zuerkannt worden.
Gemeinsam mit dem Antrag wurden folgende Dokumente im Original vorgelegt, vom Dokumentenberater eingesehen und mit dem Vermerk „vorgelegt und in Ordnung“ bewertet:
- Reisepass der Beschwerdeführerin
- Heiratsurkunde samt Übersetzung
- Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin samt Übersetzung
- Auszug aus dem Familienregister samt Übersetzung
- Auszug aus dem Personen/Zivilregister samt Übersetzung
- Familienbuch
In Kopie wurde der Ehevertrag des Scharia-Gerichts samt Übersetzung vorgelegt; dazu wurde vom Dokumentenberater vermerkt: „Nur in Kopie vorgelegt – kann nicht bewertet werden. Original verbleibt jedoch erfahrungsgemäß beim SYR Gericht.“
Im Akt findet sich auch das Befragungsformular samt den handschriftlich notierten Antworten der Beschwerdeführerin (in Englischer Sprache). Unter anderem heißt es darin, dass die Beschwerdeführerin am XXXX 2017 geheiratet habe und damals 14 Jahre alt gewesen sei. Sowohl sie als auch ihr Ehemann und beide Familien - insgesamt ungefähr 30 Personen - seien damals anwesend gewesen. Als Zeugen hätten zwei namentlich genannte Cousins des Ehemannes fungiert. Die Hochzeit habe in einem näher genannten Vorort von Aleppo stattgefunden. Die Beschwerdeführerin habe mit ihrem Ehemann danach etwa vier Monate zusammengelebt. Im Februar 2018 habe sie ihn zuletzt gesehen. Für die Ausstellung der Dokumente hätten sie gemeinsam einen Anwalt beauftragt.
2. Die ÖB Damaskus übermittelte in weiterer Folge dem BFA die eingebrachten Antrags- und Befragungsformulare samt Beilagen zur weiteren Veranlassung; dies mit den folgenden Bemerkungen:
Die gegenständliche Eheschließung sei mit 14 Jahren und sieben Monaten erfolgt. Es handle sich um eine Kinderehe. Im Ehevertrag sei vermerkt worden, dass dieser ausschließlich zur Verwendung im Ausland ausgestellt worden sei und daher im Heimatland keine Gültigkeit habe. Weiters sei im Ehevertag angeführt, dass dieser nach Einsichtnahme in eine ausgestellte Heiratsurkunde ausgestellt worden sei.
In Syrien sei diese Vorgangsweise jedoch nicht möglich, da erst nach einem Ehevertrag bzw. einer nachträglichen Eheregistrierung eine Heiratsurkunde ausgestellt werden könne; siehe dazu auch die syrischen Rechtsnormen zur Eheschließung: Weibliche Jugendliche, die das 13. Lebensjahr vollendet hätten, könnten gemäß Art. 18 PSG eine Ehe eingehen, wenn der zuständige Richter die körperliche/geistige Reife festgestellt habe. Im gegenständlichen Fall liege keine richterliche Feststellung vor.
Gegenständlich gebe es gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten Familienlebens. Weiters verstoße die Ehe gegen den ordre public-Grundsatz der österreichischen Rechtsprechung.
3. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 07.02.2023 und der beiliegenden Stellungnahme vom selben Tag führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Gewährung des Status einer Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei; dies aus dem folgenden Grund: Die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson habe nicht bereits vor Einreise der Bezugsperson bestanden, weshalb die Beschwerdeführerin keine Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 sei.
Ausgeführt wurde unter anderem, Familienangehöriger sei laut AsylG 2005, wer Ehegatte eines Asylberechtigten sei, sofern die Ehe bereits vor der Einreise bestanden habe. Die Gültigkeit einer Eheschließung in Syrien bestehe erst mit Registrierung. Diese Registrierung sei jedoch nicht vor der Asylantragstellung der Bezugsperson erfolgt. Die Eheschließung sei laut beigefügten Beweismitteln am XXXX 2017 im Herkunftsstaat und vor der Asylantragstellung der in Österreich aufhältigen Bezugsperson am XXXX 2020 erfolgt. Die Bezugsperson habe, wenn auch nicht exakt, die Daten der Ehegattin beim BFA bekannt gegeben. Es handle sich nach Durchsicht der Beweismittel bei den beiden Personen nicht um Familienangehörige im Sinne des Asylgesetzes. Dazu wurde auf die Ausführungen der ÖB Damaskus verwiesen.
Weiters hielt das BFA - entgegen den Ausführungen der ÖB Damaskus - fest, dass kein ordre public-Verstoß festgestellt werden könne, zumal es keine Hinweise gebe, dass die Heirat gegen den Willen der Frau stattgefunden habe. Somit sei die Trauung im beiderseitigen Einverständnis und ohne Zwang erfolgt. Da jedoch die Formvorschriften der Registrierung der Eheschließung nicht erfüllt worden seien, gehe das BFA davon aus, dass es sich bei den Personen nicht um Familienangehörige im Sinne des AsylG 2005 handle.
Mit Schreiben der ÖB Damaskus vom 15.02.2023 wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, das BFA sei nach Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Stattgebung eines Antrags auf internationalen Schutz nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits vor Einreise der Bezugsperson bestanden habe.
4. Am 21.02.2023 gab Dr. Lennard BINDER LL.M. vom MigrantInnenverein St. Marx bekannt, dass der Verein aber zugleich auch er selbst ad personam mit der Vertretung der Beschwerdeführerin bevollmächtigt worden seien; dazu legte er eine entsprechende Vollmacht bei.
Als Stellungnahme führte er aus, dass eine Ehe nach syrischem Recht ein Vertrag sei, der von der Registrierung - die lediglich eine Ordnungsvorschrift darstelle - unabhängig sei. Die Registrierung der Ehe habe keinen Einfluss auf das (ursprüngliche) Datum der Eheschließung. Von einem ordre public-Verstoß könne keine Rede sein.
5. Nach eingelangter Stellungahme des Vertreters der Beschwerdeführerin leitete die ÖB Damaskus diese an das BFA weiter. Das BFA teilte nach Erhalt der Stellungnahme am 10.03.2023 in einem mehrseitigen Schreiben im Wesentlichen folgendes mit:
An der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose werde festgehalten. Ein ordre public-Verstoß habe vom BFA nicht festgestellt werden können, weil es keine Hinweise dafür gebe, dass die Ehe nicht im beiderseitigen Einverständnis erfolgt sei oder dass sie mit Zwang erfolgt sei. Es seien jedoch die Formvorschriften der Registrierung der Eheschließung nicht erfüllt, weshalb das BFA davon ausgehe, dass es sich bei den Personen nicht um Familienangehörige im Sinne des Asylgesetzes handle.
Zitiert wurde in weitere Folge eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien zum Thema Eheschließungen, deren Voraussetzungen und Eheregistrierungen. Besonders hervorgehoben wurde im Text: „Jede in Syrien abgeschlossene Ehe bedarf der Eintragung in das Zivilregister, um rechtliche Folgen auszulösen. Dies gilt auch für die vor einem Scharia-Gericht geschlossenen Ehen. (…) Ehen gelten erst dann als rechtsgültig und daher durchsetzbar, wenn sie im Zivilregister eingetragen wurden.“
Das BFA ersuchte abschließend, der Beschwerdeführerin diese ergänzende Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen. Davon sah die ÖB Damaskus jedoch ab.
6. Mit Bescheid der ÖB Damaskus vom 13.03.2023 wurde der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits vor Einreise der Bezugsperson bestanden habe. Es wurde auf die Rückmeldung des BFA verwiesen. Das BFA habe nach Erhalt der Stellungnahme der Beschwerdeführerin an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten. Aufgrund der Aktenlage sei spruchgemäß zu entscheiden und der Antrag abzulehnen.
7. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Vertretung fristgerecht Beschwerde, machte unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und hielt dazu fest:
Die traditionell-muslimische Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson habe am XXXX 2017 stattgefunden [Anm. BVwG: Auszugehen ist von einem offensichtlichen Tippfehler, zumal sonst im gesamten Verfahren, insbesondere in den vorgelegten Dokumenten, vom XXXX 2017 die Rede ist.]. Die Registrierung sei laut dem vorgelegten Auszug aus dem Zivilregister am XXXX 2021 erfolgt. Nach einhelliger ständiger Judikatur sei in Syrien eine Ehe mit der staatlichen Registrierung rückwirkend an dem Zeitpunkt der tatsächlichen Eheschließung wirksam (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0094 ua.). Ein Verstoß gegen das ordre public-Prinzip sei nicht behauptet worden und liege auch nicht vor.
8. Die ÖB Damaskus sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab.
9. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 10.05.2023, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 15.05.2023, wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt übermittelt.
10. Am 05.02.2024 gab Dr. Lennard BINDER LL.M. vom MigrantInnenverein St. Marx die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses bekannt.
11. Am 14.02.2024 berief sich Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER auf die ihm erteilte Vollmacht und stellte einen Fristsetzungsantrag gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 2 B-VG.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin, eine am XXXX geborene syrische Staatsangehörige, stellte am 25.07.2021 schriftlich sowie am 20.07.2022 persönlich bei der ÖB Damaskus einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005.
Die Beschwerdeführerin ist die Ehefrau der Bezugsperson XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, der mit Bescheid des BFA vom 16.07.2021 der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson haben am XXXX 2017 in einem Vorort von Aleppo/Syrien traditionell-muslimisch im Beisein zweier männlicher Zeugen geheiratet. Die Ehe wurde am XXXX 2021 in der Provinz Alraqa – Center Alraqa unter der Nr. XXXX registriert.
Nach der Eheschließung lebte das Paar bis zur Ausreise der Bezugsperson im Februar 2018 etwa vier Monate lang in einem gemeinsamen Haushalt. Die Bezugsperson stellte in der Folge am XXXX 2020 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Gemäß Art. 1 syrisches Personalstatutgesetz, Gesetz Nr. 59 vom 17.09.1953, geändert durch Gesetz Nr. 34 vom 31.12.1975 (sPSG), ist die Eheschließung ein Vertrag zwischen einem Mann und einer Frau, die zu heiraten ihm gesetzlich erlaubt ist, zum Zwecke der Gründung einer Lebensgemeinschaft und der Zeugung von Nachkommen. Für die Gültigkeit des Ehevertrags bedarf es der Anwesenheit zweier männlicher Zeugen oder eines Mannes und zweier Frauen islamischen Glaubens (Art. 12 sPSG) sowie allenfalls eines Ehevormunds.
Gemäß Art. 30 des Dekrets No. 26/2007 über den zivilen Status gelten Ehen erst als rechtsgültig und daher durchsetzbar, wenn sie im Zivilregister eingetragen wurden.
Im Falle einer außerhalb eines Gerichtes abgeschlossenen Ehe (sogenannte traditionelle Ehe) muss deren Gültigkeit zunächst durch den Richter (in der Regel vor Scharia-Gerichten) bestätigt werden. Die Bestätigung der Gültigkeit der Ehe kann auch rückwirkend erfolgen. Danach muss eine Abschrift der Bestätigung der Eheschließung durch das Gericht innerhalb von zehn Tagen an das zuständige Standesamt weitergeleitet werden, das anschließend die Registrierung der Ehe im Zivilregister vornimmt, wodurch die Ehe Rechtsgültigkeit erlangt (Art. 45 sPSG).
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Akt der ÖB Damaskus samt Interview der Beschwerdeführerin und den einliegenden Urkunden.
Dass die Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson eine rechtsgültige Ehe geschlossen hat, ergibt sich insbesondere aus der vorgelegten Heiratsurkunde, dem Beschluss des Scharia-Gerichts (Ehevertrag) und dem Auszug aus dem Familienstandregister. Aus dem Beschluss des Scharia-Gerichtes (Ehevertrag) geht hervor, dass die Ehe am XXXX 2017 geschlossen wurde. Der Heiratsurkunde ist zu entnehmen, dass das Geschehnis der Ehe am XXXX 2021 in der Provinz Alraqa – Center Alraqa unter der Nr. XXXX registriert wurde. Im Auszug aus dem Familienstandregister erscheinen die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson mit dem Familienstand „verheiratet“ auf.
Konkrete Zweifel an der Echtheit und Richtigkeit dieser Urkunden sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden insbesondere auch vom BFA nicht eingewendet. Der von der ÖB Damaskus herangezogene Dokumentenberater hat die Dokumente als „in Ordnung“ bewertet.
Die Feststellungen zum syrischen Eherecht und zu den gegenständlich erfüllten Voraussetzungen betreffend die Rechtsgültigkeit der Eheschließung ergeben sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien mit dem Titel „Eheschließungen, deren Voraussetzungen und Eheregistrierungen“ vom 05.05.2017.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde und Behebung des Bescheides:
Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten wie folgt:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(…)
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
(…)
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 lauten wie folgt:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
(…)
22. Familienangehöriger:
(…)
b. der Ehegatte oder eingetragene Partner eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;
c. ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten und
(…)“
Familienverfahren im Inland
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.(…)
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(…)
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35. (…)
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 6 und 17) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten wie folgt:
„Form der Eheschließung
§ 16 (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.
(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Vorbehaltsklausel (ordre public)
§ 6 Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.“
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und es kommt ihr diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).
Der Verwaltungsgerichtshof hält in ständiger Rechtsprechung fest (vgl. VwGH 01.07.2021, Ra 2021/18/0016; VwGH 31.05.2021, Ra 2020/01/0284; VwGH 26.02.2020, Ra 2019/18/0299; VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0124), dass es dem Bundesverwaltungsgericht offensteht, die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002 bis 0007). Gegenstand der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht ist, ob die Prognose des BFA hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an die Antragsteller im Rahmen eines (späteren) Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 zutreffend erfolgt ist und die sonstigen Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 AsylG 2005 erfüllt sind.
Gegenständlich wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 von der Behörde mit der Begründung abgewiesen, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits vor Einreise der Bezugsperson bestanden habe, weshalb die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall keine Familienangehörige im Sinne des AsylG 2005 sei.
Die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer rechtsgültigen Ehe ist im gegenständlichen Fall unter Heranziehung der entsprechenden syrischen Bestimmungen zu lösen, zumal die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen ist, wobei die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung genügt. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nur dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) unvereinbar ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0094, klargestellt, dass syrische, traditionell-muslimische Eheschließungen, die nachfolgend staatlich registriert werden, grundsätzlich rückwirkend mit dem Datum der traditionell-muslimischen Hochzeit als rechtsgültig anzusehen sind, sofern keine sonstigen dem ordre public widersprechenden Umstände (wie etwa Kinderehe oder Ehezwang) gegen die Gültigkeit der Ehe sprechen.
Solche dem ordre public widersprechenden Umstände sind gegenständlich nicht hervorgekommen. Dies wurde seitens des BFA sowohl in der ersten als auch in der zweiten Wahrscheinlichkeitsprognose bestätigt, zumal dort angeführt wurde, dass nach Ansicht des BFA kein ordre public-Verstoß festgestellt werden könne, weil es keine Hinweise gebe, dass die Heirat gegen den Willen der Frau stattgefunden habe. Somit sei die Trauung im beiderseitigen Einverständnis und ohne Zwang erfolgt. Dabei nimmt das BFA implizit Bezug auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der Gültigkeit von Kinderehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich zur Frage der Anerkennung der Gültigkeit einer Ehe aus dem Blickwinkel des ordre public mit Erkenntnis vom 03.07.2020, Ra 2020/14/0006-11, ausgesprochen, dass eine von einem Minderjährigen geschlossenen Ehe nicht schon allein wegen der Minderjährigkeit der Ehepartner und eines deswegen gegebenen Fehlens der Ehefähigkeit jedenfalls als eine dem ordre public widerstreitende Kinderehe anzusehen ist. Bei der Beurteilung, ob eine dem ordre public widersprechende Kinderehe vorliegt, ist darauf Bedacht zu nehmen, ob die Entscheidung über die Eheschließung ohne Einschränkung der Willensfreiheit erfolgt ist, insbesondere, ob die Ehe selbstbestimmt und ohne Zwang eingegangen wurde und ohne Anknüpfung an Bedingungen erfolgt ist. Durch die Eheschließung und das im Eheband erfolgte Leben dürfen zudem der Schutz des Kindeswohls, insbesondere die Wahrung der (Persönlichkeits-)Rechte des Minderjährigen sowie der Schutz vor Ausbeutung und unzulässigen Verpflichtungen jeglicher Art, nicht in wesentlicher Weise beeinträchtigt sein.
Dem BFA ist darin beizupflichten, dass es im konkreten Fall keinerlei Hinweise auf Einschränkung der Willensfreiheit bei der Eheschließung bzw. auf eine Zwangsehe gibt.
Somit bestand die Ehe der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson bereits (rückwirkend) seit XXXX 2017 und somit jedenfalls vor der Einreise der Bezugsperson am XXXX 2020 nach Österreich.
Die Antragstellung der Beschwerdeführerin gemäß § 35 AsylG 2005 erfolgte am 25.07.2021, sohin weniger als drei Monate nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an die Bezugsperson am 16.07.2021, sodass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht zu erfüllen sind.
Da die Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerin zur Bezugsperson somit gegeben ist und keine Hinweise dafür vorliegen, dass die Bezugsperson straffällig geworden oder im Hinblick auf ihre Person ein Verfahren zur Aberkennung ihres Status anhängig wäre, sind die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 34 Abs. 2 und 35 Abs. 1 und 5 AsylG 2005 erfüllt, sodass der Beschwerde stattzugeben und die angefochtene Entscheidung zu beheben war; der Beschwerdeführerin ist seitens der ÖB Damaskus der begehrte Einreisetitel zu gewähren.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war keine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den obigen Erwägungen wiedergegeben.
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