AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W211.2255132.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX .1984, StA. Syrien, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, idF BF, ist ein männlicher Staatsangehöriger Syriens. Er stellte am XXXX .2021 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei seiner Erstbefragung am XXXX .2021 gab der BF zusammengefasst und soweit wesentlich an, er komme aus der Region Malikiya und verfüge noch über Verwandte in Syrien. Er sei im Mai 2021 zu Fuß über die Grenze in die Türkei ausgereist. Als Grund für seine Ausreise führte er aus, dass es in Syrien einen Bürgerkrieg gebe, und er als Reservist zum Krieg eingezogen hätte werden sollen. Er wolle nicht am Krieg teilnehmen. Er habe von XXXX seinen Wehrdienst absolviert.
3. Im Rahmen seiner Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2022 führte der BF zusammengefasst und soweit wesentlich aus, dass er Kurde sei und aus XXXX in der Region Malikiya komme. Seine Frau und Kinder sowie seine Mutter würden sich noch in Syrien aufhalten. Als Grund für seine Ausreise gab der BF an, dass es keine Sicherheit in Syrien gebe, und der BF als Reservist einberufen worden sei. Während seines Wehrdienstes sei er auf einen XXXX in den Kanzleidienst versetzt worden, weil er eine Augenverletzung gehabt habe.
4. Mit Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG (Spruchpunkt III).
5. In der gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich aus den Länderberichten die Gefahr einer Einberufung des BF zum syrischen Reservedienst ergebe und an die Verweigerung schwere Konsequenzen geknüpft seien. Der BF würde auch, da er aus einem Gebiet stamme, das außerhalb des Zugriffs der syrischen Regierung lag, im Falle seiner Rückkehr durch diese wegen „Verbrechen“ zur Verantwortung gezogen werden. Der BF lehne den Kriegsdienst ab und würde wegen einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung der Gefahr unterliegen, von der syrischen Regierung verfolgt zu werden.
6. Am XXXX 2023 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die kurdische Sprache und in Anwesenheit des BF und seiner Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der der BF Gelegenheit hatte, zu seinen Fluchtgründen im Detail Stellung zu nehmen, und die Länderinformation aktualisiert wurde. Die belangte Behörde hatte sich mit Schreiben vom XXXX .2023 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum BF: Der BF ist ein Staatsangehöriger Syriens, der am XXXX .2021 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte. Er gehört der Volksgruppe der Kurden an und stammt aus XXXX in der Region rund um Al Malikiya. Die nächstgrößere Stadt ist XXXX befinden sich noch die Ehefrau und vier Kinder des BF.
Der BF arbeitete vor seiner Ausreise in der Bäckerei seines Bruders und hatte außerdem noch Schafe.
Der BF verließ Syrien illegal über die Grenze zur Türkei. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Relevante Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Syrien:
1.2.1.: Aus dem Länderinformationsblatt:
Nordost-Syrien – Politische Situation:
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya YekTtiya Demokrat, PYD) gründeten, gekommen sein. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine „zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba’ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrin, ’Ain al-’Arab (Kobane) und die Jaziravon der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017). Im März 2016 wurde in dem Gebiet, das zuvor unter dem Namen „Rojava" bekannt war, die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte (SWP 7.2018; vgl. KAS 4.12.2018). 2018 übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrin mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022).
Der militärische Arm der PYD, die YPG, ist die dominierende Kraft innerhalb des Militärbündnisses Syrian Democratic Forces (SDF). Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet „belohnt" zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018a). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 12.4.2022). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung (Syrian Democratic Council; politischer Arm der SDF) und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren. Die Zusammenarbeit auf technischer Ebene resp. der Güteraustausch (Raffinierung/Kauf von Erdöl; Aufkauf von Weizen) hat sich auch verkompliziert (ÖB 1.10.2021). Im Juni 2022 erklärte Präsident Erdogan, dass eine neue türkische Militäroperation geplant sei, die sich gegen Gebiete an der syrisch-türkischen Grenze wie Kobane (’Ayn al-’Arab), Tal Rifa’at und Manbij richten würde, die von den kurdisch SDF kontrolliert werden (AJ 18.11.2022).
Das syrische Regime, die HTS und andere bewaffnete Gruppen in Idlib sowie die PYD in ihren Regionen haben autoritäre Systeme beibehalten oder aufgebaut. Dabei setzt das Regime am meisten und die PYD am wenigsten auf gewaltsame Unterdrückung zur Machterhaltung. Doch selbst im günstigsten Fall sind die Möglichkeiten der Bürger, ihren Interessen Gehör zu verschaffen, stark eingeschränkt (BS 23.2.2022). Die syrischen Kurden unter Führung der PYD beanspruchen in den Selbstverwaltungskantonen ein Gesellschaftsprojekt aufzubauen, das von basisdemokratischen Ideen, von Geschlechtergerechtigkeit, Ökologie und Inklusion von Minderheiten geleitet ist. Während Befürworter das syrisch-kurdische Gesellschaftsprojekt als Chance für eine künftige demokratische Struktur Syriens sehen, betrachten Kritiker es als realitätsfremd und autoritär (KAS 4.12.2018). Die kurdischen Führungskräfte der YPG erklären, ihr Ziel sei die regionale Autonomie innerhalb eines dezentralisierten Syriens, nicht die Unabhängigkeit (Reuters 14.11.2022). Die PYD ist weniger gewalttätig in ihrer Repression, übt aber eine strikte Kontrolle in ihrem Einflussbereich aus. Während die kurdische Verfassung demokratisch ist, trägt die Herrschaft der PYD starke autoritäre Züge; der politische Wettbewerb ist nicht offen, sondern wird sorgfältig kontrolliert (BS 23.2.2022). Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP (Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak) nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der Democratic Union Party (PYD), welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021). Die Türkei betrachtet die YPG als syrischen Ableger der PKK. Obwohl die USA und die EU die PKK als Terrororganisation betrachten, betrachten sie die YPG als eine eigenständige Organisation und führen sie nicht auf ihren Terrorlisten (SWP 30.5.2022).
Sicherheitssituation:
Mit Stand Dezember 2022 befinden sich die Gouvernorate al-Hassakah und Ar-Raqqa sowie Teile von Deir Ez-Zor nördlich des Flusses Euphrat und Teile des Gouvernements Aleppo um Manbij und Kobane sowie das Gebiet um Tal Rifa’at unter der Kontrolle der kurdisch geführten SDF [Anm.: Syrian Democratic Forces - Syrische Demokratischen Kräfte der selbsternannten Selbstverwaltungsregion, auch Autonomous Administration of North and East Syria-AANES] (Liveuamap Stand 2.12.2022).
Wehr- und Reservedienst, Rekrutierungen: Wehrpflichtgesetz der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“
Mit Stand Juni 2022 ist das Dekret Nr. 3 vom 4.9.2021 weiterhin in Kraft, welches Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) zum „Wehrdienst" in der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien" verpflichtet. Das Alter ist nun in allen betreffenden Gebieten dasselbe, während es zuvor je nach Gebiet variierte. Vor dem Dekret Nr. 3 war auch das Alterslimit höher - bis 40 Jahre. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war (DIS 6.2022).
Die Aufrufe für die „Selbstverteidigungspflicht" erfolgen durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim Büro für Selbstverteidigungspflicht ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des „Wehrdiensts" dokumentiert wird - z.B. die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung. Es ist das einzige Dokument, das im Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht ausgestellt wird (DIS 6.2022).
Nach Protesten gab es auch ein temporäres Aussetzen der Wehrpflicht wie z.B.in Manbij im Juni 2021. Die „Wehrpflicht" gilt nicht für Personen außerhalb des „Selbstverwaltungsgebiets", außer der Betreffende hat mindestens fünf Jahre im „Selbstverwaltungsgebiet" gewohnt (DIS 6.2022).
Manche Ausnahmen vom „Wehrdienst" sind temporär und kostenpflichtig. Frühere Befreiungen für Mitarbeiter des Gesundheitsbereichs und von NGOs sowie von Lehrern gelten nicht mehr (DIS 6.2022). Es wurden auch mehrere Fälle von willkürlichen Verhaftungen zum Zwecke der Rekrutierung dokumentiert, obwohl die Wehrpflicht aufgrund der Ausbildung aufgeschoben wurde oder einige Jugendliche aus medizinischen oder anderen Gründen vom Wehrdienst befreit wurden (EB 12.7.2019). Laut Medienberichten waren insbesondere Lehrer von Zwangsrekrutierungsmaßnahmen betroffen. Berichten zufolge kommt es auch zu Zwangsrekrutierungen von Burschen und Mädchen (AA 29.11.2021). Laut DIS beziehen sich die Berichte von Zwangsrekrutierungen manchmal eher auf den Selbstverteidigungsdienst oder auf andere Gruppen als die SDF (Syrian Democratic Forces) (DIS 6.2022).
Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen (ÖB 29.9.2020). Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird dieses Gesetz auch mit Gewalt durchgesetzt (AA 29.11.2021), während das Danish Immigration Service nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen dem Militärdienst zu entgehen, laut dem Gesetz zur Selbstverteidigungspflicht durch die Verlängerung der „Wehrpflicht" um einen Monat bestraft würden - zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft „für eine Zeitspanne“. Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für den Betreffenden zu finden (DIS 6.2022). Im Fall von Verweigerung aus Gewissensgründen oder im Fall einer Verhaftung wegen Wehrdienstverweigerung erhöht sich der Wehrdienst laut EASO [Anm.: inzwischen in European Union Asylum Agency, EUAA umbenannt] auf 15 Monate. Spät eintreffende Wehrdienstpflichtige müssen einen Monat länger Wehrdienst leisten (EASO 11.2021). Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: zur nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts (ÖB 29.9.2020). Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB 29.9.2020).
Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem „Wehrdienst“ Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die „Militärpolizei“ unter seiner Adresse. Die meisten sich der „Wehrpflicht“ entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht (DIS 6.2022).
Im Ausland (Ausnahme Türkei und Irak) lebende, unter die „Selbstverteidigungspflicht“ fallende Männer können gegen eine Befreiungsgebühr für kurzfristige Besuche zurückkehren, ohne den „Wehrdienst“ antreten zu müssen, wobei zusätzliche Bedingungen eine Rolle spielen, ob dies möglich ist (DIS 6.2022).
Ursprünglich betrug die Länge des „Wehrdiensts“ sechs Monate, wurde aber im Jänner 2016 auf neun Monate verlängert. Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr, und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen (DIS 6.2022). Einer anderen Quelle zufolge dauert der Wehrdienst sechs Monate mit Ausnahme des Zeitraums Mai 2018 bis Mai 2019, als dieser zwölf Monate umfasste (EASO 11.2021). In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden, was je Gebiet entschieden wird, z.B. die Verlängerung um einen Monat im Jahr 2018 wegen der Lage in Baghouz. In Afrin wurde der Wehrdienst zu drei Gelegenheiten in den Jahren 2016 und 2017 um je zwei Monate ausgeweitet. Auch nach Angaben der Vertretung der „Selbstverwaltung“ gab es auch Fälle, in welchen Personen der Wehrdienst um einige Monate verlängert wurde (DIS 6.2022).
Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hassakah, wo es im Jänner 2022 zu dem IS-Befreiungsversuch mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z.B. bei den Kämpfen gegen den sogenannten Islamischen Staat von 2016-2017 in Raqqa (DIS 6.2022).
Nach dem abgeleisteten „Wehrdienst“ gehören die Absolventen zur Reserve und können im Fall „höherer Gewalt“ einberufen werden. Diese Entscheidung trifft der Militärrat des jeweiligen Gebiets. Derartige Einberufungen waren den vom DIS befragten Quellen nicht bekannt (DIS 6.2022).
Bei Deserteuren hängen die Konsequenzen abseits von einer Zurücksendung zur Einheit und einer eventuellen Haft von ein bis zwei Monaten von den näheren Umständen und eventuellem Schaden ab. Dann könnte es zu einem Prozess vor einem Kriegsgericht kommen (DIS 6.2022).
Proteste gegen die „Wehrpflicht“
Das Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“ stößt bei den Bürgern in den von den SDF kontrollierten Gebieten auf heftige Ablehnung, insbesondere bei vielen jungen Männern, welche die vom Regime kontrollierten Gebiete verlassen hatten, um dem Militärdienst zu entgehen (EB 12.7.2021). Im Jahr 2021 hat die Wehrpflicht besonders in den östlichen ländlichen Gouvernements Deir ez-Zour und Raqqa Proteste ausgelöst. Lehrer haben sich besonders gegen die Einberufungskampagnen der SDF gewehrt. Proteste im Mai 2021 richteten sich außerdem gegen die unzureichende Bereitstellung von Dienstleistungen und die Korruption oder Unfähigkeit der autonomen Verwaltungseinheiten. Sechs bis acht Menschen wurden am 1.6.2021 in Manbij (Menbij) bei einem Protest getötet, dessen Auslöser eine Reihe von Razzien der SDF auf der Suche nach wehrpflichtigen Männern war. Am 2. Juni einigten sich die SDF, der Militärrat von Manbij und der Zivilrat von Manbij mit Stammesvertretern und lokalen Persönlichkeiten auf eine deeskalierende Vereinbarung, die vorsieht, die Rekrutierungskampagne einzustellen, während der Proteste festgenommene Personen freizulassen und eine Untersuchungskommission zu bilden, um diejenigen, die auf Demonstranten geschossen hatten, zur Rechenschaft zu ziehen (COAR 7.6.2021).
Rekrutierung für den nationalen syrischen Wehrdienst in Nordost-Syrien:
Die Absolvierung des „Wehrdiensts“ gemäß der Selbstverwaltung befreit nicht von der nationalen Wehrpflicht in Syrien. Die syrische Regierung verfügt über mehrere kleine Gebiete im Selbstverwaltungsgebiet. In Qamishli und al-Hassakah tragen diese die Bezeichnung „Sicherheitsquadrate“ (Al-Morabat Al-Amniya), wo sich verschiedene staatliche Behörden, darunter auch solche mit Zuständigkeit für die Rekrutierung befinden. Am 14.4.2022 besetzten die SDF und die Asayish für einen Tag die Verwaltungseinrichtungen, was Berichten zufolge eine Reaktion auf die Belagerung des kurdischen Stadtteils Sheikh Maqsoud in Aleppo durch das Regime war (DIS 6.2022).
Während die syrischen Behörden im Allgemeinen keine Rekrutierungen im Selbstverwaltungsgebiet durchführen können, gehen die Aussagen über das Rekrutierungsverhalten in den Regimeenklaven auseinander - auch bezüglich etwaiger Unterschiede zwischen dort wohnenden Wehrpflichtigen und Personen von außerhalb der Enklaven (DIS 6.2022). Ein befragter Rechtsexperte der ÖB Damaskus berichtet, dass die syrische Regierung in den Gebieten unter Kontrolle der Autonomous Administration of North and East Syria (AANES) in der Lage ist, zu rekrutieren, jedoch nicht in allen Gebieten. Die syrische Regierung ist nach wie vor in einigen von der AANES kontrollierten Gebieten präsent und kann dort rekrutieren, wo sie über eine Präsenz im Sicherheitsdistrikt oder muraba’a amni im Zentrum der Gouvernorate verfügt, wie in Qamishli oder in Deir ez-Zor. In einigen Gebieten wie Afrin hat die syrische Regierung jedoch keine Kontrolle und kann dort keine Personen einberufen. Nach dem Abkommen zwischen den Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung Mitte Oktober 2019, das die Stationierung von Truppen der syrischen Regierung in zuvor kurdisch kontrollierten Gebieten vorsah, wurde berichtet, dass syrische Kurden aus dem Gebiet in den Irak geflohen sind, weil sie Angst hatten, in die Syrische Arabische Armee eingezogen zu werden (Rechtsexperte 14.9.2022). Ein befragter Militärexperte gab dagegen an, dass die syrische Regierung grundsätzlich Zugriff auf die Wehrpflichtigen in den Gebieten unter der Kontrolle der PYD hat, diese aber als illoyal ansieht und daher gar nicht versucht, sie zu rekrutieren (BMLV 12.10.2022).
Allgemeine Menschenrechtslage – Nordost Syrien:
Teile der SDF, einer Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheiten, zu der auch Mitglieder der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gehören, sollen ebenfalls für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein, darunter willkürliche Inhaftierungen, Folter, Korruption, Rekrutierung von Kindersoldaten und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Die SDF untersuchen weiterhin die gegen sie vorgebrachten Klagen. Es liegen keine Informationen über die gerichtliche Anklage einzelner Mitglieder der SDF vor (USDOS 12.4.2022). Die SDF führen Massenverhaftungen von Zivilisten, darunter Aktivisten, Journalisten und Lehrer, durch. In der ersten Jahreshälfte 2021 belief sich die Zahl der Verhafteten laut dem SNHR auf 369 Personen (HRW 13.1.2022). Das US-Außenministerium berichtet hingegen von „gelegentlichen“ Einschränkungen von Menschenrechtsorganisationen und Schikanen gegen Aktivisten vonseiten der SDF und anderen Oppositionsgruppen, darunter „in manchen Fällen“ willkürliche Haft (USDOS 12.4.2022). Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt jedoch laut Einschätzung des Auswärtigen Amtes erkennbar weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer und dschihadistischer Gruppen befinden (AA 4.12.2020).
1.2.2 Ergänzende Information aus relevanten EUAA (ehemals EASO)-Publikationen:
Zur Frage des Zugriffs der SAA in Nordost-Syrien auf Wehrpflichtige wird ergänzend festgestellt:
Häufigkeit der SAA-Wehrpflicht in von den SDF kontrollierten Gebieten
In den von den SDF kontrollierten Gebieten ist die SAA in Hasaka, Qamischli, Manbij und Tal Tamr präsent. Der US-Verteidigungsnachrichtendienst schätzte in einem Bericht vom November 2020, dass die SAA zwischen 4 000 und 10 000 Soldaten im Nordosten Syriens zwischen den Städten Manbij (Gouvernement Aleppo) und Tal Tamr (Gouvernement Hasaka) stationiert hat. Laut mehreren Quellen, die DIS zwischen Januar und Februar 2020 befragte, hat der Staat die Wehrpflicht in den von den SDF kontrollierten Gebieten im Nordosten Syriens noch nicht wiedereingeführt, da es an Verwaltungsbefugnissen fehlt. Nach Angaben einer internationalen humanitären Organisation, die in Syrien tätig ist und von EASO im Januar 2021 befragt wurde, führt die SAA in den von den SDF kontrollierten Gebieten keine Einberufungskampagnen durch. Suhail Al-Ghazi schätzte im Januar 2021 ein, dass die Rekrutierung für die SAA in den von den SDF kontrollierten Gebieten auf freiwilliger Basis erfolgt. Die SAA führt in den von den SDF kontrollierten Gebieten keine Rekrutierungskampagnen durch, und diejenigen, die nicht rekrutiert werden wollen, können sich dem entziehen, indem sie sich außerhalb der von der SAA kontrollierten Gebiete aufhalten und bewegen.
Andere von DIS im Jahr 2020 befragte Quellen gaben an, dass die Rekrutierung für die SAA in den von den SDF kontrollierten Gebieten zwar stattfand, aber auf freiwilliger Basis. Der US-Verteidigungsnachrichtendienst (Defense Intelligence Agency) stellte in einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums für den Zeitraum zwischen Juli und September 2020 fest, dass die Regierung von Syrien "ihre lokalen Rekrutierungsbemühungen verstärkt hat, um die bestehenden Einheiten im Nordosten Syriens zu ergänzen", ohne weitere Einzelheiten über die Art der Rekrutierung zu nennen.
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie waren die meisten medizinischen Lieferungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die im April 2020 in den Nordosten Syriens gingen, für das Nationale Krankenhaus von Qamischli bestimmt, das unter der Kontrolle der Regierung steht. Laut den Syrien-Forschern Elizabeth Tsurkov und Qussai Jukhadar wird diese Maßnahme viele Menschen, auch solche, die zum Militärdienst eingezogen werden sollen, davon abhalten, sich medizinisch versorgen zu lassen, da sie Angst vor Verhaftung und Zwangseinberufung haben. Laut einer von EASO im Januar 2021 befragten Quelle werden staatenlose Kurden (Ajanibs und Maktumeen) von der SAA nicht eingezogen. Diejenigen, die die syrische Staatsbürgerschaft besitzen und nach 1992 geboren sind, können in der SAA eingezogen werden (EUAA, Military Service, April 2021, S 18f (übersetzt durch die erkennende Richterin)).
Das GoS („Government of Syria“) ist im Allgemeinen nicht in der Lage, in den von den SDF kontrollierten Gebieten Wehrpflichtige zu rekrutieren. Einige Quellen berichteten, dass Zwangsrekrutierungen in der SAA auf den vom GoS kontrollierten Sicherheitsplätzen in Hasaka und Qamischli durchgeführt werden, während andere Quellen nicht davon ausgingen, dass Personen, die diese Sicherheitsplätze betreten, zwangsrekrutiert werden (EUAA, Targeting of Individuals, September 2022, S 40 (übersetzt durch die erkennende Richterin)).
1.3. Feststellungen zum relevanten Vorbringen des BF iZm einer Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten:
Der BF stammt aus XXXX in der Provinz Al Hasakah, in der Region Al Malikiya in Nordost-Syrien, das zur Zeit unter kurdischer Kontrolle steht. In diesem Dorf leben noch die Ehefrau und vier Kinder des BF. Der BF verließ XXXX und Syrien im Mai 2021 zu Fuß über die türkische Grenze.
Die Region rund um Al Malikiya steht unter der Kontrolle der Kurdinnen und Kurden:
Der BF ist XXXX Jahre alt.
Er leistete vom XXXX seinen regulären Wehrdienst bei der syrischen Armee ab.
Eine Rekrutierung zum „Wehrdienst“ im Rahmen der kurdischen Selbstverteidigungspflicht hat der BF ebenso wenig zu befürchten, wie eine Rekrutierung durch die syrische Armee oder eine Gefährdung durch die syrische Regierung wegen einer illegalen Ausreise über die türkische Grenze oder eine Asylantragstellung im Ausland.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zum obigen Punkt 1.1. beruhen in erster Linie auf den glaubhaften und gleichbleibenden Angaben des BF im Laufe des Verfahrens, auch in der mündlichen Verhandlung, auf dem Verwaltungsakt der belangten Behörde und auf einem Auszug aus dem Strafregister.
2.2.
2.2.1. Die Länderfeststellungen zu 1.2.1. beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.12.2022, und darin auf den folgenden Detailquellen:
Quellen zu den Kapiteln Politische Situation in Nordostsyrien und Sicherheitssituation:
■ AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.11.2021): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2072999/Ausw%C3%A4rtiges _ Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_LageJn_der_Arabischen_Republik_Syrien%2C_%28Stan d_November_2021%29%2C_29.11.2021.pdf, Zugriff 19.12.2022
■ AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht -ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf , Zugriff
18.8.2020
■ AJ - Al Jazeera (18.11.2022): Analysis: Is Turkey set for a new military operation in Syria?, https:// www.aljazeera.com/news/2022/11/18/analysis-is-turkey-set-for-a-new-military-operation-in-syria , Zugriff 19.12.2022
■ AAN/MEI - Ayman Abdel Nour in Middle East Institute (24.7.2020): Syria’s 2020 parliamentary elections: The worst joke yet, https://www.mei.edu/publications/syrias-2020-parliamentary-electio ns-worst-joke-yet, Zugriff 18.8.2020
■ BBC - BBC News (25.2.2019): Why is there a war in Syria?, https://www.bbc.com/news/world-mid dle-east-35806229, Zugriff 18.8.2020
■ BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Syria, https://bti-project.org/filea dmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SYR.pdfZugriff 18.3.2022
■ BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Syria, https://www.ecoi.net/en/ file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 19.8.2020
■ COAR - Center for Operational Analysis and Research (27.7.2020): Potemkin parliament: Baathists consolidate control as access to power shifts, https://coar-global.org/2020/07/27/potemkin-parli ament-baathists-consolidate-control-as-access-to-power-shifts/, Zugriff 15.9.2021
■ DF - Deutschlandfunk (16.11.2022): Krieg in Syrien. Umgang mit einem erstarrten Konflikt, https: //www.deutschlandfunk.de/syrien-tuerkei-fluechtlinge-buergerkrieg-assad-kurden-100.html, Zugriff 19.12.2022
■ DS - Der Standard (28.5.2021): Syriens Machthaber Assad erhält bei „Präsidentenwahl" 95 Prozent, https://www.derstandard.at/story/2000126983065/syriens-machthaber-assad-erhaelt-bei-praesid entenwahl-95-prozent, Zugriff 19.12.2022
■ DS - Der Standard (21.7.2020): Assads Baath-Partei gewinnt Mehrheit bei Parlamentswahl in Syrien, https://www.derstandard.at/story/2000118902082/assads-baath-partei-gewinnt-mehrhei t-bei-parlamentswahl-in-syrien, Zugriff 18.8.2020
■ Duclos, M. in Atlantic Council (31.7.2020): The Syrian parliamentary elections were a mockery, https: //www.atlanticcouncil.org/blogs/menasource/the-syrian-parliamentary-elections-were-a-mockery/, Zugriff 15.9.2021
■ FB - Foreign Brief (22.11.2022): Astana Format meeting on Syria to be held in Kazakhstan, https: //www.foreignbrief.com/daily-news/astana-format-meeting-on-syria-to-be-held-in-kazakhstan/, Zugriff 19.12.2022
■ FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/en/do cument/2030806.html, Zugriff 27.9.2021
■ FH - Freedom House (24.2.2022): Freedom in the World 2022 - Syria, https://www.ecoi.net/de/do kument72071414.html, Zugriff 19.12.2022
■ IL - Illinois Library (12.8.2022): The Syrian Conflict: Main Combatants, https://guides.library.illinois . edu/Syria/Combatants, Zugriff 19.12.2022
■ IPS - Inter Press Service (20.5.2022): What the Russian Invasion Means for Syria, https://www.ip snews.net/2022/05/russian-invasion-means-syria/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_ca mpaign=russian-invasion-means-syria, Zugriff 19.12.2022
■ KAS - Konrad Adenauer Stiftung [Gürbey, Gülistan] (4.12.2018): Zwischen den Fronten - Die Kurden in Syrien, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/zwischen -den-fronten-1, Zugriff 18.8.2020
■ Liveuamap - Live Universal Awareness Map (Stand 2.12.2022): Map of Syrian Civil War, https: //syria.liveuamap.com/, Zugriff 16.12.2022
■ MEI - Middle East Institute (26.4.2022): Divided Syria: An examination of stabilization efforts and prospects for state continuity, https://www.mei.edu/publications/divided-syria-examination-stabili zation-efforts-and-prospects-state-continuity, Zugriff 19.12.2022
■ NA - NovaAgency (23.11.2022): Syria: Astana formatsummit reaffirmssupport for territorial integrity and fight against terrorism, https://www.agenzianova.com/en/news/syria-the-astana-format-sum mit-reaffirms-support-for-territorial-integrity-and-the-fight-against-terrorism/, Zugriff 19.12.2022
■ ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (1.10.2021): Asylländerbericht Syrien 2021 (Stand September 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2066258.html , Zugriff 19.12.2022
■ OHCHR - United Nations Human Rights Council (28.6.2022): Policy Paper: Civilians under attack in Syria - Towards preventing further civilian harm, https://www.ohchr.org/sites/default/files/docu ments/hrbodies/hrcouncil/coisyria/2022-06-28/Policy-paper-CoH-27-June.pdf, Zugriff 19.12.2022
■ Reuters (14.11.2022): Factbox: What is the Syrian Kurdish YPG?, https://www.reuters.com/world/ middle-east/what-is-syrian-kurdish-ypg-2022-11-14/, Zugriff 19.12.2022
■ Reuters (28.5.2021): Syria’s Assad wins 4th term with 95% of vote, in election the West calls fraudulent, https://www.reuters.com/world/middle-east/syrias-president-bashar-al-assad-wins-fou rth-term-office-with-951-votes-live-2021-05-27/, Zugriff 19.12.2022
■ Savelsberg, Eva: Der Aufstieg der kurdischen PYD im syrischen Bürgerkrieg (2011 bis 2017). In STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/561 8_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf , Zugriff 24.7.2020
■ SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf , Zugriff
22.7.2020
■ Spiegel (29.8.2016): Die Fakten zum Krieg in Syrien, https://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-i n-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=1, Zugriff
18.8.2020
■ SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (30.5.2022): The EU and NATO have to counter Turkey’s accusations regarding Sweden and Finland, https://www.swp-berlin.org/en/publication/the-eu-and -nato-have-to-counter-turkeys-accusations-regarding-sweden-and-finland, Zugriff 19.12.2022
■ SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2018): Die Kurden im Irak und in Syrien nach dem Ende der Territorialherrschaft des „Islamischen Staates“, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents /products/studien/2018S11_srt.pdf, Zugriff 18.8.2020
■ taz - Die Tageszeitung (15.10.2022): Kurdischer Kanton Afrin in Nordsyrien: Eine Bande durch die andere ersetzt, https://taz.de/Kurdischer-Kanton-Afrin-in-Nordsyrien/ !5888260/, Zugriff 19.12.2022
■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2021): United States Commission on International Religious Freedom 2021 Annual Report; USCIRF - Recom- mended for Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/20529 87/Syria+Chapter+AR2021.pdf, Zugriff 10.6.2021
■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071124.html , Zugriff 19.12.2022
■ WP - Washington Post, The (22.7.2020): Syria’s elections have always been fixed. This time, even candidates are complaining., https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/syrias-elections -have-always-been-fixed-this-time-even-candidates-are-complaining/2020/07/22/76e0bb12-cb5 f-11ea-99b0-8426e26d203b_story.html, Zugriff 18.8.2020
Quellen zum Kapitel Wehrdienst in Nordost-Syrien:
■ AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.11.2021): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: November 2021), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe?func=ll&objId=23477210&ob jAction=Open&nexturl=%2FOTCS%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dll%26objId%3D23521818%26obj Action%3Dbrowse%26viewType%3D1, Zugriff 3.3.2022
■ AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/60
38295/22065632/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in
_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=224799 18&vernum=-2, Zugriff 9.12.2022
■ BMLV - Militärexperte des Bundesministeriums für Landesverteidigung (12.10.2022): Antwortschreiben Version 2 (Stand 16.9.2022)
■ COAR - Center for Operational Analysis and Research (7.6.2021): Deadly SDF Crackdown as Conscription Sparks Menbij Unrest, https://coar-global.org/2021/06/07/deadly-sdf-crackdown-a s-conscription-sparks-menbij-unrest/, Zugriff 9.12.2022
■ DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (6.2022): Syria: Military recruitment in Hasakah Governorate, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075255/syria_fmm_rappport_military_recruitment _hasakah_governorate_june2022.pdf , Zugriff 9.12.2022
■ EB - Enab Baladi (12.7.2019): Compulsory military recruitment in Jazira Region: SDF imposing their authority, https://english.enabbaladi.net/archives/2019/07/compulsory-military-recruitment-i n-jazira-region-sdf-imposing-their-authority/#, Zugriff 9.12.2022
■ EASO - European Asylum Support Office (11.2021): Country Guidance: Syria; Common analysis and guidance note, November 2021 https://www.ecoi.net/en/file/local/2064844/Country_Guidanc e_Syria_2021.pdf, Zugriff 9.12.2022
■ HRW - Human Rights Watch (11.10.2019): Turkey/Syria: Civilians at Risk in Syria Operation, https://www.hrw.org/news/2019/10/11/turkey/syria-civilians-risk-syria-operation , Zugriff 9.12.2022
■ NMFA- Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands - Department for Country of Origin Information Reports [Niederlande] (7.2019): Country of Origin Information Report Syria - The security situation, per E-Mail am 27.8.2019
■ ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff
9.12.2022
■ Rechtsexperte der ÖB Damaskus [Österreich] (14.9.2022): Antwortschreiben per e-Mail
■ Savelsberg, Eva [Vorsitzende des Europäischen Zentrum für Kurdische Studien] (3.11.2017): Informationen per E-Mail
■ SNHR - Syrian Network for Human Rights (26.1.2021): The Bleeding Decade -Tenth Annual Report: The Most Notable Human Rights Violations in Syria in 2020, https://sn4hr.org/wp-content/pdf/engli sh/Tenth_Annual_Report_The_Most_Notable_Human_Rights_Violations_in_Syria_in_2020_en. pdf, Zugriff 9.12.2022
■ UNGASC - United Nations General Assembly (20.6.2019): Report of the Secretary-General [A/73/907-S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf , Zugriff 9.12.2022
Quellen zum Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage:
■ AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042795/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3 %BCber_die_LageJn_der_Arabischen_Republik_Syrien_%28Stand_November_2020%29%2C _04.12.2020.pdf, Zugriff 6.12.2022
■ HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Syria, https://www.ecoi.net/de/do kument72066477.html, Zugriff 6.12.2022
■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071124.html , Zugriff 6.12.2022
2.2.2 Die ergänzende Information unter 1.2.2. beruht auf den frei im Internet abrufbaren zitierten Berichten der EUAA (vgl. COI Publications | European Union Agency for Asylum (europa.eu)).
An der Aktualität, Relevanz und Richtigkeit der Informationen hat die erkennende Richterin keinen Zweifel. Anderslautende Stellungnahmen der Parteien wurden zu diesen Informationen nicht eingebracht.
2.3.
2.3.1. Die Feststellung zum Herkunftsort XXXX beruht auf den diesbezüglich gleichlautenden Angaben des BF im Verfahren. Er führte dazu gleichbleibend aus, dass seine Herkunftsregion Al Malikiya ist. Eine Nachschau zur Kontrollsituation im Gebiet rund um Al Malikiya – siehe dazu den Screenshot oben unter 1.3. von der Website Map of Syrian Civil War - Syria news and incidents today - syria.liveuamap.com (abgerufen am 13.03.2023) – zeigt auf, dass das gesamte Gebiet unter der Kontrolle der kurdischen Kräfte steht.
Im Gegensatz zu zB entsprechend markierten Gebieten wie Qamishli und Al Hasakah-Stadt finden sich Eintragungen über eine syrische Präsenz in der Gegend rund um Al Malikiya auf der Website Syria Liveuamap nicht. Auch die relevante Länderinformation oben unter 1.2. zur Frage, inwieweit eine Präsenz der syrischen Regierung auch in Nordostsyrien gegeben ist, um Rekrutierungen zur syrischen Armee durchführen zu können, macht zwar zu Qamishli, Al Hasakah-Stadt, Deir ez Zor, Manbij und Tall Tamr entsprechende Angaben über eine Stationierung von Regierungseinheiten, aber nicht zu Al Malikiya-Stadt oder die darum liegende Gegend. Daher werden die diesbezüglichen Angaben des BF in der Verhandlung, dass sich in seinem Herkunftsort auch die syrische Regierung kontrollierend befinden würde, nicht durch die relevante Länderinformation bestätigt und können daher nicht festgestellt werden.
2.3.2. Die Feststellungen zum Alter des BF und zum Aufenthaltsort seiner Familie in Syrien beruhen auf den nicht weiter strittigen und glaubhaften Angaben des BF im Laufe des Verfahrens.
2.3.3. Der BF gab im Laufe des Verfahrens an, von XXXX seinen allgemeinen verpflichtenden Wehrdienst in Syrien abgeleistet zu haben. Dazu legte er auch bei der belangten Behörde ein Militärbuch vor.
Dass der BF nunmehr als Reservist zum Dienst an der Waffe im syrischen Militär einberufen werden würde, kann bereits deshalb nicht angenommen und daher auch nicht festgestellt werden, da aus den Länderfeststellungen in Bezug auf seinen Herkunftsort XXXX in der Region Al Malikiya, der kurdisch kontrolliert wird, hervorgeht, dass die syrischen Behörden im Allgemeinen keine Rekrutierungen im Selbstverwaltungsgebiet durchführen können. Dass es in XXXX selbst oder in der Stadt Al Malikiya Rekrutierungsbüros des syrischen Militärs geben würde, oder dass dort eine entsprechend organisierte Präsenz des syrischen Militärs oder ein „Sicherheitsdistrikt“ bestehen würden, kam im Verfahren auf Basis der aktuellen Länderinformation dazu nicht hervor. Abschließend dazu wird außerdem auf die Länderinformation darüber verwiesen, dass es Berichtsquellen gibt, die der syrischen Regierung sogar den Willen und/oder die Möglichkeit absprechen, in den eigentlichen „Sicherheitsdistrikten“ in Nordostsyrien zwangsweise zu rekrutieren. Umso weniger kann dann davon ausgegangen werden, dass sie außerhalb dieser Zonen zwangsrekrutieren kann.
Zum mit der Beschwerde vorgelegten „Ladungstelegram“ ist zu sagen, dass dieses leider nur als Foto (per Whats App) und dann als Ausdruck vorgelegt wurde und demnach auf seine Echtheit nicht überprüft werden kann. Warum der BF dieses Schreiben nicht bereits selbst im Zuge seiner Ausreise mitbrachte, sondern sich erst später von seiner Frau als Foto schicken ließ, bleibt wenig nachvollziehbar: bei der Furcht, das Schreiben zu verlieren, hätte es gereicht, selbst oder durch die Gattin ein Foto anzufertigen oder anfertigen zu lassen und dieses notfalls, sollte das Schreiben tatsächlich verloren gehen, immer noch vorlegen zu können. Unklar bleibt weiter, warum in dem Schreiben zwar eine Rekrutierungsstelle in Al Malikiya angegeben ist, über die die Länderinformation keine Auskunft geben kann, im Gegensatz zu zB Qamishli, Deir-ez Zor oder Al Hasakah Stadt, der BF aber in der Verhandlung meinte, er habe den Brief in Qamishli abholen müssen, was auch darauf hindeutet, dass es eine Rekrutierungsstelle in Al Malikiya gar nicht gibt. Im Lichte der Länderinformation über die Kontrolllage in Al Malikiya (Region) und die Rekrutierungsmöglichkeiten der syrischen Armee in Nordostsyrien kann dem Ausdruck eines Fotos eines Ladungstelegrams daher keine nennenswerte Beweiskraft zukommen. Und selbst wenn es eine entsprechende Ladung bzw. einen Einberufungsbefehl betreffend den BF als Reservist zum syrischen Militär geben sollte, wird erneut auf die Kontrollsituation in der Herkunftsregion des BF hingewiesen, wonach eine Habhaftmachung des BF durch das syrische Militär unwahrscheinlich ist.
Ob eine Einreise nach Syrien einen entsprechenden Behördenkontakt voraussetzen würde, ist an dieser Stelle nicht zu prüfen, da es bei der Verneinung einer Verfolgung nach § 3 AsylG 2005 für die Klärung des Sachverhalts im Hinblick auf den Asylstatus auf die Erreichbarkeit der Herkunftsregion nicht ankommt (vgl. VwGH, 03.01.2023, Ra 2022/01/0328 mwN).
Zu einer auf Nachfrage erwähnten Befürchtung, dass auch die Kurdinnen und Kurden den BF „zum Krieg mitnehmen“ könnten, ist zu sagen, dass der BF mit seinen 38 Jahren nicht mehr in die Altersspanne fällt, aus der die Kurdinnen und Kurden ihre Kämpfer:innen rekrutieren: das Alter für den „Wehrdienst“ im Rahmen der Selbstverwaltung ist nunmehr 18 – 24 Jahre. Zwar bleiben auch Kurden nach dem „Wehrdienst“ im Reservedienst, derartige Einberufungen von Reservisten unter den Kurden sind aber nicht bekannt. Schließlich geht aus den relevanten Länderfeststellungen auch hervor, dass die Autonomiebehörden eine Verweigerung des „Wehrdienstes“ nicht als Ausdruck einer bestimmten – gegnerischen – Gesinnung ansehen.
Demnach droht dem BF im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion bzw. an seinen Herkunftsort weder die Gefahr, vom syrischen Militär als Reservist eingezogen zu werden, da die syrische Armee über keine Möglichkeiten der Rekrutierung in den selbstverwalteten Gebieten, in denen sie keine Präsenz haben, verfügen, noch von den Kurdinnen und Kurden zum Kampf gezwungen zu werden, da der BF die nötigen Voraussetzungen dafür nicht mehr erfüllt.
2.3.4. Die weiter in der Verhandlung geäußerten Sorgen betreffend eine Diskriminierung der Kurdinnen und Kurden durch die syrische Regierung waren – in Bezug auf die erzählten Geschehnisse in der Vergangenheit – nicht Auslöser der Ausreise und würden in Bezug auf eine Prognose schon alleine deshalb nicht schlagend werden, weil der BF theoretisch in ein kurdisch kontrolliertes Gebiete zurückkehren würde. Nähere Feststellungen waren daher dazu nicht zu treffen.
2.3.5. In Bezug auf die in der Beschwerde vorgebrachte Befürchtung, aufgrund seiner Herkunft aus einem Gebiet, das nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung stand, von der Regierung als oppositionell wahrgenommen zu werden, sowie zu einer allfälligen Befürchtung aufgrund einer illegalen Ausreise und einer Asylantragstellung im Ausland wird erneut auf die Kontrolllage in der Herkunftsregion bzw. im Herkunftsort des BF verwiesen: da von keinem Kontakt mit der syrischen Regierung ausgegangen wird (siehe dazu auch erneut VwGH, 03.01.2023, Ra 2022/01/0328 mwN), können die möglichen sich daraus ergebenden Gefahren durch die syrische Regierung in Bezug auf den BF nicht angenommen werden.
2.4. Die erkennende Richterin übersieht die Länderinformationen zur Situation in Syrien nicht, wonach es ein Charakteristikum des Bürgerkriegs dort ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird, sowie das ausgeprägte Willkürelement des Konflikts. Die Zuschreibung einer Gegnerschaft basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "(regierungs-)freundlich" oder "(regierungs-)feindlich" gilt. In Bezug auf den BF ergaben sich jedoch im Verfahren keine Hinweise darauf, dass diese allgemeinen Berichte und die darauf fußenden Möglichkeiten einer asylrelevanten Behandlung im gegenständlichen Falle für die konkrete Situation des BF anzunehmen sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Spruchpunkt I.:
3.1. Rechtsgrundlagen
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
3.2.1. Aufgrund der Kontrolllage in der Herkunftsregion des BF in XXXX in der Region Al Malikiya fehlt es gemäß den relevanten Länderberichten der Annahme einer Verfolgungsgefahr durch die syrische Regierung wegen einer dem BF auch nur unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung aufgrund einer möglichen Verweigerung einer Einberufung als Reservist zum Militär, aber auch aufgrund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung in Österreich, an der nötigen Wahrscheinlichkeit.
Ebenso kann keine ausreichend wahrscheinliche Verfolgungsgefahr des BF im Zusammenhang mit einer (Zwangs-) Rekrutierung des BF durch die Kurdinnen und Kurden angenommen werden: zum einen fällt der BF mit seinem Alter bereits nicht mehr in die Gruppe jener Männer, die von den Kurdinnen und Kurden rekrutiert werden, und zum anderen wird eine allfällige Verweigerung einer Einziehung zur „Selbstverteidigung“ von den kurdischen Autonomiebehörden gerade nicht als eine politisch-oppositionelle Haltung aufgefasst.
3.2.2. Die gegenständliche Einschätzung soll keineswegs das Ausmaß an Willkür, Menschenrechtsverletzungen und die Gefahrenpotentiale, der bzw. denen als oppositionell angesehene Personen in Syrien ausgesetzt sein können, banalisieren. In Bezug auf das allgemeine Sicherheitsrisiko wurde dem BF auch zu Recht subsidiärer Schutz gewährt. Dennoch fehlt es in seinen persönlichen Umständen an Hinweisen auf eine individuelle, den BF betreffende maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufgezählt sind, weshalb der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids nicht stattgegeben werden kann.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben unter 3. dargestellte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.
Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
