BVwG W182 2250032-2

BVwGW182 2250032-231.7.2023

AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §5
FPG §88 Abs2a
FPG §90 Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W182.2250032.2.00

 

Spruch:

 

W182 2250032-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2022, Zl. 1285626009/212014601, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBI. I. Nr 33/2013 (VwGVG) idgF, zu Recht erkannt:

 

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. XXXX ist gemäß § 88 Abs. 2a Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, ein Fremdenpass auszustellen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG) idgF, nicht zulässig.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer (infolge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, gehört der kurdischen Volksgruppe an, ist Sunnit, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 26.09.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Sein Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 30.11.2021, Zl. 1285626009/211404690, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde dem BF für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

 

Eine gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.09.2022 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.10.2022, Zl. W168 2250032-1/12E, als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF eine ihn persönlich betreffende asylrelevante Bedrohung seitens kurdischer Parteien oder Gruppen oder seitens des syrischen Regimes nicht glaubhaft darlegen habe können. Als Eventualbegründung wurde zusätzlich darauf hingewiesen, dass sein Herkunftsgebiet nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung steht.

 

2. Mit Schreiben vom 07.11.2022 stellte der BF beim Bundesamt den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte. Als Begründung, warum er keinen (eigenen) Reisepass erlangen könne, hielt der BF in seinem schriftlichen Antrag fest: „Ich bin von der syrischen Regierung bedroht und verfolgt“.

 

Vom rechtsfreundlichen Vertreter des BF wurde für diesen am 23.11.2022 ein als „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ betiteltes Schreiben des Bundeamtes vom 18.11.2022 übernommen. Darin wurde im Wesentlichen mitgeteilt, dass im Asylverfahren festgestellt worden sei, dass der BF die dazu behaupteten Fluchtgründe, nämlich eine asylrelevante Verfolgung durch das syrische Regime aufrund seiner Teilnahme an Demonstrationen bzw. exilpolitischer Aktivitäten, nicht glaubhaft machen habe können. Aufgrund der Entscheidung im Asylverfahren sei ihm daher laut Ansicht der Behörde eine Vorsprache bei der syrischen Botschaft in Wien zumutbar, um die Ausstellung eines syrischen Reisepasses zu erlangen. Zur Beantragung der erstmaligen Ausstellung eines Reisepasses seien nach einem von der Konsularabteilung der syrischen Botschaft übermittelten Dokument ein Personalausweis sowie Passsfotos ausreichend. Zur Vorlage weiterer Beweismittel und der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme wurde eine Frist von 2 Wochen eingeräumt, wovon seitens des BF kein Gebrauch gemacht wurde.

 

3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes vom 20.12.2022 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Absatz 2a Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, abgewiesen. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen wie in der „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ vom 18.11.2022 begründet.

 

4. Gegen den Bescheid wurde binnen offener Frist seitens des BF über seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen auf einen Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz vom 22.11.2022 verwiesen, über den bisher nicht entschieden worden sei, weshalb es dem BF nicht möglich wäre, bei der syrischen Botschaft vorstellig zu werden, da er von der syrischen Regierung verfolgt und bedroht werde. Der BF befürchte, dass bei einer Kontaktaufnahme mit der syrischen Botschaft seine Informationen durch Botschaftsmitarbeiter an ander Personen in Syrien weitegegegben werden könnten und in weiterer Folge seine Familienangehörigen in Syrien dort massiver Verfolgung ausgesetzt sein könnten. Dem BF ist es daher faktisch nicht möglich bzw. in Anbetracht der drohenden Folgen nicht zumutbar, ein Reisedokument bei der syrischen Botschaft zu beantragen, da er sonst sein Leben und die Leben und Gesundheit seiner Familienmitglieder gefährden würde. Zudem könnte im Zusammenhang mit den offenen Asylverfahren der Antrag auf Ausstellung eines Reispasses als Asylauschlussgrund im Sinne einer Unterschutzstellung interpretiert werden.

 

5. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 06.07.2023, an der ein Vertreter des Bundesamtes entschuldigt fernblieb, wurde Beweis aufgenommen durch Befragung des BF in Anwesenheit eines Dolmetsch für die arabische Sprache.

 

Der BF legte als Beweismittel eine von der Direktion eines syrischen Kriminalamtes in Al Hasaka beglaubigte Übersetzung eines als Strafregisterauszug betitelten Schreibens, das seinem Unhalt zufolge am 08.11.2022 von der Direktion eines syrischen Kriminalamtes in Al Hasaka ausgestellt worden sei und eine Verurteilung des BF aus den Jahr 2013 wegen Demonstrationsteilnahmen und Zugehörigkiet zu einer verboteten Partei sowie eine polizeiliche Ausschreibung enthält. Weiters legte er u.a. Fotografien vor, die ihm bei einer Demonstration gegen die syrische Regierung in Österreich zeigen.

 

Dem BF bzw. seiner Rechtsvertretung wurden die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichte überreicht und die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme hiezu binnen einer Woche eingeräumt.

 

6. In einer Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 12.07.2023 wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass für die Reisepassbeantragung der Aufenthaltstsitel des Wohnsitzstaates des Passswerbers vorzuweisen sei, was im Fall des BF eine Karte für subsidiär Schutzberechtigte sei, woraus erkennbar sei, dass der BF in Östereich Asyl beantragt habe, weshalb er sich dadurch in den Augen des Regimes verdächtig mache und als Verräter angesehen werde. Dies hätte zufolge, dass dem BF Asyl zuerkannt werden müsste, wenn ihn die Republik Östereich zum Passerwerb an den syrischen Staat verweise und er dieser Weisung nachkomme, auch wenn er sich die von der Botschaft geforderten, mafiös hohen Summe für die Passausstellung nicht leisten könne, denn dadurch würde er sich jedenfalls die Aufmerksamkeit des syrischen Sicherheistapparates auf sich ziehen. Auch vor dem Hintergrund, dass das Regime mit dem so eingenommene Geldern den Krieg finanziere, erscheine es unzumutbar, den BF auf die „mafiaähnlichen Banden“ in der syrischen Botschaft in Wien zu verweisen, um dort einen Reisepassantrag zu stellen.

 

7. Der BF hat am 22.11.2022 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt und diesen in der Erstbefragung am selben Tag damit begründet, dass er in einer höheren Position bei der XXXX sei, Demonstrationen veranstaltet habe und von seinem Bruder erfahren habe, dass in Syrien ein Verfahren gegen ihn anhängig sei. Er nehme auch in Österreich an Demonstrationen gegen die Regierung teil. Es gebe eine Anklageschrift und habe ihm sein Anwalt die entsprechenden Unterlagen nachgereicht.

 

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person und dem antragsbegründenden Vorbringen des BF:

 

Der BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der kurdischen Volksgruppe an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

 

Er war im Herkunftsland in einem Dorf im Gouvernement Al Hasaka, das unter der Kontrolle kurdischer Kräfte steht, wohnhaft. In Syrien halten sich aktuell seine Frau, vier Kinder, ein Bruder sowie Onkeln und Tanten ms. und vs. auf.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 26.09.2021 wurde hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten rechtskräftig abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht ging im entsprechenden Erkenntnis vom 10.10.2022, Zl. W168 2250032-1/12E, begründet u.a. davon aus, dass der BF im Falle seiner Rückkehr nach Syrien, insbesondere in seine Herkunftsregion im Norden Syriens in der Provinz Hasaka die unter der Kontrolle der kurdischen Autonomieverwaltung steht, keine aktuell unmittelbare aktuelle und ihn persönlich betreffende konkrete Verfolgung oder Bedrohung, insbesondere nicht wegen einer - ihm zumindest unterstellten – oppositionellen politischen Gesinnung, der Angehörigkeit zu einer bestimmten Partei, der Teilnahme an Demonstrationen in Syrien oder auch in Österreich, oder alleine aufgrund seiner illegalen Ausreise bzw. des gegenständlichen Asylantrages seitens der syrischen Regierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat.

 

Dem BF kommt in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu. Die befristete Aufenthaltsbewilligung für subsidiär Schutzberechtigte wurde vom Bundesamt zuletzt bis zum 10.12.2024 verlängert.

 

Das Verfahren über den Folge-Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 22.11.2022 ist derzeit beim Bundesamt anhängig.

 

Der BF hat in Österreich an Demonstrationen gegen die syrische Regierung teilgenommen.

 

Er ist unbescholten.

 

Es ist dem BF nicht zumutbar, zur etwaigen Erlangung eines syrischen Reisedokumentes, die syrische Botschaft in Wien aufzusuchen.

 

Im Übrigen wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang den Feststellungen zugrundegelegt.

 

1.2. Zur Ausstellung von syrischen Reisepässen im Ausland:

 

Welche Voraussetzungen gelten für das Erlangen eines syrischen Reisedokuments über die syrische Botschaftsvertretung in Österreich?

Die syrische Botschaft Wien schreibt zu den Voraussetzungen für das Erlangen eines syrischen Reisedokuments Folgendes:

- Besitz eines syrischen Reisepass (Gültig, Abgelaufen, Alt oder etc..) oder syrische ID Karte, Personalausweis, Geburtsurkunde.

- 2x Passfoto.

Für die Beantragung ist persönliche Erscheinung in der Konsular Abteilung erforderlich und OHNE Termin.

Syrische Botschaft Wien (30.11.2022): Auskunft der Syrischen Botschaft Wien, per E-Mail

Erforderliche Papiere, um einen neuen Reisepass zu erhalten.

- aktuelle farbige Personalfotos für den Pass (4x4 cm groß, weißer Hintergrund, dunkle Kleidung, keine Brille)

- Eine ausgedruckte Papierkopie des Personalausweises oder eine individuelle Personenstandsurkunde

- Die aktuelle Aufenthaltskarte im Auslandsland

Für die erstmalige Beantragung eines Reisepasses: der Personalausweis oder die Ausstellung eines Zivilstandsregisters mit einem daran angebrachten gestempelten und vom syrischen Außenministerium beglaubigten Personenstandsregister, dessen Ausstellungsdatum nicht länger als ein Jahr zurückliegt.

Gebühren:

- Die reguläre Bearbeitungsgebühr beträgt 265 Euro (zu zahlen bei der Antragstellung bei der Botschaft; die Ausstellung dauert etwa drei Wochen)

- Die Bearbeitungsgebühr im Expressverfahren beträgt 705 Euro (zu entrichten bei der Einreichung des Antrages bei der Botschaft; die Ausstellung dauert maximal zwei bis vier Tage)

 

Stellt die syrische Botschaft in Österreich auch Reisedokumente für syrische Staatsangehörige aus, die ihr Land illegal/ohne gültiges Reisedokument verlassen haben?

Die syrische Botschaft Wien schreibt zu der Angelegenheit in einem Mail vom 30.11.2022 Folgendes:

- Ja ohne welche Einschränkungen.

- Für Erstmalige Beantragung ist eine der folgende Dokumente erforderlich: Syrische ID Karte, Personalausweis, oder Geburtsurkunde.

 

Müssen syrische Staatsangehörige mit staatlicher Willkür durch die syrische Botschaft in Österreich rechnen?

Den herangezogenen Quellen ist zu entnehmen, dass es zu Verstößen gegen syrische Bürger kommt, die versuchen, Pässe zu erhalten. Die materiellen Kosten, die das syrische Regime für die Ausstellung oder Erneuerung von Pässen verlangt, gehören zu den höchsten weltweit. Das Sicherheitsproblem, nach dem Passantragsstellern nach einer durchgeführten Hintergrundprüfung durch die staatlichen Sicherheitsbehörden eine Passausstellung verweigert wird, hat sich nach dem Gesetzesdekret Nr. 17 aus dem Jahr 2015 verringert. Das Gesetzesdekret sieht die Ausstellung von Pässen für alle Syrer innerhalb und außerhalb des Landes vor, ohne jegliche Diskriminierung zwischen Regimegegnern und Regimebefürwortern, wobei die gleichen Regeln für diejenigen gelten sollen, die das Land illegal verlassen haben. Dennoch ist ein deutlicher Unterschied festzustellen in der Art und Weise, wie die Konsulate des syrischen Regimes Anträge und andere Angelegenheiten je nach der politischen und rechtlichen Position des jeweiligen Landes, in dem sich die Auslandsvertretung befindet, und dessen Einstellung zum syrischen Regime, behandeln. Es gibt weitere Berichte darüber, dass bspw. die syrische Botschaft in Berlin eng mit dem syrischen Geheimdienst zusammen arbeitet und kontinuierlich bei Anträgen in der Botschaft eine Sicherheitsüberprüfung in Damaskus durchführt. Darüber hinaus hat die syrische Regierung eine Möglichkeit zur Passbeantragung über ein Online-Portal geschaffen, das auch von Österreich aus genutzt werden kann. Das Online-Portal soll Syrern die Möglichkeit bieten, Bestechung und Korruption zu umgehen und unerwünschte oder sogar riskante Kontakte mit Regierungsbeamten einzuschränken Die syrische Regierung hofft außerdem auf steigende Einnahmen, wenn mehr Syrer in der Lage sind, ihre Dokumente ohne Bestechungsgelder und zusätzliche Zahlungen an sogenannte Fixer zu beschaffen.

Das Syrian Human Rights Network (SNHR) hat in einem am 28.1.2019 veröffentlichten Bericht aufgedeckt, dass das syrische Regime die Ausstellung von Pässen als Mittel zur Finanzierung seines Krieges gegen das syrische Volk und zur Demütigung von Dissidenten einsetzt. Der Bericht dokumentiert die Verstöße gegen syrische Bürgerinnen und Bürger, die versuchen, Pässe zu erhalten, und zeigt die im Vergleich zu allen anderen Ländern der Welt exorbitant hohen und unangemessenen finanziellen Kosten dafür auf. Der 10-seitige Bericht stellt fest, dass das syrische Regime bei seinen Bemühungen, den im März 2011 begonnenen Volksaufstand zu unterdrücken und niederzuschlagen, verschiedene syrische Staatsorgane eingesetzt hat. Der Bericht fügt hinzu, dass das Assad-Regime nicht nur die Macht der staatlichen Sicherheits- und Militärapparate genutzt hat, um den eigenen Interessen zu dienen und seine brutale Machtausübung zu zementieren, sondern auch alle staatlichen Institutionen Syriens instrumentalisiert hat, einschließlich der Einwanderungs- und Passbehörde, deren Rolle zusammen mit einer großen Anzahl anderer Institutionen bis zu dem Punkt erweitert wurde, an dem sie eine zentrale Rolle in Sicherheits- und politischen Fragen spielt. Die Korruption der Aufgaben und Praktiken all dieser staatlichen Institutionen im Dienste der Interessen des Assad-Regimes hat dazu geführt, dass diese Einrichtungen faktisch zu einem Netzwerk von Unternehmen der Assad-Familie geworden sind. Dem Bericht zufolge verfolgte das syrische Regime bei der Ausstellung von Pässen eine doppelte Politik: Einerseits mussten alle Antragsteller, ob innerhalb oder außerhalb Syriens, seit Beginn des Volksaufstands bis April 2015 eine Genehmigung von Zweigstellen der Sicherheitsabteilungen des Regimes einholen, was bedeutete, dass allen Teilnehmern am Volksaufstand und allen Regimegegnern außerhalb Syriens die Möglichkeit verwehrt wurde, Pässe zu erhalten. Trotz dieser offiziellen Haltung betrieb das Regime jedoch auch einen inoffiziellen, mafiösen Schwarzmarkt, auf dem diese Bürger gegen hohe Zahlungen von bis zu 5.000 US-Dollar pro Person Pässe erhalten konnten.

Der Bericht fügt hinzu, dass der zweite Zeitraum begann, nachdem das syrische Regime das Gesetzesdekret Nr. 17 aus dem Jahr 2015 erlassen hatte, das die Ausstellung von Pässen für alle Syrer innerhalb und außerhalb des Landes ohne jegliche Diskriminierung zwischen Regimegegnern und Regimebefürwortern erlaubte, wobei die gleichen Regeln für diejenigen galten, die das Land illegal verlassen hatten. Dieses Dekret wurde später durch das Dekret Nr. 18 aus dem Jahr 2017 geändert, mit dem ein Schnellpasssystem eingeführt wurde, das die Konsulargebühr für die sofortige und zügige Ausstellung oder Erneuerung eines Passes oder Reisedokuments für syrische Staatsangehörige und Personen mit gleichwertigem Status, die sich außerhalb der Arabischen Republik Syrien aufhalten, innerhalb von drei Arbeitstagen auf 800 US-Dollar festlegt, während diejenigen, die das normale Warteschlangensystem nutzen, das zwischen 10 und 21 Arbeitstagen dauert, eine Gebühr von 300 US-Dollar zahlen. Dem Bericht zufolge sind diese hohen materiellen Kosten, die das syrische Regime für die Ausstellung oder Erneuerung von Pässen verlangt, exorbitant hoch, ja sogar die höchsten weltweit. In dem Bericht wird ferner erläutert, dass die Gültigkeitsdauer der Pässe von Regimegegnern, die von den Sicherheitsdiensten des Regimes gesucht werden, höchstens zwei Jahre beträgt. Bekanntlich verlangen viele Länder und Fluggesellschaften von ihren Passagieren Pässe, die mindestens sechs Monate vor dem Reisedatum gültig sind; für syrische Dissidenten beträgt die tatsächliche Gültigkeitsdauer des Passes also 18 Monate. Darüber hinaus leben viele Syrer in Städten oder Ländern, in denen es kein syrisches Konsulat gibt, so dass sie gezwungen sind, Reisevorbereitungen zu treffen und für Flüge und Unterkunft zu bezahlen, nur um ihren Pass zu erneuern, und ihnen keine andere Wahl bleibt, als 800 US-Dollar für einen Eilpass zu bezahlen.

Darüber hinaus zeigt der Bericht, dass syrische Bürger bei der Ausstellung von Pässen zusätzlich zu den hohen materiellen Kosten mit weiteren Verstößen konfrontiert sind, da die Sicherheitsdienste des Regimes nach wie vor von allen syrischen Bürgern eine Genehmigung der staatlichen Sicherheitsbehörden verlangen, um Pässe zu erhalten. Jeder Passantragsteller wird einer Hintergrundprüfung unterzogen, bei der sein Name mit den Listen der gesuchten Personen abgeglichen wird, bei denen es sich im Wesentlichen um eine Liste aller Personen handelt, die am Volksaufstand für Demokratie beteiligt waren.

Zusätzlich zur Genehmigung durch die Sicherheitsdienste muss jeder männliche Bürger zwischen 20 und 42 Jahren, der nicht von der staatlichen Wehrpflicht befreit ist, die Genehmigung des Rekrutierungszentrums seiner Militärdivision einholen, was dem Bericht zufolge ein Hindernis für Hunderttausende von Syrern darstellt, die sich geweigert haben, den militärischen Einrichtungen beizutreten, die vom syrischen Regime mobilisiert wurden, um eine Vielzahl von Verbrechen zu begehen, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, einschließlich der Ermordung von Hunderttausenden anderer syrischer Bürger.

SNHR hat auch einen deutlichen Unterschied in der Art und Weise festgestellt, wie die Konsulate des syrischen Regimes Anträge und andere Angelegenheiten je nach der politischen und rechtlichen Position des Landes zum syrischen Regime behandeln. Das syrische Konsulat in Genf, Schweiz, wickelt beispielsweise Angelegenheiten routinemäßig ab, während Syrer im syrischen Konsulat in der türkischen Stadt Istanbul unter einem traurig vorhersehbaren Muster von Demütigung und Erpressung leiden. SNHR hat mehrere Fälle registriert, in denen syrischen Staatsbürgern die Pässe entzogen wurden und ihnen keine alternativen Pässe ausgestellt wurden, oder in denen ihre Pässe beschlagnahmt wurden und ihnen alternative Pässe mit der Begründung verweigert wurden, dass die betreffenden Bürger von den Sicherheitsbehörden in Syrien gesucht würden. Dieses Sicherheitsproblem hat nach dem Erlass des Gesetzesdekrets Nr. 17 deutlich abgenommen; es scheint, dass der Bedarf des syrischen Regimes an US-Dollar-Währung der Hauptgrund für diese Maßnahmen war. SNHR hat auch Fälle registriert, in denen Bürgern keine Quittung oder Dokumentation ausgestellt wurde, um zu beweisen, dass sie für ihre Pässe bezahlt oder sie von Mitarbeitern erhalten haben, was zusätzliche Verstöße über den Katalog anderer in diesem Prozess dokumentierter Verstöße hinaus sind.

Der deutsche Auslandsrundfunksender Deutsche Welle (DW) berichtet am 18.12.2018 Folgendes: […] Die syrische Botschaft in Berlin arbeite eng mit dem syrischen Geheimdienst zusammen, sagt Jens-Martin Rode von "4syrebellion", einer Berliner Gruppe syrischer und nicht-syrischer Aktivisten, die sich für Menschenrechte in Syrien einsetzen. Das habe Konsequenzen: "Bei jedem Vorgang in der Botschaft findet eine Sicherheitsüberprüfung in Damaskus statt." […]

Frage der Staatendokumentation an die Syrische Botschaft Wien: Handelt es sich bei der Internetseite https://ecsc-expat.sy/ um eine offizielle Internetseite zur Passbeantragung? Kann dieser Service von jeder/jedem in Österreich lebenden syrischen Staatsbürger genutzt werden? Entstehen zusätzliche Kosten oder sind zusätzliche Voraussetzungen notwendig, um über die Internetseite einen Reisepass zu beantragen?

Auskunft der Syrischen Botschaft Wien, per E-Mail vom 30.11.2022: Ja, Es handelt sich um offizielle Internetseite von syrische Innenministerium und kann dieser Service von Österreich sowie Weltweit aus genutzt werden und OHNE zusätzliche Kosten.

Das Center for Operational Analysis and Research (COAR), ein internationales Beratungsunternehmen für Politik und Entwicklung, berichtete am 13.12.2021 ebenfalls von der Einführung des „Online-Portals für syrische Auslandsdienste“. Bei dem Portal handle es sich praktisch um ein Online-Konsulat, über das im Ausland lebende Syrer konsularische Dienste in Anspruch nehmen und Dokumente, einschließlich Pässe, beantragen können. Diese neuen Dienstleistungen sollten vor dem Hintergrund der laufenden Anpassung der syrischen Regierung an die neue Realität nach einem Jahrzehnt des Konflikts gesehen werden, in dem die staatlichen Stellen weitgehend als gewinnbringende Instrumente eingesetzt werden. Das "Online-Konsulat" kann Syrern die Möglichkeit bieten, Bestechung und Korruption zu umgehen und unerwünschte oder sogar riskante Kontakte mit Regierungsbeamten einzuschränken, während die Regierung hofft, dass ihre Einnahmen steigen, da mehr Syrer in der Lage sind, ihre Dokumente ohne Bestechungsgelder und zusätzliche Zahlungen an Fixer zu beschaffen. Ohne Reformen der zugrundeliegenden Verwaltungs-, Aufzeichnungs- und Registrierungssysteme werden die Syrer jedoch wahrscheinlich weiterhin Probleme haben, ihre Eigentumsrechte geltend zu machen, benötigte Dokumente zu erwerben und überhaupt Zugang zu staatlichen Dienstleistungen zu erhalten. Die Vereinfachung der konsularischen Dienstleistungen ist für die Millionen von Syrern, die infolge des Krieges aus dem Land geflohen sind, zwar dringend erforderlich, es bleibt jedoch abzuwarten, wie effektiv das neue System sein wird und ob es zu spürbaren Verbesserungen der Zugänglichkeit führt. E-Governance-Systeme sind nur so gut wie die ihnen zugrundeliegenden Aufzeichnungen und Daten, die im Falle Syriens fragmentiert und lückenhaft sind, wenn sie nicht sogar ganz fehlen. Für die Millionen von Syrern, die jetzt außerhalb ihres Landes leben, ist der Zugang zu amtlichen Dokumenten und insbesondere die Erneuerung von Pässen ein teurer und zeitaufwändiger Prozess mit wenig Erfolgsgarantie. Solche Dokumente werden häufig benötigt, um Dienstleistungen in anderen Ländern in Anspruch zu nehmen, Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen zu beantragen und beispielsweise die Geburt von Kindern offiziell zu registrieren. Zusätzlich zu den üblichen (oft exorbitanten) Gebühren für die Beschaffung solcher Dokumente müssen Syrer auch für den Transport zur und von der Botschaft oder dem Konsulat bezahlen (oft für mehrere Termine) und müssen unter Umständen Bestechungsgelder zahlen oder "Fixer" anheuern, um überhaupt einen Termin zu bekommen. Viele zögern auch, syrische Konsulate persönlich aufzusuchen, weil sie Misshandlungen durch feindselige Beamte oder schlimmstenfalls eine Verhaftung befürchten. Nach all dem kommen die Dokumente nur langsam an, wenn sie überhaupt ankommen.

Das "Online-Konsulat" könnte eine Möglichkeit bieten, Probleme mit Bestechung und Korruption zu umgehen und unerwünschte oder sogar riskante Kontakte mit Regierungsbeamten zu vermeiden. Wenn das Portal wie vorgeschlagen funktioniert, können alle Anträge online gestellt und die entsprechenden Unterlagen per Post versandt werden.

 

Wie hoch sind die Kosten für einen über die syrische Botschaft in Österreich ausgestellten Reisepass?

Den herangezogenen Quellen ist zu entnehmen, dass sich die Kosten für die Beantragung eines Reisepasses bei der syrischen Botschaft in Wien auf 265 Euro belaufen. Bei Verlust eines Reisepasses wird darüber hinaus 45 Euro Bearbeitungsgebühr berechnet. Die Kosten für die Beantragung eines Reisepasses im Expressverfahren betragen 705 Euro. Tatsächliche Zahlungen scheinen teilweise jedoch deutlich höher zu sein. Dies führt dazu, dass die syrischen Reisepässe durch die immer weiter willkürlich steigenden Passgebühren mittlerweile zu den teuersten der Welt gehören.

Die syrische Botschaft Wien schreibt zu den Kosten eines über die syrische Botschaft in Österreich ausgestellten Reisepass Folgendes:

- 265 Euro Ohne weitere zusätzliche Kosten.

Für Verlorene Reisepass benötigt man zusätzlich:

- Verlustanzeige, beglaubigt von Österreichische Außenministerium Wien und OHNE Übersetzung.

- Eine der folgende Dokumente: Syrische ID Karte, Personalausweis, oder Geburtsurkunde.

- 45 Euro Bearbeitungsgebühr zusätzlich.

Gebühren:

- Die reguläre Bearbeitungsgebühr beträgt 265 Euro (zu zahlen bei der Antragstellung bei der Botschaft; die Ausstellung dauert etwa drei Wochen)

- Die Bearbeitungsgebühr im Expressverfahren beträgt 705 Euro (zu entrichten bei der Einreichung des Antrages bei der Botschaft; die Ausstellung dauert maximal zwei bis vier Tage) Laut einer Pressemitteilung der deutsch-syrische Solidaritäts- & Menschenrechtsorganisation Adopt a revolution vom 18.10.2022 ist für das Assad-Regime diese Behördenpraxis eine enorme Einkommensquelle: Die syrischen Reisepässe gehören mittlerweile durch die immer weiter willkürlich steigenden Passgebühren zu den teuersten der Welt. Zwar liegen die offiziellen Passgebühren bei etwa 255 beziehungsweise 750 Euro im Expressverfahren, die tatsächlichen Zahlungen scheinen jedoch deutlich höher, wie die deutsch-syrische Solidaritäts- und Menschenrechtsorganisation Adopt a Revolution in einer aktuellen Umfrage nachweisen konnte.

In einer Anfrage einiger Abgeordneter der Fraktion Die Linke an den Deutschen Bundestag vom 20.9.2022 wird folgendes geschildert: […] Betroffene berichteten gegenüber den Fragestellerinnen und Fragestellern von unzumutbaren Bedingungen und insbesondere hohen Kosten für die Ausstellung neuer syrischer Papiere. Die Syrische Botschaft fordere zum Teil rund 400 Euro für einen nur zwei Jahre gültigen Pass. Wegen „Papiermangels" konnten Pässe zudem zeitweise nicht ausgestellt werden oder hätten eine Bearbeitungsdauer von mehreren Monaten. So würden Antragstellerinnen und Antragsteller dazu gedrängt, einen „Express-Pass“ über Syrien direkt für 800 Euro zu beantragen. In der Antwort auf die Schriftliche Frage 27 der Abgeordneten Ulla Jelpke auf Bundestagsdrucksache 19/31438 ging das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hingegen von Kosten für die Erneuerung eines abgelaufenen oder verlorenen Passes zwischen 250 und 295 Euro und von Kosten für einen Express-Pass in Höhe von 660 bis 705 Euro bei der Syrischen Botschaft aus. In Deutschland lebende Syrerinnen und Syrer haben teilweise die Erfahrung gemacht, dass sie für einen neuen Pass eine die offizielle Gebührentabelle überschreitende Summe zahlen mussten, aber lediglich eine Handzettelquittung über eine geringere Summe erhielten.

 

Quelle:

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Reisedokumente für syrische Staatsangehörige, 12.12.2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2088563/SYRI_SM_MLD_Reisedokumente+f%C3%BCr+syrische+Staatsangeh%C3%B6rige_2022_12_12_KE.odt

 

Die syrische Botschaft Wien stellt laut eigener Aussage (keine Bestätigungen über die Nichtausstellung eines Reisepasses aus.

 

Quelle:

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Ausstellung eines syrischen Reisepasses an der syrischen Botschaft Wien, 23.11.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/2082395/SYRI_RF_MLD_Ausstellung_eines_syrischen_Reisepasses_syrische_Botschaft_Wien_2017_11_23_KE.odt

 

Ist es möglich, dass die syrische Botschaft in Wien Angehörigen der Volksgruppe der KurdInnen die Ausstellung eines Reisepasses verweigert?

Den herangezogenen Quellen ist zu entnehmen, dass grundsätzlich jeder syrische Staatsbürger Anspruch auf einen Reisepass hat, sofern er bestimmte Bedingungen erfüllt. Hier muss jedoch zwischen offiziellen Gesetzen und Vorschriften einerseits und der gängigen Praxis andererseits unterschieden werden. So berichten mehrere Quellen, dass Personen, die selbst oder auch deren Familien oder Verwandte mit der Opposition in Verbindung gebracht werden können, die Ausstellung eines Reisepasses verweigert werden kann. Das Vorgehen der syrischen Konsulate soll sich zudem von Land zu Land unterscheiden.

Reporter ohne Grenzen berichtet im Juli 2020 vom Fall eines syrischen Journalisten, der 2016 nach Malaysia geflüchtet ist. Dort wurde er aufgrund seiner Tätigkeiten bedroht und angegriffen. Zudem berichtet der Artikel davon, dass er einen gültigen Reisepass benötigt, um seine Aufenthaltsberechtigung zu erneuern. Die syrische Botschaft verweigert ihm jedoch aufgrund seiner journalistischen Tätigkeiten die Ausstellung eines neuen Reisepasses.

Im jährlich erscheinenden Menschenrechtsbericht des USDOS vom März 2020 heißt es, dass Bürger das Recht haben, international zu reisen, die Regierung jedoch Reisepässe und andere wichtige Dokumente verweigerte, basierend auf den politischen Ansichten des Antragstellers, Verbindungen zu oppositionellen Gruppen oder Verbindungen zu geografischen Gebieten, in denen die Opposition dominiert.

Die niederländische Abteilung für Herkunftslandinformationsberichte schreibt in einem Bericht vom Dezember 2019, dass die diplomatischen Vertretungen Syriens für die Ausstellung syrischer Reisepässe in anderen Ländern zuständig sind.

Der Besitz einer nationalen Identitätsnummer, genannt al-raqm al-watani, oder ein Eintrag im zentralen Passregister allein reichen nicht aus, um einen (neuen) Pass zu erhalten. Der Antragsteller muss eine Reihe von Bedingungen erfüllen, wenn ein Reisepass beantragt wird. Grundsätzlich hat jeder syrische Staatsbürger Anspruch auf einen Reisepass, sofern er die in den folgenden Absätzen beschriebenen Bedingungen erfüllt. Eine Gruppe bildet hier eine Ausnahme, nämlich Personen, die wegen schwerer Verbrechen wie Mord oder Vergewaltigung verurteilt wurden. Für diese Kategorie gilt ein Reiseverbot, was bedeutet, dass diese Personen keinen Reisepass erhalten können. Nach Aussage eines Informanten muss hier zwischen offiziellen Gesetzen und Vorschriften einerseits und der gängigen Praxis andererseits unterschieden werden. Bei jedem Dokumentenantrag, auch bei Passanträgen, veranlasst ein Sicherheitsdienst des Innenministeriums eine Sicherheitsüberprüfung. Ergibt diese Prüfung, dass der Antragsteller oder seine Familie und Verwandten möglicherweise mit der Opposition in Verbindung gebracht werden, kann der betreffenden Person der Pass verweigert werden.

Ein Passantrag im Ausland unterscheidet sich in den folgenden Punkten von einem Antrag in Syrien selbst. Wenn ein Antrag bei einem Konsulat oder einer Botschaft gestellt wird, muss der individuelle Zivilstandsregisterauszug vom syrischen Außenministerium legalisiert werden. Wenn die Person verheiratet ist oder Kinder hat, muss bei der Antragstellung im Ausland zusätzlich eine Geburtsurkunde und ein Familienbüchlein vorgelegt werden.

Das Norwegische ID-Zentrum (NID), ein Forschungs- und Kompetenzzentrum der norwegischen Polizei, gibt an, dass ein Antragsteller außerhalb Syriens auch eine Aufenthaltsgenehmigung für das Land, in dem er sich aufhält, vorlegen muss. Das NID führt als Quelle dieser Information ein Gespräch mit dem syrischen Innenministerium im Jahr 2017 an. Ein Passantrag bei einer syrischen diplomatischen Vertretung, der 10 bis 21 Tage dauert, kostet 300 US-Dollar. Ein Eilantrag bei einer Botschaft oder einem Konsulat, dessen Bearbeitung drei Arbeitstage dauert, kostet 800 US-Dollar. Das syrische Konsulat in Istanbul erhebt Berichten zufolge zusätzlich zu den üblichen Passgebühren eine private Gebühr für die Gewährung eines Termins für die Einreichung eines Passantrags. Dieser Betrag schwankt zwischen 300 und 500 US-Dollar.

Syrian Network for Human Rights (SNHR), eine 2011 gegründete NGO mit Sitz in Großbritannien, die den Konflikt in Syrien beobachtet, schreibt in einem Bericht vom Januar 2019, dass das syrische Regime das Fehlen einer Alternative zu von ihm ausgestellten Reisepässen ausnutzt und versucht Syrer zu erpressen, um größtmögliche finanzielle Reserven anzuhäufen und seine angebliche politische Legitimität zu fördern sowie, um die Bürger größtmöglich zu demütigen und ihre Würde zu verletzen. SNHR hat demzufolge auch bemerkt, dass es einen klaren Unterschied gibt, wie Konsulate des syrischen Regimes mit Anträgen und anderen Angelegenheiten umgehen, entsprechend der politischen und rechtlichen Position des Landes gegenüber Syrien. Zum Beispiel führt das syrische Konsulat in Genf, Schweiz, Transaktionen routinemäßig durch, während Syrer am syrischen Konsulat in Istanbul, Türkei, einem Muster von Demütigungen und Erpressung ausgesetzt sind.

SNHR hat mehrere Fälle dokumentiert, in denen Reisepässe von syrischen Staatsbürgern annulliert oder konfisziert wurden und ihnen die Ausstellung alternativer Pässe verweigert wurde, da die betroffenen Bürger von den Sicherheitsbehörden in Syrien gesucht werden. Dieses sicherheitsbezogene Hindernis hat sich bedeutend verringert nach in Kraft treten von Gesetzesdekret Nr. 17. [Anm.: regelt Konsulargebühren für die Ausstellung und Verlängerung von Reisepässen oder Reisedokumenten von syrischen Staatsangehörigen o.ä. mit Wohnsitz außerhalb der Arabischen Republik Syrien.]

 

Quelle:

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Verweigerung der Passausstellung für Kurden, 21.07.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2034916/SYRI_RF_MLD_Verweigerung+der+Passausstellung+f%C3%BCr+Kurden_2020_07_21_KE.odt

 

Reisepässe der syrischen Regierung für Männer im wehrdienstfähigen Alter (speziell außerhalb Syriens)

Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo erklärt in einem Bericht über syrische Identitätsdokumente vom September 2022 (basierend auf Gesprächen mit Repräsentant·innen der syrischen Direktion für Migration und Reisepässe sowie des syrischen Außenministeriums von 2015 und 2016), dass viele syrische Botschaften im Ausland Pässe ausstellen würden. Botschaften ohne Ausrüstung zur Ausstellung von Pässen könnten Anträge entgegennehmen, die sie nach Damaskus weiterleiten würden. Alle Passanträge müssten von der Direktion für Migration und Reisepässen genehmigt werden. Die Gültigkeitsdauer von Pässen für Männer zwischen 18 und 42 Jahren, die keinen Wehrdienst geleistet hätten, betrage zwei Jahre. Jungen, die das Wehrpflichtalter noch nicht erreicht hätten, könnten Pässe erhalten, die bis zu ihrem 18. Lebensjahr gültig seien. Pässe, die von Botschaften im Ausland oder für Regierungsangestellte ausgestellt werden, seien für zweieinhalb Jahre gültig (Landinfo, 9. September 2022, S. 23).

Ein von ACCORD kontaktierter Syrienexperte hat im Jänner 2023 folgende Informationen per E-Mail als aktuell gültig bestätigt, die er bereits im Mai 2022 mit ACCORD geteilt hatte:

Wehrdienstverweigerern sei es möglich, sich einen Pass direkt beim syrischen Konsulat im Ausland oder über eine/n Verwandte/n innerhalb Syriens ausstellen zu lassen. Die Gültigkeit des Reisepasses betrage entweder 2 oder 2,5 Jahre. Der Antragsteller müsse nachweisen, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland ansässig sei. Videoanrufe in Anwesenheit eines zuständigen Mitarbeiters bzw. einer Mitarbeiterin von der Botschaft seien eine Methode, den Nachweis zu erbringen. Es sei auch Deserteuren möglich, entweder direkt bei einem syrischen Konsulat oder über ihre Verwandten im Land einen Pass zu beantragen. Syrische Kontakte des Experten hätten von solchen Fällen gehört (Syrienexperte, 24. Jänner 2023).

Das Außenministerium der Niederlande zitiert in seinem Syrienbericht vom Juni 2021 eine vertrauliche Quelle. Laut der Quelle könnten Wehrpflichtige mit Wohnsitz außerhalb Syriens einen für zwei Jahre gültigen Reisepass erhalten, auch wenn sie ihren Wehrdienst noch nicht abgeleistet hätten (BZ, Juni 2021, S. 42).

Laut der Webseite des syrischen Außenministeriums sei es notwendig, dass jeder wehrpflichtige Bürger (zwischen 17 und 42 Jahren) ein Dokument des Rekrutierungszentrums vorlege, um einen Reisepass zu erhalten (Syrian Ministry of Foreign Affairs and Expatriates, ohne Datum). Laut dem kontaktierten Syrienexperten gelte diese Richtlinie nur für in Syrien befindliche Wehrpflichtige (Syrienexperte, 20. Mai 2022), jedoch wird dies auf der Webseite des Außenministeriums nicht spezifiziert (Syrian Ministry of Foreign Affairs and Expatriates, ohne Datum).

 

Informationen über die Passantragstellung am syrischen Konsulat in Istanbul

Die Webseite des syrischen Konsulats in Istanbul enthält folgende Informationen über die Antragstellung für einen Reisepass: Erforderliche Dokumente seien der Originalpass mit Einreisestempel in die Türkei oder ein Nachweis über die rechtmäßige Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt in der Türkei, Identitätsnachweis, Wehrdienstbuch, Fotos sowie ein schriftlicher Antrag. Die Konsulargebühr betrage 325 US-Dollar für einen normalen Antrag und 825 US-Dollar für einen Expressantrag. Im Falle eines verlorenen oder beschädigten Reisepasses sei eine Gebühr von 50 US-ollar zu bezahlen. Pässe würden generell mit einer Gültigkeitsdauer von zwei Jahren ausgestellt. Mit einer Genehmigung der Migrations- und Passbehörde sei auch eine Gültigkeit von sechs Jahren möglich (Syrisches Konsulat Istanbul, ohne Datum). Die Webseite enthält keine spezifischen Informationen über die Situation von Antragstellern im wehrdienstfähigen Alter.

Der oben genannte Experte erklärt gegenüber ACCORD, dass alle Syrer·innen, die in der Türkei einen Pass erhalten möchten, sich an das syrische Konsulat in Istanbul wenden müssten. Seit Juni 2022 müssten Antragsteller·innen für einen Termin eine WhatsApp-Nachricht an das Konsulat schicken, die ihren vollständigen Namen, ein Foto eines Dokuments, das ihre Identität nachweise, sowie die Art des gewünschten Antrags enthalte. Es gebe Berichte, dass Syrer·innen auf Vermittler zurückgreifen würden, die Kontakte zu Konsulatsangestellten hätten (Syrienexperte, 20. Jänner 2023).

Al Araby Al Jadeed (The New Arab), ein 2014 in London gegründetes Medienunternehmen, veröffentlicht im September 2021 einen Artikel über Probleme am syrischen Konsulat in Istanbul. Laut einem Antragsteller stelle das syrische Konsulat seit mehreren Monaten keine Pässe aus, weil es keine leeren Pässe zum Bedrucken gebe. Hunderte von Syrer·innen würden vor dem Konsulat Schlange stehen, nur um in Folge ohne Pass nach Hause geschickt zu werden. Syrische Quellen hätten gegenüber Al Araby Al Jadeed bestätigt, dass seit Mitte Juli 2021 keine Pässe ausgestellt würden. Anträge seien drei Monate zuvor eingereicht worden und es habe keine Reaktion gegeben. Die Notwendigkeit Pässe zu erneuern, um ihren Aufenthalt in der Türkei nicht zu gefährden, würde Syrer·innen dazu verleiten, stundenlang vor dem Konsulat zu warten und Bestechungsgelder zu bezahlen (Al-Araby Al-Jadeed, 6. September 2021).

Gleichsam heißt es in einem Artikel der regierungskritischen syrischen Medienorganisation Enab Baladi vom Juni 2022, dass sich dutzende Syrer·innen vor dem syrischen Konsulat in Istanbul versammelt hätten, nachdem ihre regulären Termine abgesagt worden seien. Die türkischen Sicherheitskräfte seien eingeschritten, um die Versammlung aufzulösen. Wenig später habe das Konsulat bekannt gegeben, dass es seine Dienste aufgrund einer technischen Störung einstelle. Der Artikel erklärt weiters, dass Syrer·innen Vermittler in Anspruch nehmen müssten, um einen Termin am Konsulat und einen Pass zu erhalten (Enab Baladi, 24. Juni 2022).

Irfaa Sawtak (Erhebe deine Stimme), eine Medienplattform, die es sich laut eigenen Angaben zum Ziel gesetzt hat, junge Menschen im Nahen Osten zu ermutigen, über Demokratie, Menschenrechte und Extremismus zu diskutieren, zitiert in einem Artikel vom Oktober 2022 einen syrischen Antragsteller, der seit vier Monaten versuche, seinen Pass zu erneuern. Nachdem das Konsulat ihm keinen Termin für eine Passerneuerung gegeben habe, habe er Kontakt mit einem Vermittler aufgenommen, der 1.000 US-Dollar verlangt habe, nur um einen Termin zu buchen. Zusammen mit den 800 US-Dollar für den Pass seien diese Kosten zu hoch gewesen. Er sehe sich gezwungen, einen Vermittler innerhalb Syriens zu suchen, um seinen Pass in Syrien erneuern zu lassen und damit seine Kosten zu senken. Laut dem Artikel sei es seit der Umstellung von Terminbuchung über die Webseite auf Terminbuchung über WhatsApp unmöglich, einen Termin direkt beim Konsulat zu erhalten. Antragsteller·innen seien gezwungen, auf Vermittler zurückzugreifen. Ein von Irfaa Sawtak interviewter Vermittler erklärt, dass in der Vergangenheit die Vermittlergebühren für die Buchung eines Termins zur Ausstellung eines Reisepasses (ohne Berücksichtigung der Kosten für die Ausstellung des Passes) etwa 250 US-Dollar betragen hätten. Zur Zeit des Interviews habe der Preis für die Buchung eines Termins zum Erhalt eines Passes zwischen 800 und 1000 US-Dollar gelegen (Irfaa Sawtak, 18. Oktober 2022).

 

Mögliches Sicherheitsrisiko für syrische Männer im wehrdienstfähigen Alter, im Ausland (insbesondere in der Türkei) einen Reisepass zu beantragen

Der bereits oben genannte Syrienexperte habe von keinen Fällen gehört, in denen syrische Staatsbürger spezifisch gefährdet gewesen seien, weil sie das syrische Konsulat in Istanbul aufgesucht hätten. Es gebe jedoch von Zeit zu Zeit Spannungen zwischen Antragsteller·innen und Sicherheitskräften sowie Mitarbeiter·innen des Konsulats außerhalb des Gebäudes. In einigen Fällen seien die Spannungen zwischen der Menschenmenge vor dem Konsulat und Sicherheitskräften eskaliert, sodass die türkische Polizei habe eingreifen müssen (Syrienexperte, 20. Jänner 2023).

Mültecilerle Dayanışma Derneği, ein türkischer Verein zur Unterstützung von Flüchtlingen, gibt in einer E-Mail-Auskunft an ACCORD vom Jänner 2023 an, dass Syrer·innen in der Türkei von türkischer Seite dazu gezwungen seien, die Botschaft oder das Konsulat im Falle von Veränderungen ihres Familienstandes oder für einen neuen Pass aufzusuchen. Es sei Syrer·innen nicht möglich, einfach einen Termin zu vereinbaren. Sie müssten dafür exorbitante Preise zahlen. Diese Umstände würden nicht notwendigerweise einem Sicherheitsrisiko gleichkommen, jedoch sei zu bedenken, dass die syrischen Behörden durch einen Antrag beim Konsulat wüssten, welche Personen sich in der Türkei aufhalten und sie hätten in Folge Informationen über die Antragsteller·innen sowie deren Familienmitglieder. Laut dem Verein würden syrische Botschaften die Rolle von Geheimdienstzentren übernehmen (Mültecilerle Dayanışma Derneği, 23. Jänner 2023).

Ein türkischer Experte mit Fachwissen zur Situation syrischer Flüchtlinge in der Türkei teilt ACCORD in einem Telefoninterview vom Jänner 2023 mit, dass er noch nicht von Sicherheitsvorfällen innerhalb des syrischen Konsulats in Istanbul gehört habe. Er gibt jedoch zu bedenken, dass nicht genug über die Situation der Antragsteller·innen (bzw. ihrer Familienangehörigen) bekannt sei, sobald sie das Konsulat verlassen hätten. Er erklärt, dass selbst wenn sich während des Besuchs syrischer Staatsbürger·innen im Konsulat kein Vorfall ereignet habe, der Besuch selbst dazu führen könnte, dass der Name der Person hinter verschlossenen Türen gekennzeichnet werde, sobald der Besuch abgeschlossen sei. Der Experte kennt Beispiele, wo Syrer im Konsulat von Konsulatsmitarbeiter·innen belästigt und geschlagen worden seien, weil sie Symbole der syrischen Revolution getragen hätten. Diese Personen hätten zwar das Konsulat wieder verlassen können, es sei jedoch nicht weiterverfolgt worden, ob ihnen später etwas zugestoßen sei. Zusammenfassend ließe sich festhalten, dass zwar keine Beispiele für unmittelbare Sicherheitsvorfälle im Konsulat bekannt seien, dies aber nicht zwangsläufig zu dem Schluss führen könne, dass der Besuch im weiteren Verlauf keine Konsequenzen haben könnte. Es würden zu wenige Informationen über dieses Thema vorliegen (Türkischer Experte, 24. Jänner 2023).

Das US Department of State (USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage in Syrien im Jahr 2021, dass die syrische Regierung es im Ausland lebenden Syrer·innen generell erlaube, ihre Pässe zu erneuern. Viele, die geflohen seien, hätten jedoch Bedenken, sich bei der Regierung zu melden, gegen die sie möglicherweise protestiert hätten, oder würden befürchten, dass die Regierung Repressalien gegen noch im Land befindliche Familienmitglieder richten könnte (USDOS, 12. April 2022, Section 2d).

Die Asylagentur der Europäischen Union (European Union Agency for Asylum, EUAA) interviewte für ihren Syrienbericht zur sozioökonomischen Situation in Damaskus vom August 2022 einen syrischen Akademiker. Laut dem Akademiker würde bei einer Beantragung eines Reisepasses der Name der Antragstellerin / des Antragstellers eine Sicherheitsprüfung durchlaufen (EUAA, August 2022, S. 31).

Amnesty International (AI) berichtet im September 2021 von der Verhaftung von sechs Syrern durch libanesische Sicherheitskräfte vor der syrischen Botschaft in Baabda im Libanon Ende August, nachdem sie Anrufe von der Botschaft erhalten hätten und dazu aufgefordert worden seien, ihre Pässe abzuholen. Den Männern sei vorgeworden worden, illegal ins Land eingereist zu sein. Es sei ihnen nach ihrer Verhaftung nicht erlaubt worden, ihre Anwälte oder Familienmitglieder zu kontaktieren. Laut den Anwälten sei mindestens einer der Männer gefoltert worden. Am 8. September habe der Leiter des Allgemeinen Sicherheitsbüros Libanons bekannt gegeben, dass die sechs Männer doch nicht abgeschoben würden (AI, 8. September 2021).

 

Quelle:

ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Syrien: Reisepässe der syrischen Regierung für Männer im wehrdienstfähigen Alter; mögliches Sicherheitsrisiko für diese Personengruppe, im Ausland (insbesondere in der Türkei) einen Reisepass zu beantragen [a-12067-1], 27. Jänner 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2086147.htm

 

Kurdische Volksgruppe

Im Jahr 2011, kurz vor Beginn des syrischen Bürgerkriegs, lebten zwischen zwei und drei Millionen Kurden in Syrien. Damit stellten sie etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Heute dürfte die absolute Zahl der Kurden im Land aufgrund von Flucht und Vertreibung deutlich niedriger sein. Die Lebensumstände waren für die Kurden in Syrien lange Zeit noch kritischer als in der Türkei und im Iran (SWP 1.2019). Die Behörden schränkten den Gebrauch der kurdischen Sprache in der Öffentlichkeit, in Schulen und am Arbeitsplatz ein, verboten kurdischsprachige Publikationen und kurdische Feste (HRW 26.11.2009). Jegliche Bemühungen der Kurden, sich zu organisieren [Anm.: mit Ausnahme der zeitweisen Förderung der PKK als außenpolitisches Instrument] oder für ihre politischen und kulturellen Rechte einzutreten, wurden unterdrückt. In den Gebieten unter Kontrolle kurdischer Milizen hat sich seither die Lage nach Einschätzung von Human Rights Watch 'dramatisch' verbessert (FH 9.3.2023).

Nach einer Volkszählung im Jahr 1962 wurde rund 120.000 Kurden die syrische Staatsangehörigkeit aberkannt [Anm.: Jesiden waren ebenso betroffen]. Sie und ihre Nachfahren galten den syrischen Behörden seither als geduldete Staatenlose. Die Zahl dieser Ausgebürgerten, die wiederum in registrierte (Ajanib) und unregistrierte (Maktumin) Staatenlose unterteilt wurden, dürfte 2011 bei über 300.000 gelegen haben (SWP 4.1.2019). Im Jahr 2011 verfügte Präsident Assad, dass staatenlose Kurden in Hassakah, die als "Ausländer" registriert waren, die Staatsbürgerschaft beantragen können. Es ist jedoch unklar, wie viele Kurden von dem Dekret profitierten. Laut UNHCR konnten etwa 40.000 dieser Kurden nach wie vor nicht die Staatsbürgerschaft erhalten. Ebenso erstreckte sich der Erlass nicht auf die etwa 160.000 unregistrierten, staatenlosen Kurden (USDOS 20.3.2023). Ajanib erhalten standesamtliche Identitätsdokumente, Maktumin nur in Ausnahmefällen. Maktumin konnten bisher keine Pässe beantragen, ihre Kinder nicht registrieren und einschulen lassen und nicht legal heiraten. Außerdem ist ihnen der Zugang zu Wahlen und staatlichen Arbeitsplätzen verwehrt. Ca. 50.000 Maktumin sollen ihren Rechtsstatus legalisiert haben, und in der Folge dann als Ajanib die syrische Staatsangehörigkeit erhalten haben (AA 29.3.2023). Da die Stellung des Staatsbürgerschaftsantrags auch einen Gesprächstermin bei Staatssicherheitsapparat sowie Wehrdienst bei Erhalt der Staatsbürgerschaft umfasste, sahen viele KurdInnen von dem Antrag ab (MRG 3.2018). Betroffenen, die sich nicht mehr in Syrien aufhalten, ist die Möglichkeit der Erlangung der syrischen Staatsangehörigkeit verwehrt. Weitergehende Urkunden kann dieser Personenkreis nicht erlangen. Die kurdische sog. „Selbstverwaltung“ nimmt hingegen keine rechtliche Unterscheidung zwischen Maktumin und Ajanib vor (AA 29.3.2023).

In der Gesamtbetrachtung stellt sich die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts jedoch trotz Menschenrechtsverletzungen der Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat – PYD) und ihres bewaffneten Arms der Volksverteidigungseinheiten (YPG - Yekîneyên Parastina Gel) als insgesamt weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer und jihadistischer Gruppen befinden (AA 29.3.2023). Die provisorische Verfassung dieser Gebiete erlaubt lokale Wahlen, aber die ultimative Kontrolle wird von der PYD ausgeübt (FH 9.3.2023). Die syrische Regierung erkennt die Legitimität der föderalen kurdischen Gebiete jedoch nicht an. Die fehlende Präsenz der syrischen Regierung in den kurdischen Gebieten in den Anfangsjahren des Konfliktes verschaffte den Kurden aber auch mehr Freiheiten, indem in diesen Gebieten zum Beispiel die kurdische Sprache an Schulen unterrichtet werden kann (MRG 3.2018).

Für die Türkei hat es Priorität, die kurdisch-geprägte Autonomie zu beenden, und die syrische Regierung möchte ihre Autorität wieder bis zur türkischen Grenze ausdehnen (CMEC 20.12.2022).

Lage von Angehörigen der kurdischen Volksgruppe in Gebieten außerhalb der Selbstverwaltungsgebiete

Die KurdInnen sind seit Jahrzehnten staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dazu zählt auch das Vorgehen gegen kurdische AktivistInnen (FH 9.3.2023). Die kurdische Bevölkerung (mit oder ohne syrische Staatsbürgerschaft) sieht sich offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung, Repressionen sowie vom Regime geförderter Gewalt ausgesetzt. Das Regime begrenzt weiterhin den Gebrauch der kurdischen Sprache sowie die Publikation von Büchern und anderen Materialien in Kurdisch ebenso wie Ausdrucksformen kurdischer Kultur. Das Regime, die Pro-Regime-Einheiten wie auch der sogenannte Islamische Staat (IS) und bewaffnete Oppositionsgruppen, wie die von der Türkei unterstützte Syrian National Army (SNA), verhaften, foltern, töten oder misshandeln in sonstiger Weise zahlreiche kurdische AktivistInnen und Einzelpersonen wie auch Mitglieder der Syrian Democratic Forces (SDF) (USDOS 20.3.2023).

Laut UN-Kommission kommt es in den pro-türkischen Gebieten weiterhin zu Entführungen und [Lösegeld-]Erpressungen. So verhaften, schlagen und entführen SNA-Mitglieder weiterhin kurdische Frauen in Afrin und Ra's al-'Ayn. In fünf von 33 Entführungen von Frauen und Mädchen von Jänner bis Oktober 2022 in Afrin sollen türkische Behörden involviert gewesen sein - darunter zwei Vorwürfe bezüglich Anwendung von Folter. In einem Fall soll die Entführte in die Türkei verbracht worden sein, während elf Entführte inzwischen wieder freigelassen wurden (USDOS 20.3.2023).

NGO-Berichten zufolge vermieden es FrauenrechtsaktivistInnen, öffentlich über ihre Arbeit zu sprechen, oder zogen sich aus lokalen Organisationen, die sich für Geschlechtergleichheit einsetzen, zurück, weil sie gezielter Gewalt durch die SNA und religiöse Individuen ausgesetzt waren. Kurdische Aktivistinnen waren besonders davon betroffen, weshalb manche ihr Engagement in der Öffentlichkeit gänzlich einstellten (USDOS 20.3.2023).

Viele kurdische Zivilisten in Gebieten, die bis 2018 zu den Selbstverwaltungsgebieten gehörten und dann unter Kontrolle der SNA gerieten, wurden zwei Mal zum Ziel: Erst waren sie zwangsweise von der YPG eingezogen worden - teilweise noch als Kinder - oder waren sonst mit der Selbstverwaltung verbunden, ohne eine Wahl zu haben. Dann wurden sie von der SNA genau wegen dieser Verbindungen zur Selbstverwaltung verhaftet und gefangen gehalten (USDOS 20.3.2023).

Im Zuge der türkischen Militäroperation „Friedensquelle“ im Nordosten von Syrien Anfang Oktober 2019 kam und kommt es Berichten zufolge zu willkürlichen Tötungen von Kurden durch Kämpfer der – mit den türkischen Truppen verbündeten – Milizen der SNA sowie zu Plünderungen und Vertreibungen von Kurden, Jesiden und Christen (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Laut SNHR waren durch SNA-Gruppen mit Ende Dezember 4.022 Personen unrechtmäßig gefangen oder verschwunden, darunter 365 Kinder und 882 Frauen. Hinzukamen Verhaftungen durch die SNA, welche den gesetzwidrigen Transfer von syrischen StaatsbürgerInnen in die Türkei nach sich zog (USDOS 20.3.2023).

 

Quellen:

 AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2089904/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_29.03.2023.pdf , Zugriff 14.4.2023

 CMEC - Malcolm Kerr Carnegie Middle East Center (20.12.2022): Syria’s Borderline Politics, https://carnegie-mec.org/diwan/88672?utm_source=rssemail&utm_medium=email&mkt_tok=ODEzLVhZVS00MjIAAAGI1HWG6eAkH4ExnSaGdZIIU0Jvm2wy-pFHv5f0A3pXjNjQv9DRMAwX2czKYhR36LpyM-bGEzqOdPdxE3pvfa5oSLlok41noQma06kIxA , Zugriff 29.4.2023

 FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2023 - Syria, https://freedomhouse.org/country/syria/freedom-world/2023 , Zugriff 10.3.2023

 HRW - Human Rights Watch (26.11.2009): Group Denail - Repression of Kurdish Political and Cultural Rights in Syria, https://www.hrw.org/report/2009/11/26/group-denial/repression-kurdish-political-and-cultural-rights-syria , Zugriff 27.4.2023

 MRG - Minority Rights Group International (3.2018): Syria – Kurds, https://minorityrights.org/minorities/kurds-5/ , Zugriff 29.4.2023

 ÖB Damaskus - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (1.10.2021): Asylländerbericht Syrien 2021 (Stand September 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2066258.html , Zugriff 29.4.2023

 SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.1.2019): Kurden unter Druck: Die Folgen des US-Truppenabzugs für den PKK-Ableger in Syrien, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2019A04_sbg_Albrecht.pdf , Zugriff 27.4.2023

 USDOS - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089061.html , Zugriff 14.4.2023

 USDOS - United States Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073954.html , Zugriff 29.4.2023

 

Rückkehr

Gemäß Berichten von Menschenrechtsorganisationen kommt es zu systematischen, politisch motivierten Sicherheitsüberprüfungen von Rückkehrwilligen [Anm.: Siehe weiter unten für weitere Informationen zu Sicherheitsüberprüfungen!], Ablehnung zahlreicher Rückkehrwilliger und gezielten Menschenrechtsverletzungen gegen Rückkehrende sowie Verletzungen von im Rahmen lokaler Rückkehrinitiativen getroffenen Vereinbarungen (Einzug zum Militärdienst, Verhaftung, etc.) (AA 29.11.2021). Einem Bericht von Amnesty International zufolge betrachten die syrischen Behörden Personen, welche das Land verlassen haben, als illoyal gegenüber ihrem Land und als Unterstützer der Opposition und/oder bewaffneter Gruppen (AI 9.2021). Jeder, der geflohen ist und einen Flüchtlingsstatus hat, ist in den Augen des Regimes bereits verdächtig (Üngör 15.12.2021). Offiziell gibt der Staat zwar vor, Syrer zur Rückkehr zu ermutigen, aber insgeheim werden jene, die das Land verlassen haben, als "Verräter" angesehen. Aus Sicht des syrischen Staates ist es besser, wenn diese im Ausland bleiben, damit ihr Land und ihre Häuser umverteilt werden können, um Assads soziale Basis neu aufzubauen. Minderheiten wie Alawiten und Christen, reiche Geschäftsleute und Angehörige der Bourgeoisie sind hingegen für Präsident al-Assad willkommene Rückkehrer. Für arme Menschen aus den Vorstädten von Damaskus oder Aleppo hat der syrische Staat laut einem befragten Syrien-Experten jedoch keine Verwendung (Balanche 13.12.2021). Das Regime will Rückkehrer mit Geld - nicht einfache Leute (Khaddour 24.12.2021).

Immer wieder sind Rückkehrende, insbesondere – aber nicht nur – solche, die als oppositionell oder regimekritisch bekannt sind oder auch nur als solche erachtet werden, erneuter Vertreibung, Sanktionen bzw. Repressionen, bis hin zu einer unmittelbaren Gefährdung für Leib und Leben ausgesetzt. Fehlende Rechtsstaatlichkeit und allgegenwärtige staatliche Willkür führen dazu, dass selbst regimenahe Personen Opfer von Repressionen werden können. Menschenrechtsorganisationen und Rückkehrende berichten von zahlreichen Fällen, in denen Rückkehrende verhaftet, gefoltert, oder eingeschüchtert wurden. Zuletzt dokumentierten Amnesty International (AI) und Human Rights Watch (HRW) unabhängig voneinander in ihren jeweiligen Berichten von September bzw. Oktober 2021 Einzelfälle schwerwiegendster Menschenrechtsverletzungen von Regimekräften gegenüber Rückkehrenden, die sich in verschiedenen Orten in den Regimegebieten, einschließlich der Hauptstadt Damaskus, ereignet haben sollen. Diese Berichte umfassten Fälle von sexualisierter Gewalt, willkürlichen und ungesetzlichen Inhaftierungen, Folter und Misshandlungen bis hin zu Verschwindenlassen und mutmaßlichen Tötungen von Inhaftierten. Die Dokumentation von Einzelfällen – insbesondere auch bei Rückkehrenden – zeigt, dass es trotz positiver Sicherheitsüberprüfung eines Dienstes jederzeit zur Verhaftung durch einen anderen Dienst kommen kann. Willkürliche Verhaftungen gehen primär von Polizei, Geheimdiensten und staatlich organisierten Milizen aus. Jeder Geheimdienst führt eigene Fahndungslisten, es findet keine zuverlässige und für Betroffene verlässliche Abstimmung und Zentralisierung statt (AA 29.11.2021).

Hindernisse für die Rückkehr

Laut einer Erhebung der Syrian Association for Citizen's Dignity (SACD) ist für 58 % aller befragten Flüchtlinge die Abschaffung der Zwangsrekrutierung die wichtigste Bedingung für die Rückkehr in ihre Heimat (AA 4.12.2020). Nach Einschätzung von Human Rights Watch nutze das Regime Schlupflöcher in den Amnestiedekreten aus, um Rückkehrer unmittelbar nach Einreise wieder auf Einberufungslisten zu setzen. Amnesty International dokumentierte Fälle von Rückkehrern, die aufgrund der Wehrpflicht zunächst festgenommen und nach Freilassung unmittelbar in den Militärdienst eingezogen wurden (AA 29.11.2021).

Die katastrophale wirtschaftliche Lage ist ein großes Hindernis für die Rückkehr: Es gibt wenige Jobs, und die Bezahlung ist schlecht (Balanche 13.12.2021). Neben sicherheitsrelevanten und politischen Überlegungen der syrischen Regierung dürfte die Limitierung der Rückkehr auch dem Fehlen der notwendigen Infrastruktur und Unterkünfte geschuldet sein (ÖB 1.10.2021). Mangel an Wohnraum und Sorge um zurückgelassenes Eigentum gehören zu den Faktoren, die syrische Flüchtlinge davon abhalten, nach Syrien zurückzukehren (AA 29.11.2021). Flüchtlinge und Binnenvertriebene sind besonders von Enteignungen betroffen (BS 23.2.2022). Viele Menschen haben ihre Häuser zurückgelassen, die mittlerweile von jemandem besetzt wurden. Sofern es sich dabei nicht um Familienmitglieder handelt, ist die Bereitschaft der Besetzer, das Haus oder Grundstück zurückzugeben, oft nicht vorhanden. Diese können dann die Rückkehrenden beschuldigen, Teil der Opposition zu sein, den Geheimdienst (mukhabarat) auf sie hetzen, und so in Schwierigkeiten bringen (Balanche 13.12.2021).

Auch die lokale Bevölkerung hegt oft Argwohn gegen Personen, die das Land verlassen haben. Es besteht eine große Kluft zwischen Syrern, die geflohen sind, und jenen, die verblieben sind. Erstere werden mit Missbilligung gesehen als Leute, die davon gelaufen sind, während Letztere oft Familienmitglieder im Krieg verloren und unter den Sanktionen gelitten haben (Khaddour 24.12.2021; vgl. Üngör 15.12.2021). Es kann daher zu Denunziationen oder Erpressungen von Rückkehrern kommen, selbst wenn diese eigentlich "sauber" sind, mit dem Ziel, daraus materiellen Gewinn zu schlagen (Üngör 15.12.2021). Ein weiteres soziales Problem sind persönliche Racheakte: Wenn bei Kämpfen zwischen zwei Gruppen jemand getötet wurde, kann es vorkommen, dass jemand, der mit dem Mörder verwandt ist, von der Familie des Ermordeten im Sinne der Vergeltung getötet wird. Dies hindert viele an der Rückkehr in ihren Heimatort (Balanche 13.12.2021).

Neben den fehlenden sozio-ökonomischen Perspektiven und Basisdienstleistungen ist es oft auch die mangelnde individuelle Rechtssicherheit, die einer Rückkehr entgegensteht. Berichte internationaler Organisationen ergeben ein Bild regional unterschiedlicher Bedingungen und Politiken zur Flüchtlingsrückkehr (ÖB 1.10.2021). Die Meinungen zur Haltung der Regimekräfte gegenüber Rückkehrern sind uneinheitlich. Uğur Üngör geht davon aus, dass jeder, der das Land verlassen hat und nach Europa geflohen ist, vom Regime als verdächtig angesehen wird, da es im Verständnis des Regimes keinen Grund gab, zu fliehen. Die Flucht nach Europa und das Beantragen von Asyl können negativ gesehen werden - im Sinne einer Zusammenarbeit mit den europäischen Regierungen oder sogar, dass man von diesen bezahlt wurde. Dies gilt jedoch nicht für Personen, die eine offiziell bestätigte regierungsfreundliche Einstellung haben. Weiters werden Personen, die in die Türkei geflohen sind, als Vertreter von Erdoğans Regierung gesehen. Wer im Ausland negative Äußerungen über das Regime gemacht hat (im Sinne von öffentlichem politischen Aktivismus, aber auch privat auf Social Media), kann bei der Rückkehr speziell vom politischen Geheimdienst überprüft werden. Wenn man Glück hat, sind die Anschuldigungen nicht sehr ernst oder man kann ein Bestechungsgeld zahlen, um freizukommen, andernfalls kann man direkt vor Ort verhaftet werden. Hierbei spielen nicht nur eigene Aktivitäten eine Rolle, sondern auch Aktivitäten von Verwandten und die geografische Herkunft der rückkehrenden Person. Es gibt Berichte, dass Familienmitglieder von Journalisten, die in Europa für oppositionelle Medien schreiben, inhaftiert und tagelang festgehalten und wahrscheinlich gefoltert wurden (Üngör 15.12.2021). Laut dem Syrien-Experten Kheder Khaddour kommt es darauf an, wo im Ausland man sich aufgehalten hat: War man in den Golfstaaten, wird vielleicht davon ausgegangen, dass man geschäftlichen Tätigkeiten nachgegangen ist und nichts mit Politik zu tun hat. Wer in die Türkei gegangen ist, wird als Kollaborateur der Islamisten und Erdoğans gesehen. Wer in Europa war, wird beschuldigt von Europa bezahlt worden zu sein, um gegen das Regime zu sein. Der Libanon ist vielleicht noch am neutralsten, quasi wie ein "erweitertes Syrien", und durch die geografische Nähe stehen Flüchtlingen im Libanon Korruptionsnetzwerke zur Verfügung, auf die man in Europa keinen Zugriff hat (Khaddour 24.12.2021). Bashar al-Assad hat erklärt, dass er jene, die gegen sein Regime sind, als "Krankheitserreger" sieht. Die Rückkehr ist aber nicht nur für Regimegegner, sondern auch für alle, deren politischer Position sich das Regime nicht sicher ist, problematisch. Die Behandlung eines Rückkehrers durch die Behörden hängt laut dem syrischen Journalisten und Menschenrechtsaktivisten Mohamad Rasheed allein davon ab, ob die Person für oder gegen das Regime ist. Wer regierungstreu ist, kann auf legalem und gewöhnlichem Weg ein- und ausreisen. Die Unvorhersehbarkeit und Willkür sind große Hindernisse für die Rückkehr nach Syrien. Man kann jederzeit verhaftet und verhört werden und niemand weiß, ob man leben, getötet oder verschwinden gelassen wird. Der Staatsapparat ist durchzogen von Mafias, und im ganzen Land gibt es Milizen, die die Bevölkerung tyrannisieren (Rasheed 28.12.2021). Laut dem Nahost-Experten Fabrice Balanche kann man, wenn man Teil der Opposition war oder sogar gekämpft hat, nicht zurückkommen, selbst wenn es laut offiziellem Narrativ des Präsidenten eine Amnestie gibt. Dasselbe gilt auch für politische Flüchtlinge. Auch besteht immer die Gefahr, vom Geheimdienst verhaftet zu werden, zum Teil, um Geld zu erpressen. Man wird für ein paar Wochen inhaftiert, weil man vom Ausland zurückkommt und davon ausgegangen wird, dass man Geld hat. Die Familie muss dann ein Lösegeld von ein paar Tausend Dollar bezahlen, oder die Person bleibt weitere zwei Wochen im Gefängnis (Balanche 13.12.2021). Laut Khaddour sind Entführungen, um Geld zu erpressen, nur individuelle Akte (Khaddour 24.12.2021).

Ein relevanter Faktor im Zusammenhang mit der Schaffung von physischer Sicherheit ist auch die Entminung von rückeroberten Gebieten, insbesondere solchen, die vom IS gehalten wurden (z.B. Rakka, Deir Ez-Zor). Laut UNMAS (United Nations Mine Action Service) sind weder Ausmaß noch flächenmäßige Ausdehnung der Kontaminierung von Syrien mit explosiven Materialien bisher in vollem Umfang bekannt. Es wird geschätzt, dass mehr als zehn Mio. Menschen also rund 50 % der Bevölkerung dem Risiko ausgesetzt sind, in ihrem Alltag mit explosiven Materialien in Kontakt zu kommen. Ein Drittel der Opfer von Explosionen sind gestorben. Zwei Drittel der Überlebenden sind lebenslang eingeschränkt. 39 % der Unfälle ereigneten sich in Wohngebieten, 34 % auf landwirtschaftlichen Flächen, 10 % auf Straßen oder am Straßenrand. 26 % der Opfer seit 2019 waren Binnenvertriebene IDPs (ÖB 1.10.2021).

Die Frage einer möglichen Gefährdung des Individuums lässt sich weder auf etwaige Sicherheitsrisiken durch Kampfhandlungen und Terrorismus als Indikator beschränken, noch ist ganz grundsätzlich eine Eingrenzung auf einzelne Landesteile möglich. Entscheidend für die Sicherheit von Rückkehrenden bleibt vielmehr die Frage, wie der oder die Rückkehrende von den im jeweiligen Gebiet präsenten Akteuren wahrgenommen wird. Belastbare Aussagen oder Prognosen zu Rückkehrfragen können nach geografischen Kriterien daher weiterhin nicht getroffen werden. Eine sichere Rückkehr Geflüchteter kann nach Einschätzung des Auswärtigen Amts insofern für keine bestimmte Region Syriens und für keine Personengruppe grundsätzlich gewährleistet und überprüft werden (AA 29.11.2021). UNHCR ruft weiterhin die Staaten dazu auf, keine zwangsweise Rückkehr von syrischen Staatsbürgern sowie ehemals gewöhnlich dort wohnenden Personen - einschließlich früher in Syrien ansässiger Palästinenser - in irgendeinen Teil Syrien zu veranlassen, egal wer das betreffende Gebiet in Syrien beherrscht (UNHCR 6.2022).

Inhaftierung, Folter, Vergewaltigung und Verschwindenlassen von Rückkehrern

Es besteht nach wie vor kein freier und ungehinderter Zugang UNHCRs und anderer Menschenrechtsorganisationen zu Rückkehrenden in Syrien, sodass eine Nachverfolgung und Überwachung des Rückkehrprozesses sowie des Schicksals der Rückkehrenden nicht möglich ist (AA 29.11.2021; vgl. DIS 5.2022). Aufgrund der fehlenden Überwachung durch internationale Organisationen bei der Rückkehr ist es unklar, wie systematisch und weit verbreitet Übergriffe gegen Rückkehrer sind. Es gibt kein klares Gesamtmuster bei der Behandlung von Rückkehrern, auch wenn einige Tendenzen zu beobachten sind. Die Tatsache, dass der zuständige Beamte am Grenzübergang oder in der örtlichen Sicherheitsdienststelle die Befugnis hat, seine eigene Entscheidung über den einzelnen Rückkehrer zu treffen, trägt zur Abwesenheit eines klaren Musters bei (DIS 5.2022).

Es ist schwierig, Informationen über die Situation von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude der Rückkehrer (TN 10.12.2018), pro-oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von Rückkehrern (TN 10.12.2018; vgl. TWP 2.6.2019, FP 6.2.2019). Zudem wollen viele Flüchtlinge aus Angst vor Repressionen durch die Regierung nach ihrer Rückkehr nach Syrien nicht mehr mit Journalisten (TN 10.12.2018) oder auch nur mit Angehörigen sprechen (SD 16.1.2019; vgl. TN 10.12.2018). Die syrische Regierung und ihr Sicherheitsapparat haben immer wieder Personen verfolgt, die sich abweichend oder oppositionell geäußert haben, unter anderem durch willkürliche Inhaftierung, Folter und Schikanen gegen Kritiker und ihre Angehörigen. Trotz Amnestien und gegenteiliger Erklärungen hat die syrische Regierung bisher keine Änderung ihres Verhaltens erkennen lassen. Selbst dort, wo Einzelpersonen von der Regierung Sicherheitsgarantien erhalten haben, kam es zu Übergriffen. Jeder, der aus dem Land geflohen ist oder sich gegen die Regierung geäußert hat, läuft Gefahr, als illoyal angesehen zu werden, was dazu führen kann, dass er verdächtigt, bestraft oder willkürlich inhaftiert wird (COAR/HRW/HBS/JUSOOR 19.4.2021).

Die syrische Regierung führt Listen mit Personen, die ihrer Meinung nach auf die eine oder andere Weise oppositionell sind. Alles in allem kann eine Person, die von der Regierung gesucht wird, aus einer Vielzahl von Gründen oder völlig willkürlich gesucht werden. So kann die Behandlung einer Person an einem Checkpoint von verschiedenen Faktoren abhängen, darunter der Willkür des Kontrollpersonals oder praktischen Problemen wie eine Namensähnlichkeit mit einer gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, müssen mit verschiedenen Konsequenzen seitens der Regierung rechnen, z.B. mit Verhaftung und im Zuge dessen auch mit Folter. Einigen Quellen zufolge gehört medizinisches Personal zu den Personen, die als oppositionell oder regierungsfeindlich gelten, insbesondere wenn es in einem von der Regierung belagerten Oppositionsgebiet gearbeitet hat. Dies gilt auch für Aktivisten und Journalisten, die die Regierung offen kritisiert oder Informationen oder Fotos von Ereignissen wie Angriffen der Regierung verbreitet haben, sowie generell für Personen, die die Regierung offen kritisieren. Einer Quelle zufolge kann es vorkommen, dass die Regierung eine Person wegen eines als geringfügig eingestuften Vergehens nicht sofort verhaftet, sondern erst nach einer gewissen Zeit (FIS 14.12.2018). Jeder Nachrichtendienst führt seine eigenen Fahndungslisten und es gibt keine Koordination oder Zentralisierung. Daher kann es trotz einer positiven Sicherheitsüberprüfung durch einen Dienst jederzeit zu einer Verhaftung durch einen anderen kommen (AA 4.12.2020; vgl. EASO 6.2021). Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Kontrollpunkt beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. Wenn eine Person an einem Ort lebt oder aus einem Ort kommt, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, kann dies das Misstrauen des Kontrollpersonals wecken (FIS 14.12.2018). Nach Angaben der Regierungskonferenz ist das Konzept des Regimes, wer ein Oppositioneller ist, nicht immer klar oder kann sich im Laufe der Zeit ändern; es gibt keine Gewissheit darüber, wer vor Verhaftungen sicher ist. In Gesprächen mit der NGO International Crisis Group (ICG) berichteten viele Flüchtlinge, dass der Verzicht auf regimefeindliche Aktivitäten keine sichere Rückkehr garantiert (ICG 13.2.2020).

Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegen Personen, die nach Syrien zurückgekehrt sind (IT 17.3.2018). Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört, darunter Flüchtlinge, die aus dem Ausland nach Syrien zurückgekehrt sind, Binnenvertriebene aus von der Opposition kontrollierten Gebieten und Personen, die in von der Regierung zurückeroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung unterzeichnet haben. Sie wurden gezwungen, Aussagen über Familienmitglieder zu machen, und in einigen Fällen wurden sie gefoltert (TWP 2.6.2019; vgl. EIP 6.2019). Neben der allgemein instabilen Sicherheitslage bleibt die mangelnde persönliche Sicherheit in Verbindung mit der Angst vor staatlicher Repression das wichtigste Hindernis für die Rückkehr (AA 19.5.2020; vgl. SACD 21.7.2020, ICG 13.2.2020). Amnesty International hat in seinem Bericht aus dem Jahr 2021 Informationen über 66 Personen vorgelegt, die bei ihrer Rückkehr aus dem Ausland Opfer von Verstößen wurden. Unter ihnen wurden 59 Fälle von unrechtmäßiger oder willkürlicher Inhaftierung von Männern, Frauen und Kindern dokumentiert. Unter den Inhaftierten befanden sich zwei schwangere Frauen und zehn Kinder im Alter zwischen drei Wochen und 16 Jahren, von denen sieben vier Jahre alt oder jünger waren. Außerdem wurden 27 Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen dokumentiert, darunter vier Kinder, die mindestens eine Woche und bis zu vier Jahre lang festgehalten wurden, wobei 17 Fälle noch andauerten. Die Sicherheitsbeamten verhafteten die Rückkehrer zumeist unter dem pauschalen Vorwurf des "Terrorismus", da sie häufig davon ausgingen, dass einer ihrer Verwandten der politischen oder bewaffneten Opposition angehörte, oder weil die Rückkehrer aus einem Gebiet kamen, das zuvor von der Opposition kontrolliert wurde. Darüber hinaus wurden 14 Fälle gemeldet, in denen Sicherheitsbeamte sexuelle Gewalt gegen Kinder, Frauen und männliche Rückkehrer ausübten, darunter Vergewaltigungen an fünf Frauen, einem 13-jährigen Buben und einem fünfjährigen Mädchen. Die sexuelle Gewalt fand an Grenzübergängen oder in Haftanstalten während der Befragung am Tag der Rückkehr oder kurz danach statt. Berichten zufolge setzten Geheimdienstmitarbeiter 33 Rückkehrer, darunter Männer, Frauen und fünf Kinder, während ihrer Inhaftierung und Verhöre in Geheimdiensteinrichtungen Praktiken aus, die Folter oder anderen Misshandlungen gleichkommen (AI 9.2021).

Trotz der Behauptung, Damaskus und seine Vororte seien sicher, um dorthin zurückzukehren, fand ein Drittel der im Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2021 dokumentierten Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Damaskus selbst oder in der Umgebung von Damaskus statt, was darauf hindeutet, dass selbst dann, wenn die willkürliche Gewalt auf einem niedrigen Niveau liegt und/oder die Regierung ein bestimmtes Gebiet unter Kontrolle hat, die Risiken bestehen bleiben (AI 9.2021).

Rückkehr an den Herkunftsort

Wenn eine Person in ihre Heimat zurückkehren möchte, können viele Faktoren die Möglichkeit dazu beeinflussen. Ethnisch-konfessionelle, wirtschaftliche und politische Aspekte spielen ebenso eine Rolle wie Fragen des Wiederaufbaus und die Haltung der Regierung gegenüber den der Opposition nahestehenden Gemeinschaften. Für Personen aus bestimmten Gebieten Syriens lässt die Regierung derzeit keinen Wohnsitzwechsel zu. Wenn es darum geht, wer in seine Heimatstadt zurückkehren darf, können laut einem Experten ethnische und religiöse, aber auch praktische Motive eine Rolle spielen (FIS 14.12.2018). Die Sicherheit von Rückkehrern wird nicht in erster Linie von der Region bestimmt, in die sie zurückkehren, sondern davon, wie die Rückkehrer von den Akteuren, die die jeweiligen Regionen kontrollieren, wahrgenommen werden (AA 4.12.2020).

Syrer, die nach Syrien zurückkehren, können sich nicht einfach an einem beliebigen Ort unter staatlicher Kontrolle niederlassen. Die Einrichtung eines Wohnsitzes ist nur mit Genehmigung der Behörden möglich (ÖB 21.8.2019). Einem Syrien-Experten zufolge dient eine von einer syrischen Botschaft oder einem Konsulat erteilte Sicherheitsgenehmigung lediglich dazu, dem Inhaber die Einreise nach Syrien zu ermöglichen. Sie garantiert dem Rückkehrer nicht, dass er seinen Herkunftsort in den von der Regierung kontrollierten Gebieten auch tatsächlich erreichen kann. Die Rückkehr an den Herkunftsort innerhalb der von der Regierung kontrollierten Gebiete erfordert einen anderen Weg, der von lokalen Machthabern wie den Gemeindebehörden oder den die Regierung unterstützenden Milizen gesteuert wird. Die Verfahren, um eine Genehmigung für die Einreise in den Herkunftsort zu erhalten, variieren von Ort zu Ort und von Akteur zu Akteur. Da sich die lokale Machtdynamik im Laufe der Zeit verschiebt, sind auch die unterschiedlichen Verfahren Veränderungen unterworfen (EASO 6.2021). Auch über Damaskus wurde berichtet, dass Syrer aus anderen Gebieten sich dort nicht niederlassen dürfen. Demnach ist die Ansiedlung - in allen Gebieten unter staatlicher Kontrolle - von der Genehmigung der Sicherheitsbehörden abhängig (ÖB 29.9.2020). Auch Jahre nach der Rückeroberung von Homs durch die Regierung benötigen die Bewohner immer noch eine Sicherheitsgenehmigung für die Rückkehr und den Wiederaufbau ihrer Häuser (TE 28.6.2018; vgl. CMEC 15.5.2020).

Übereinstimmenden Berichten der Vereinten Nationen und von Menschenrechtsorganisationen (UNHCR, Human Rights Watch, Enab Baladi, The Syria Report) sowie Betroffenen zufolge finden Verstöße gegen Wohn,- Land- und Eigentumsrechte (Housing, Land and Property – HLP) seitens des Regimes fortgesetzt statt. Die Rechte der Zivilbevölkerung auf Zugang und Nutzung ihres Eigentums werden durch Konfiszierung, Enteignung, Zerstörung oder Zwangsverkauf, zum Teil mit gefälschten Dokumenten, verletzt. Seit 2011 wurden mehr als 50 neue Gesetze und Verordnungen zur Stadtplanung und -entwicklung erlassen, die die Regelung der Eigentumsrechte und der Besitzverhältnisse vor Konfliktbeginn infrage stellen. Die Sicherheitsbehörden bzw. regimetreue Milizen verweigern den Vertriebenen, oft als regimekritisch oder oppositionsnah angesehenen Bevölkerung, die Rückkehr an ihre Ursprungsorte (AA 29.11.2021). Einige ehemals von der Opposition kontrollierte Gebiete sind für alle, die in ihre ursprünglichen Häuser zurückkehren wollen, praktisch abgeriegelt. In anderen versucht das Regime, die Rückkehr der ursprünglichen Bevölkerung einzuschränken, um eine Wiederherstellung des sozialen Umfelds, das den Aufstand unterstützt hat, zu vermeiden. Einige nominell vom Regime kontrollierte Gebiete wie Dara'a, die Stadt Deir ez-Zour und Teile von Aleppo und Homs konfrontieren für Rückkehrer mit schweren Zerstörungen, der Herrschaft regimetreuer Milizen, Sicherheitsproblemen wie ISIS-Angriffen oder einer Kombination aus allen drei Faktoren (ICG 13.2.2020). Eine Reihe von Stadtvierteln in Damaskus sind nach wie vor teilweise oder vollständig gesperrt, selbst für Zivilisten, die kurz nach ihren ehemaligen Häusern sehen wollen (SD 19.11.2018). So durften die Bewohner des palästinensischen Camps Yarmouk in Damaskus auch nach der Wiedererlangung der Kontrolle durch das Regime weitgehend nicht zurückkehren (EB 8.7.2020; vgl. AI 9.2021). Vor zwei Jahren haben die syrischen Behörden begonnen, ehemaligen Bewohnern die Rückkehr nach Yarmouk zu erlauben, wenn diese den Besitz eines Hauses nachweisen können und eine Sicherheitsfreigabe besteht. Bislang sollen allerdings nur wenige zurückgekommen sein. UNRWA dokumentierte bis Juni 2022 die Rückkehr von rund 4.000 Personen, weitere 8.000 haben im Laufe des Sommers eine Rückkehrerlaubnis bekommen (zur Einordnung: Vor 2011 lebten rund 1.2 Millionen Menschen in Yarmouk, davon 160.000 Palästinenser) (TOI 17.11.2022). Nach Angaben von Aktivisten durften bisher nur wenige Familien mit Verbindungen zu regierungsnahen Milizen und ältere Bewohner zurückkehren (MEI 6.5.2020). Viele kehren aus Angst vor Verhaftungen und Zwangsrekrutierungen nicht zurück, oder, da sie keine Häuser mehr haben, in die sie zurückkehren könnten. Die Rückkehrer kämpfen laut UNRWA mit einem "Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, begrenzten Transportmöglichkeiten und einer weitgehend zerstörten öffentlichen Infrastruktur" (TOI 17.11.2022).

Es hat sich gezeigt, dass Flüchtlinge seltener in Bezirke zurückkehren, die in der Vergangenheit von intensiven Konflikten geprägt waren. Das geringe Angebot an Bildungs-, Gesundheits- und Grundversorgungsleistungen in Syrien wirken abschreckend auf potenzielle Rückkehrer. Eine geringere Lebensqualität im Exil erhöht nicht immer die Rückkehrbereitschaft (WB 2020). Es ist wichtig, dass die Rückkehrer an ihren Herkunftsort zurückkehren, weil sie dann Zugang zu einem sozialen Netzwerk und/oder ihrem Stamm haben. Diejenigen, die aus dem Ausland in ein Gebiet ziehen, aus dem sie nicht stammen, verfügen nicht über ein solches Sicherheitsnetz (MOFANL 7.2019). So berichtet UNHCR von einer "sehr begrenzten" und "abnehmenden" Zahl an Rückkehrern über die Jahre. Im 1. Quartal 2022 kehrten demnach insgesamt 22.052 Personen an ihre Herkunftsorte zurück und davon handelte es sich bei 94% um Rückkehrer innerhalb Syriens (UNHCR 6.2022).

Bedingungen der Rückkehr

Die Bedingungen, unter denen die Flüchtlinge zurückkehren, und die Mechanismen dieses Prozesses sind nur unzureichend bekannt - auch bei den Flüchtlingen selbst. Da Präsident al-Assad die Kontrolle über immer größere Gebiete festigt, sind immer weniger Informationen verfügbar (EIP 6.2019). Die Behandlung von Menschen, die nach Syrien einreisen, hängt stark vom Einzelfall ab, und es gibt keine zuverlässigen Informationen über den Kenntnisstand der syrischen Behörden über einzelne Rückkehrer (ÖB 29.9.2020).

Administrative Verfahren der syrischen Behörden für Rückkehrer

Die syrische Regierung bietet administrative Verfahren an, die Rückkehrwillige aus dem Ausland oder aus von der Opposition kontrollierten Gebieten vor der Rückkehr in durch die Regierung kontrollierte Gebiete durchlaufen müssen, um Probleme mit der Regierung zu vermeiden. Im Rahmen dieser Verfahren führen die syrischen Behörden auf die eine oder andere Weise eine Überprüfung der Rückkehrer durch. Während des als "Sicherheitsüberprüfung" (arabisch muwafaka amniya) bezeichneten Verfahrens wird der Antragsteller mit Fahndungslisten verglichen. Beim sogenannten "Statusregelungsverfahren" (arabisch: taswiyat wade) beantragt ein Antragsteller, wie es in einigen Quellen heißt, "Versöhnung", sodass sein Name von den Fahndungslisten der syrischen Behörden gestrichen wird (DIS 5.2022).

Sicherheitsüberprüfungen vor der Rückkehr sowie inoffizielle Schutzversprechen

Es gibt widersprüchliche Informationen darüber, ob sich Personen, die nach Syrien zurückkehren wollen, einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen müssen oder nicht [Anm.: Siehe weiter unten für Informationen über verschiedene Behördengänge in Syrien, welche eine Sicherheitsfreigabe erfordern!] (AA 19.5.2020). Gemäß einem Rechtsexperten der ÖB Damaskus hat prinzipiell jeder syrische Staatsbürger das Recht, sich auf dem syrischen Staatsgebiet zu bewegen sowie es zu verlassen und darf gemäß Artikel 38 der syrischen Verfassung von 2012 nicht an der Rückkehr gehindert werden. Daraus folgt, dass von syrischen Staatsbürgern vor ihrer Rückkehr keine Sicherheitsfreigabe verlangt wird, oder sie um eine solche ansuchen müssen. Der Konflikt hat die Sicherheitsfreigabe jedoch ins Zentrum gerückt. Viele syrische Staatsbürger haben die Rückkehr nach Syrien erwägt, fürchten allerdings, von den syrischen Behörden verhaftet zu werden. Darüber hinaus haben die Vereinten Nationen und die EU die Rückkehr von syrischen Flüchtlingen nur unterstützt, wenn dies freiwillig geschieht und Syrien als sicher gelten kann. Darauf basierend, und da die syrische Regierung auch bestrebt war, zu zeigen, dass Syrien sicher ist und für die Rückkehr von Flüchtlingen offen steht, damit diese am Wiederaufbau des Landes teilnehmen, hat die syrische Regierung zur Erleichterung der Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien zugestimmt, in manchen Fällen bekannt zu geben, ob jemand gemäß ihrer Aufzeichnungen in Syrien gesucht wird. Dies ist bei der freiwilligen Rückkehr von Gruppen von Syrern aus dem Libanon der Fall, erleichtert durch die Kooperation des "General Security Office (GSO)" [Libanesischer Nachrichtendienst, der auch für die Überwachung von ausländischen Staatsbürgern im Libanon zuständig ist.] im Libanon mit den syrischen Behörden. D.h., bei der Teilnahme an einer GSO-unterstützten Rückkehr führt das GSO akkordiert mit den syrischen Behörden eine Sicherheitsüberprüfung durch und leitet die persönlichen Daten der Rückkehrer an die syrischen Behörden weiter. Letztere informieren das GSO dann darüber, welche Personen eine Sicherheitsfreigabe erhalten haben. Eine ähnliche Vorgehensweise wurde auch bei individuellen Rückkehrern aus Jordanien vermerkt: Rückkehrer müssen hierzu bei der syrischen Botschaft in Amman um eine Sicherheitsfreigabe ansuchen. Laut einer in Syrien tätigen Menschenrechtsorganisation überprüfen die syrischen Behörden bei der Sicherheitsüberprüfung Informationen über den Antragsteller, Familienmitglieder und eventuell auch seine erweiterte Familie. Das syrische Außenministerium ermöglichte im Rahmen des letzten Amnestiegesetzes (Gesetzesdekret Nr. 7/2022 vom 30.4.2022), welches alle von syrischen Staatsbürgern vor dem 30.4.2022 verübten terroristischen Verbrechen ohne Todesopfer miteinschließt, dass syrische Staatsbürger im Ausland durch die diplomatischen Vertretungen überprüft werden, ob sie unter das Amnestiegesetz fallen. Die betroffenen Personen müssen bei der syrischen Botschaft ihres Wohnorts erscheinen und einen gesonderten Antrag ausfüllen. Die syrische Botschaft leitet den Antrag dann an das Außenministerium weiter, das eine Liste mit den persönlichen Daten der Antragsteller vorbereitet und sie an das syrische Innenministerium weiterleitet. Letzteres gleicht die Namen auf der Liste mit einer zentralen Datenbank ab, um zu überprüfen, ob eine Person Verbindungen zu "terroristischen" Gruppierungen hat (Rechtsexperte 27.9.2022).

Nach Angaben des deutschen Auswärtigen Amtes müssen sich syrische Flüchtlinge, unabhängig von ihrer politischen Orientierung, vor ihrer Rückkehr weiterhin einer Sicherheitsüberprüfung durch die syrischen Sicherheitsbehörden unterziehen (AA 19.5.2020). Laut Mohamad Rasheed braucht jeder, der nach Syrien zurückkehren will, eine Sicherheitsüberprüfung, selbst Eltern von Personen, die für das syrische Regime arbeiten (Rasheed 28.12.2021). Die Kriterien und Anforderungen für ein positives Ergebnis sind nicht bekannt (AA 19.5.2020). Auch nach Angaben der ICG stellt die Sicherheitsüberprüfung durch den zentralen Geheimdienst in Damaskus (oder die Verweigerung einer solchen) die endgültige Entscheidung darüber dar, ob ein Flüchtling sicher nach Hause zurückkehren kann, unabhängig davon, welchen administrativen Weg ein Flüchtling, der zurückkehren möchte, einschlägt (ICG 13.2.2020). Im Gegensatz dazu berichtete die dänische Einwanderungsbehörde (Danish Immigration Service, DIS) auf der Grundlage von Befragungen, dass Syrer, die sich außerhalb Syriens aufhalten und nicht von der syrischen Regierung gesucht werden, keine Sicherheitsgenehmigung für die Rückkehr nach Syrien benötigen. Syria Direct berichtete dem DIS, dass nur Syrer im Libanon, die über eine "organisierte Gruppenrückkehr" nach Syrien zurückkehren wollen, eine Sicherheitsüberprüfung für die Einreise nach Syrien benötigen (DIS 12.2020). Laut Fabrice Balanche brauchen Personen, die kein politisches Asyl und keine Probleme mit dem Regime haben auch keine Sicherheitsüberprüfung, sondern nur jene, die auf einer Liste gesuchter Personen stehen. Um diese Überprüfung durchzuführen, bezahlt man die zuständige Behörde (z.B. syrische Botschaft, Grenzbeamte an der Grenze zwischen Syrien und Libanon, syrische Behörden im Heimatort in Syrien), um zu überprüfen, ob der eigene Name auf einer Liste steht. Es sind jedoch viele Fälle bekannt, bei denen Personen inhaftiert wurden, die offiziell nicht vom Regime gesucht wurden, und die Sicherheitsüberprüfung gemacht hatten, zum Teil um Geld zu erpressen (Balanche 13.12.2021). Berichten zufolge gab es Fälle, in denen Rückkehrer trotz positiver Sicherheitsüberprüfung Opfer von willkürlicher Verhaftung, Folter oder gewaltsamem Verschwindenlassen wurden, auch wurde von vereinzelten Todesfällen in Haft berichtet (AA 19.5.2020; vgl. EASO 6.2021, HRW 20.10.2021).

Die Herkunftsregion spielt eine große Rolle für die Behörden bei der Behandlung von Rückkehrern, genauso wie die Frage, was die Person in den letzten Jahren gemacht hat. Syrer aus Homs, Deir iz-Zor oder Ost-Syrien werden dabei eher verdächtigt als Personen aus traditionell regierungstreuen Gebieten (Khaddour 24.12.2021). Besonders Gebiete, die ehemals unter Kontrolle oppositioneller Kräfte standen (West-Ghouta, Homs, etc.) stehen seit der Rückeroberung durch das Regime unter massiver Überwachung und der syrische Staat kontrolliert genau, wer dorthin zurückkehren darf. Es kann also besonders schwierig sein, für eine Rückkehr in diese Gebiete eine Sicherheitsüberprüfung zu bekommen und falls man diese erhält und zurückkehrt, wird man den Sicherheitsbehörden berichten müssen (Üngör 15.12.2021).

Mehrere Experten gehen davon aus, dass es vor allem auf die informelle Sicherheitsgarantie ankommt. Der sicherste Schutz vor Inhaftierung ist es, ein gutes Netzwerk bzw. Kontakte zum Regime zu haben, die einem im Notfall helfen können. Man muss jemanden in der Politik oder vom Geheimdienst haben, den man um Schutz bittet (Balanche 13.12.2021; vgl. Khaddour 24.12.2021, Rechtsexperte 27.9.2022). Laut Kheder Khaddour wird der offizielle Weg zur Rückkehr kaum genutzt, nicht nur weil er sehr langwierig ist, sondern auch weil niemand Vertrauen in die Institutionen hat. Nur bekannte Oppositionspersonen müssen den offiziellen Weg gehen, dieser Prozess bringt aber keine Garantie mit sich. Daher muss zusätzlich auch immer eine informelle Sicherheitsgarantie über persönliche Kontakte erlangt werden, wenn jemand zurückkehren will. Wenn jemand auf einer schwarzen Liste aufscheint, muss er seinen Namen bereinigen lassen. Dies geschieht meist durch Bestechung (Khaddour 24.12.2021).

"Versöhnungsanträge", Statusregelungsverfahren

Das Regime hat einen Mechanismus zur Erleichterung der "Versöhnung" und Rückkehr geschaffen, der als "Regelung des Sicherheitsstatus" (taswiyat al-wadaa al-amni) bezeichnet wird. Das Verfahren beinhaltet eine formale Klärung mit jedem der vier großen Geheimdienste und eine Überprüfung, ob die betreffende Person alle vorgeschriebenen Militärdienstanforderungen erfüllt hat. Einzelne Personen in Aleppo berichteten jedoch, dass sie durch die Teilnahme am "Versöhnungsprozess" einem größeren Risiko ausgesetzt wären, bei späteren Interaktionen mit Sicherheitsbeamten verhaftet und erpresst zu werden (ICG 9.5.2022). Personen, die von der syrischen Regierung gesucht werden und deshalb keine Erlaubnis zur Rückkehr erhalten, werden aufgefordert, ihren Status zu "regularisieren", bevor sie zurückkehren können (Reuters 25.9.2018; vgl. SD 16.1.2019). Nach Angaben eines syrischen Generals müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren wollen, bei der zuständigen syrischen Vertretung einen Antrag auf "Versöhnung" stellen und unter anderem angeben, wie und warum sie das Land verlassen haben, und Informationen über Aktivitäten während ihres Auslandsaufenthalts vorlegen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen nach Angaben des Generals einen "Versöhnungsantrag" ausfüllen (DIS 6.2019). Um eine Verhaftung bei der Rückkehr zu vermeiden, versuchen Syrer, Informationen über ihre Sicherheitsakte zu erhalten und diese, wenn möglich, zu löschen. Persönliche Kontakte und Bestechungsgelder sind die gebräuchlichsten Kanäle und Mittel zu diesem Zweck (ICG 13.2.2020; vgl. EASO 6.2021), doch aufgrund ihrer Informalität und des undurchsichtigen Charakters des syrischen Sicherheitssektors sind solche Informationen und Freigaben nicht immer zuverlässig, und nicht jeder kann sie erhalten (ICG 13.2.2020). Zwei Quellen berichteten EASO, dass, wenn ein Rückkehrer durch informelle Netzwerke oder Beziehungen (arab. "wasta") herausfindet, dass er oder sie nicht von den syrischen Behörden gesucht wird, es dennoch keine Garantie dafür gibt, dass er oder sie bei der Rückkehr nicht verhaftet wird (EASO 6.2021).

Rückkehrverweigerungen

Die Regierung verweigert oft manchen Bürgern die Rückkehr, während andere Syrer, die in die Nachbarländer flohen, die Vergeltung des Regimes im Fall ihrer Rückkehr fürchten (USDOS 12.4.2022). Der Prozentsatz der Antragsteller, die nicht zur Rückkehr zugelassen werden, ist nach wie vor schwer zu ermitteln (ICG 13.2.2020). Ihr Anteil wird von verschiedenen Quellen auf 5 % (SD 16.1.2019), 10 % (Reuters 25.9.2018), 20 % (Qantara 2.2.2022) oder bis zu 30 % (ABC 6.10.2018) geschätzt. Das Regime fördert nicht die sichere, freiwillige Rückkehr in Würde, eine Umsiedlung oder die lokale Integrations von IDPs. In einigen Fällen ist es Binnenvertriebenen nicht gestattet, in ihre Heimatgebiete zurückzukehren (USDOS 12.4.2022). Einige Beobachter und humanitäre Helfer geben an, dass die Bewilligungsquote für Antragsteller aus Gebieten, die als regierungsfeindliche Hochburgen identifiziert wurden, fast bei null liegt (ICG 13.2.2020). Gründe für die Ablehnung können (vermeintliche) politische Aktivitäten gegen die Regierung, Verbindungen zur Opposition oder die Nichterfüllung der Wehrpflicht sein (Reuters 25.9.2018; vgl. ABC 6.10.2018, SD 16.1.2019).

Syrische Flüchtlinge müssen bereit sein, der Regierung gegenüber vollständig Rechenschaft über ihre Beziehungen zur Opposition abzulegen, um nach Hause zurückkehren zu können. In vielen Fällen hält sich die Regierung nicht an die in den "Versöhnungsabkommen" vereinbarten Garantien, und die Rückkehrer sind Schikanen oder Erpressungen durch die Sicherheitsbehörden sowie Inhaftierung und Folter ausgesetzt, um Informationen über die Aktivitäten der Flüchtlinge im Ausland zu erhalten (TWP 2.6.2019).

Weitere im Fall einer Rückkehr benötigte behördliche Genehmigungen

Syrerinnen und Syrer benötigen in verschiedenen Lebensbereichen eine behördliche Sicherheitsfreigabe, z.B. auch für die Eröffnung eines Geschäfts, eine Heirat und die Organisation einer Hochzeitsfeier, um den Wohnort zu wechseln, für Wiederaufbaumaßnahmen oder auch für den Erwerb von Eigentum (FIS 14.12.2018; vgl. EIP 6.2019). Die Sicherheitsüberprüfung könnte Fragen wie den Aufenthaltsort der Person während ihrer Abwesenheit aus einem Gebiet umfassen. Für eine Person, die die Zeit in Damaskus verbracht hat, könnte die Sicherheitsüberprüfung einfacher sein, aber Orte wie Deir ez-Zour könnten zusätzliche Kontrollen oder Befragungen nach sich ziehen. Während des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens wird eine Person befragt, ob es in ihrer Großfamilie Personen gibt, die von der Regierung gesucht werden (FIS 14.12.2018).

Erschwerend kommt hinzu, dass eine von einer regierungsnahen Stelle innerhalb Syriens ausgestellte Sicherheitsgenehmigung in Gebieten, die von anderen regierungsnahen Stellen kontrolliert werden, als ungültig angesehen werden kann. Dies ist auf die Fragmentierung des Sicherheitsapparats der Regierung zurückzuführen, die die Mobilität auf Gebiete beschränkt, die von bestimmten regierungsnahen Sicherheitsbehörden kontrolliert werden (EASO 6.2021).

Umsetzung und Rechtssicherheit

Insbesondere für die Gebiete unter Kontrolle des Regimes, einschließlich vermeintlich friedlicherer Landesteile im äußersten Westen Syriens sowie in der Hauptstadt Damaskus, gilt unverändert, dass die Einschätzung der individuellen Gefährdungslage aufgrund des dortigen Herrschaftssystems, seiner teilweise rivalisierenden Geheimdienste sowie regimenaher Milizen ohne umfassende zentrale Steuerung für Betroffene wie Dritte extrem komplex bis unmöglich ist. Rückkehrende sehen sich mit weitreichender systematischer Willkür bis hin zu vollständiger Rechtlosigkeit konfrontiert. Es mangelt insbesondere an einheitlichen bzw. verlässlichen Verfahren zur Klärung des eigenen Status mit den Sicherheitsbehörden (Überprüfung, ob gegen die/den Betroffene/n etwas vorliegt) und an verfügbaren Rechtswegen. Auch nach vermeintlicher Klärung des Status mit einer oder mehreren der Sicherheitsbehörden innerhalb oder außerhalb Syriens kann es nach Rückkehr jederzeit zu Vorladungen und/oder Verhaftungen durch diese oder Dritte kommen. Berichte verschiedener Menschenrechtsorganisationen bestätigen, dass eine positive Sicherheitsüberprüfung keine Garantie für eine sichere Rückkehr ist. Eine besondere Gefahr, Ziel staatlicher und von Willkür geprägter Repression zu werden, besteht für alle, die sich in der Vergangenheit (system-)kritisch geäußert oder betätigt haben oder sich auf andere Weise das Missfallen des Regimes zugezogen haben. Dies kann nach Einschätzungen von Menschenrechtsorganisationen bereits auch dann der Fall sein, wenn Betroffene in familiären Verbindungen zu vermeintlichen Oppositionellen oder Regimefeinden stehen oder ihre regionale Herkunft (z.B. ehemalige Oppositionsgebiete) dies nahelegt. Vergleichbare Menschenrechtsverletzungen und Repressionen durch lokale Akteure wurden im Berichtszeitraum, absolut betrachtet in geringerem Umfang, auch in Nicht-Regimegebieten dokumentiert. Unverändert besteht somit in keinem Teil Syriens ein umfassender, langfristiger und verlässlicher interner Schutz für verfolgte Personen und Rückkehrende. Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter (AA 29.11.2021)

Exilpolitische Aktivitäten, bzw. nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung über im Ausland lebende Syrer und Syrerinnen

Es muss davon ausgegangen werden, dass syrische Sicherheitsdienste in der Lage sind, politische Aktivitäten im Exil auszuspionieren und darüber zu berichten (ÖB 29.9.2020; vgl. TWP 2.6.2019, EASO 6.2021). Es gab Berichte, dass syrische Sicherheitsdienste Drohungen gegen in Syrien lebende Familienmitglieder einsetzten, um Druck auf Verwandte auszuüben, die z.B. in Deutschland leben (AA 13.11.2018). Die syrische Regierung ist an den politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland interessiert. Die Gefährdung eines Rückkehrers im Falle politischer Aktivitäten im Exil hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und vielen anderen Faktoren ab, wie dem Hintergrund der Familie und den der Regierung zur Verfügung stehenden Ressourcen (STDOK 8.2017). Einem Syrien-Experten des Europäischen Friedensinstituts zufolge werden Syrer in der Diaspora auf zwei Arten überwacht: informell und formell. Bei der informellen Überwachung melden Einzelpersonen andere Personen an die syrischen Behörden. Diese Informanten sind nicht offiziell bei den Sicherheitsbehörden angestellt, melden aber andere Personen, um der Regierung gegenüber loyal zu erscheinen. Auf diese Weise versuchen sie, mögliche negative Aufmerksamkeit von sich abzuwenden. Die formelle Art der Überwachung besteht darin, dass staatliche Einrichtungen wie Botschaften und Sicherheitsdienste Informationen über im Ausland lebende Dissidenten sammeln (EASO 6.2021).

Der Sicherheitssektor nutzt den Rückkehr- und Versöhnungsprozess, um seinen historischen Einsatz lokaler Informanten zur Sammlung von Informationen und zur Kontrolle der Bevölkerung wieder zu verstärken und zu institutionalisieren. Die Regierung baut weiterhin eine umfangreiche Datenbank mit Informationen über alle Personen auf, die ins Land zurückkehren oder im Land bleiben. In der Vergangenheit wurde diese Art von Informationen genutzt, um Personen zu erpressen oder zu verhaften, die aus irgendeinem Grund als Bedrohung oder Problem wahrgenommen wurden (EIP 6.2019). Das Verfassen eines "Taqrir" (eines "Berichts", d. h. die Meldung von Personen an die Sicherheitsbehörden) war im baathistischen Syrien jahrzehntelang gang und gäbe und wird laut ICG auch unter Flüchtlingen im Libanon praktiziert. Die Motive können persönlicher Gewinn oder die Beilegung von Streitigkeiten sein, oder die Menschen schreiben "Berichte", um nicht selbst zur Zielscheibe zu werden. Selbst Regimevertreter geben zu, dass es aufgrund unbegründeter Denunziationen zu Verhaftungen kommt (ICG 13.2.2020).

Das im April 2022 erlassene "Cyber-Kriminalitätsgesetz" (Nr. 20/2022) hat die Definition von "Internetverbrechen" ausgeweitet (TIMEP 5.10.2022) und sieht harte Strafen für das Verfassen, Kommentieren, Teilen oder Erwähnen von Online-Beiträgen vor, die vorgeblich das Prestige des syrischen Staates beschädigen, die nationale Einheit gefährden oder eine negative öffentliche Meinung schüren (TAW 17.5.2022).

Syrische Rückkehrende aus Libanon, Jordanien und der Türkei

Im November 2022 wurde die syrische Bevölkerung auf 21,6 Millionen Menschen geschätzt (CIA 15.11.2022). Im Jahr 2021 registrierte UNOCHA (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) etwa 456.000 Binnenvertriebene in Syrien, im Jahr 2022 bis einschließlich August rund 131.000. Demgegenüber kehrten 2021 rund 169.000 Binnenvertriebene zurück, im Zeitraum Jänner-August 2022 waren es rund 80.000 (UNOCHA 7.10.2022). Mitte November 2022 waren 5.534.620 Personen als syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens und Nordafrikas registriert. Nach Angaben des UNHCR kehrten im Jahr 2022 (bis einschl. Oktober) insgesamt rund 43.000 Flüchtlinge nach Syrien zurück, im Jahr 2021 waren es rund 36.000 (UNHCR 17.11.2022). Weder Binnenvertriebene noch Flüchtlinge sind unbedingt in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).

Am 5.11.2022 erfolgte die zweite große Rückkehraktion nach Syrien, die die libanesischen Behörden als freiwillige Rückkehr reklamieren. - Etwa 350 Personen wurden zur syrischen Grenze gebracht. Am 26.10.2022 waren bereits etwa 500 Personen auf diese Weise außer Landes verbracht worden. Seit 2018 gibt es immer wieder Versuche, zahlreiche syrische Staatsangehörige zur Rückkehr zu bewegen. Hierbei wird eine weite Palette von Druckmitteln eingesetzt, die internationale Beobachter an der Freiwilligkeit vieler der berichteten Rückreisen zweifeln lässt. Die beiden Aktionen im Oktober und November 2022 sind die ersten derartigen Verbringungen seit über zwei Jahren. Die Krise im Libanon hat allerdings nachweislich zu freiwilligen Rückkehrbewegungen von Syrern und Syrerinnen geführt. Syrische Flüchtlinge im Libanon sind im Regelfalle den Folgen des ökonomischen Zusammenbruchs des Landes stärker ausgesetzt als libanesische Staatsangehörige, da sie zu vielen Dienstleistungen keinen Zugang haben und ihnen der Arbeitsmarkt nur sehr begrenzt legal zur Verfügung steht. Libanon ist kein Signatarstaat der Genfer Flüchtlingskonvention (BAMF 7.11.2022). Eine kleine Zahl von Flüchtlingen ist im Rahmen lokaler Vereinbarungen nach Syrien zurückgekehrt, die jedoch nicht vom UNHCR überwacht werden. Einige Flüchtlinge erklärten, sie kehrten wegen der strikten Politik und der sich verschlechternden Bedingungen im Libanon zurück, nicht weil sie Syrien für sicher hielten. Gemeinden im Libanon haben Tausende von Flüchtlingen ohne Rechtsgrundlage und ohne ordnungsgemäßes Verfahren gewaltsam vertrieben. Zehntausende sind weiterhin von Vertreibung bedroht (HRW 17.1.2019). Die libanesischen Statistiken weisen darauf hin, dass Syriens Sicherheitsapparat bisher lediglich 20 % der AntragstellerInnen für eine Rückkehr aus dem Libanon eine Heimkehrerlaubnis gewährt hat (Qantara 2.2.2022).

Obwohl die wirtschaftliche Lage vieler syrischer Flüchtlinge in Jordanien schwierig ist (TN 1.10.2019; vgl. SD 6.5.2020), ist aufgrund der Sicherheits- und Wirtschaftslage in Syrien bisher nur eine geringe Zahl von Syrern nach Syrien zurückgekehrt (SD 6.5.2020). Im Jahr 2021 normalisierten mehrere Staaten, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate und Jordanien trotz der Menschenrechtsverletzungen in Syrien ihre Beziehungen zum syrischen Regime. Dabei wurden Kooperationszusagen gemacht, welche die Frage einer verfrühten Rückkehr von Flüchtlingen und das eventuelle Ermöglichen von Menschenrechtsverletzungen aufwarfen (HRW 13.1.2022).

Die Türkei beherbergt mit Stand 17.11.2022 3.585.447 Millionen syrische Flüchtlinge (UNHCR 17.11.2022). Im Juli 2019 änderte sich die Haltung der türkischen Regierung ihnen gegenüber. Die türkischen Sicherheitskräfte begannen, syrische Flüchtlinge zusammenzutreiben, und sie in die türkischen Provinzen zurückzuschicken, in denen sie registriert waren. Sie fingen damit an, einige von ihnen abzuschieben, und andere zu ermutigen, in die von der Türkei kontrollierten Gebiete in Nordsyrien, einschließlich der Konfliktzone Idlib, zu ziehen (SWP 5.2.2020). NGO-Berichten zufolge haben die türkischen Behörden immer wieder Flüchtlinge inhaftiert, und sie gezwungen, "freiwillige" Rückkehrdokumente zu unterschreiben, manchmal durch Schläge und Drohungen (SJAC 8.10.2020). Auch die Organisation Syrians for Truth and Justice erhob in ihrem jüngsten Bericht vom Februar 2022 ebenfalls diesen Vorwurf (STJ 14.2.2022).

Syrische Rückkehrende aus Europa

Die verfügbaren Informationen über Syrer, die aus Europa nach Syrien zurückkehren, sind begrenzt (Rechtsexperte 14.9.2022, DIS 5.2022). Im Jahr 2020 kehrten 137 syrische Flüchtlinge freiwillig und mit Unterstützung der dänischen Behörden aus Dänemark nach Syrien zurück. Im selben Jahr suchten zehn Syrer bei den niederländischen Behörden um Hilfe für eine Rückkehr nach Syrien an. In Dänemark leben rund 35.000 Syrer und Syrerinnen, in den Niederlanden ca. 77.000 (EASO 6.2021). Nach Angaben des deutschen Innenministeriums kehrten von 2017 bis Juni 2020 über 1.000 Syrer mit finanzieller Unterstützung Deutschlands aus Deutschland nach Syrien zurück (Daily Sabah 15.6.2020). Die meisten syrischen Flüchtlinge in der EU erwägen nicht, in (naher) Zukunft nach Syrien zurückzukehren, wie Umfragen aus verschiedenen europäischen Staaten illustrieren. Diejenigen, die nicht nach Syrien zurückkehren wollten, wiesen auf verschiedene Hindernisse für eine Rückkehr hin, darunter das Fehlen grundlegender Dienstleistungen (wie Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherheit) und die derzeitige syrische Regierung, die an der Macht geblieben ist (Rechtsexperte 14.9.2022).

 

Quellen:

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 UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (6.2022): Protection Analysis Update June 2022, https://www.globalprotectioncluster.org/wp-content/uploads/GOS-and-NES-PAU-June-2022-Final.pdf , Zugriff 1.12.2022

 UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (3.2021): International Protection Considerations with regard to people fleeing the Syrian Arab Republic - Update VI, https://www.refworld.org/docid/606427d97.html , Zugriff 1.12.2022

 UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees und die Republik Türkei (23.9.2020): Syria Regional Refugee Response - Durable Solutions, https://data2.unhcr.org/en/situations/syria_durable_solutions , Zugriff 1.12.2022

 UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (18.3.2019): Auskunft, per E-Mail

 UNHRC - United Nations Human Rights Commission (14.9.2021): UN Syria Commission Increasing violence and fighting add to Syria's woes, making it unsafe for return, https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/Pages/NewsDetail.aspx?NewsID=27456&LangID=E , Zugriff 1.12.2022

 UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (3.2021): Humanitarian Needs Overview - Syrian Arab Republic, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/syria_2021_humanitarian_needs_overview.pdf , Zugriff 1.12.2022

 UNOCHA Türkiye - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs Türkiye (7.10.2022): Syrian Arab Republic: IDP movements and IDP spontaneous return movements Data, https://data.humdata.org/dataset/syrian-arab-republic-idp-movements-and-idp-spontaneous-return-movements-data , Zugriff 24.11.2022

 USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071124.html , Zugriff 1.12.2022

 WB - World Bank (2020): The Mobility of Displaced Syrians, https://openknowledge.worldbank.org/bitstream/handle/10986/31205/9781464814013.pdf , Zugriff 1.12.2022

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie die aktuelle Verlängerung des befristeten Aufenthaltsrechts beruhen auf dem Datenbestand des Zentralen Fremdenregisters und decken sich auch mit den Fetsstellungen des Bundesamtes im bekämpften Bescheid.

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Konfession des BF basieren auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Verfahren sowie den von ihm vorgelegten Dokumenten und deckt sich auch mit den Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.10.2022, Zl. W168 2250032-1/12E.

 

Die Feststellungen zu dem Aufenthalts- bzw. Heimatort des BF beruhen auf seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung und entspricht gleichfalls im Wesentlichen den Feststellungen des bereits zuvor zitierten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.10.2022.

 

Der BF hat nachvollziehbar und glaubwürdig vorgebracht, dass er in Österreich wiederholt an prokurdischen Demonstrationen sowie Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen hat.

 

Aus den Feststellungen zur Ausstellung von syrischen Reisepässen im Ausland geht zwar hervor, dass die syrische Botschaft in Österreich grundsätzlich allen syrischen Staatsangehörigen auf Antrag syrische Reisepässe ausstellt. Erforderlich sind dafür ein syrischer Personalsauweis, Lichtbilder, eine aktuelle Aufenthaltskarte im Gastland sowie eine Bearbeitungsgebühr von 265,- Euro oder im beschleunigten Expressverfahren von 705,- Euro. Die dazu herangezogenen Länderberichte enthalten aber auch Hinweise auf Verstöße gegen syrische Staatsangehörige. So zeigen Berichte auf, dass syrische Bürger bei der Ausstellung von Pässen zusätzlich zu den besonders hohen materiellen Kosten, die zu den höchsten weltweit zählen, zudem damit konfrontiert sind, dass nach wie vor von allen syrischen Bürgern eine Genehmigung der staatlichen Sicherheitsbehörden verlangt wird, um Pässe zu erhalten. Jeder Passantragsteller wird sohin einer Hintergrundprüfung durch die syrischen Sicherheitsbehörden unterzogen. Mehrere Quellen berichten, dass Personen, die selbst oder auch deren Familien oder Verwandte mit der Opposition in Verbindung gebracht werden können, die Ausstellung eines Reisepasses verweigert werden kann. Das Vorgehen der syrischen Konsulate soll sich jedoch von Land zu Land unterscheiden. Nach dem Erlass des Gesetzesdekrets Nr. 17 soll die Praxis von Verweigerungen einer Reisepassausstellung nach einer eingeholten Sicherheitsbehördenabfrage - offenbar im Hinblick auf die Wahrung einer nicht unbeträchtlichen Einnahmequelle – deutlich abgenommen haben. Abgesehen davon geht aus den Länderfeststellungen hervor, dass die syrische Regierung an den politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland interessiert ist, wobei eine Gefährdung insbesondere vom Profil der Person und vielen anderen Faktoren bzw. den der Regierung zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängt. Zudem gibt es Berichte, dass syrische Sicherheitsdienste Drohungen gegen in Syrien lebende Familienmitglieder einsetzten, um Druck auf Verwandte auszuüben, die z.B. in Deutschland leben. Aus den Länderfeststellungen geht weiters hervor, dass kurdische Volksgruppenangehörige in den vom syrischen Staat kontrollierten Gebieten sich nach wie vor offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung, Repressionen sowie vom Regime geförderter Gewalt ausgesetzt sehen.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 11.06.2019, E 67-68/2019-14, ausgesprochen: „Aus der dem verwaltungsgerichtlichen Akt beiliegenden Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23. November 2017 zur ‚Ausstellung eines syrischen Reisepasses an der syrischen Botschaft in Wien‘ geht hervor, dass ein syrischer Staatsbürger mit einem Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses den syrischen Staat vom eigenen Aufenthalt in Österreich in Kenntnis bringen würde, was ‚unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen kann und somit nicht für jeden in Österreich aufhältigen Syrer eine Option darstellt‘. Hierbei könnten zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen. […] Zudem geht das Bundesverwaltungsgericht nicht auf die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23. November 2017 (vgl. 3.2.) ein, wonach es nicht jedem Syrer zumutbar sei, die Ausstellung eines Reisedokumentes in der syrischen Botschaft in Wien zu beantragen.“). Auch wenn der Antrag des BF auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Gewährung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wurde und somit die Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung als nicht gegeben festgestellt wurde, kann vor dem Hintergrund, dass sich die Sicht- und Handlungsweise des syrischen Regimes gegenüber (vermeintlichen) Regimegegnern im Verlauf des Konfliktes nicht geändert hat, nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass die syrischen Behörden durch eine aktuelle Kontaktaufnahme auf den BF aufmerksam werden und er oder auch Familienangehörige dadurch in Schwierigkeiten geraten könnten. In ganz Syrien werden bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen oder wird ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als „regierungsfreundlich“ oder „regierungsfeindlich“ gilt (UNHCR 11.2015). Jedenfalls ist den Länderfeststellungen zufolge die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als „oppositionell“ betrachtet zu werden, aufgrund der besonderen Situation in Syrien relativ niedrig.

 

Der BF würde durch seine Antragsstellung bei der syrischen Botschaft den syrischen Behörden Informationen über seine Person, seinen Aufenthaltsort, seinen Aufenthaltsstatus (als subsidär Schutzberechtigter) sowie sein aktuelles Aussehen (samt Fotografien) liefern. Indem der BF der kurdischen Volksgruppe angehört, aus einem zurzeit nicht von der syrischen Regierung kontrollierten Gebiet stammt, in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und hier auch schon an Demonstrationen teilgenommen hat, weist sein persönliches Profil bereits mehrere Faktoren auf, die - bei Kenntniserlangung durch die syrischen Sicherheitsbehörden – in Summe eine Gefährdung begünstigen könnten.

 

Zudem ist über seinen Folgeantrag auf internationalen Schutz noch nicht entschieden worden, weshalb – ungeachtet allfälliger Prognosen – grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass ihm tatsächlich eine asylrelevante Verfolgung droht.

 

In einer Zusammenschau all der genannten Aspekte ist in Summe unter Zugrundelegung der getroffenen Länderfeststellungen im Fall des BF sohin nicht auszuschließen, dass er durch seine Vorsprache bei der syrischen Botschaft in Wien die syrischen Behörden auf sich und seine noch in der Heimat verbliebenen Angehörigen aufmerksam macht und diese dadurch möglicherweise der künftigen Gefahr einer maßgeblichen Verfolgung aussetzen könnte.

 

Angesichts dieser besondere Umstände erscheint es für den BF in der vorliegenden Konstellation jedoch letztlich nicht zumutbar, bei der syrischen Botschaft vorzusprechen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

 

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

 

Zu Spruchteil A):

 

3.2. Gemäß § 88 Abs. 2a FPG sind Fremden, welchen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, Fremdenpässe auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.§ 88 Abs. 2a FPG regelt die Ausstellung von Fremdenpässen an subsidiär Schutzberechtigte in Umsetzung von Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie, welche vor dem Hintergrund einer Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten unter bestimmten Umständen einen (ansonsten nicht bestehenden) Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses vorsieht (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 88 FPG K7).Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, ua in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedsstaat vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie legt diesbezüglich fest, dass für subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedsstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wurde durch § 88 Abs. 2a FPG umgesetzt, in dem subsidiär Schutzberechtigten unter bestimmten Voraussetzungen nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich (Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. 2013/68).Die Ausstellung eines Fremdenpasses ist somit an zwei Voraussetzungen geknüpft, das Bestehen von subsidiärem Schutz und die Unmöglichkeit der Beschaffung eines Reisedokuments vom Heimatstaat des Fremden (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0124). Erfüllt der Antragsteller eine der nötigen Voraussetzung nicht, so ist der Antrag abzuweisen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 88 FPG K11).Das in § 88 Abs. 2a FPG normierte Erfordernis, dass der Fremde nicht in der Lage ist, sich Reisedokumente seines Herkunftsstaates zu beschaffen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaats bedeutet, weshalb dem Gesetz die Prämisse zu Grunde liegt, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedokuments wenden müssen.

 

Dem Fremden muss es konkret (tatsächlich) möglich sein, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Dies ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn dem Antragsteller die Ausstellung eines Reisedokuments seitens der Vertretungsbehörde tatsächlich verweigert wird (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] §°88 FPG K8 f).

 

Die bloß abstrakte Möglichkeit im Falle der Vorlage geeigneter Dokumente grundsätzlich willens zu sein, dem Beschwerdeführer ein Reisedokument auszustellen, reicht für die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses nicht aus, vielmehr muss für den Antragsteller die konkrete Möglichkeit bestehen, sich Reisedokumente seines Heimatstaates zu beschaffen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 88 FPG E7).

 

Da die Ausstellung eines Reisedokumentes durch einen anderen Staat einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaates bedeutet, ist für die Ausstellung eines Fremdenpasses ein restriktiver Maßstab anzulegen und geht das FPG von der Prämisse aus, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung für ein Reisedokument wenden müssen. Erst wenn der Fremde keine Reisedokumente erhält, ist bei Erfüllen der sonstigen Voraussetzungen ein Fremdenpass auszustellen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 88 FPG E7). Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung. Die "zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" müssen sich auf die den Betroffenen mit dem Fremdenpass eröffnete Reisefreiheit beziehen (Schrefler-König/Szymanski [Hrsg], Fremdenpolizei und Asylrecht zu § 88 FPG Anm 2). Konkret wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter, zuletzt bis zum 30.09.2024 erteilt.

 

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, konnte der BF nachvollziehbar darlegen, dass es ihm tatsächlich nicht zumutbar ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.

 

Von der belangten Behörde wurden zum Entscheidungszeitpunkt keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung festgestellt, die gegen die Ausstellung eines Reisedokumentes sprechen würden. Solche sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen. Auch im aktuell eingeholten Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen des BF auf.

 

Gemäß § 5 Abs. 1a Z 3 FPG obliegt die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 90 Abs. 1 FPG können Fremdenpässe mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren ausgestellt werden, es sei denn, dass eine kürzere Gültigkeitsdauer beantragt wird (Z 1) oder dass im Hinblick auf die für die Ausstellung des Fremdenpasses maßgeblichen Voraussetzungen eine kürzere Gültigkeitsdauer ausreichend ist (Z 2).

Da auch keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen der genannten Ausnahmefälle hervorgekommen sind, wird das Bundesamt dem BF den bewilligten Fremdenpass mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren auszustellen haben (vgl. dazu auch VwGH 25.02.2016, Zl. Ra 2016/21/0052).

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist.

 

Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten im Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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