BVwG W170 2115136-1

BVwGW170 2115136-125.11.2016

B-VG Art.135 Abs4
B-VG Art.140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art.89 Abs2
Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §2 Abs1
Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §2 Abs2
Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §2 Abs4
Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §5 Abs1
B-VG Art.135 Abs4
B-VG Art.140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art.89 Abs2
Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §2 Abs1
Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §2 Abs2
Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §2 Abs4
Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §5 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W170.2115136.1.00

 

Spruch:

W170 2115136-1/12Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH als Einzelrichter im Verfahren über die Beschwerde vom 05.06.2015 und den Vorlageantrag vom 18.09.2015 von XXXX, alle vertreten durch Pfletschinger Renzl Rechtsanwaltschafts-Partnerschaft, gegen den Bescheid des Bundesministers für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst vom 05.06.2015, Zl. BKA-KA12.056/0002-Kultusamt/2014, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 08.09.2015, Zl. BKA-KA12.056/0009-Kultusamt/2015, beschlossen, gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. Nr. 62/2016, folgenden Antrag samt Eventualanträgen an den Verfassungsgerichtshof zu stellen:

Antrag

Das Bundesverwaltungsgericht beantragt, in § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I Nr. 19/1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 75/2013, die Wortfolge "des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Kultur" sowie § 2 Abs. 4 und § 5 Abs. 1 leg.cit.

in eventu

in § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I Nr. 19/1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 75/2013, die Wortfolge "des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Kultur"

in eventu

in § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I Nr. 19/1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 75/2013, die Wortfolge "des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Kultur" sowie § 2 Abs. 2 und Abs. 4 und § 5 leg.cit.

als verfassungswidrig aufzuheben.

BEGRÜNDUNG:

I. Sachverhalt

1. Am 28.4.2014 langte beim Bundeskanzleramt, Kultusamt als Hilfsapparat des Bundesministers für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlicher Dienst (im Beschluss: Behörde) ein Antrag der XXXX, alle vertreten durch Pfletschinger Renzl Rechtsanwaltschafts-Parnterschaft, ein. Diese würden als oberstes Organ die (über - noch - keine Rechtspersönlichkeit verfügende) "religiöse Bekenntnisgemeinschaft XXXX" vertreten und für jene Vereinigung den Erwerb der Rechtspersönlichkeit als religiöse Bekenntnisgemeinschaft beantragen.

Mit Bescheid des Bundesministers für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst vom 11.6.2014, Zl. BKA-KA12.056/0001-Kultusamt/2014, von der Behörde durch Zustellung an den zur Vertretung befugten, im Spruch genannten Rechtsanwalt, am 12.6.2014 erlassen, wurde der Antrag abgewiesen.

Mit spätestens am 09.07.2014 bei der Behörde eingelangtem Schriftsatz wurde seitens des Vertreters der Antragsteller in deren Namen "als oberste Organe der ‚XXXX in Österreich'" das Rechtsmittel der Beschwerde ergriffen, die mit Beschwerdevorentscheidung der Behörde vom 8.9.2014, Gz. BKA-KA 12.056/0005-Kultusamt/2014, abgewiesen wurde.

Mit offenbar am 26.9.2014 bei der Behörde eingelangten, mit 16.9.2014 datierten Vorlageantrag wurde beantragt, die Beschwerde dem zuständigen Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Anzumerken ist, dass die Beschwerde und der Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht gerichtet waren und die Behörde im ersten Rechtsgang die Angelegenheit auch kommentarlos dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorlegte.

Der Bescheid des Bundesministers für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst vom 11.6.2014, Zl. BKA-KA12.056/0001-Kultusamt/2014, wurde mit Beschluss des Bundes-verwaltungsgerichts vom 12.01.2015, W170 2013410-1/6E, aufgehoben und die Angelegen-heit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen. Der der Behörde am 15.1.2015 und dem Vertreter der Antragsteller am 14.1.2015 zugestellte Beschluss erwuchs mangels dagegen erhobener Rechtsmittel in Rechtskraft.

2. Im zweiten Rechtsgang wurde der Antrag mit Bescheid des Bundesministers für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst vom 05.06.2015, Zl. BKA-KA12.056/0002-Kultusamt/2014, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 08.09.2015, Zl. BKA-KA12.056/0009-Kultusamt/2015, abermals abgewiesen und die Angelegenheit nach rechtzeitiger Beschwerde vom 5.6.2015 und rechtzeitigem Vorlageantrags vom 18.09.2015 dem Bundesverwaltungsgericht mit Note vom 01.10.2015 vorgelegt; seitens der Behörde wurde in der Note ausgeführt:

"Nachdem das Bundesverwaltungsgericht sich im Gegenstand bereits einmal durch Behebung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG eines Bescheides der belangten Behörde, mit dem der Antrag der Beschwerdeführer auf Erwerb der Rechtspersönlichkeit der 'XXXX' als religiöse Bekenntnisgemeinschaft abgewiesen wurde, für zuständig erachtete (W170 2013410-1/6E vom 12.01.2015), werde die gegenständliche Beschwerde nunmehr ebenfalls dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Sollte das Bundesverwaltungsgericht sich jedoch nunmehr unter Bedachtnahme auf Art. 102 Abs. 2 iVm Art 131 Abs. 2 B-VG für unzuständig erachten, werde ersucht, die Beschwerde an das zuständige Landesverwaltungsgericht weiterzuleiten."

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.2015, Gz. W136 2115136-1/2E, wurde der Rechtsmeinung des Kultusamtes insoweit beigetreten, als die Beschwerde gemäß "§§ 28 Abs. 1 iVm 31 Abs. 1 VwGVG" wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen wurde. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, die gegenständliche Angelegenheit werde vom Bundesminister in erster und letzter Instanz in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen und liege daher keine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts vor. Gegen diesen Beschluss wurde keine Revision erhoben.

3. Nach Ablauf der Revisionsfrist übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgericht Wien; auch dieses erklärte sich mit Beschluss vom 20.4.2016 für sachlich unzuständig und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Bundesverwaltungsgericht seine sachliche Zuständigkeit im Aufhebungsbeschluss vom 12.1.2015 ausdrücklich bejaht habe und keine Änderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage eingetreten sei.

4. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.9.2016, Ko 2016/03/0008 bis

0013-5, wurde über Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Entscheidung des verfahrensgegenständlichen Kompetenzkonfliktes zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und dem Verwaltungsgericht Wien entschieden, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über die Beschwerde der oben genannten Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesministers für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst vom 05.06.2015, Zl. BKA-KA12.056/0002-Kultusamt/2014, in der Fassung der Beschwerde-vorentscheidung vom 08.09.2015, Zl. BKA-KA12.056/0009-Kultusamt/2015, zuständig sei und der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.2015, Gz. W136 2115136-1/2E, aufgehoben. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Zuständigkeit im oben genannten, rechtskräftigen Beschluss vom 15.1.2015 angenommen habe und diesem Beschluss Bindungswirkung zukomme.

Nunmehr harrt die gegenständliche Beschwerde einer Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht.

III. Zur Zulässigkeit des Antrages

1. Zum anfechtungsberechtigten Gericht

Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß Art. 89 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 62/2016 (in Folge: B-VG), verpflichtet, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes zu stellen, gegen dessen Anwendung es aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat.

Derartige Bedenken sind seitens des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere gegen die Wortfolge "des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Kultur" in § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I Nr. 19/1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 75/2013 (in Folge: BG Rechtspersönlichkeit religiöse Bekenntnisgemeinschaften), sowie in diesem Zusammenhang in §§ 2 Abs. 4 und 5 Abs. 1 leg.cit. entstanden; in eventu betreffen diese Bedenken auch § 2 Abs. 2 und 5 Abs. 2 leg.cit.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.9.2016, Ko 2016/03/0008 bis 0013-5, hat dieser (rechtskräftig) ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung über die im Spruch bezeichneten Beschwerden zuständig ist.

2. Zum zur Anfechtung zuständigen Spruchkörper

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2016, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels Anordnung einer Senatszuständigkeit liegt gegenständlich Einzelrichtezuständigkeit vor.

3. Zur Präjudizialität

Gemäß § 27 1. Fall Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 und BGBl. I Nr. 82/2015 (in Folge: VwGVG), hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen.

§ 27 VwGVG ist daher zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht - hier das Bundesverwaltungsgericht - immer zu überprüfen hat, ob die zuständige Behörde entschieden hat.

Daher sind die angefochtenen Normen, deren Inhalt im Wesentlichen (auch) die Zuständigkeit der Behörde berührt, im gegenständlichen Verfahren für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts präjudiziell.

4. Zum Umfang der Anfechtung

4.1. Zum Hauptantrag:

Im Hauptantrag beantragt das Bundesverwaltungsgericht, in § 2 Abs. 1 BG Rechtspersönlichkeit religiöse Bekenntnisgemeinschaften die Wortfolge "des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Kultur" sowie §§ 2 Abs. 4 und 5 Abs. 1 leg.cit. als verfassungswidrig aufzuheben.

Das Bundesverwaltungsgericht hegt Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der (fast umfassenden) Zuständigkeit des "Bundesministers für Unterricht, Kunst und Kultur" (jetzt:

Bundesministers für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst) in Angelegenheiten des Kultus; im dem Antrag zu Grunde liegenden Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Versagung des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit durch Bescheid des Bundesministers für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst zu prüfen. Die unmittelbar anwendbare Norm ist diesbezüglich § 2 Abs. 1 BG Rechtspersönlichkeit religiöse Bekenntnisgemeinschaften, allerdings würde aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts die Nichtbeseitigung der §§ 2 Abs. 4 und 5 Abs. 1 leg.cit. ein in sich widersprüchliches Gesetz zurücklassen, da § 2 Abs. 4 leg.cit. dem zuständigen Bundesminister näher dargelegte Pflichten auferlegt, die unmittelbar mit der Anerkennung verbunden sind und § 5 Abs. 1 leg.cit. näher regelt, wann der Bundesminister den Erwerb der Rechtspersönlichkeit zu versagen hat und daher auch diese Norm im unmittelbaren Zusammenhang mit der in § 2 Abs. 1 leg.cit. zitierten Zuständigkeitsnorm steht. Sowohl in § 2 Abs. 4 leg.cit. als auch in § 5 Abs. 1 leg.cit. kommt eine Beseitigung lediglich der Wortfolge "Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten" nicht in Betracht, da diese lediglich einen sprachlich unverständlichen Torso zurücklassen würde (VfGH 18.02.2016, G434/2015).

4.2. Zum ersten Eventualantrag:

Im ersten Eventualantrag beantragt das Bundesverwaltungsgericht (aus Gründen der gebotenen Vorsicht) lediglich, in § 2 Abs. 1 BG Rechtspersönlichkeit religiöse Bekenntnisgemeinschaften die Wortfolge "des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Kultur" als verfassungswidrig aufzuheben.

Dies würde die Beseitigung der Zuständigkeit des Bundesministers nach sich ziehen und könnte als geringster möglicher Eingriff in das Gesetz gesehen werden.

4.3. Zum zweiten Eventualantrag:

Im zweiten Eventualantrag beantragt das Bundesverwaltungsgericht in § 2 Abs. 1 BG Rechtspersönlichkeit religiöse Bekenntnisgemeinschaften die Wortfolge "des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Kultur" sowie § 2 Abs. 2 und Abs. 4 und § 5 leg.cit. als verfassungswidrig aufzuheben.

Hinsichtlich des Zusammenhangs von §§ 2 Abs. 4 und 5 Abs. 1 leg.cit. wird auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen. Die §§ 2 Abs. 2 und 5 Abs. 2 leg.cit. legen Veröffentlichungspflichten des Bundesministers fest, die aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts aber in keinem unmittelbaren Zusammenhang zum Verfahren des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit durch eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft stehen. Um allerdings einer allfälligen Zurückweisung zu entgehen, wenn der Verfassungsgerichtshof diesen Zusammenhang als gegeben ansieht, wird aus Gründen der gebotenen Vorsicht der gegenständliche Individualantrag gestellt.

IV. Zu den Bedenken:

Gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 13 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 62/2016 (in Folge: B-VG) sind Angelegenheiten des Kultus Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung.

Gemäß Art. 102 Abs. 1 B-VG üben im Bereich der Länder die Vollziehung des Bundes, soweit nicht eigene Bundesbehörden bestehen (unmittelbare Bundesverwaltung), der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden aus (mittelbare Bundesverwaltung). Gemäß Art. 102 Abs. 2 B-VG dürfen (können) nur in diesem Absatz genannte Angelegenheiten im Rahmen des verfassungsmäßig festgestellten Wirkungsbereiches unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden; die Angelegenheit des Kultus finden sich in der Auflistung des Art. 102 Abs. 2 B-VG nicht.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit der Frage der Vollziehung einer Angelegenheit, die in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen ist, durch einen Bundesminister im Erkenntnis vom 01.07.1987, G78/87, beschäftigt. Im genannten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof zwar einleitend ausgeführt, dass es verfassungsrechtlich an sich nicht ausgeschlossen ist, im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung in einem bestimmten Ausmaß und unter Einhaltung sonstiger verfassungsrechtlicher Grenzen einem Bundesminister auch Agenden zur Besorgung in erster Instanz zu übertragen. Auch ist es an sich zulässig, vorzusehen, dass sich der Bundesminister zur Besorgung solcher Aufgaben ihm direkt zugeordneter Hilfsorgane bedient. Aber, so der Verfassungsgerichtshof weiter, ist diese Ermächtigung von Verfassungs wegen beschränkt und darf insbesondere nicht dazu führen, das System der mittelbaren Bundesverwaltung, das zu den wesentlichen Elementen der Realisierung des bundesstaatlichen Baugesetzes der österreichischen Bundesverfassung zählt, zu unterlaufen.

Im vorliegenden Fall stellt sich daher einleitend die Frage, ob die Betrauung des Bundesministers für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst mit der Entscheidung über den Erwerb der Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften und weiterer Aufgaben, lediglich im Zusammenhang mit den anzuwendenden Gesetz - dem BG Rechtspersönlichkeit religiöse Bekenntnisgemeinschaften - oder dem gesamten Kultusbereich zu sehen ist.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist der gesamte Kultusbereich zu beurteilen, da es ansonsten dem (einfachen) Gesetzgeber offen stünde, durch "Filitierung" eines Vollzugsbereiches in vielen einzelnen Gesetzen den - verfassungsrechtlich vorgegebenen - Spielraum zur Übertragung von Aufgaben an den Bundesminister im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung zu erweitern oder zu beschränken.

In einer Gesamtbetrachtung des Kultus-Bereiches ist folgenden anzuführen:

Im Regime des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1961 über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche, BGBl. Nr. 182/1961 in der Fassung BGBl. I Nr. 92/2009, sind alle behördlichen Maßnahmen durch den zuständigen Bundesminister (im Gesetz: Bundesministerium für Unterricht) zu setzen, eine Zuständigkeit zur Vollziehung dieses Gesetzes für den Landeshauptmann und die Bezirksverwaltungsbehörden (als Organe der mittelbaren Bundesverwaltung) finden sich - von § 12 Abs. 3 leg.cit, der die Behörden aber nur als Verwaltungsstrafbehörden anspricht - nicht.

Im Regime des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1967 über äußere Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich, BGBl. Nr. 229/1967 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2011, sind alle wesentlichen behördlichen Maßnahmen durch den zuständigen Bundesminister (im Gesetz meist: Bundesministerium für Unterricht) zu setzen, lediglich ein Beschluss einer Diözese, Pfarren ohne Rechtspersönlichkeit einzurichten, ist gemäß § 3 d leg.cit. der Kultusbehörde I. Instanz des jeweiligen Bundeslandes, in dem die Kirchengemeinde sich befindet, anzuzeigen. Eine andere Zuständigkeit zur Vollziehung dieses Gesetzes für den Landeshauptmann und die Bezirksverwaltungsbehörden (als Organe der mittelbaren Bundesverwaltung) findet sich - vom gemäß § 7 Abs. 1 leg.cit. für anwendbar erklärten § 12 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1961 über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche, der die Behörden aber nur als Verwaltungsstrafbehörden anspricht - nicht.

Im Regime des Gesetzes vom 21. März 1890, betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft, RGBl. Nr. 57/1890 in der Fassung BGBl. I Nr. 48/2012, trifft alle Entscheidungen der zuständige "Bundesminister" bzw. "das zuständige Mitglied der Bundesregierung"; lediglich in den §§ 18, 21 Abs. 1 und 22 ist von der "Behörde" die Rede; nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts meint dieser Begriff aber zumindest in den §§ 21 f leg.cit. wiederum den zuständigen Bundesminister. In § 18 leg.cit. könnte auch die Sicherheitsbehörde gemeint sein. Eine Zuständigkeit zur Vollziehung dieses Gesetzes für den Landeshauptmann und die Bezirksverwaltungsbehörden (als Organe der mittelbaren Bundesverwaltung) findet sich nicht.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus dem Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen, BGBl. I Nr. 150/1998, - allenfalls abgesehen von den Datenverarbeitungsbestimmungen - keine hoheitliche Tätigkeit und kann dieser Teilbereich der verfassungsrechtlichen Kompetenz "Kultus" bei gegenständlicher Betrachtung vernachlässigt werden.

Im Regime des Gesetzes über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich, GBlÖ Nr. 543/1939, scheinen auch keine hoheitlichen Befugnisse von österreichischen Behörden vorzuliegen und kann dieser Teilbereich der verfassungsrechtlichen Kompetenz "Kultus" bei gegenständlicher Betrachtung außer Betracht beiben; gleiches gilt für das Bundesgesetz vom 26. Oktober 1960 über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche, BGBl. Nr. 221/1960 in der Fassung BGBl. I Nr. 92/2009.

Im Regime des Gesetzes vom 20. Mai 1874, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. Nr. 68/1874, ist im Wesentlichen der "Cultusminister" zur Vollziehung berufen, lediglich die Bestellung des Vorstandes einer "Cultusgemeinde" ist der Landesbehörde ebenso anzuzeigen wie die Anstellung der Seelsorger (§ 11), der es diesfalls zukommt, Einwendungen zu erheben.

Im Regime des Gesetzes vom 25. Mai 1868, wodurch die interconfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden, RGBl. Nr. 49/1868 in der Fassung dRGBl. I S 384/1939, kommt der Bezirksverwaltungsbehörde ("politische Behörde") gemäß Art. 6 leg.cit. die Entgegennahme der Meldung eines Austritts aus einer Kirche oder Religionsgenossenschaft zu. Hier scheint keine unmittelbare (hoheitliche) Zuständigkeit des Bundesministers für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst zu bestehen.

Im Regime des Bundesgesetzes über die äußeren Rechtsverhältnisse islamischer Religionsgesellschaften, BGBl. I Nr. 39/2015, kommen die wesentlichen hoheitlichen Befugnisse dem Bundeskanzler bzw. der Bundesregierung zu. Eine Zuständigkeit zur Vollziehung dieses Gesetzes für den Landeshauptmann und die Bezirksverwaltungsbehörden (als Organe der mittelbaren Bundesverwaltung) findet sich nicht.

Im Regime des Bundesgesetzes über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich, BGBl. I Nr. 20/2003, sind alle hoheitlichen Maßnahmen durch die Bundesministerin oder den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu setzen. Eine Zuständigkeit zur Vollziehung dieses Gesetzes für den Landeshauptmann und die Bezirksverwaltungsbehörden (als Organe der mittelbaren Bundesverwaltung) findet sich - vom gemäß § 3 Abs. 1 leg.cit. für anwendbar erklärten § 12 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1961 über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche, der die Behörden aber nur als Verwaltungsstrafbehörden anspricht - nicht.

Im Regime des BG Rechtspersönlichkeit religiöse Bekenntnisgemeinschaften kommen alle wesentlichen hoheitlichen Befugnisse dem Bundesminister für Unterricht, Kunst und Kultur zu; lediglich eine zum Gesetz vom 25. Mai 1868, wodurch die interconfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger in den darin angegebenen Beziehungen geregelt werden, korrespondierende Austrittsnorm (§ 8 Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften) legt die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde für die Entgegennahme der Meldung eines Austrittes fest. Eine andere Zuständigkeit zur Vollziehung dieses Gesetzes für den Landeshauptmann und die Bezirksverwaltungsbehörden (als Organe der mittelbaren Bundesverwaltung) findet sich nicht.

Schließlich ist im Regime des Bundesgesetzes über die religiöse Kindererziehung 1985, BGBl. Nr. 155/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 191/1999, lediglich die Zuständigkeit der Gerichte normiert, aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kann dieser Teilbereich der verfassungsrechtlichen Kompetenz "Kultus" bei gegenständlicher Betrachtung vernachlässigt werden.

Die Zusammenschau zeigt, dass im Bereich der verfassungsrechtlichen Kompetenz "Kultus" alle wesentlichen hoheitlichen Entscheidungen durch den zuständigen Bundesminister getroffen werden, den Landesbehörden steht im Wesentlichen nur zu, die Meldung eines Austritts aus einer Kirche oder Religionsgenossenschaft entgegenzunehmen. Selbiges würde im Wesentlichen auch gelten, wenn man nur das BG Rechtspersönlichkeit religiöse Bekenntnisgemeinschaften in den Blick nimmt; auch hier kommt, von der Entgegennahme der Meldung eines Austrittes aus einer Bekenntnisgemeinschaft abgesehen, jegliche behördliche Kompetenz dem zuständigen Bundesminister zu.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts bestehen daher Bedenken, dass durch diese weitreichenden Zuständigkeiten des zuständigen Bundesministers die von Verfassungs wegen bestehenden Beschränkungen der Betrauung eines Bundesministers mit Vollzugsaufgaben im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung im Bereich der Kompetenz "Kultus" überschritten und das System der mittelbaren Bundesverwaltung, das zu den wesentlichen Elementen der Realisierung des bundesstaatlichen Baugesetzes der österreichischen Bundesverfassung zählt, unterlaufen wird; daher hegt das Bundes-verwaltungsgericht Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität der angefochtenen Normen bzw. Norm und hat gegenständlichen Antrag zu stellen.

V. Unzulässigkeit der Revision

Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm § 25a Abs. 3 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2016, eine Revision nicht zulässig.

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