BVwG W157 2289771-1

BVwGW157 2289771-129.4.2024

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs9
EMRK Art6
GOG Anl1 §33
GOG Anl1 §36 Abs1
GOG Anl1 §43
GOG Anl1 §45 Abs1
GOG Anl1 §45 Abs2
GOG Anl1 §55 Abs1
GOG Anl1 §55 Abs2
GOG Anl1 §56
VStG §19
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W157.2289771.1.00

 

Spruch:

 

W157 2289771-1/12E

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margret KRONEGGER als Vorsitzende und die Richterinnen Dr. Anna WALBERT-SATEK und Mag. Michaela RUSSEGGER als Beisitzerinnen über den Antrag des Untersuchungsausschusses betreffend XXXX vom XXXX betreffend die Verhängung einer Beugestrafe über XXXX , vertreten durch RA XXXX in XXXX , den Beschluss gefasst:

A)

Gemäß § 36 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 erster Halbsatz und § 56 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) wird über XXXX als Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer Ladung als Auskunftsperson eine Geldstrafe in der Höhe von XXXX Euro verhängt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom XXXX , beim Bundesverwaltungsgericht am XXXX eingelangt, übermittelte die Parlamentsdirektion im Auftrag des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses betreffend XXXX (im Folgenden: Untersuchungsausschuss) den vom Untersuchungsausschuss am XXXX „einstimmig beschlossenen und begründeten Antrag an das Bundesverwaltungsgericht betreffend Verhängung einer Beugestrafe über XXXX gemäß § 36 Abs. 1 iVm. § 55 Abs. 1 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) samt Beilagen“. Begründend wurde dazu wörtlich auszugsweise ausgeführt:

„[…] Mit XXXX wurde die Ladung durch die Parlamentsdirektion per RSa-Brief und per Mail ausgefertigt. Die Ladung erging an XXXX ZMR-Adresse sowie an seine Rechtsvertretung, die Kanzlei RA XXXX .

Mit Schreiben von XXXX an das Parlament zu Handen des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka (in seiner Funktion als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses) und zu Handen von XXXX (in ihrer Funktion als Verfahrensrichterin des Untersuchungsausschusses) gab XXXX bekannt, dass XXXX sein Nicht-Erscheinen für den XXXX ‚aus wichtigem Grund‘ entschuldigen würde.

XXXX Rechtsvertretung brachte vor, dass gegen XXXX , verschiedene XXXX , etc. eine Vielzahl von Sachverhaltsdarstellungen bei den Strafverfolgungsbehörden (und zwar in verschiedenen Ländern) eingebracht worden sein sollen. Die hohe Anzahl sei die Erklärung dafür, dass XXXX über die gegen ihn eingebrachten Sachverhaltsdarstellungen bis dato keine Kenntnis habe. XXXX sei es faktisch unmöglich, sich gemeinsam mit seinem Rechtsbeistand auf eine Einvernahme inhaltlich vorzubereiten. Mangel Kenntnis der gegen ihn erhobenen Vorwürfe seitens der (Finanz-)Behörde könne XXXX nicht abschätzen, in welchem Ausmaß ihm ein Aussageverweigerungsrecht iSv § 43 Abs. 1 VO-UA zustehen würde.

Weiters führte XXXX Rechtsvertretung an, dass bei der konkreten Fallkonstellation somit auch massive Verletzungen von Beschuldigtenrechten im Raum stehen würden, deswegen die Situation für XXXX gegenwärtig unzumutbar sei. Auch die Vereinbarkeit mit Art. 6 EMRK bezweifle XXXX Rechtsvertretung.

Anders als die Fälle aus der Vergangenheit, bei denen die Gerichte urteilten, dass das (bloße) Vorliegen von Aussageverweigerungsgründen alleine noch nicht das Fernbleiben vor dem Untersuchungsausschuss berechtigen würde, sehe XXXX Rechtsvertretung den konkreten Fall anders gelagert und insofern ‚einzigartig‘: Aufgrund der fehlenden Verständigung durch die (Finanz-) Strafbehörden, sei es XXXX schlichtweg unmöglich zu beurteilen, in welchem Umfang er überhaupt aussagen müsse bzw. wo die Grenze zwischen wahrheitsgemäßer (und vollständiger) Aussage und seinem Aussageverweigerungsrecht (derzeit) liegen würde. Dies könne niemand beurteilen – weder XXXX selbst noch die Verfahrensrichterin oder der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. Da XXXX überhaupt nicht aussagen müsse, sei die vorliegende Situation mit jener Situation vergleichbar, wenn ein Verbot der Einvernahme als Auskunftsperson isd § 34 VO-UA bestehen würde.

Für XXXX Rechtsvertretung und XXXX sind die Unmöglichkeit, sich darüber zu informieren, wer welche strafrechtlichen Vorwürfe gegenüber XXXX erheben würde, ein genügender Entschuldigungsgrund isd § 36 VO-UA.

Leistet eine Auskunftsperson der ihr zugestellten Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge, kann der Untersuchungsausschuss gemäß § 36 Abs. 1 VO-UA beim Bundesverwaltungsgericht die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 55 VO-UA beantragen.

Eine ‚genügende Entschuldigung‘ im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA setzt voraus, dass die geladene Auskunftsperson durch den geltend gemachten Hinderungsgrund tatsächlich abgehalten wurde, der Ladung nachzukommen und dass sie durch ihr zumutbare Vorkehrungen diesen Hinderungsgrund auch nicht (rechtzeitig) beseitigen konnte. Die Auskunftsperson hat daher darzutun, dass der Nichtbefolgung der Ladung zwingende Gründe entgegenstehen. Ob eine im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA genügende Entschuldigung vorliegt, erfordert eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Umstände (vgl. VwGH 08.02.2021, Ra 2021/03/0001).

Eine Auskunftsperson hat nach § 33 Abs. 1 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) jedenfalls ‚der Ladung Folge zu leisten‘ und daneben die weitere Pflicht, ‚in der Befragung wahrheitsgemäß zu antworten‘, wobei diese Aussagepflicht zur Ladungsfolgeleistungspflicht hinzutritt. Sollten etwa Aussageverweigerungsgründe (vgl. § 43 ff leg. cit.) geltend gemacht werden oder die Frage der Beiziehung einer bestimmten Vertrauensperson (vgl. § 46 leg. cit., insbesondere dessen Abs. 4) strittig sein, bedeutet das somit nicht, dass eine Ladungsfolgeleistungspflicht nicht gegeben wäre (vgl. VwGH 27.01.2016, Ro 2015/03/0042).

Die behauptete Einzigartigkeit liegt in diesem Sinne nicht vor, da XXXX wie jede andere Auskunftsperson (allenfalls weitreichender) von seinen Aussageverweigerungsrechten (§ 43 VO-UA) Gebrauch machen könnte, wenn er sich mit seiner Aussage der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen würde. Durch sein Nichterscheinen verunmöglicht XXXX es dem Untersuchungsausschuss jedoch vollständig, auch (abstrakt mögliche) Fragen an die Auskunftsperson zu richten, zu denen kein Aussageverweigerungsrecht besteht. Denn neben den Themenkomplexen, bei denen XXXX vermutet, dass gegen ihn bzw. die XXXX Sachverhaltsdarstellungen eingebracht wurden, hätte XXXX genug Wahrnehmungen innerhalb des Untersuchungsgegenstands, die nicht Gegenstand eines strafgerichtlichen Verfahrens sind oder von vornherein nicht dazu geeignet sind, die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung auszulösen. Ein Aussageverweigerungsrecht besteht jedenfalls nur zu konkreten Fragestellungen, nicht zu ganzen Befragungsthemen. lnwiefern im Übrigen Verfahren gegen andere natürliche oder juristische Personen, die in keinem familiären Verhältnis zu XXXX selbst stehen, eine Aussageverweigerung rechtfertigen könnten, erschließt sich nicht, zumal XXXX selbst bereits in seiner Befragung im XXXX -Untersuchungsausschuss dargelegt hat, dass er nicht in die operativen Belange der XXXX und weiterer XXXX eingebunden sei.

Zu den Bedenken des XXXX im Hinblick auf die Öffentlichkeit der Befragung ist darauf zu verweisen, dass ihm als Auskunftsperson gemäß § 17 Abs. 3 VO-UA das Recht zukommt, den Ausschluss der Öffentlichkeit zu beantragen. Dieser Antrag setzt jedoch ein Erscheinen der Auskunftsperson voraus.

Der Befund, dass kein genügender Entschuldigungsgrund vorliegt, wird auch durch die zeitliche Abfolge der Ereignisse bestärkt: Die Absage durch XXXX erfolgte erst am Vorabend der geplanten Befragung, während der Untersuchungsausschuss über mehrere Wochen hinweg im Glauben gelassen wurde, dass mit einem Erscheinen der Auskunftsperson zu rechnen ist. Schließlich wurde der Termin von XXXX selbst vorgeschlagen und dies zu einem Zeitpunkt, als bereits sowohl die öffentliche Aufmerksamkeit zu seiner Person erhöht war als auch bereits medial über strafrechtliche Ermittlungen kolportiert wurde. Inwiefern sich dies zuletzt verschärft hat, ist unklar, zumal XXXX weiterhin nicht als Beschuldigter in einem Strafverfahren geführt wird. Dem Untersuchungsausschuss wurde durch das Vorgehen der Auskunftsperson jedenfalls verunmöglicht, auf allfällige, beachtenswerte Umstände oder Bedenken der Auskunftsperson im Hinblick auf den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte einzugehen. Dies kann dem Untersuchungsausschuss daher auch nicht ‚zur Entschuldigung‘ entgegengehalten werden.

XXXX Unkenntnis über die Anzahl und den Umfang seiner potenziellen Strafverfahren ist auch keinesfalls mit dem Verbot der Einvernahme nach § 34 VO-UA gleichzuhalten, da der Schutzzweck dieser Norm zum einen Personen mit psychischer Krankheit oder geistiger Behinderung betrifft bzw. Geistliche, die durch die Auskunft das Beichtgeheimnis oder die Amtsverschwiegenheit verletzen würden.

XXXX ist somit ohne genügende Entschuldigung nicht zu seiner Befragung als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss erschienen. […]“

In der Beilage wurden ua. die folgenden Unterlagen übermittelt: Ein Aktenvermerk mit einem zusammenfassenden Überblick über die vom Untersuchungsausschuss vorgenommenen Handlungen betreffend die Ladungen an XXXX (im Folgenden: Antragsgegner) für den Befragungstermin am XXXX ; eine ZMR-Anfrage zum Antragsgegner, Ladungen vom XXXX , Zl. XXXX , des Antragsgegners als Auskunftsperson in den Untersuchungsausschuss am XXXX , 9:00 Uhr, adressiert an ihn persönlich sowie an seinen Rechtsanwalt; Übernahmebestätigungen der Ladungen jeweils vom XXXX ; ein E-Mail des Rechtsanwalts des Antragsgegners vom XXXX , mit dem er seine Bevollmächtigung bekanntgibt und den Ladungstermin XXXX bestätigt; ein Schreiben des Rechtsanwalts des Antragsgegners vom XXXX mit der Bekanntgabe (und umfangreicher Begründung), dass der Antragsgegner nicht zum Befragungstermin im Untersuchungsausschuss am XXXX erscheinen wird.

2. Mit Schriftsatz vom XXXX ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Parlamentsdirektion, Fragen zu einem etwaigen neuerlichen Ladungstermin des Antragsgegners binnen Frist zu beantworten.

3. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom selben Tag wurde dem Antragsgegner, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, die Ladung zur für den XXXX am Bundesverwaltungsgericht anberaumten Vernehmung zugestellt. Der Ladung lag der verfahrensgegenständliche Antrag des Untersuchungsausschusses bei.

4. Am XXXX übermittelte die Parlamentsdirektion dem Bundesverwaltungsgericht eine schriftliche Stellungnahme.

5. Am XXXX teilte die Parlamentsdirektion dem Bundesverwaltungsgericht telefonisch mit, dass der Antrag des Untersuchungsausschusses samt Beilagen mit Ausnahme der Beilage 10 („Amtliches Protokoll“) dem Antragsgegner zur Kenntnis gebracht werden könne.

6. Mit Schriftsatz vom XXXX übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Antragsgegner die nicht von der Akteneinsicht ausgenommenen Beilagen zum verfahrensgegenständlichen Antrag zur Stellungnahme binnen Frist.

7. Am XXXX langte eine Stellungnahme ein, mit der auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes vorgebracht wurde:

Der Antragsgegner sei mit einer „Unmenge“ an Sachverhaltsdarstellungen von Strafbehörden und Anzeigen, wahrscheinlich weit über 70, konfrontiert, deren Inhalte dem Antragsgegner bis dato vollkommen unbekannt seien. Die dem Antragsgegner aus den Medien bekannten Ermittlungen beträfen die im Untersuchungsausschuss behandelten Beweisthemen 1, 2 und 3. Erst einen Tag vor dem geplanten Befragungstermin im Untersuchungsausschuss habe der Antragsgegner erstmalig von einer bisher unbekannten Verständigung gemäß § 50 StPO über die Führung eines Ermittlungsverfahrens Kenntnis erlangt. Diese Situation sei mit einem punktuellen Aussageverweigerungsrecht nicht vergleichbar. Die Regelung in § 45 Abs. 1 VO-UA, gemäß derer die Auskunftsperson auf Nachfrage glaubhaft zu machen habe, warum ein Aussageverweigerungsrecht vorliege, würde bewirken, dass der Antragsgegner, da er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht kenne, Mutmaßungen anstellen müsse, „wer ihn aller wegen welchen Sachverhalten auch immer angezeigt haben könnte“. Diese Verpflichtung verletze den Kern des Nemo-tenetur-Prinzips, also des verfassungsrechtlich garantierten Prinzips des Verbots der erzwungenen Selbstbelastung. Die VO-UA sei deshalb dahingehend auszulegen, dass dieses Recht sowie andere verfassungsgesetzlich geschützte Rechte garantiert werden. Da niemand in der Lage sei, abzuschätzen, ob die bisher unbekannten Vorwürfe eine konkrete im Untersuchungsausschuss gestellte Frage betreffen oder nicht, liege ein „umfassendes Aussageverweigerungsrecht“ jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, zu dem man über die Vorwürfe informiert sei, vor.

Das Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse der Parlamentsdirektion führe aus, dass eine genügende Entschuldigung vorliege, wenn man nicht zur Befragung erscheine, weil man nicht aussagen dürfe. Die Ladung einer Auskunftsperson in den Untersuchungsausschuss, bzw. die Verpflichtung dieser Person, zu erscheinen, obwohl sie dann nicht aussagen müsse, habe keinen Nutzen für den Untersuchungsausschuss und sei daher unverhältnismäßig, unsachlich und daher nicht rechtens. In diesem Zusammenhang sei auch auf das zeitlich unglückliche Zusammentreffen von XXXX und XXXX hinzuweisen. Ohne diese Situation wäre es wohl auch seitens des Untersuchungsausschusses unproblematisch gewesen, den Antragsgegner später zu laden. Der Zeitdruck dürfe aber nicht dazu führen, die Grundrechte des Antragsgegners zu unterlaufen. Eine grundrechtskonforme Auslegung der VO-UA müsse zu dem Ergebnis führen, dass die Befragung von Personen, gegen die strafrechtliche Ermittlungen anhängig seien bzw. gerade eingeleitet würden, erst dann zulässig sei, wenn die betroffene Person den Umfang der Ermittlungen und die betreffenden ermittlungsgegenständlichen Sachverhalte kenne. Dies sei notwendig, um die Gründe für die Aussageverweigerung iSd § 45 VO-UA glaubhaft machen zu können, was wiederum dem Telos der Bestimmung entspreche.

Hinsichtlich § 34 VO-UA sei auszuführen, dass das Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse der Parlamentsdirektion in Randziffer 407 ausführe, dass eine genügende Entschuldigung vorliege, wenn man nicht vernommen werden dürfe. Die Situation sei insoweit dieselbe, da der Antragsgegner aufgrund seines „allumfassenden Aussageverweigerungsrechts“ nicht vernommen werden könne.

Im Ergebnis sei der Antragsgegner dem Untersuchungsausschuss berechtigt ferngeblieben, weil ein genügender Entschuldigungsgrund vorgelegen sei (und noch vorliege). Weder der Antragsgegner noch die Mitglieder des Untersuchungsausschusses würden die zahlreichen strafrechtlichen Vorwürfe kennen, die gegen den Antragsgegner erhoben werden würden. Er könne das Vorliegen von Aussageverweigerungsgründen daher nicht glaubhaft machen bzw. müsste Mutmaßungen über die unbekannten Vorwürfe anstellen, was mit dem Nemo-tenetur-Grundsatz absolut unvereinbar sei. Die VO-UA sei daher grundrechtskonform dahingehend auszulegen, dass bei Vorliegen eines umfassenden Aussageverweigerungsrechts aufgrund von zwar nachweislich vorliegenden, dennoch unverschuldet nicht bekannten strafrechtlichen Vorwürfen gegen eine Auskunftsperson das Nicht-Erscheinen zur Befragung – bis zur Information seitens der Behörden – genügend entschuldigt iSd § 36 VO-UA sei. Es sei daher keine Beugestrafe zu verhängen.

8. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht eine Vernehmung durch, an der der Rechtsanwalt des Antragsgegners teilnahm. Im Rahmen der Vernehmung wurde er zu den persönlichen Verhältnissen des Antragsgegners sowie zu den Gründen für dessen Fernbleiben von der Sitzung des Untersuchungsausschusses am XXXX befragt. Weiters wurde die Fragestellung erörtert, ob die konkrete Fallkonstellation für den Antragsgegner einen Entschuldigungsgrund im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA darstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat – durch einen gemäß § 56 Abs. 1 VO-UA gebildeten Senat – erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Einsetzung des Untersuchungsausschusses:

Der antragstellende Untersuchungsausschuss wurde am XXXX eingesetzt (siehe XXXX ):

„Veröffentlichung gemäß § 33 Absatz 9 der Geschäftsordnung des Nationalrates betreffend: Zeitpunkt der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

In der Sitzung des Nationalrates am XXXX wurde folgender Zeitpunkt für die Einsetzung des XXXX -Untersuchungsausschusses in der Fassung des Ausschussberichts XXXX der Beilagen festgestellt:

XXXX “

1.2. Ladung in den Untersuchungsausschuss:

Der Rechtsanwalt des Antragsgegners bestätigte gegenüber der Parlamentsdirektion mit E-Mail vom XXXX den für XXXX angekündigten Befragungstermin.

Mit E-Mail vom XXXX an den Rechtsanwalt des Antragsgegners übermittelte die Parlamentsdirektion vorab die Ladung des Antragsgegners für den XXXX inklusive einen Auszug betreffend den Untersuchungsgegenstand und die Beweisthemen sowie den Link zum vollständigen Einsetzungsverlangen des Untersuchungsausschusses.

Mit Schreiben vom XXXX fertigte die Parlamentsdirektion eine an den Antragsgegner und an seinen Rechtsanwalt adressierte Ladung inklusive Beilagen für eine Befragung in der Sitzung des Untersuchungsausschusses am XXXX aus. Die Ladung inklusive Beilagen wurde am XXXX nachweislich sowohl vom Antragsgegner selbst als auch an der Kanzleiadresse seines Rechtsanwalts übernommen.

1.3. (Medial kolportierte) strafbehördliche Ermittlungen, mangelnde Information:

Spätestens seit XXXX ist aus verschiedenen Medien bekannt, dass gegen den Antragsgegner Strafanzeigen und Sachverhaltsdarstellungen bei Strafbehörden eingebracht wurden oder werden sollten. Es war dem Antragsgegner bis zum XXXX nicht möglich, sich einen Überblick über die Anzahl der anhängigen Verfahren sowie die konkret gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verschaffen.

In diesem Zusammenhang ist speziell anzumerken, dass dem Antragsgegner bereits in einem deutlichen zeitlichen Abstand vor dem XXXX , spätestens am XXXX , klar gewesen sein muss, dass es ihm nicht rechtzeitig vor dem Befragungstermin im Untersuchungsausschuss möglich sein wird, sich einen quantitativen Überblick und inhaltliches Detailwissen über die ihm (nur) aus den Medien bekannten strafbehördlichen Ermittlungen im In- und Ausland zu verschaffen.

1.4. Ankündigung des Nichterscheinens im Untersuchungsausschuss:

Mit Schriftsatz vom XXXX kündigte der Rechtsanwalt des Antragsgegners an, dass dieser nicht zum Befragungstermin am XXXX erscheinen werde.

Auf das Wesentliche zusammengefasst wurde in diesem Schriftsatz vorgebracht, dass es dem Antragsgegner aufgrund der hohen Anzahl von durch Strafverfolgungsbehörden eingebrachten Sachverhaltsdarstellungen im Zusammenhang mit XXXX unmöglich sei, abzuschätzen, in welchem Umfang ihm ein Aussageverweigerungsrecht iSv § 43 Abs. 1 VO-UA zustehe. Eine massive Verletzung von Beschuldigtenrechten sowie von Art. 6 EMRK stehe im Raum. Es könne auch nicht beurteilt werden, in welchem Ausmaß eine Verpflichtung zur Aussage bestehe, weshalb der Antragsgegner überhaupt nicht aussagen müsse. Dies sei einem Verbot der Einvernahme als Auskunftsperson iSv § 34 VO-UA gleichzuhalten. Die konkrete Fallkonstellation stelle– jedenfalls bis zur Besserung der Informationslage – einen ausreichenden Entschuldigungsgrund für das Nichterscheinen im Untersuchungsausschuss dar.

Die kurzfristige Absage am XXXX erfolgte insbesondere, um die mediale Berichterstattung über das geplante Nicht-Erscheinen im Untersuchungsausschuss über das XXXX nicht zusätzlich zu „befeuern“.

1.5. Sitzung des Untersuchungsausschusses am XXXX :

Am XXXX erschien der Antragsgegner nicht in der XXXX Sitzung des Untersuchungsausschusses und wurde das Nichterscheinen festgestellt.

1.6. Vorliegender Antrag:

Am XXXX beschloss der Untersuchungsausschuss einstimmig den vorliegenden Antrag an das Bundesverwaltungsgericht betreffend Verhängung einer Beugestrafe über den Antragsgegner (zum Wortlaut siehe I.1.).

Dieser Antrag wurde dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX übermittelt (zu dessen Begründung und Beilagen siehe I.1.).

1.7. Persönliche Verhältnisse des Antragsgegners:

Der Antragsgegner ist XXXX Staatsbürger und verfügt über eine aufrechte Wohnsitzmeldung in XXXX . Er ist von Beruf XXXX und hat Sorgepflichten für XXXX und seine XXXX . Am XXXX wurde ein Konkursverfahren (Privatkonkurs) betreffend den Antragsgegner bekannt gemacht XXXX . Der Antragsgegner machte vor dem Bundesverwaltungsgericht keine weiteren Angaben zu seinen aktuellen Einkommensverhältnissen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Einsetzung des Untersuchungsausschusses:

Die unter II.1.1. getroffenen Feststellungen zum Zeitpunkt der Einsetzung des antragstellenden Untersuchungsausschusses gründen sich auf den zitierten Link (vom Bundesverwaltungsgericht abgerufen am XXXX ).

2.2. Ladung in den Untersuchungsausschuss:

Die unter II.1.2. getroffenen Feststellungen zur Ladung des Antragsgegners und deren nachweislicher Zustellung gründen sich ebenso wie die unter Einem getroffenen Feststellungen zur E-Mail-Korrespondenz zwischen der Parlamentsdirektion und dem Rechtsanwalt des Antragsgegners XXXX auf den vorliegenden Antrag des Untersuchungsausschusses samt den übermittelten Beilagen.

2.3. (Medial kolportierte) strafbehördliche Ermittlungen, mangelnde Information:

Die unter II.1.3. getroffenen Feststellungen zu den in den Medien kolportieren, gegen den Antragsgegner bei Strafverfolgungsbehörden eingebrachten Sachverhaltsdarstellungen und Strafanzeigen gründen sich auf das diesbezügliche Vorbringen im Schriftsatz des Antragsgegners vom XXXX und das ergänzende Vorbringen sowie die im Rahmen der Vernehmung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Ausdrucke von Medienberichten.

Dass es dem Antragsgegner bis zum XXXX nicht möglich war, sich einen Überblick über die Anzahl der anhängigen Verfahren sowie die konkret gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verschaffen, ergibt sich aus den in der Vernehmung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Anträgen an die WKStA auf Bekanntgabe von Ermittlungen vom XXXX und XXXX und die diesbezüglichen Antwortschreiben der WKStA vom XXXX und XXXX , in denen u.a. jeweils darauf hingewiesen wurde, dass „Ermittlungsverfahren, für die eine Auskunftssperre in der Verfahrensautomation Justiz besteht, nicht aufscheinen und daher auch nicht beauskunftet werden können“.

Die Feststellungen, dass dem Antragsgegner bereits in einem deutlichen zeitlichen Abstand vor dem XXXX , spätestens am XXXX , klar gewesen sein muss, dass es ihm nicht rechtzeitig vor dem Befragungstermin im Untersuchungsausschuss möglich sein wird, sich einen quantitativen Überblick und inhaltliches Detailwissen über die strafbehördlichen Ermittlungen zu verschaffen, gründen sich auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom XXXX , die Aussagen in der Vernehmung vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. S. 4 und 5 der Niederschrift) und die vorgelegten Anträge an die WKStA (Beilagen 1 – 3 zur Niederschrift der Vernehmung).

2.4. Ankündigung des Nichterscheinens im Untersuchungsausschuss:

Die unter II.1.4. getroffenen Feststellungen zur Ankündigung des Nichterscheinens des Antragsgegners in der Sitzung des Untersuchungsausschusses per E-Mail vom XXXX gründen sich auf den vorliegenden Antrag des Untersuchungsausschusses samt den übermittelten Beilagen.

Die zusammengefasst festgestellten geltend gemachten Gründe für das Nichterscheinen des Antragsgegners am XXXX beruhen auf den Angaben im anwaltlichen Schreiben vom XXXX sowie auf jenen in der Vernehmung (zur Prüfung dieser Gründe vgl. die rechtliche Beurteilung).

Dass die kurzfristige Absage am XXXX insbesondere erfolgte, um die mediale Berichterstattung über das Nicht-Erscheinen im Untersuchungsausschuss über das XXXX nicht zusätzlich zu „befeuern“, ergibt sich aus der Aussage in der Vernehmung (vgl. S. 5 der Niederschrift).

2.5. Sitzung des Untersuchungsausschusses am XXXX :

Dass der Antragsgegner nicht zur Befragung in der Sitzung des Untersuchungsausschusses am XXXX erschien und dies im Untersuchungsausschuss festgestellt wurde, ist im Verfahren völlig unstrittig. Es ergibt sich aus dem gegenständlichen Antrag des Untersuchungsausschusses und wurde weder in einem Schriftsatz noch in der Vernehmung am XXXX bestritten.

2.6. Vorliegender Antrag:

Die unter II.1.6. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Antrag des Untersuchungsausschusses vom XXXX samt den übermittelten Beilagen (vgl. I.1.) und sind unbestritten. Soweit der Antragsgegner einen Entschuldigungsgrund iSv § 36 VO-UA geltend macht, ist auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung zu verweisen.

2.7. Persönliche Verhältnisse des Antragsgegners:

Die unter II.1.7. getroffenen Feststellungen gründen sich auf die glaubwürdigen Angaben in der Vernehmung vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. S. 3 f der Niederschrift).

Die Feststellungen zur derzeitigen Berufstätigkeit, zum Konkursverfahren und zum aktuellen Einkommen des Antragsgegners beruhen auf den Angaben in der Vernehmung (vgl. insbesondere S. 3 und 4 der Niederschrift) und einer Einsichtnahme in die Ediktsdatei am XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtslage:

3.1.1. Anlage 1 „VERFAHRENSORDNUNG FÜR PARLAMENTARISCHE UNTERSUCHUNGSAUS-SCHÜSSE (VO-UA)“ zum Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – GOG), BGBl. Nr. 410/1975 idF BGBl. I Nr. 54/2023 (Auszug):

„Beweisaufnahme

§ 22. (1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die Beweise im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes. Beweise werden aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses, der ergänzenden Beweisanforderungen, der Ladung von Auskunftspersonen und Sachverständigen sowie durch Augenschein erhoben.“

„Ausfertigung der Ladung

§ 32. (1) Ladungen sind vom Vorsitzenden ohne unnötigen Aufschub auszufertigen.

(2) Die erstmalige Ladung kann ohne Zustellnachweis erfolgen. Jede weitere Ladung ist dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellen.

Rechte und Pflichten von Auskunftspersonen

§ 33. (1) Die Auskunftsperson hat der Ladung Folge zu leisten und in der Befragung wahrheitsgemäß zu antworten. Davon unberührt bleiben die Aussageverweigerungsgründe gemäß §§ 43 und 44. Die Auskunftsperson hat insbesondere das Recht

1. sich gemäß § 11 Abs. 4 vor und während ihrer Befragung im Untersuchungsausschuss mit dem Verfahrensanwalt zu beraten,

2. sich bei ihrer Befragung von einer Vertrauensperson gemäß § 46 begleiten zu lassen und im Fall des Ausschlusses gemäß § 46 Abs. 4 die Befragung zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen,

3. eine einleitende Stellungnahme gemäß § 39 Abs. 1 abzugeben,

4. Beweisstücke und Stellungnahmen gemäß § 39 Abs. 3 vorzulegen und deren Veröffentlichung oder deren Klassifizierung zu beantragen,

5. die Zulässigkeit von Fragen gemäß § 41 Abs. 4 zu bestreiten,

6. auf Vorlage von Akten und Unterlagen gemäß § 42,

7. den Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 17 zu beantragen,

8. das Protokoll gemäß § 19 Abs. 3 vorgelegt zu erhalten und Einwendungen gegen Fehler der Übertragung und den Umfang der Veröffentlichung seiner Befragung zu erheben sowie einzelne Berichtigungen in geringfügigem Ausmaß anzuregen,

9. über den Entwurf des Ausschussberichts, einen Fraktionsbericht und eine abweichende persönliche Stellungnahme gemäß § 51 Abs. 3 verständigt zu werden und dazu Stellung zu nehmen sowie

10. Kostenersatz gemäß § 59 zu begehren.

(2) […]

Unzulässigkeit der Befragung als Auskunftsperson

§ 34. Als Auskunftspersonen dürfen nicht angehört werden:

1. Personen, die wegen einer psychischen Krankheit, wegen einer geistigen Behinderung oder aus einem anderen Grund unfähig sind, die Wahrheit anzugeben;

2. Geistliche in Ansehung dessen, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde.“

„Folgen des Ausbleibens von Auskunftspersonen

§ 36. (1) Wenn eine Auskunftsperson der ihr gemäß § 32 Abs. 2 zu eigenen Handen zugestellten Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge leistet, kann der Untersuchungsausschuss beim Bundesverwaltungsgericht die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 55 beantragen. Der Antrag ist zu begründen.

(2) Der Untersuchungsausschuss kann die Auskunftsperson zugleich neuerlich laden und androhen, dass er bei nochmaliger Nichtbefolgung der Ladung die Vorführung beschließen könne. Leistet die Auskunftsperson einer solchen Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge, so kann der Untersuchungsausschuss beschließen, dass sie durch die politische Behörde vorzuführen ist.

(3) Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 sind vom Vorsitzenden auszufertigen.

(4) Gegen die Vorführung gemäß Abs. 2 ist eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig.

Befragung von Auskunftspersonen

§ 37. (1) Die Auskunftspersonen sind einzeln in Abwesenheit der später zu hörenden Auskunftspersonen zu befragen.

(2) Der Vorsitzende kann nach Beratung mit dem Verfahrensrichter sowie nach Möglichkeit unter Einbeziehung der Fraktionen in einer Sitzung die gemäß § 30 Abs. 2 bestimmte Reihenfolge der Befragung von Auskunftspersonen ändern.

(3) Auskunftspersonen, deren Aussagen voneinander abweichen, können einander gegenübergestellt werden. Dabei können unter Hinweis auf Widersprüche zwischen den Aussagen von allen Ausschussmitgliedern weitere Fragen zur Aufklärung dieser Widersprüche gestellt werden.

(4) Die Befragung einer Auskunftsperson soll drei Stunden nicht überschreiten. Die Befragung ist vom Vorsitzenden nach längstens vier Stunden für beendet zu erklären. Die Erstbefragung und eine einleitende Stellungnahme gemäß § 39 sowie Sitzungsunterbrechungen werden nicht eingerechnet.

Belehrung der Auskunftspersonen

§ 38. Der Verfahrensrichter hat zunächst die Personaldaten der Auskunftsperson zu prüfen. Er hat sie vor ihrer Befragung über die Gründe für eine Verweigerung der Aussage und einen Ausschluss der Öffentlichkeit sowie die Pflicht zur Angabe der Wahrheit und die strafrechtlichen Folgen einer falschen Aussage zu belehren. Diese Belehrung ist im Amtlichen Protokoll festzuhalten.

Einleitende Stellungnahme und Erstbefragung

§ 39. (1) Der Verfahrensrichter hat der Auskunftsperson die Möglichkeit zu einer einleitenden Stellungnahme zu geben, die 20 Minuten nicht überschreiten soll.

(2) Der Verfahrensrichter führt anschließend im Auftrag des Vorsitzenden die Erstbefragung der Auskunftsperson zum Thema der Befragung durch, die 15 Minuten nicht überschreiten soll.

(3) Auskunftspersonen können Beweismittel und Stellungnahmen vorlegen, die zu den Ausschussakten zu nehmen sind. Die Auskunftsperson kann deren Veröffentlichung oder Klassifizierung beantragen. Darüber entscheidet der Untersuchungsausschuss.“

„Aussageverweigerungsgründe

§ 43. (1) Die Aussage kann von einer Auskunftsperson verweigert werden:

1. über Fragen, deren Beantwortung die Privatsphäre der Auskunftsperson oder eines Angehörigen (§ 72 StGB) betreffen oder für sie oder einen Angehörigen die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung nach sich ziehen würde;

2. über Fragen, deren Beantwortung für die Auskunftsperson oder einen Angehörigen einen unmittelbaren bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteil nach sich ziehen würde;

3. in Bezug auf Tatsachen, über welche sie nicht aussagen können würde, ohne eine gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit zu verletzen, sofern sie nicht von der Pflicht zur Geheimhaltung gültig entbunden wurde oder als öffentlich Bediensteter gemäß § 35 zur Aussage verpflichtet ist;

4. in Ansehung desjenigen, was ihr in ihrer Eigenschaft als Verteidiger oder Rechtsanwalt bekannt geworden ist;

5. über Fragen, welche die Auskunftsperson nicht beantworten können würde, ohne ein Kunst- oder Geschäftsgeheimnis zu offenbaren;

6. über die Frage, wie die Auskunftsperson ihr Wahlrecht oder Stimmrecht ausgeübt hat, wenn dessen Ausübung gesetzlich für geheim erklärt ist;

7. über Fragen, deren Beantwortung Quellen im Sinne des Art. 52a Abs. 2 B-VG gefährden würde.

(2) […]“

„Glaubhaftmachung der Gründe für die Aussageverweigerung

§ 45. (1) Eine Auskunftsperson, welche die Aussage verweigern will, hat die Gründe der Verweigerung bei der zu ihrer Befragung bestimmten Sitzung oder in ihrer schriftlichen Äußerung gemäß § 31 anzugeben und, falls dies ein Mitglied des Untersuchungsausschusses oder der Vorsitzende verlangt, glaubhaft zu machen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet nach Beratung mit dem Verfahrensrichter über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung. Kommt er zur Auffassung, dass die Verweigerung der Aussage nicht gerechtfertigt ist, kann er bei fortgesetzter Verweigerung beim Bundesverwaltungsgericht die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 55 beantragen. Der Antrag ist zu begründen.“

„Beugemittel

§ 55. (1) Als Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer Ladung als Auskunftsperson kommt eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall in der Höhe von 2 000 Euro bis 10 000 Euro in Betracht.

(2) Als Beugestrafe wegen ungerechtfertigter Verweigerung der Aussage kommt eine Geldstrafe bis zu 1 000 Euro in Betracht.

Zuständigkeit und Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts

§ 56. (1) In den Fällen der §§ 36 Abs. 1 und 4 und 45 Abs. 2 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Senat. Das Bundesverwaltungsgericht hat die für seine Entscheidung notwendigen Ermittlungen durchzuführen.

(2) In den Fällen der §§ 36 Abs. 1 und 45 Abs. 2 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen vier Wochen zu entscheiden.

(3) Jeder Beschluss gemäß Abs. 1 hat eine Belehrung über die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und einer ordentlichen oder außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu enthalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner hinzuweisen:

1. auf die bei der Einbringung einer solchen Beschwerde bzw. Revision einzuhaltenden Fristen;

2. auf die gesetzlichen Erfordernisse der Einbringung einer solchen Beschwerde bzw. Revision durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt;

3. auf die für eine solche Beschwerde bzw. Revision zu entrichtenden Eingabegebühren.

(4) Für die Bemessung der Beugestrafe gemäß § 55 hat das Bundesverwaltungsgericht § 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, sinngemäß anzuwenden.“

3.1.2. Die Gesetzesmaterialien halten zu den zitierten Bestimmungen fest:

3.1.2.1. Zur Rechtslage bis zur Novelle BGBl. I Nr. 63/2021 (vgl. 440 der Beilagen XXV. GP – Ausschussbericht NR):

„Zu §§ 30 bis 32:

Um eine gewisse Flexibilität bei der Ladung von Auskunftspersonen zu ermöglichen (z.B. Berücksichtigung anderer Termine von Auskunftspersonen), soll der Vorsitzende nach Beratung mit dem Verfahrensrichter den genauen Zeitpunkt festlegen können. Dies soll unter Information der Fraktionen passieren, nach Möglichkeit ist eine einvernehmliche Vorgangsweise zu finden. Die Festlegung des Befragungszeitpunkts soll weiters im Interesse der Zweckmäßigkeit der Befragung liegen. Dies bezieht sich insbesondere auf eine effiziente Ermittlung der materiellen Wahrheit durch den Untersuchungsausschuss (z. B. durch die Abfolge der Befragung bestimmter Auskunftspersonen, die Berücksichtigung der vorliegenden Akten und Unterlagen oder die thematische Gliederung der Untersuchungen). Aufgrund der Rechtsfolgen, die mit einer Ladung verbunden sind, soll nunmehr auch die Zustellung von Ladungen eindeutig geregelt werden. Das Zustellgesetz ist für den Nationalrat nicht anwendbar. Die erstmalige Ladung kann wie im gerichtlichen Verfahren ohne Zustellnachweis erfolgen. Eine Ladung per E-Mail ist also zulässig. Sofern eine Ladung ohne Zustellnachweis erfolgt ist, ist die Anordnung von Zwangsmaßnahmen oder das Ersuchen um Verhängung einer Beugestrafe nicht möglich. Die Bestimmung stellt aber sicher, dass in besonderen Fällen schon bei der ersten Ladung mit Zustellnachweis geladen werden kann. Der Vorsitzende hat Ladungen ohne unnötigen Aufschub auszufertigen. Die Einladung zur schriftlichen Äußerung gemäß § 31 ist ein Recht, dass dem Untersuchungsausschuss zusätzlich zur Ladung von Auskunftspersonen zusteht. Es steht in keiner Konkurrenz zur Ladung von Auskunftspersonen.

Zu § 33:

In dieser Bestimmung werden im Sinne der Rechtssicherheit und -klarheit alle Rechte und Pflichten der Auskunftsperson zusammenfassend dargestellt, und es wird auf die entsprechenden Ausführungen im Gesetz verwiesen. Darüber hinaus wird es in der Praxis der Untersuchungsausschüsse notwendig sein, organisatorische Maßnahmen zu treffen, die einen unbehelligten Zu- und Abgang aller Auskunftspersonen und Vertrauenspersonen zum Ausschusslokal ermöglichen. Ebenso wird dafür Vorsorge zu treffen sein, dass dabei das Recht der Auskunftsperson und der Vertrauensperson am eigenen Bild gewahrt bleibt.

Zu § 34:

Diese Bestimmungen entsprechen der bisherigen Rechtslage.“

„Zu § 36:

Diese Bestimmungen entsprechen der bisherigen Rechtslage mit der Maßgabe, dass die Verhängung von Beugestrafen nunmehr beim Bundesverwaltungsgericht zu beantragen ist. Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage und der damit verbundenen Problematik des fehlenden Rechtsschutzes gegen eine Vorführung wird nun auch eine ausdrückliche Beschwerdemöglichkeit an das Bundesverwaltungsgericht vorgesehen. Eine aufschiebende Wirkung besteht nicht.

Zu §§ 37 bis 39:

Die Bestimmungen regeln die Befragung von Auskunftspersonen und fassen diese übersichtlich zusammen. Neu ist die Festlegung einer maximalen Befragungszeit und die Durchführung der Erstbefragung durch den Verfahrensrichter. Um den Schutz persönlicher Daten zu gewährleisten, wird weiters auch vorgesehen, dass der Verfahrensrichter die Personaldaten der Auskunftsperson nur prüfen, aber nicht öffentlich bekanntgeben soll. Die Auskunftsperson soll gemäß § 39 nun auch schriftliche Beweismittel und Stellungnahmen vorlegen können. In Anpassung an die bestehende Strafbarkeit von Falschaussagen soll auch eine korrespondierende Bestimmung betreffend Vorlage gefälschter Beweismittel durch Auskunftspersonen im Untersuchungsausschuss in § 293 StGB geschaffen werden.“

„Zu §§ 43 bis 45:

Die Bestimmungen entsprechen der geltenden Rechtslage mit der Maßgabe, dass bei den Aussageverweigerungsgründen auch der Quellenschutz im Sinne von Art. 52a Abs. 2 B-VG geltend gemacht werden kann, und dass die Verhängung einer Beugestrafe beim Bundesverwaltungsgericht zu beantragen ist.“

„Zu § 55:

Mit dieser Regelung sollen eigenständige Beugemaßnahmen in der Verfahrensordnung vorgesehen werden. Angesichts der besonderen Bedeutung des Untersuchungsausschussverfahrens sollen entsprechende Geldstrafen verhängt werden können. Dafür ist jeweils ein Antrag des Ausschusses an das Bundesverwaltungsgericht erforderlich, das in einem besonderen Verfahren (§ 56) entscheidet. Der Untersuchungsausschuss kann mit Ausnahme der Anordnung einer Vorführung einer Auskunftsperson keine Zwangsmittel verhängen.

Zu § 56:

Aufgrund der engen Verknüpfung zwischen dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht betreffend Beugemaßnahmen und dem Rechtsschutz gegen die Vorführung von Auskunftspersonen sollen die Verfahrensregeln auf Grundlage von Art. 136 Abs. 3a iVm Art. 130 Abs. 1a B-VG in der Verfahrensordnung geregelt werden.“

Zu § 34 VO-UA führen die Gesetzesmaterialien wie zitiert aus, dass die Bestimmungen der bisherigen Rechtslage entsprechen. Die Materialien zu (ehemals) § 5 VO-UA, BGBl. I Nr. 131/1997 (vgl. 871 der Beilagen XX. GP – Ausschussbericht des NR). lauten: „Die Vernehmungsverbote des § 5 orientieren sich an den Bestimmungen über das zivilgerichtliche Verfahren (§ 320 ZPO).“.

3.1.2.2. Zur Rechtslage ab der Novelle BGBl. I Nr. 63/2021 (vgl. 725 der Beilagen XXVII. GP – Ausschussbericht NR):

„Zu Z 7 und 8 (§ 56 Abs. 1 und 2 der Anlage 1 zum Geschäftsordnungsgesetz 1975):

Es soll in Folge des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.8.2020, W234 2233183-1, klargestellt werden, dass die Ermittlungspflicht in den Fällen der §§ 36 Abs. 1 und 4 und 45 Abs. 2 VO-UA beim Bundesverwaltungsgericht liegt. Dies umfasst auch die Einholung allenfalls erforderlicher Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand einer Auskunftsperson.

Da die Einholung von Gutachten eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, soll die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts auf vier Wochen verlängert werden.“

3.2. Prüfung der Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 2 VO-UA:

3.2.1. Begründung des Antrages des Untersuchungsausschusses:

Mit Erkenntnis vom 27.01.2016, Ro 2015/03/0042, sprach der Verwaltungsgerichtshof zum Erfordernis der Begründung des Antrages auf Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 36 Abs. 1 zweiter Satz VO-UA aus:

„§ 36 Abs 1 VO-UA normiert, dass der Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe zu begründen ist, ohne dass die Bestimmung nähere Vorgaben über Form und Inhalt dieser Begründung normieren würde. Auch in den Gesetzesmaterialien zur Novelle der VO-UA durch BGBl I Nr 99/2014, IA 719/A XXV. GP , Seite 36, finden sich keine näheren Ausführungen dazu, welche Begründungselemente in einem auf § 36 Abs 1 VO-UA gestützten Antrag zu enthalten sein müssen. Dort wird lediglich ausgeführt, dass § 36 VO-UA im Wesentlichen der bisherigen Rechtslage mit der Maßgabe entspricht, dass die Verhängung von Beugestrafen nunmehr beim BVwG zu beantragen ist. Bis zur Novelle BGBl I Nr 99/2014 war die Verhängung von Beugestrafen in den §§ 21 f VO-UA geregelt, wobei die Verhängung einer Beugestrafe über eine Auskunftsperson wegen unentschuldigtem Nichterscheinen über Antrag des Untersuchungsausschusses durch das Bezirksgericht Wien Innere Stadt zu erfolgen hatte. Auch gemäß § 22 Abs 1 VO-UA in der Fassung vor der Novelle BGBl I Nr 99/2014 war ein Antrag eines Untersuchungsausschusses auf Verhängung einer Beugestrafe mit den hierfür maßgeblichen Gründen zu versehen. Diese Bestimmung wurde durch die Novelle BGBl I Nr 131/1997 eingeführt, wobei auch die Materialien zu dieser Novelle, IA 507/A XX. GP , Seite 21, keine näheren Vorgaben dahingehend aufzeigen, welche Begründungselemente ein Antrag eines Untersuchungsausschusses auf Verhängung einer Beugestrafe zu enthalten hat.

[…] Zweck der gesetzlichen Vorgabe, wonach der Untersuchungsausschuss seinen Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe zu begründen hat, kann nur sein, dem BVwG bereits mit der Übermittlung des Antrages die wesentlichen Gründe, die den Untersuchungsausschuss zur Stellung des Antrages veranlasst haben, mitzuteilen und damit eine (erste) Grundlage für die Entscheidung des BVwG zu liefern. Dies auch vor dem Hintergrund, als das BVwG über einen derartigen Antrag gemäß § 56 Abs 2 VO-UA binnen vierzehn Tagen zu entscheiden hat, womit die Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens in der Regel nicht in Betracht kommen wird.

[…] Der gegenständliche Antrag des […] Untersuchungsausschusses […] umfasst nicht nur eine chronologische Wiedergabe der Geschehnisse, sondern auch eine Darlegung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen und eine nähere Begründung, weshalb der Untersuchungsausschuss die einzige vom Revisionswerber für sein Fernbleiben […] ins Treffen geführte Entschuldigung, nämlich die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren, als keine genügende Entschuldigung im Sinne des § 36 Abs 1 VO-UA betrachtet. Der Verwaltungsgerichtshof vermag derart nicht zu erkennen, dass der Antrag des H-Untersuchungsausschusses, der dem angefochtenen Beschluss zu Grund liegt, den Voraussetzungen des § 36 Abs 1 VO-UA nicht entsprechen würde. Welche darüber hinausgehenden Begründungselemente nach Auffassung des Revisionswerbers notwendig gewesen wären, hat dieser im Übrigen weder in seiner Stellungnahme an das BVwG noch in seiner Revision dargelegt.“

Der zu beurteilende Antrag des Untersuchungsausschusses umfasst (vergleichbar mit dem vom Verwaltungsgerichtshof beurteilten Fall) neben einer detaillierten chronologischen Wiedergabe der Geschehnisse, eine Darlegung der relevanten Rechtsgrundlagen und eine nähere Begründung, weshalb der Untersuchungsausschuss in der konkreten Konstellation eine rechtswirksame Zustellung der Ladung an den Antragsgegner für den Termin am XXXX und die mangelnde Bekanntgabe einer genügenden Entschuldigung für das Nichterscheinen des Antragsgegners annimmt.

Der vorliegende Antrag des Untersuchungsausschusses entspricht damit den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 VO-UA.

3.2.2. Ladung und Nichterscheinen des Antragsgegners vor dem Untersuchungsausschuss ohne genügende Entschuldigung:

3.2.2.1. Wie festgestellt, ist der Antragsgegner zur XXXX Sitzung des Untersuchungsausschusses am XXXX nicht erschienen. Da überdies feststeht, dass dem Antragsgegner die Ladung für die Sitzung des Untersuchungsausschusses vom XXXX am XXXX tatsächlich zukam, muss auch die Voraussetzung des § 36 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 2 VO-UA als erfüllt betrachtet werden.

Zur Frage, ob der Antragsgegner der Ladung für den XXXX ohne genügende Entschuldigung nicht Folge leistete, macht der Untersuchungsausschuss geltend, dass der Antragsgegner so wie jede andere Auskunftsperson – allenfalls weitreichender – von seinen Aussageverweigerungsrechten Gebrauch machen könne, wenn er sich mit einer Aussage der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde. Er habe jedoch genug Wahrnehmungen innerhalb des Untersuchungsgegenstandes, die nicht Gegenstand eines strafgerichtlichen Verfahrens seien oder von vornherein nicht dazu geeignet seien, die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung auszulösen; ein Aussageverweigerungsrecht bestehe nur zu konkreten Fragestellungen, nicht zu ganzen Befragungsthemen. Es stehe dem Antragsgegner als Auskunftsperson gemäß § 17 Abs. 3 VO-UA das Recht zu, den Ausschluss der Öffentlichkeit zu beantragen, was jedoch sein Erscheinen im Untersuchungsausschuss voraussetze. Es sei dem Untersuchungsausschuss durch das Vorgehen des Antragsgegners jedenfalls verunmöglicht worden, auf allfällige, beachtenswerte Umstände oder Bedenken im Hinblick auf den Schutz seiner Persönlichkeitsrechte einzugehen. Keinesfalls sei die Unkenntnis des Antragsgegners über potentiell ihn betreffende Strafverfahren mit dem Verbot der Einvernahme gemäß § 34 VO-UA zu vergleichen. Der Antragsgegner sei daher ohne genügende Entschuldigung nicht zu seiner Befragung als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss erschienen.

Der Antragsgegner führte dazu in seiner Stellungnahme vom XXXX und – vertreten durch seinen Rechtsanwalt – in der Vernehmung vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Antragsgegner aufgrund der mangelnden Information zu den gegen ihn von Strafverfolgungsbehörden erhobenen Vorwürfen das Vorliegen von Aussageverweigerungsgründen nicht glaubhaft machen könnte bzw. Mutmaßungen über die unbekannten Vorwürfe anstellen müsste, was mit dem Nemo-tenetur-Grundsatz unvereinbar sei. Die VO-UA sei daher grundrechtskonform dahingehend auszulegen, dass bei Vorliegen eines umfassenden Aussageverweigerungsrechts aufgrund von zwar nachweislich vorliegenden, dennoch unverschuldet nicht bekannten strafrechtlichen Vorwürfen gegen eine Auskunftsperson das Nicht-Erscheinen zur Befragung – bis zur Information seitens der Behörden – genügend entschuldigt iSd § 36 VO-UA sei. Hinsichtlich § 34 VO-UA sei auszuführen, dass das Handbuch zum Recht der U-Ausschüsse der Parlamentsdirektion (www.parlament.gv.at/dokument/unterlagen/Handbuch_UsA_2019.pdf ) in Randziffer 407 ausführe, dass eine genügende Entschuldigung vorliege, wenn man nicht vernommen werden dürfe. Die vorliegende Situation sei insoweit dieselbe wie in den Fällen des § 34 VO-UA, als der Antragsgegner aufgrund seines „allumfassenden Aussageverweigerungsrechts“ nicht vernommen werden könne. Es sei daher keine Beugestrafe zu verhängen.

3.2.2.2. Wie festgestellt geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Antragsgegner nicht in der Lage war, sich rechtzeitig zum geplanten Befragungstermin einen Überblick über die strafrechtlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit seiner Person zu verschaffen. Dennoch gelingt es dem Antragsgegner mit seinem Vorbringen nicht, eine genügende Entschuldigung im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA geltend zu machen, dies aus folgenden Gründen:

3.2.2.2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 08.02.2021, Ra 2021/03/0001, zum Vorliegen einer „genügenden Entschuldigung“ im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA ua. Folgendes ausgeführt (Hervorhebung nicht im Original):

„25 […] ist darauf hinzuweisen, dass die Befragung von Auskunftspersonen ein wesentliches Mittel der Beweisaufnahme durch den Untersuchungsausschuss ist (vgl. § 22 Abs. 1 VO-UA); sie dient dem Ziel des Untersuchungsausschusses, nämlich der ‚Aufklärung von Vorgängen zu politischen Zwecken‘ (vgl. die Materialien zur B-VG-Novelle BGBl. I Nr. 101/2014, 718/A BlgNR 25. GP S. 14).

26 Vor diesem Hintergrund kommt der in § 33 Abs. 1 VO-UA festgelegten Pflicht von Auskunftspersonen, der Ladung Folge zu leisten (und in der Befragung wahrheitsgemäß zu antworten) wesentliche Bedeutung für die Erlangung von Informationen zu, die zur Wahrnehmung der demokratiepolitisch wesentlichen Kontrollfunktion des Untersuchungsausschusses notwendig sind.

27 An die Pflicht der Auskunftsperson, der Ladung Folge zu leisten, sind daher schon aufgrund der Bedeutung des Untersuchungsausschusses als parlamentarisches Kontrollinstrument sowie im Hinblick auf die gesetzlich beschränkte Dauer der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses (vgl. insbesondere § 53 VO-UA) strenge Anforderungen zu stellen, die jedenfalls jene Anforderungen nicht unterschreiten können, die für die Befolgung der Ladung von Verwaltungsbehörden (vgl. § 19 Abs. 3 AVG) oder Gerichten (vgl. etwa § 333 oder § 381 ZPO) gelten.

28 Eine ‚genügende Entschuldigung‘ im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA setzt voraus, dass die geladene Auskunftsperson durch den geltend gemachten Hinderungsgrund tatsächlich abgehalten wurde, der Ladung nachzukommen und dass sie durch ihr zumutbare Vorkehrungen diesen Hinderungsgrund auch nicht (rechtzeitig) beseitigen konnte. Die Auskunftsperson hat daher darzutun, dass der Nichtbefolgung der Ladung zwingende Gründe entgegenstehen.

29 Ob eine im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA genügende Entschuldigung vorliegt, erfordert eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Umstände.“

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 27.01.2016, Ro 2015/03/0042, klargestellt, dass Aussageverweigerungsgründe keine genügende Entschuldigung für das Nicht-Erscheinen von Auskunftspersonen zu ihrem Befragungstermin im Untersuchungsausschuss sind (Hervorhebungen nicht im Original):

„Eine Auskunftsperson hat nach § 33 Abs 1 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) jedenfalls ‚der Ladung Folge zu leisten‘ und daneben die weitere Pflicht, ‚in der Befragung wahrheitsgemäß zu antworten‘, wobei diese Aussagepflicht zur Ladungsfolgeleistungspflicht hinzutritt. Sollten etwa Aussageverweigerungsgründe (vgl § 43 ff leg cit) geltend gemacht werden oder die Frage der Beiziehung einer bestimmten Vertrauensperson (vgl § 46 leg cit, insbesondere dessen Abs 4) strittig sein, bedeutet das somit nicht, dass eine Ladungsfolgeleistungspflicht nicht gegeben wäre. Damit stellt etwa die Annahme einer geladenen Auskunftsperson, ihr stünden Auskunftsverweigerungsgründe zu, oder der Ausschluss ihrer Vertrauensperson sei nicht rechtmäßig erfolgt, wobei über ihre diesbezüglich beim VfGH eingebrachte Beschwerde noch nicht entschieden wurde, keine ‚genügende Entschuldigung‘ iSd § 36 Abs 1 VO-UA dar, einer Ladung nicht Folge zu leisten.“

Aus der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur lässt sich bereits ableiten, dass die Aussageverweigerungsgründe, die der Antragsgegner zu haben meint, keine genügende Entschuldigung iSd § 36 VO-UA darstellen können, weil Aussageverweigerungsgründe – im Gegensatz zu faktischen Hinderungsgründen (wie etwa Erkrankung oder lange geplante, unverschiebbare Abwesenheit der Auskunftsperson) – ganz allgemein die Ladungsfolgeleistungspflicht nicht verdrängen.

3.2.2.2.2. Es hilft dem Antragsgegner auch nicht weiter, wenn er vorbringt, seine Situation sei bisher einzigartig und könne er das Vorliegen von Aussageverweigerungsgründen mangels genauerer Informationen zu den strafrechtlichen Ermittlungen, über die er nur aus den Medien Bescheid wisse, nicht glaubhaft machen, sondern müsse Mutmaßungen über die unbekannten Vorwürfe anstellen, was mit dem Nemo-tenetur-Grundsatz unvereinbar sei.

Es ist nämlich für niemanden möglich, vorab zu wissen, mit welchen Fragen er oder sie im Untersuchungsausschuss konfrontiert sein wird. Der Antragsgegner konnte daher weder ausschließen, dass (auch) Fragen an ihn gerichtet werden, zu denen für ihn kein Aussageverweigerungsrecht besteht (etwa, weil sie nicht dazu geeignet sind, die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung auszulösen, wie z.B. Fragen zu juristischen Personen, in deren Belange der Antragsgegner nicht operativ eingebunden war) noch, dass Fragen an ihn gerichtet werden, zu denen er die Aussage verweigern und auf Nachfrage den Grund glaubhaft machen hätte können, ohne Mutmaßungen im Hinblick auf vermeintliche strafbehördliche Ermittlungen anstellen zu müssen. In beiden Fällen würden keine Bedenken hinsichtlich einer Verletzung des Nemo-tenetur-Prinzips bestehen.

Überdies würde die vom Antragsgegner vertretene Rechtsansicht bedeuten, dass eine Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss nur dann die Aussage verweigern könnte, wenn sie (bereits) als Verdächtiger oder Beschuldigter in einem Strafverfahren geführt wird (und darüber Bescheid weiß). Dies ist einerseits zu eng gedacht, weil § 43 Abs. 1 VO-UA nur auf die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung abstellt, und stellt andererseits für sich allein genommen keinen Aussageverweigerungsgrund dar, sondern ist allenfalls bei der Glaubhaftmachung gemäß § 45 VO-UA zu berücksichtigen.

Es geht bei den Aussageverweigerungsgründen des § 43 Abs. 1 Z 1 VO-UA im Wesentlichen darum, das Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung abzusichern (Schrefler-König/Loreto, Verfahrensordnung für Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, Anmerkung 8 zu § 43). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass der Antragsgegner im Untersuchungsausschuss erscheinen hätte müssen, um dort seine Aussageverweigerungsgründe – etwa auch belegt durch Medienberichte und Auskunftsschreiben der Staatsanwaltschaft – im Hinblick auf § 43 Abs. 1 Z 1 VO-UA geltend zu machen: Nämlich dass es strafbehördliche Ermittlungen im Zusammenhang mit seiner Person gibt, über die er sich zum Befragungszeitpunkt mangels behördlicher Verständigung und Möglichkeit zur Akteneinsicht noch nicht informieren konnte. Über die Rechtsmäßigkeit der Verweigerung hätte dann der Untersuchungsausschuss gemäß § 45 Abs. 2 VO-UA zu entscheiden gehabt.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass der Fall des Antragsgegners zwar in Bezug auf die Anzahl der (vermeintlich) im Zusammenhang mit seiner Person geführten strafbehördlichen Verfahren „einzigartig“ sein mag, dass aber – würde man der Argumentation des Antragsgegners folgen – auch andere Auskunftspersonen einen Entschuldigungsgrund für das Nichterscheinen im Untersuchungsausschuss hätten, wenn sie sich mangels konkreter Information über Anzeigen oder strafbehördliche Ermittlungen der Gefahr der Verletzung des Verbots der Selbstbezichtigung ausgesetzt sehen würden: Es kann immer wieder vorkommen, dass Anzeigen gegen eine Auskunftsperson vorliegen oder strafbehördliche Ermittlungen gegen sie geführt werden und die betroffene Person (unverschuldet) darüber zum Befragungszeitpunkt noch keine detaillierten Informationen hat, weil niemand zu jedem Zeitpunkt ausschließen kann, angezeigt worden zu sein. Auf die Anzahl und Inhalt der Anzeigen und strafbehördlichen Ermittlungen kommt es dabei nicht an. Die VO-UA ist daher nicht so auszulegen, dass die Befragung von Personen, gegen die strafrechtliche Ermittlungen anhängig sind bzw. gerade eingeleitet werden, erst dann zulässig ist, wenn die betroffene Person den Umfang der Ermittlungen und die betreffenden ermittlungsgegenständlichen Sachverhalte kennt. Für eine derart weite, mit dem Nemo-tenetur-Prinzip begründete Interpretation der Aussageverweigerungsgründe in der VO-UA, die für den Antragsgegner Entschuldigungsgründe iSv § 36 VO-UA darstellen sollen, ist vor dem Hintergrund des Zwecks der VO-UA – nämlich das stärkste parlamentarische Kontrollrecht, das Untersuchungsrecht, effizient abzuwickeln –, ersichtlich kein Platz.

Abschließend ist in diesem Zusammenhang noch zu betonen, dass Aussageverweigerungsgründe gemäß dem Wortlaut des § 43 Abs 1 VO-UA nur zu konkreten Fragen geltend gemacht werden können, nicht zu ganzen Befragungsthemen (vgl. auch (Schrefler-König/Loreto, aaO, Anmerkung 1 zu § 43 Abs. 1 Z 1). Es lässt sich für den Antragsgegner daher auch aus dem Hinweis, dass die gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe zumindest die Beweisthemen 1, 2 und 3 des Untersuchungsausschusses betreffen, nichts gewinnen.

3.2.2.2.3. Zum Vorbringen des Antragsgegners zu § 34 VO-UA ist klarzustellen, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine taxative Aufzählung jener Fälle handelt, in denen Personen nicht als Auskunftspersonen einvernommen werden dürfen: 1. Personen, die wegen einer psychischen Krankheit, wegen einer geistigen Behinderung oder aus einem anderen Grund unfähig sind, die Wahrheit anzugeben und 2. Geistliche in Ansehung dessen, was Ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde. Es handelt sich um ein – eng determiniertes – absolutes Befragungsverbot (Schrefler-König/Loreto, aaO, Anmerkung 1. zu § 34 VO-UA).

Die Möglichkeit einer analogen Anwendung der Bestimmung des § 34 VO-UA auf Personen, die im Untersuchungsausschuss ein (umfassendes) Aussageverweigerungsrecht geltend machen können, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, da § 43 VO-UA die Aussageverweigerungsgründe abschließend normiert und eine planwidrige Lücke nicht vorliegt. Auch ist der Zweck der Bestimmungen ein gänzlich anderer: Während § 43 Abs. 1 Z 1 VO-UA wie dargestellt insbesondere das Nemo-tenetur-Prinzip absichern soll und es daher der Auskunftsperson überlassen bleibt, ihr Aussageverweigerungsrecht im Einzelfall geltend zu machen oder nicht, handelt es sich bei den in § 34 normierten Fällen um absolute Vernehmungsverbote, die von Amts wegen wahrzunehmen sind. Die vom Antragsgegner behauptete Lücke, die sich in seinem Fall daraus ergeben soll, dass er mangels Information über die (vermeintlich) gegen ihn geführten strafbehördlichen Ermittlungen aufgrund des Verbots des Zwangs zur Selbstbezichtigung nicht aussagen könne, liegt daher schon vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Zwecks der beiden Bestimmungen nicht vor. Sie ist darüber hinaus aus den unter 3.2.2.2.2. dargestellten Gründen für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich.

Wenn nun der Antragsgegner in diesem Zusammenhang meint, dass seine Situation insoweit dieselbe sei wie jene der in § 34 VO-UA genannten Personen, die nicht vernommen werden dürfen und für die – laut Randziffer 407 des Handbuchs zum Recht der U-Ausschüsse der Parlamentsdirektion – eine genügende Entschuldigung iSd § 36 Abs. 1 VO-UA vorliegt, weil er, da er nicht wisse, in welchem Ausmaß ihm ein Aussageverweigerungsrecht iSv § 43 Abs. 1 VO-UA zustehen würde, nicht vernommen werden könne, so ist ihm entgegenzuhalten, dass es schon aus Effizienzgründen sinnlos wäre, wenn Personen, die einem absoluten, von Amts wegen wahrzunehmenden Befragungsverbot unterliegen, vor dem Untersuchungsausschuss erscheinen müssten. Insoweit ist wohl das genannte Handbuch zu verstehen, wenn es die Glaubhaftmachung eines Befragungsverbots gemäß § 34 VO-UA als genügende Entschuldigung iSd § 36 Abs.1 VO-UA nennt. Dass ein etwaiges umfassendes Aussageverweigerungsrecht des Antragsgegners den absoluten Befragungsverboten des § 34 VO-UA aber keineswegs gleichzuhalten ist, ergibt sich aus dem abschließenden Wortlaut des § 34 VO-UA, und, wie bereits erwähnt, aus dem unterschiedlichen telos der Bestimmungen (sowie aus den unter 3.2.2.2.2 dargestellten Überlegungen).

3.2.2.3. Eine genügende Entschuldigung für sein Nichterscheinen am XXXX machte der Antragsgegner aus alledem nicht geltend. Auch diese Voraussetzung des § 36 Abs. 1 VO-UA ist damit erfüllt.

3.2.3. Zusammenfassung:

Da sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 36 Abs. 1 VO-UA erfüllt sind, liegen die Voraussetzungen für die Verhängung einer Beugestrafe über den Antragsgegner gemäß § 55 Abs. 1 iVm § 56 VO-UA vor.

3.3. Verhängung einer Beugestrafe über den Antragsgegner:

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VO-UA hat die Auskunftsperson der Ladung Folge zu leisten (und in der Befragung wahrheitsgemäß zu antworten). Gemäß § 36 Abs. 1 VO-UA kann der Untersuchungsausschuss beim Bundesverwaltungsgericht die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 55 VO-UA beantragen, wenn eine Auskunftsperson der ihr gemäß § 32 Abs. 2 VO-UA zu eigenen Handen zugestellten Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge leistet. Gemäß § 55 Abs. 1 VO-UA kommt als Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer Ladung als Auskunftsperson eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro bis 5.000 Euro, im Wiederholungsfall in der Höhe von 2.000 Euro bis 10.000 Euro in Betracht.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 27.01.2016, Ro 2015/03/0042) ist zusammengefasst davon auszugehen, dass es sich bei den in § 55 Abs. 1 VO-UA normierten Geldstrafen um Beugemittel handelt, dh. um Vollstreckungsmaßnahmen, die der effektiven Durchsetzung der Pflicht einer Auskunftsperson zum Erscheinen vor einem Untersuchungsausschuss dienen. So wird mit der Bestimmung des § 55 Abs. 1 VO-UA das spezifische Ziel verfolgt, eine Auskunftsperson zum Erscheinen vor dem Untersuchungsausschuss zu verhalten, wobei diesem Ziel angesichts der Kontrollfunktion parlamentarischer Untersuchungsausschüsse ein hoher Stellenwert zukommt. Da der Untersuchungsausschuss noch andauert, bildet die Beugemaßnahme weiterhin ein zweckmäßiges Mittel zur Erreichung des Ziels, nämlich einer Aussage des Antragsgegners vor dem Untersuchungsausschuss (Vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2017/17/0255).

Gemäß § 56 Abs. 4 VO-UA hat das Bundesverwaltungsgericht für die Bemessung der Beugestrafe § 19 VStG „sinngemäß“ anzuwenden.

§ 19 VStG lautet:

„Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.“

§ 19 VStG unterscheidet zwischen objektiven (Abs. 1 leg.cit .) und subjektiven (Abs. 2 leg.cit .) Kriterien, die bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sind. Folgende objektive Strafbemessungskriterien bilden die Grundlage jeder Strafbemessung: die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Wird – wie gegenständlich – ein ordentliches Verfahren geführt, sind zusätzlich die subjektiven Kriterien des Schuldgehalts der Tat bei der Strafbemessung miteinzubeziehen. Demzufolge sind folgende drei subjektive, dh. in der Person des Täters gelegene Umstände bei der Strafbemessung zu berücksichtigen: Erschwerungs- und Milderungsgründe, das Ausmaß des Verschuldens und Einkommens-, Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten (vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² [2017] § 19 Rz 3, 4 und 8).

3.3.1. Zu den objektiven Kriterien:

Dazu ist festzuhalten, dass – wie der zierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu entnehmen ist (vgl. zB oben II.3.2.2.2.1) – Untersuchungsausschüsse der parlamentarischen Kontrolle der Vollziehung dienen und die Befragung von Auskunftspersonen ein Kernelement der Ermittlungstätigkeit eines Untersuchungsausschusses darstellt. Wenn der Untersuchungsausschuss dabei auf das Erscheinen und die Mitwirkung der geladenen Auskunftspersonen angewiesen ist, erweist sich die Beeinträchtigung der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses durch die Nichtbefolgung einer Ladung ohne genügende Entschuldigung durch eine Auskunftsperson keineswegs als bloß unerheblich.

3.3.2. Zu den subjektiven Kriterien:

Die Festsetzung einer Geldbuße ist eine Ermessensentscheidung (vgl. VwGH 27.01.2016, Ro 2015/03/0042), bei der neben den gesetzlichen Bemessungsfaktoren die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Es handelt sich um eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände und nicht um das Ergebnis einer schlichten Rechenoperation (vgl. VwGH 18.03.2015, 2012/04/0070 mwN zur Geldbußenbemessung, insbesondere im Vergabe- und Kartellverfahren, sowie allgemein zum Charakter einer Geldbuße). Voraussetzung für die rechtmäßige Ausübung des Ermessens ist, dass der Sachverhalt in den für die Ermessensübung maßgebenden Punkten ordnungsgemäß und hinreichend vollständig ermittelt wurde (vgl. VwGH 18.03.2015, 2012/04/0070 mit Verweis auf Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht³, 267 f). Um die Überprüfbarkeit des bei der Geldbuße geübten Ermessens zu gewährleisten, „hat die Behörde ausgehend von den konkreten Feststellungen zu den Sachverhaltsgrundlagen, die in die Ermessensentscheidung erschwerend oder mildernd einfließen, darzulegen, weshalb die Höhe der im Einzelfall verhängten Geldbuße den [...] festgelegten gesetzlichen Anforderungen der Wirksamkeit, Angemessenheit und Eignung zur Abschreckung entspricht“ (VwGH 18.03.2015, 2012/04/0070).

Das VStG kennt kaum Milderungs- und Erschwerungsgründe (vgl. nur § 3 Abs. 2 VStG), § 19 Abs. 2 VStG verweist daher auf die §§ 32 bis 35 StGB, die unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sinngemäß anzuwenden sind. Die Aufzählung im StGB ist jedoch lediglich demonstrativ. Eine abschließende Auflistung der Erschwerungs- und Milderungsgründe gibt es demzufolge nicht. Gemäß § 34 StGB kommen zB folgende Milderungsgründe in Betracht: bisheriger ordentlicher Lebenswandel, Begehung der Tat aus achtenswerten Beweggründen, aus Furcht oder Gehorsam, reumütiges Geständnis, unverhältnismäßig lange Dauer des Verfahrens aus einem nicht vom Täter zu vertretenden Grund, ein die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließender Rauschzustand. Jedenfalls von Amts wegen zu berücksichtigen ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Unbescholtenheit des Täters (vgl. Weilguni, in Lewisch/Fister/Weilguni, aaO, § 19 Rz 10 und 14 mwN).

§ 55 VO-UA ist mit „Beugemittel“ überschrieben, woraus sich ableiten lässt, dass es sich bei den in § 55 VO-UA vorgesehenen Beugestrafen um „Beugemaßnahmen“ und somit um Vollstreckungsmaßnahmen handelt, die der effektiven Durchsetzung der Pflicht einer Auskunftsperson zum Erscheinen vor einem Untersuchungsausschuss dienen (vgl. VwGH 27.01.2016, Ro 2015/03/0042).

In sinngemäßer Anwendung des § 19 Abs. 2 VStG sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Antragsgegners bei der Bemessung der Beugestrafe zu berücksichtigen. In diesem Sinne sind die getroffenen Feststellungen der Bemessung zugrunde zu legen. Demnach ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner Sorgepflichten für XXXX und eine XXXX hat und aktuell über kein Einkommen verfügt.

Als mildernd ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner seiner (verfahrensrechtlichen) Mitwirkungspflicht im Verfahren (im Gegensatz zu früheren Verfahren) nachgekommen ist, dh. eine Stellungnahme abgegeben und, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, an der Vernehmung teilgenommen und zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.

Erschwerend ist zu werten, dass für das Bundesverwaltungsgericht keine ernsthaften Bemühungen des Antragsgegners erkennbar waren, der Ladung für den Befragungstermin am XXXX Folge zu leisten bzw. sich für das Nichterscheinen ehestmöglich zu entschuldigen. Das Nichterscheinen vor dem Untersuchungsausschuss am XXXX stützte der Antragsgegner wesentlich auf die durch die bisherige Judikatur in keiner Weise abgesicherte Rechtsmeinung, dass er, weil er nicht abschätzen könne, in welchem Ausmaß ihm ein Aussageverweigerungsrecht iSv § 43 Abs. 1 VO-UA zustehen würde, einen Entschuldigungsgrund iSd § 36 Abs 1 VO-UA habe. Der Antragsgegner nahm mit dieser Vorgehensweise ein unentschuldigtes Nichterscheinen gleichermaßen in Kauf.

Bei der Bemessung der Beugestrafe ist auch zu berücksichtigen, dass gegenständlich kein Wiederholungsfall vorliegt, da der Antragsgegner zum ersten Mal eine Ladung des Untersuchungsausschusses nicht befolgt hat.

Unter Zugrundelegung dieser objektiven und subjektiven Kriterien verhängt das Bundesverwaltungsgericht über den Antragsgegner eine Geldstrafe in der Höhe von XXXX Euro.

3.4. Ergebnis:

Aufgrund des Antrages des Untersuchungsausschusses ist über den Antragsgegner wegen erstmaliger Nichtbefolgung einer Ladung als Auskunftsperson eine Beugestrafe in der Höhe von XXXX Euro zu verhängen.

Darüber hinaus ist anzumerken, dass Zwangsstrafen im Sinne des § 36 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 VO-UA keine Strafen im Sinne des Art. 6 EMRK sind, sodass diese Bestimmung einem Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung (auf die im Übrigen der anwaltlich vertretene Antragsgegner verzichtet hat) nicht entgegensteht (vgl. VwGH 27.01.2016, Ro 2015/03/0042). Stattdessen wurde dem Antragsgegner Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben und eine mündliche Vernehmung durchgeführt (vgl. VwGH 09.06.2021, Ra 2021/03/0083, zur verfahrensrechtlich nicht zu beanstandenden Durchführung einer mündlichen Vernehmung im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 36 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 und § 56 VO-UA).

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich in seiner Entscheidung auf die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichthofes zum Vorliegen einer „genügenden Entschuldigung“ iSv § 36 Abs. 1 VO-UA stützen (vgl. insbesondere VwGH 08.02.2021, Ra 2021/03/0001).

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