BVwG W148 2133218-1

BVwGW148 2133218-118.7.2017

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W148.2133218.1.00

 

Spruch:

W148 2133218-1/12E

 

Schriftliche Ausfertigung des am 06.06.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. KEZNICKL als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vom 11.08.2016 vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.07.2016, Zl. XXXX , zu Recht:

 

A)

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

 

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

III. Gemäß § 3 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte bis 05.06.2020 erteilt.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

I.1. Verfahrensgang

 

1. Die beschwerdeführende Partei (im Folgenden: bP) hat nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, gestellt.

 

2. Am 21.06.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der bP statt, bei der sie zu ihrem Fluchtgrund befragt vorbrachte, dass sie und ihre Familie flüchten haben müssen, da ihre Frau auf Grund der Grundstücke ihrer Familie Probleme mit einem Mitglied der Mafia namens XXXX bekommen habe. Er habe ihre Familie und die Familie ihrer Frau bedroht um so an die Grundstücke zu kommen, die er gewollt hätte. Sie hätten Todesdrohungen bekommen und hätten fliehen müssen um nicht zu sterben. Ihre Frau und ihre Tochter waren in Gefahr entführt und vergewaltigt zu werden. Die bP wisse nicht genau welche Position XXXX innehabe, allerdings seien seine Fahrzeuge immer Fahrzeuge des Militärs gewesen.

 

3. Am 07.12.2015 wurde die bP vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, (im Folgenden: BFA) im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Zunächst führte sie aus, Angehörige der Volksgruppe der Sadat und schiitischer Moslem zu sein. Sie sei in Afghanistan geboren, aufgewachsen, habe dann zehn Jahre lang im Iran gelebt und sei dann wieder nach Afghanistan gegangen.

 

Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die bP zunächst an, dass Mafiosi versucht hätten ihrem Schwiegervater die Grundstücke wegzunehmen. Diese Leute hätten zu XXXX , dem Bruder von XXXX gehört, deshalb habe man nichts gegen sie unternehmen können. Sein Schwiegervater sei inhaftiert worden, sein Schwager getötet worden und seine Ehefrau belästigt und geschlagen worden. Die bP habe ihre Ehefrau in die Türkei geschickt um ihr Leben zu retten, sei dann aber selber in das Visier dieser Leute geraten und hätten sie versucht ihn mit dem Auto zu überfahren. Deshalb sei auch die bP aus Afghanistan geflüchtet.

 

4. Das BFA hat mit Bescheid vom 28.07.2016, Zl. XXXX , den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der bP gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 70/2015,wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 70/2015 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

 

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass die bP für sich keine eigenen Fluchtgründe angegeben habe, sondern sich auf die Gründe ihrer Lebensgefährtin bezogen habe. Erst nachdem ihre Lebensgefährtin Afghanistan verlassen hätte, hätte die bP Probleme im Heimatland bekommen. Da den Angaben ihrer Lebensgefährtin zu den vorgebrachten Fluchtgründen die Glaubwürdigkeit versagt worden sei, sei es auch nicht glaubhaft, dass die angegebenen Gründe Auswirkungen auf die bP gehabt hätten. Die Angaben zur Gefährdung ihrer Person nach der Ausreise ihrer Lebensgefährtin seien widersprüchlich zur denen in der Erstbefragung und sei somit eindeutig festzustellen, dass sie ein Konstrukt vorgebracht hätte. Die bP sei ein junger, arbeitsfähiger Mann, hätte schon in verschiedenen Berufssparten gearbeitet, weshalb ihr die Möglichkeit offen stehe in Kabul Arbeit zu finden bzw. jene Arbeit auszuführen, die sie bereits vor ihrer Ausreise ausgeübt habe. Aus diesen Gründen werde sie in der Lage sein für den Lebensunterhalt der Familie aufzukommen. Zuletzt kam das BFA zu dem Schluss, dass die Rückkehrentscheidung zulässig sei.

 

Zum Familienverfahren führte das BFA aus, dass die bP die Verpflichtung gehabt hätte ihre Verehelichung im Herkunftsstaat behördlich registrieren zu lassen. In Ermangelung einer solchen Registrierung sei festzustellen gewesen, dass kein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG vorliege.

 

5. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, (in der Folge: AVG) vom 29.07.2016 wurde der bP gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

 

6. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die am 11.08.2016 erhobene, durch die Unterstützung der Rechtsberatung, eingebrachte Beschwerde, welche fristgerecht beim BFA eingelangt ist. Darin wurden vor allem die schwerwiegenden Verfahrensfehler, die mangelhafte Beweiswürdigung und die unrichtige rechtliche Beurteilung bemängelt. Es wurde versucht die von der Behörde festgestellten Widersprüche zu entkräften. Außerdem wäre die Behörde fälschlicherweise von einer ungültigen Ehe zwischen der bP und ihrer Ehefrau ausgegangen und wäre richtigerweise ein Familienverfahren zu führen gewesen. Weiters seien die Länderfeststellungen unvollständig und teilweise veraltet. Der bP drohe Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe jener Personen, welche seitens des afghanischen Staates keinen ausreichenden Schutz vor Verfolgung durch regierungsnahe, kriminelle Akteure erhalten, wegen ihrer Zugehörigkeit zur religiösen Minderheit der Schiiten, wegen ihrer Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Sadat sowie wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie.

 

7. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 24.08.2016 vom BFA vorgelegt. Gleichzeitig teilte die Behörde den Verzicht auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung mit.

 

8. Mit Eingabe vom 18.05.2017 langte die Vollmachtsbekanntgabe an den Rechtsanwalt Edward W. Daigneault, 1160 Wien, ein.

 

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 06.06.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die bP im Beisein eines bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahm. Die bP legte eine Deutschkursbestätigung vor.

 

10. Mit Schriftsatz vom 12.06.2017 wurde der Verzicht der bP gemäß § 25a Abs 4a VwGG und § 82 Abs. 3b VfGG widerrufen. Gleichzeit wurde der Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt.

 

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

 

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

 

a) Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

 

1. Der Name der bP ist XXXX , wie wurde am XXXX in Kabul geboren. Sie ist Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan. Weiters ist sie Angehörige der Volksgruppe der Sadat und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache der bP ist Dari.

 

2. Die bP ist in Kabul geboren und aufgewachsen. Sie hat fünf Jahre die Schule besucht. Im Jahr 1993 ist die bP in den Iran gegangen, wo sie zehn Jahre gelebt hat. Dort hat sie den Beruf des Schneiders erlernt. Im Iran hat sie auch ihre Frau nach traditionellem islamischem Ritus geheiratet. Nachdem sie vier Jahre im Iran gelebt haben, ist die bP mit ihrer Familie wieder zurück nach Kabul gezogen. In Afghanistan hat sie als Taxifahrer gearbeitet.

 

3. Die bP hat im April des Jahres 2015 Afghanistan verlassen. Die bP ist in der Türkei zu seiner Ehefrau XXXX , geboren am XXXX , ihrem minderjährigen Sohn XXXX , geboren am XXXX und ihren beiden minderjährigen Töchtern XXXX , geboren am XXXX sowie XXXX , geboren am XXXX , die bereits zu einem früheren Zeitpunkt ausgereist sind, dazugestoßen. Gemeinsam sind sie weiter über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich gereist, wo die bP nach unrechtmäßiger Einreise am 20.06.2015 den gegenständlichen Antrag gestellt hat.

 

4. Das BVwG hat mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. W148 2133222-1 der Beschwerde der Ehegattin der bP stattgegeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der Asylberechtigten zuerkannt und gleichzeitig gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

5. Die bP ist nicht straffällig geworden und es ist nicht ersichtlich, dass der bP die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit ihrer Ehefrau in einem anderen Staat möglich wäre.

 

II. Beweiswürdigung:

 

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

 

II.1. Zum Verfahrensgang

 

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichts.

 

II.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

 

1. Die Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum und Geburtsort), zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und zur Religionszugehörigkeit sowie zur Herkunft beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben der bP und ihrer Ehegattin im Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Außerdem auf der Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari und Farsi.

 

2. Die Feststellungen zur Familiensituation und zu den Lebensumständen der bP in Österreich und im Herkunftsstaat stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der bP vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

 

3. Die Feststellung zur unrechtmäßigen Einreise in Österreich stützt sich auf die Aussage der bP bei ihrer Erstbefragung, nach denen sie nicht mit den für die Einreise nach Österreich vorgeschriebenen Dokumenten in das Bundesgebiet einreiste.

 

4. Die Feststellung, dass die bP die Ehe mit der afghanischen Staatsbürgerin XXXX nach traditionellem islamischem Ritus im Iran vor sechzehn Jahren geschlossen hat und diese Ehe rechtlich nach wie vor besteht, stützt sich auf die übereinstimmenden Angaben der bP und ihrer Ehegattin im Verfahren vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Dies wurde von der belangten Behörde angezweifelt. Zur Gültigkeit der Eheschließung genügt nach islamischem Eherecht, das Angebot und die Annahme in Anwesenheit von zwei bzw. drei Zeugen. Geschäftsfähige, volljährige Personen können sich auch durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Auch das afghanische Eherecht beruft sich auf diese Prinzipien (vgl. dazu näher Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung, Religiöse Eherechte-Islam S. 10, Afghanistan S. 16).

 

5. Die Feststellung, dass ihrer Ehefrau mit Erkenntnis vom heutigen Tag gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Gerichtsakt zur Zl. W148 2133222-1. Für die Annahme, dass die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit ihrer Ehefrau in einem anderen Staat möglich wäre, sind im Laufe des Verfahrens keine Anhaltspunkte hervorgekommen.

 

6. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der bP ergibt sich aus dem aktuellen Strafregisterauszug.

 

III. Rechtliche Beurteilung:

 

III.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Gemäß § 18 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

 

Mit gegenständlichem Bescheid vom BFA wurde der bP eine Beschwerdefrist von zwei Wochen eingeräumt. Der angefochtene Bescheid wurde der bP am 02.08.2016 zugestellt. Die am 11.08.2016 erhobene Beschwerde war rechtzeitig, zulässig und auch berechtigt.

 

Auf Grund der Zuerkennung von Asyl an seine Ehefrau war der Beschwerde bezüglich Zuerkennung von Asyl im Familienverfahren Erfolg beschieden.

 

Zu Spruchteil A)

 

III.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

 

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

2. Nach § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder im Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 leg.cit. als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 2 leg.cit. auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3 leg.cit.), die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens iSd Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 leg.cit.).

 

3. Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

 

4. Im vorliegenden Fall liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren der bP und ihrer Ehefrau vor:

 

4.1. Die bP ehelichte XXXX , (W148 2133222-1), nach deren glaubwürdigen Angaben vor sechzehn Jahren im Iran (siehe dazu die Ausführungen in der Beweiswürdigung).

 

4.2. Die bP ist Ehegatte einer Fremden, der der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden ist. Die bP und ihre Ehefrau haben nach ihrer Heirat im Iran noch ca. neun Jahre in Afghanistan gelebt, demnach bestand die Ehe bereits im Herkunftsstaat. Die bP ist somit Familienangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 iVm. § 34 Abs. 2 AsylG 2005.

 

4.3. Zwischen der bP und ihrer Ehegattin besteht ein aufrechtes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK. Im gesamten Verfahren haben sich keinerlei Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass der bP die Führung des Familienlebens in einem anderen Staat zumutbar oder möglich wäre.

 

4.4. Die bP ist nicht straffällig im Sinne des § 2 Abs. 3 AsylG 2005 geworden. Gegen die Ehegattin der bP, der der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist ein Verfahren zur Aberkennung dieses Status gemäß § 7 AsylG 2005 nicht anhängig. Der bP ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, dh der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob der bP unter Umständen eine asylrelevante Verfolgung auf Grund der Grundstücksstreitigkeiten in Afghanistan droht bzw. drohen könnte.

 

6. Da im gegenständlichen Fall alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, war der bP im Familienverfahren der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 2 AsylG 2005 zuzuerkennen.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Zu Spruchteil B):

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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