ASVG §113 Abs2
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W145.2256550.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , BKNR XXXX , vertreten durch XXXX OG, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Niederösterreich, vom 26.04.2022, Zl. XXXX , idF der Beschwerdevorentscheidung vom 01.06.2022, Zl. XXXX , wegen Vorschreibung eines Beitragszuschlages iHv EUR 300,00 gemäß § 113 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 26.04.2022, Zl. XXXX , hat die Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde), XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer), BKNR XXXX , gemäß § 113 Abs. 1 iVm Abs. 2 und Abs. 3 ASVG einen Beitragszuschlag in Höhe von EUR 300,00 vorgeschrieben.
Begründend wurde ausgeführt, dass im Rahmen der am 27.03.2022 erfolgten Betretung durch die Finanzpolizei, Team XXXX , im Heurigenlokal des Beschwerdeführers in XXXX , festgestellt worden sei, dass die Anmeldung für Frau XXXX , VSNR XXXX , zur Pflichtversicherung als Dienstnehmerin gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei. Komme der Dienstgeber der Verpflichtung zur Erstattung der Anmeldung vor Arbeitsantritt nicht nach, so könne ihm ein Beitragszuschlag nach § 113 Abs. 1 ASVG vorgeschrieben werden. Dem Beschwerdeführer sei ein Beitragszuschlag im Ausmaß von EUR 300,00 (reduzierter Teilbetrag für den Prüfeinsatz gemäß § 113 Abs. 2 und Abs. 3 ASVG) anzulasten, da es sich um den ersten Meldeverstoß dieser Art handle, nicht mehr als zwei DienstnehmerInnnen ohne Anmeldung betreten worden seien und die Anmeldung zur Pflichtversicherung bereits nachgeholt worden sei.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung mit Schriftsatz vom 20.05.2022 fristgerecht Beschwerde. Darin beantragte der Beschwerdeführer den Bescheid vom 26.04.2022 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
In der Beschwerde wurde zusammenfassend vorgebracht, dass der Beschwerdeführer einen Weinbaubetrieb und nebenbei einen Heurigen betreibe. Wie in der Landwirtschaft üblich, sei es auch in der Familie des Beschwerdeführers so, dass alle Familienmitglieder immer wieder unentgeltlich mithelfen. Am 27.03.2022 sei der Heurige geöffnet gewesen und habe dabei die langjährige Lebensgefährtin des Vaters des Beschwerdeführers, Frau XXXX , unentgeltlich ausgeholfen, wobei sie nur freie Kost und Getränke erhalten habe. Sie habe aber weder einen fixen Arbeitsantritt, noch fixe Arbeitszeiten oder Ähnliches gehabt. Vielmehr sei einvernehmlich zwischen ihr und dem Beschwerdeführer vereinbart worden, wann sie gebraucht werden würde und habe sie dies auch jederzeit ablehnen können bzw. habe sie gehen können wann sie wollte. Nach der Kontrolle der Finanzpolizei am 27.03.2022 habe der Beschwerdeführer auf Drängen der ermittelnden Beamten, um weiteren Strafen bzw. Zuschläge zu entgehen – obwohl dies nicht notwendig war – Frau XXXX zur Sozialversicherung gemeldet.
Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt sei ergänzungsbedürftig, da die belangte Behörde keine weiteren Zeugen (insbesondere Frau XXXX sowie ihren Lebensgefährten und Vater des Beschwerdeführers, XXXX , welcher selbst regelmäßig und unentgeltlich mithelfe) vernommen habe. Diese Zeugen würden belegen, dass kein meldepflichtiges Dienstverhältnis, sondern eine unentgeltliche Aushilfstätigkeit im familiären Bereich vorliege. Zudem ergebe sich das Naheverhältnis und damit die unentgeltliche Mithilfe von Frau XXXX aus dem vorgelegten Übergabevertrag, mit welchem die gesamte Landwirtschaft samt Heurigenbetrieb übergeben worden sei, wofür sowohl dem übergebenden Vater des Beschwerdeführers als auch dessen Lebensgefährtin, Frau XXXX , ein lebenslanges Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt worden sei.
Darüber hinaus leide der Bescheid an einem wesentlichen Verfahrensmangel, da sich die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung darauf beschränkt habe, auf die beiliegenden Beweismittel zu verweisen ohne diese zu benennen und ohne auszuführen, wie diese Beweismittel gewürdigt wurden. Dies ergebe eine Begründungslücke, die die Nachprüfbarkeit des Inhalts des Bescheides auf Gesetzmäßigkeit verhindere.
Schlussendlich habe die belangte Behörde den vorliegenden Sachverhalt auch unrichtig rechtlich gewürdigt. Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde erschöpfe sich lediglich in einer Ausführung des Ablaufes der Meldepflicht gemäß § 33 ASVG, wobei eine Subsumtion gänzlich unterlassen worden sei. Es sei nicht ersichtlich bzw. nachvollziehbar, wie die belangte Behörde auf das Vorliegen eines meldepflichtigen Dienstverhältnisses komme. Nach eigenen Angaben der belangten Behörde auf ihrer Website unterliege familienhafte Mitarbeit im Betrieb nicht der Meldepflicht. Eine Lebensgemeinschaft stelle eine eheähnliche Gemeinschaft dar und bei Frau XXXX handle es sich um die langjährige Lebensgefährtin (seit 2016) des Vaters des Beschwerdeführers, die für den Beschwerdeführer quasi eine „Stiefmutter in spe“ darstelle. Sie habe dem Beschwerdeführer gemeinsam mit dessen Vater rein aus familiärer Verbundenheit angeboten unentgeltlich zu helfen und sei es natürlich im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes auch üblich, dass Familienmitglieder bei Bedarf zusammenhelfen. Frau XXXX beziehe auch durch das Erhalten freier Kost und Getränke keine Sachbezüge, wie auch die belangte Behörde selbst auf ihrer Website ausführe. Im Ergebnis liege eindeutig kein meldepflichtiges Dienstverhältnis vor. Mangels einer Meldepflicht sei daher auch kein Beitragszuschlag zu entrichten.
3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 01.06.2022 wies die belangte Behörde die Beschwerde gemäß § 113 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG als unbegründet ab.
Im Wesentlichen wurde dies damit begründet, dass Frau XXXX im Zuge der Kontrolle durch die Finanzpolizei im Heurigenlokal des Beschwerdeführers – bekleidet mit einer grünen Schürze – bei Küchentätigkeiten betreten worden sei, ohne als Dienstnehmerin zur Sozialversicherung gemeldet zu sein. Dabei handle es sich zweifellos um Tätigkeiten unter solchen Umständen, die iSd Rechtsprechung des VwGH die Annahme eines entgeltlichen Dienstverhältnisses rechtfertigen würden, sofern nicht atypische Umstände gegen eine solche Deutung sprechen.
Unter der vom Beschwerdeführer geltend gemachten familiären Mitarbeit bzw. unter Gefälligkeitsdiensten seien kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten. Frau XXXX habe für Ihre Tätigkeit Essen und Trinken erhalten. Eine (ausdrückliche oder konkludente) Vereinbarung der Unentgeltlichkeit könne aus diesem Umstand nicht abgeleitet werden, zumal gemäß § 49 Abs. 1 ASVG auch Sachleistungen und somit auch Essen und Trinken unter Entgelt zu verstehen seien. Auch wenn die gebotene Gegenleistung (Essen und Trinken) nach den für die belangte Behörde glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers nicht das ausschlaggebende Motiv für das Tätigwerden von Frau XXXX sei, könne von einer unentgeltlichen Tätigkeit unter diesen Umständen keine Rede sein. Familiendienste würden nur dann unbestritten nicht den Dienstvertragsregeln des ABGB unterliegen, wenn die Dienste von Familienmitgliedern erbracht werden, die ausschließlich aus Gründen familiärer Beistandspflicht tätig werden. Auch der VwGH judiziere in ständiger Rechtsprechung, dass die Vermutung bei Beschäftigungsverhältnissen zwischen wechselseitig nicht unterhaltspflichtigen bzw. unterhaltsberechtigten Verwandten oder Verschwägerten nicht für die Ausübung der Beschäftigung im Rahmen bloß familienhafter Beziehungen spreche, sondern im Zweifel ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis anzunehmen sei. Da es sich im gegenständlichen Fall um die Lebensgefährtin des Vaters des Beschwerdeführers handle, gebe es bei dieser Konstellation („Stiefmutter in spe“ zu Stiefkind) keine familienrechtlichen Verpflichtungen bzw. keine wechselseitigen Unterhaltsansprüche. Abgesehen davon sei ein weiteres Merkmal der familiären Mitarbeit, nämlich die Kurzfristigkeit der Tätigkeit, im vorliegenden Fall nicht gegeben. Frau XXXX sei durch den Beschwerdeführer bereits per 23.03.2022 geringfügig zur Sozialversicherung nachgemeldet worden. Nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers sei sie bereits ab diesem Datum im Heurigenbetrieb mit fixen Arbeitszeiten tätig, weshalb von kurzfristigen Hilfsdiensten nicht gesprochen werden könne.
Insgesamt liege somit weder familienhafte Mitarbeit noch ein Gefälligkeitsdienst vor, sondern ein Dienstverhältnis, bei welchem Frau XXXX zumindest am Betretungstag im Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt worden sei. Somit sei der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, Frau XXXX vor Arbeitsantritt beim zuständigen Sozialversicherungsträger zur Pflichtversicherung anzumelden, was vorliegend nicht erfolgt sei. Der Umstand, dass Frau XXXX nunmehr von 23.03.2022 bis 02.04.2022 beim Beschwerdeführer zur Sozialversicherung gemeldet aufscheine und der Beschwerdeführer die Anmeldung bis dato nicht storniert habe, sei eindeutig als Indiz dafür zu werten, dass auch der Beschwerdeführer von einem Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ausgehe.
Daher könne der Sozialversicherungsträger gemäß § 113 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag vorschreiben. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Einstellung des Verfahrens sei mangels Vorliegens besonders berücksichtigungswürdiger Gründe nicht nachzukommen. Da der Beschwerdeführer die Anmeldung für Frau XXXX nachträglich durchgeführt habe und bisher keine gleichartigen Meldevergehen vorliegen würden, habe die belangte Behörde gemäß § 113 Abs. 3 ASVG den reduzierten Teilbetrag für den Prüfeinsatz iHv EUR 300,00 vorgeschrieben. Im Ergebnis sei die Vorschreibung des Beitragszuschlages somit gesetzeskonform erfolgt.
4. Der Beschwerdeführer stellte durch seine rechtsfreundliche Vertretung am 13.06.2022 fristgerecht einen Vorlageantrag. Die Beschwerdevorentscheidung sei nämlich mit denselben rechtlichen Mängeln behaftet, wie der Bescheid vom 26.04.2022.
In Ergänzung zur Beschwerde vom 20.05.2022 brachte der Beschwerdeführer vor, dass Frau XXXX – entgegen der Ansicht der belangten Behörde – ein tatsächliches Familienmitglied sei und daher auch die gleichen Rechte habe, wie sie Familienmitgliedern zustehen. Sie müsse im Betrieb des Beschwerdeführers (einschließlich Heurigen) nicht helfen, sondern mache dies – ohne jegliche Verpflichtung – ausschließlich freiwillig; zudem mache sie dies sehr gerne. Es stehe ihr jederzeit frei, über ihr Kommen und Gehen sowie über ihre Mithilfe selbst zu entscheiden. Auch wenn es im Familienverband üblich sei, dass man sich diesbezüglich abspricht, ändere das nichts an der Tatsache, dass Frau XXXX freiwillig und unentgeltlich ausgeholfen habe und dies auch nicht betriebsnotwendig gewesen sei. Mit einer Anwesenheitspflicht oder einem Dienstverhältnis habe dies allerdings nichts zu tun. Genau wie Frau XXXX auf die Enkelkinder aufpasse und für die Familie koche, helfe sie auch im Betrieb des Beschwerdeführers aus, wofür sie jedoch kein Entgelt erhalte. Sie könne sich jederzeit, sowohl während des Heurigens und auch sonst während des Jahres Essen und Trinken aus dem landwirtschaftlichen Betrieb – selbstverständlich kostenlos – nehmen. Da sie ein Familienmitglied sei, würde der Beschwerdeführer auch niemals auf die Idee kommen, dafür ein Entgelt zu verlangen. Nachdem der Heurige auch immer nur wenige Tage im Jahr geöffnet sei, sei jedenfalls auch von einer kurzfristigen und freiwilligen Hilfe zu sprechen. Wenngleich die Darstellungsmöglichkeit bei der Kontrolle durch die Finanzpolizei begrenzt gewesen sei, habe der Beschwerdeführer versucht zu erklären, dass Frau XXXX ein Familienmitglied sei und aufgrund der Unentgeltlichkeit kein Dienstverhältnis vorliege, was jedoch einfach negiert worden sei. Tatsächlich liege freiwillige und unentgeltliche Hilfe eines Familienmitglieds vor, wodurch die Betragszuschreibung zu Unrecht erfolgt sei. Da Frau XXXX zu keinem Zeitpunkt beim Beschwerdeführer beschäftigt gewesen sei, habe auch keine Meldepflicht beim zuständigen Sozialversicherungsträger bestanden.
5. Mit Schreiben vom 30.06.2022 legte die belangte Behörde die Beschwerde sowie den bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
6. Mit Schriftsatz vom 07.11.2022 teilte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht durch seinen Rechtsvertreter mit, dass das im gegenständlichen Fall zuvor anhängige Verwaltungsstrafverfahren seitens der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (im Folgenden: BH St. Pölten) mit Bescheid vom 19.10.2022 eingestellt worden sei.
7. Auf Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes übermittelte die BH St. Pölten am 08.11.2022 per E-Mail den Bescheid vom 19.10.2022, mit dem das nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG iVm § 33 Abs. 1 und Abs. 1a ASVG geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt wurde. Ergänzend führte die BH St. Pölten aus, dass dieser Bescheid noch nicht rechtskräftig sei und die Beschwerdefrist jedenfalls noch bis zum 16.11.2022 laufe.
8. Nach Rückfrage des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2022 gab die BH St. Pölten mit E-Mail vom 07.12.2022 bekannt, dass die Rechtskraft dieses Bescheides mit 18.11.2022 eingetreten sei.
9. Am 07.12.2022 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde den Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 07.11.2022 sowie den Bescheid der BH St. Pölten vom 19.10.2022 und wies zugleich auf die Möglichkeit hin, im Rahmen des Parteiengehörs bis spätestens 19.12.2022 dazu Stellung zu nehmen.
10. Mit Schreiben vom 15.12.2022 übermittelte die belangte Behörde eine Stellungnahme, in der sie im Wesentlichen ausführt, dass für das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Bindungswirkung an die Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren bestehe, sondern dieser Entscheidung – da es sich um den identen Sachverhalt handle – lediglich eine Indizwirkung für das vorliegende Verfahren zukomme. Im gegenständlichen Verfahren sei nämlich für die Feststellung des Bestandes eines (meldepflichtigen) Beschäftigungsverhältnisses die BH im Verwaltungsstrafverfahren nach § 111 ASVG in der Hauptfrage nicht zuständig, weshalb auch keine Bindungswirkung für das Beitragszuschlagverfahren nach § 113 Abs. 2 ASVG bestehen könne. Ob eine meldepflichtige Beschäftigung vorliege, sei daher von der Kasse bzw. den weiteren Instanzen eigenständig als Vorfrage zu beurteilen.
Für die belangte Behörde stehe fest, dass Frau XXXX als Dienstnehmerin für den Beschwerdeführer agiert habe, zumal sie von 23.03.2022 bis 02.04.2022 – somit auch am Betretungstag – geringfügig durch den Beschwerdeführer zur Sozialversicherung gemeldet aufscheine. Für die vorliegende Konstellation („Stiefmutter in spe“ zu Stiefkind) gebe es keine familienrechtlichen Verpflichtungen und keine wechselseitigen Unterhaltsansprüche, die eine familiäre Mitarbeit rechtfertigen würden. Zudem sei ein weiteres Merkmal der familiären Mitarbeit die Kurzfristigkeit der Tätigkeit, welche bei der vorliegenden Tätigkeitsdauer von 1,5 Wochen nicht gegeben sei. Nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers sei Frau XXXX bereits Tage vor der Kontrolle, konkret ab dem 23.03.2022 im Heurigenbetrieb mit fixen Arbeitszeiten tätig gewesen. Von kurzfristigen Hilfsdiensten könne folglich nicht gesprochen werden. Darüber hinaus sei der Beitragszuschlag gegenständlich bereits in reduzierter Höhe vorgeschrieben worden, da die Voraussetzungen dafür – insbesondere die Nachmeldung von Frau XXXX – vorgelegen seien. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe die einen völligen Entfall des Beitragszuschlages rechtfertigen würden, könne die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht erkennen. Daher beantrage die belangte Behörde die Beschwerde vom 20.05.2022 als unbegründet abzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung vom 01.06.2022 zu bestätigen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Anlässlich einer Kontrolle durch Prüforgane der Finanzpolizei, Team XXXX , am 27.03.2022 um 11:08 Uhr im Heurigenlokal des Beschwerdeführers in XXXX , wurde Frau XXXX – bekleidet mit einer grünen Schürze – im Küchenbereich arbeitend angetroffen.
Zum Zeitpunkt der Betretung war Frau XXXX nicht als Dienstnehmerin des Beschwerdeführers zur Sozialversicherung angemeldet.
Das Heurigenlokal, das zum vom Beschwerdeführer geführten landwirtschaftlichen Betrieb (Weinbaubetrieb) gehört, ist nur an wenigen Tagen im Jahr (ca. vier Mal jährlich für jeweils zwei Wochen) geöffnet. Es handelt sich dabei um einen Familienbetrieb.
Frau XXXX ist die langjährige Lebensgefährtin des Vaters des Beschwerdeführers, XXXX . Seit 06.05.2016 ist Frau XXXX mit ihrem Hauptwohnsitz an der Wohnadresse von XXXX , in XXXX gemeldet.
Mit Notariatsakt vom 06.06.2019 übergab Herr XXXX seinem Sohn, dem Beschwerdeführer, den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb einschließlich dem gegenständlichen Heurigenlokal. Als Gegenleistung wurde sowohl XXXX als auch seiner Lebensgefährtin, Frau XXXX , ein grundbücherlich sicherzustellendes lebenslanges Wohnungsgebrauchsrecht im ganzen Haus XXXX (entspricht der oben angeführten Meldeadresse), verbunden mit dem Recht der Mitbenützung des Gartens und den Rechten der freien Bewegung im Hof und in den Wirtschaftsgebäuden sowie Besuche bei sich zu empfangen und vorübergehend auch zu beherbergen, eingeräumt.
Frau XXXX ist als Lebensgefährtin von XXXX ein vollwertiges Mitglied der Familie des Beschwerdeführers. Nach dem Tod der Mutter des Beschwerdeführers nahm Frau XXXX deren Rolle in der Familie ein. Als Familienmitglied kocht sie bspw. für die Familie oder passt im Bedarfsfall auf die Enkelkinder auf. Wie den anderen Familienmitgliedern steht es ihr auch jederzeit frei, sich unentgeltlich Essen und Trinken aus dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdeführers zu entnehmen.
Am Betretungstag (27.03.2022) hat Frau XXXX aufgrund ihrer familiären Verbundenheit für vier Stunden im Heurigenbetrieb des Beschwerdeführers kurzfristig, freiwillig und unentgeltlich ausgeholfen. Insbesondere ist auch das Essen und Trinken, das sich Frau XXXX als Familienmitglied jederzeit aus dem landwirtschaftlichen Betrieb einschließlich dem Heurigen unentgeltlich entnehmen kann, keine Gegenleistung für diese Aushilfstätigkeit.
Nach der Betretung durch die Finanzpolizei meldete der Beschwerdeführer Frau XXXX rückwirkend zur Sozialversicherung an. Für den Zeitraum von 23.03.2022 bis 02.04.2022 scheint nunmehr eine Sozialversicherungsmeldung von Frau XXXX als geringfügig Beschäftigte des Beschwerdeführers auf.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die entscheidungswesentlichen Sachverhaltsfeststellungen konnten in Zusammenschau mit der Anzeige der Finanzpolizei an die belangte Behörde vom 12.04.2022 samt Anhängen, dem Bescheid vom 26.04.2022, der Beschwerde vom 20.05.2022, der Beschwerdevorentscheidung vom 01.06.2022, dem Vorlageantrag vom 13.06.2022, dem Bescheid vom 19.10.2022 mit welchem das Verwaltungsstrafverfahren seitens der BH St. Pölten eingestellt wurde, dem Schriftverkehr im Ermittlungsverfahren sowie den im Akt befindlichen Urkunden getroffen werden.
Die Feststellungen zur Betretung am 27.03.2022 und zur an diesem Zeitpunkt nicht vorliegenden Sozialversicherungsmeldung konnten aufgrund der diesbezüglich unbedenklichen und vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten Angaben der Finanzpolizei in ihrer Anzeige an die belangte Behörde (siehe im vorgelegten Verwaltungsakt: S. 1 ff) getroffen werden.
Bezüglich des Weinbaubeitriebes und des Heurigenlokals (einschließlich Öffnungstage) ergeben sich die Feststellungen aus dem nachvollziehbaren und glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers (siehe Beschwerde vom 20.05.2022, S. 2; Vorlageantrag vom 13.06.2022, S 3-4), das sich auch mit den Angaben auf der Website des Betriebes decken (siehe XXXX , Internetlink zuletzt abgerufen am 09.01.2023, 12:00 Uhr).
Hinsichtlich der Lebensgemeinschaft zwischen dem Vater des Beschwerdeführers, XXXX , und der Betretenen, Frau XXXX , gründen die Feststellungen auf die glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in seiner Befragung im Zuge der Betretung am 27.03.2022 (siehe im vorgelegten Verwaltungsakt: S. 8) und in der vorliegenden Beschwerde (siehe Beschwerde vom 20.05.2022, S. 2, 4 und 5). Die Feststellungen zum Hauptwohnsitz von Frau XXXX ergeben sich aus dem im Akt befindlichen Auszug aus dem Zentralen Melderegister (siehe im vorgelegten Verwaltungsakt: S. 19).
In Hinblick auf die Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebes von XXXX an den Beschwerdeführer und das im Gegenzug eingeräumte lebenslange Wohnungs-gebrauchsrecht konnten die Feststellungen unmittelbar aufgrund der vorliegenden, unbedenklichen Urkunde (siehe Notariatsakt vom 06.06.2019, im vorgelegten Verwaltungsakt: S. 34 ff) getroffen werden.
Betreffend die Stellung von Frau XXXX als vollwertiges Familienmitglied, die durch diese Stellung motivierten Unterstützungstätigkeiten und die damit einhergehenden Befugnisse gründen die Feststellungen auf die im gesamten Verfahren konsistenten, lebensnahen und auch nachvollziehbaren Schilderungen des Beschwerdeführers (siehe Beschwerde vom 20.05.2022, S. 2; Vorlageantrag vom 13.06.2022, S 3-4). Diese Schilderungen stehen auch im Einklang mit dem Vorbringen vom Beschwerdeführers und seinem Vater, XXXX , im Verwaltungsstrafverfahren vor der BH St. Pölten (siehe bspw. Bescheid der BH St. Pölten vom 19.10.2022, S. 2: „Weiters gab [der Vater des Beschwerdeführers] an, dass Frau XXXX die Oma für die Enkelkinder ist, regelmäßig auf diese aufpasst und für alle im gemeinsamen Haushalt kocht.“) dem schlussendlich auch im Einstellungsbescheid gefolgt wurde. Zu diesen anschaulich und nachvollziehbar dargestellten familiären Verhältnissen passt es auch, dass auf der Website des Familienbetriebes des Beschwerdeführers ein bildschirmfüllendes Familienfoto aufscheint, auf dem offensichtlich vier Generationen der „Familie XXXX “ – freilich einschließlich dem Vater des Beschwerdeführers und Frau XXXX – gemeinsam abgebildet sind (siehe XXXX Internetlink zuletzt abgerufen am 09.01.2023, 12:00 Uhr). Vor diesem Hintergrund sind nach Ansicht der erkennenden Richterin auch die am Betretungstag freiwillig durchgeführten Aushilfstätigkeiten von Frau XXXX in der Küche des Heurigenlokals zu sehen. Zudem hat der Beschwerdeführer bereits unmittelbar nach der Betretung gegenüber der Finanzpolizei nachvollziehbar angegeben, dass Frau XXXX an diesem Tag für seine an COVID-19 erkrankte Schwester eingesprungen sei (siehe E-Mail des Beschwerdeführers an die Finanzpolizei vom 28.03.2022, im vorgelegten Verwaltungsakt: S. 11). Naturgemäß würde auch die – vom Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgte – Ansicht, wonach das Essen und Trinken, welches Frau XXXX jederzeit als Familienmitglied entnehmen kann, eine Gegenleistung für ihre Aushilfstätigkeit sei, diametral mit dem im gesamten Verfahren gewonnenen Eindruck der vorliegenden familiären Verhältnisse entgegenstehen.
Die Feststellungen zur rückwirkenden Sozialversicherungsmeldung des Beschwerdeführers für Frau XXXX und zum Zeitraum der aufrechten Meldung konnten bereits von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung (siehe Beschwerdevorentscheidung vom 01.06.2022, S. 5) aufgrund der entsprechenden ELDA-Protokolle getroffen werden. Vom Beschwerdeführer wurden diese Feststellungen auch nicht bestritten. Wenn die belangte Behörde in ihrer Beschwerdevorentscheidung (siehe Beschwerdevorentscheidung vom 01.06.2022, S. 10) in diesem Zusammenhang aber ausführt, dass der Umstand der noch immer aufrechten Sozialversicherungsmeldung dafür spreche, dass auch der Beschwerdeführer von einem versicherungspflichtigen Dienstverhältnis ausgehe, übersieht sie dabei, dass der Beschwerdeführer bereits unmittelbar nach der Versicherungsmeldung infolge der Betretung gegenüber der Finanzpolizei ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass seiner Ansicht nach „laut § 4 Absatz 2 ASVG keine Anmeldung für Frau XXXX nötig“ sei (siehe E-Mail des Beschwerdeführers an die Finanzpolizei vom 28.03.2022, im vorgelegten Verwaltungsakt: S. 11). Schließlich blieb diese Position des Beschwerdeführers auch im weiteren Verfahren unverändert (siehe Beschwerde vom 20.05.2022, S. 3).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. § 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. Da im gegenständlichen Verfahren über eine Sache nach § 410 Abs. 1 Z 5 ASVG entschieden wird, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die Österreichische Gesundheitskasse.
3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen ab Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Die Beschwerdevorentscheidung tritt mangels gesetzlicher Regelung nicht außer Kraft, sondern wird zum Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. Dünser, ZUV 2013/1, 17; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 15 VwGVG, K 2; Hauer, Verwaltungsgerichtsbarkeit, RZ. 178; jeweils unter Hinweis auf den diesbezüglich ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, vgl. RV 2009 BlgNR 24 GP . 5).
Gemäß zweiter Satz des § 15 Abs. 1 hat ein Vorlageantrag, der von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt wird, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3) und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten. Im Umkehrschluss folgt aus dieser Vorschrift, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24 GP . 3).
3.4. § 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerde) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“
Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:
§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.
3.5. Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) lauten wie folgt:
Vollversicherung
§ 4. (1) In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:
1. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer;
[…]
(2) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. […]
An- und Abmeldung der Pflichtversicherten
§ 33. (1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
(1a) Der Dienstgeber hat die Anmeldeverpflichtung so zu erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar
1. vor Arbeitsantritt die Beitragskontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen, den Tag der Beschäftigungsaufnahme sowie das Vorliegen einer Voll- oder Teilversicherung und
2. die noch fehlenden Angaben mit der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung für jenen Beitragszeitraum, in dem die Beschäftigung aufgenommen wurde.
[…]
Dienstgeber
§ 35. (1) Als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.
[…]
Entgelt
§ 49. (1) Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
[…]
Verstöße gegen melderechtliche Vorschriften
§ 111. (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder nach § 42 Abs. 1 auskunftspflichtige Person oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet […]
Beitragszuschläge
§ 113. (1) Den in § 111 Abs. 1 genannten Personen (Stellen) können Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde.
(2) Der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a setzt sich aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 400 € je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 600 €.
(3) Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz auf bis zu 300 € herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.
3.6. Zu A) Stattgabe der Beschwerde
Im vorliegenden Fall war strittig, ob die bei der Kontrolle der Finanzpolizei im Heurigenbetrieb des Beschwerdeführers am 27.03.2022 angetroffene Frau XXXX in einem Dienstverhältnis zum Beschwerdeführer stand und damit der Beschwerdeführer als Dienstgeber verpflichtet gewesen wäre, gemäß § 33 ASVG die Meldung zur Sozialversicherung vorzunehmen.
Das Vorliegen einer gemäß § 33 ASVG meldepflichtigen Beschäftigung stellt im Verfahren zur Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 2 ASVG – wie auch in einem Verwaltungsstrafverfahren nach § 111 ASVG – eine Vorfrage dar (vgl. VwGH 24.04.2014, 2012/08/0177).
Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung (z.B. aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist (vgl. VwGH 19.02.2014, 2013/08/0267; vgl. verstärkter Senat 10.12.1986, 83/08/0200). Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit (vgl. VwGH 02.12.2013, 2013/08/0191; 21.02.2001, 96/08/0028).
Hinsichtlich der Feststellung der Umstände der Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Nach dieser gilt, dass die Behörde berechtigt ist, von einem Dienstverhältnis auszugehen, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. VwGH 21.04.2004, 2003/08/0182; VwGH 08.08.2008, 2008/09/0119). Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte (vgl. auch VwGH 26.05.2014, 2013/08/0165). Weiters kann bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfsarbeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, bei Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitere Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. VwGH 20.09.2006, 2003/08/0274).
Der Beschwerdeführer brachte vor, dass hinsichtlich Frau XXXX kein Beschäftigungsverhältnis, sondern unentgeltliche familienhafte Mitarbeit bzw. ein Gefälligkeitsdienst vorgelegen sei. Wie in der Landwirtschaft üblich, sei es auch im Familienbetrieb des Beschwerdeführers so, dass alle Familienmitglieder immer wieder unentgeltlich mithelfen. So habe auch Frau XXXX am Betretungstag – ohne fixen Arbeitsantritt, fixe Arbeitszeiten oder Ähnlichem – rein aus familiärer Verbundenheit angeboten unentgeltlich auszuhelfen.
Die Unentgeltlichkeit einer Verwendung bzw. ein Gefälligkeitsdienst ist nach der Judikatur des VwGH nicht schon bei bloßem Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten. Die Unentgeltlichkeit muss vielmehr - wenigstens den Umständen nach konkludent - vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten. Eine derartige sachliche Rechtfertigung könnte in persönlichen Beziehungen, in bestimmten wirtschaftlichen Interessen, aber auch in einer idealistischen Einstellung begründet sein (vgl. VwGH 04.09.2013, 2011/08/0318). Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten (vgl. VwGH 19.12.2012, 2012/08/0165). Es ist Sache der Partei, hiezu entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. VwGH 14.03.2013, 2010/08/0229). Das Kriterium der sachlichen Rechtfertigung der Unentgeltlichkeit einer Dienstleistung dient nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ein entsprechendes Vorbringen unter Glaubwürdigkeitsgesichtspunkten dahingehend zu beurteilen, ob die Unentgeltlichkeitsvereinbarung nur nachträglich behauptet bzw. bloß zum Schein geschlossen wurde; eine Aussage, wonach Unentgeltlichkeit gewollt war, ist nämlich vor dem Hintergrund zu prüfen, dass unentgeltliche Dienstverhältnisse nur ausnahmsweise und nur dann vorkommen, wenn sie ganz bestimmten, die (sonst das Arbeitsverhältnis dominierende) Erwerbsabsicht substituierenden Motiven entspringen (vgl. VwGH 25.02.2021, Ra 2019/08/0133, mwN).
Der Beweis für das Vorliegen sämtlicher in der Rechtsprechung des VwGH angeführter Voraussetzungen für die Annahme eines Gefälligkeitsdienstes ist dem Beschwerdeführer, wie in den Feststellungen und der Beweiswürdigung ersichtlich, gelungen. Frau XXXX ist am Betretungstag in der Küche des Heurigenlokals – für die Dauer von vier Stunden – kurzfristig aushilfsweise eingesprungen. Diese Hilfstätigkeit erfolgte auch freiwillig, wobei es ihr freistand, über ihr Kommen und Gehen und ihre Mithilfe selbst zu entscheiden. Dafür erhielt sie vom Beschwerdeführer auch kein Entgelt. Insbesondere ist auch das Essen und Trinken, das sie als Familienmitglied jederzeit unentgeltlich aus dem Weinbaubetrieb einschließlich dem Heurigen entnehmen kann, keine Gegenleistung für ihre Aushilfstätigkeit. Die sachliche Rechtfertigung für die Aushilfstätigkeit von Frau XXXX war ausschließlich das Naheverhältnis bzw. die familiäre Verbundenheit zum Beschwerdeführer.
Somit liegt familienhafte Mitarbeit bzw. ein Gefälligkeitsdienst im Sinne der Judikatur des VwGH vor (zu diesem Schluss kam auch die BH St. Pölten in ihrem Bescheid vom 19.10.2022, mit dem das Verwaltungsstrafverfahren nach § 111 ASVG iVm § 33 ASVG eingestellt wurde) und damit kein versicherungspflichtiges (freies) Dienstverhältnis im Sinne des ASVG. Den Beschwerdeführer traf somit auch nicht die Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG und es war kein Beitragszuschlag nach § 113 ASVG zu verhängen.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid sowie die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos zu behoben.
3.7. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Im vorliegenden Beschwerdefall nimmt das Bundesverwaltungsgericht von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG Abstand, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung aufzuheben waren.
3.8. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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