BVwG W142 2185038-3

BVwGW142 2185038-327.10.2022

AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4
AsylG-DV 2005 §8
B-VG Art133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W142.2185038.3.00

 

Spruch:

 

W142 2185038-3/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX . StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2021, ZI. 1090315206/211503595, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.07.2022 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Zu den früher geführten Verfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein indischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 08.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 05.01.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.)und ausgesprochen, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid brachte der BF eine Beschwerde ein.

1.3. Nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 16.04.2018, wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (in der Folge: BVwG) vom 23.07.2018, Zl. GZ: W125 2185038-1/6E, die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 FPG als unbegründet abgewiesen und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die Entscheidung des BVwG erwuchs in Rechtskraft.

1.4. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb im Bundesgebiet.

1.5. Mit Ladungsbescheid vom 20.08.2018 wurde der BF vom BFA zu einer Einvernahme am 10.10.2018 geladen und er aufgefordert, einen gültigen Reisepass, seine Geburtsurkunde in Original und in deutscher Übersetzung, Ausweise, Urkunden und sonstige für das Verfahren relevante Beweismittel mitzubringen.

Bei der Einvernahme wurde der BF unter anderem dazu befragt, ob er sich selbstständig und aus Eigenem um die Erlangung eines Reisepasses bemüht habe, wobei er dazu angab, vor 2 Wochen bei der Botschaft gewesen zu sein, er dort ein Formular ausgefüllt habe und man ihm gesagt habe, dass er warten solle, bis man sich melde. Der BF verneinte in Besitz eines Identitätsdokumentes oder eines Reisepasses gewesen zu sein, bevor er kurz darauf angab, einen Reisepass gehabt zu haben, welchen ihn der Schlepper abgenommen habe. Er besitze keinerlei Urkunden. In Indien habe er einen Reisepass gehabt, aber der Schlepper habe ihn abgenommen.

Der BF bejahte die Formulare zur Beantragung eines Heimreisezertifikates wahrheitsgemäß auszufüllen und sei er auch bereit, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen, wenn für ihn ein Ersatzreisedokument ausgestellt werde.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der BF an, er sei ledig und für niemanden sorgepflichtig. In Österreich würden keine Familienangehörigen leben. Seine Eltern und seine Schwester würden in Indien leben. Er arbeite als Zeitungszusteller und bekomme Geld von der Caritas. Er habe keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung und keinen Gewerbeschein. Ihm sei nicht bewusst, dass er einer unerlaubten Beschäftigung nachgehe. Er wohne zur Untermiete und bezahle monatlich 175 € Miete.

1.6. Aus dem Akteninhalt kann gefolgert werden, dass dem BF am 14.06.2019 ein Mandatsbescheid betreffend eine Wohnsitzauflage ausgefolgt wurde. Ein solcher Mandatsbescheid, Erstelldatum angeblich 12.06.2019, liegt dem Verwaltungsakt nicht ein. Laut den weiteren Ausführungen im Akt des BFA brachte der BF gegen diesen Mandatsbescheid das Rechtsmittel der Vorstellung ein.

1.7. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 05.11.2019 wurde dem BF vom BFA mitgeteilt, dass aufgrund der eingebrachten Vorstellung das ordentliche Verfahren eingeleitet worden sei und er dazu aufgefordert binnen 2 Wochen eine Stellungnahme einzubringen und diverse Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen zu beantworten bzw. entsprechende Belege dazu vorzulegen.

1.8. Mit Ladungsbescheid vom 07.11.2019 wurde der BF vom BFA zu einer Einvernahme am 12.12.2019 geladen und er aufgefordert, die in seinem Besitz befindlichen Dokumente (Reisepass im Original, Ausweise, Urkunden und sonstige für das Verfahren relevante Beweismittel wie Zeugnisse, Fotografien, die alte Asylkarte, die Geburtsurkunde im Original und deutscher Übersetzung, Meldezettel und sonstige Identitätsnachweise) mitzubringen.

1.9. Am 22.11.2019 langte eine Stellungnahme des BF ein, worin insbesondere ausgeführt wurde, das der BF stets kooperativ gewesen sei, er Ladungen immer Folge geleistet und am Verfahren mitgewirkt habe. Er sei gut integriert, negative Faktoren würden nicht vorliegen und gebe es keine berechtigten Gründe für die Erlassung der Wohnsitzauflage. Zudem sei nicht absehbar, ob der BF das Bundesgebiet tatsächlich verlassen könne. Die für die Ausreise notwendigen Dokumente würden fehlen, ohne dass dies im Verschulden des BF liege. Der BF sei als Geduldeter zu betrachten, da die Duldung ex lege eintrete und sei ihm bislang keine Karte für Geduldete ausgestellt worden.

1.10. Am 12.12.2019 fand eine Einvernahme des BF vor dem BFA statt.

Dem BF wurde vorgehalten, dass gegen ihn eine durchsetzbare und rechtskräftige Ausreiseentscheidung bestehe, er laut Aktenlage nicht in Besitz eines gültigen Reisepasses sei und beabsichtigt sei, für ihn ein Ersatzdokument zu beantragen. Der BF wurde darüber aufgeklärt, dass aufgrund der neu aufliegenden Formblätter der indischen Botschaft zur Erlangung eines Heimreisezertifikates und der Überprüfung der von ihm angegebenen Daten er neuerlich geladen worden sei.

Befragt, warum er das Bundesgebiet nicht verlassen habe, gab der BF an, keinen Reisepass zu haben. Er verneinte in Besitz eines Identitätsdokumentes bzw. eines Reisepasses zu sein. Die Frage, ob er sich bei der indischen Botschaft bemüht habe, die Ausstellung eines Reisepasses zu erlangen, bejahte der BF und gab er an, bei der Botschaft gewesen zu sein. Es sei ihm gesagt worden, dass er kein Dokument besitze und man ihm keinen Reisepass geben könne. Er besitze keinerlei Urkunden. Seinen Reisepass habe er während der Einreise nach Österreich verloren. Der BF sei bereit, die für ein Heimreisezertifikat erforderlichen Formulare wahrheitsgemäß auszufüllen. Er bejahte auch bereit zu sein, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen.

Der BF arbeite als Zeitungszusteller und verdiene 450 €/Monat. Er verfüge nicht über eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung, sondern arbeite auf Werkvertragsbasis. Der BF sei krankenversichert. Er wohne zusammen mit 3 weiteren Personen in einer Mietwohnung und bezahle er 125 € Miete/Monat.

1.11. Mit Bescheid des BFA vom 13.12.2019 wurde dem BF gemäß § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in einer Betreuungseinrichtung zu nehmen und er dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen habe (Wohnsitzauflage). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

1.12. Gegen diesen Bescheid brachte der BF das Rechtsmittel der Beschwerde ein, worin neben den Ausführungen betreffend die zu Unrecht erlassenen Wohnsitzauflage, unter anderem ausgeführt wurde, dass der BF am Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates laufend mitgewirkt habe und er bereit sei, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen, falls sich die Möglichkeit dazu eröffne. Der BF besitze gegenwärtig und unbestritten keinerlei Dokumente des Heimatlandes, welche für eine Reise verwendbar wären, weshalb sich die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr derzeit nicht stelle.

1.13. Mit Erkenntnis des BVwG vom 03.02.2020, GZl.: W191 2185038-2/3E, wurde der Bescheid des BFA vom 13.12.2019 gemäß § 57 Abs. 1 FPG und § 13 Abs. 2 iVm § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG behoben. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 23.08.2021 stellte der BF durch seine Rechtsvertreter per E-Mail einen „Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK („Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens“) gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 („Aufenthaltsberechtigung plus“)“, wegen Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung.

Es wurde ein Schreiben des Rechtsvertreters des BF angefügt, worin ausgeführt wurde, dass der BF in überdurchschnittlichem Maße integriert sei und über 5 Jahre durchgehend aufhältig sei. Er sei strafrechtlich unbescholten und bemühe sich die deutsche Sprache zu lernen und sich weiterhin zu integrieren. Er sei selbstständig als Zeitungszusteller tätig und bringe ein monatliches Einkommen ins Verdienen. Der BF habe einen Verteilvertrag mit der PDW Zustellservice GmbH abgeschlossen. Er habe im Zuge seines Aufenthaltes österreichische Freunde kennengelernt und sei gut in die österreichische Gesellschaft integriert. Seine österreichischen Freunde und Bekannte würden ihn als freundlichen, verlässlichen und hilfsbereiten jungen Mann beschreiben, würden den Fortschritt seiner Deutschkenntnisse loben und ihn als Zugewinn und Bereicherung bezeichnen. Der BF habe kaum Kontakt zu seinen Verwandten im Heimatland und inzwischen seinen Lebensmittelpunkt in Österreich. Sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels würden vorliegen und sei eine Ausweisung auf Dauer unzulässig, da die privaten Bindungen derart intensiv seien, dass diese gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden. Zudem würden stichhaltige Gründe vorliegen, dass im Falle einer Zurückschiebung, Zurückweisung oder Abweisung das Leben oder die Freiheit des BF aus Gründen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Ansichten bedroht sei. Es wurde beantragt dem BF einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG iVm Art. 8 EMRK zu gewähren, in eventu gemäß § 46a Abs. 1 Z 4 FPG eine Duldung im Bundesgebiet zu gewähren und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis Abs. 3 BFA-VG vorübergehend als unzulässig zu erklären.

Zudem wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

- Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau A2 vom XXXX - Verteilvertrag, abgeschlossen zwischen dem BF und der PDW Zustellservice GmbH vom XXXX sowie diesbezügliche Bestätigungen/Schreiben;

- Lohnzettel/Gutschriften von März-Mai 2019;

- 4 Empfehlungsschreiben;

- Eintrittskarte für das Schloss Belvedere;

- Wohnbestätigung.

2.2. Mit Verbesserungsauftrag vom 12.10.2021 forderte das BFA den BF auf, binnen vier Wochen einen ausgefüllten Antrag in deutscher Sprache, ein Lichtbild gemäß § 5 AsylG-DV, ein gültiges Reisedokument (Original) und eine Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument (Original) vorzulegen. Im Falle der Nichtvorlage der erforderlichen Urkunden oder Nachweise könne ein begründeter Antrag auf Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV eingebracht werden, es sei jedoch nachzuweisen, dass die Beschaffung nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Sollte dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen werden, wäre der Antrag des BF auf Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG mangels Mitwirkung gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückzuweisen. Werde der Mangel rechtzeitig behoben, gelte das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

2.3. Mit E-Mail vom XXXX , beim BFA eingelangt am 09.11.2021, langte ein Schreiben der Rechtsvertretung des BF ein, worin ausgeführt wurde, dass der BF über keinen Reisepass verfüge und ihm dieser von der indischen Botschaft in Wien auch nicht ausgestellt worden sei. Es wurde ein Antrag auf Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV gestellt, da es dem nicht zumutbar sei, auf anderem Wege, als über die indische Botschaft in Wien zu seinem Reisepass zu kommen, zumal dies schon versucht worden sei. Zudem sei es dem BF nicht zumutbar, eine neue Personalkarte zu beantragen.

Folgende Unterlagen wurden neu vorgelegt:

- ausgefülltes Antragsformular „Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK („Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens“) gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 („Aufenthaltsberechtigung plus“)“, wegen Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung, datiert mit XXXX

- Kopie der E-Card;

- Kopie der indischen Geburtsurkunde, zum Teil in englischer Sprache;

- Foto des BF;

- Schreiben vom Club für Interkulturelle Begegnung, wonach der BF die B1-Integrationsprüfung am XXXX abgelegt habe;

- Lohnzettel/Gutschriften von Juni-August 2021;

- Zertifikat in englischer Sprache betreffend den Abschluss des Kurses „Computer Engineering“ vom XXXX

- Kontoauszüge mit Spendenüberweisungen;

- Eintrittskarte für das naturhistorische Museum vom 16.09.2021.

2.4. Mit gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 16.11.2021 hat die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG vom 23.08.2021 gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf Mängelheilung vom XXXX gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 AsylG-DV 2005 ab.

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF trotz Aufforderung keinen indischen Reisepass (im Original) vorgelegt habe bzw. zum ergangenen Verbesserungsauftrag lediglich per E-Mail ein Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters mit Kopien und einem angeschlossenen Antrag auf Mängelheilung mit der Begründung eingebracht worden sei, wonach die Beschaffung des Reisepasses nicht möglich bzw. zumutbar sei. Originale im Rahmen eines persönlichen Vorsprachetermines seien der Behörde nicht vorgelegt worden und sei der BF seiner vollständigen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Nachweise über erfolgte Bemühungen bei der indischen Vertretungsbehörde einen Reisepass zu erlangen habe er nicht vorgelegt. Die Nichtvorlage des indischen Reisepasses in Original stelle einen absoluten Zurückweisungsgrund in Bezug auf den beantragten Aufenthaltstitel dar.

2.5. Mit Aktenvermerk des BFA vom 17.11.2021 (AS 572) wurde festgehalten, dass der Antrag des BF am 17.11.2021 beim zuständigen Referenten des BFA eingelangt sei. Auf der ersten Seite des Antrages befindet sich ein Eingangsstempel des BFA vom 09.11.2021 (AS 447).

2.6. Gegen den Bescheid des BFA vom 16.11.2021 erhob der BF mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde. Es wurde ausgeführt, das BFA vertrete die Ansicht, dass der BF keiner legalen Beschäftigung nachgehe, übersehe dabei aber die Lebensumstände und den Sachverhalt und mache eine unrichtige rechtliche Beurteilung. Der BF sei kranken- und sozialversichert, habe sich selbstständig gemacht und komme für seinen Unterhalt auf. Er zahle Abgaben und leiste einen Steuerbeitrag. Eine ab Beginn des 4. Monats nach Einbringung eines Asylantrages ausgeübte selbstständige Erwerbstätigkeit sei rechtmäßig und sei der Verteilervertrag erst am XXXX abgeschlossen worden. Der BF habe sich im Laufe des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sei er auch seit 23.08.2015 nicht mehr widerrechtlich im Bundesgebiet aufhältig, da ein Antrag auf humanitäres Bleiberecht gestellt worden sei und der rechtzeitigen Beschwerde nunmehr aufschiebende Wirkung zukomme. Demnach sei die legitime Ausübung des Gewerbes bis zum rechtkräftigen Ausgang des Verfahrens gerechtfertigt. Dem BF komme ein Bleiberecht zu und dürfe er gemäß § 14 Abs. 1 GewO seine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet ausüben. Aus den vorgelegten Einkommensnachweisen ergebe sich, dass der BF über ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze verfüge (etwa 700€ netto) und berechtige ihn dies zur Erlangung eines Aufenthaltstitels. Es liege daher eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides vor. Der BF sei in überdurchschnittlichem Maße in Österreich integriert und halte sich über 6 Jahre durchgehend hier auf. Er sei strafrechtlich unbescholten, lebe hier mit seinem Bruder und vielen österreichischen Freunden/Bekannten, zu denen ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Das Familienleben mit seinem Bruder sei vom BFA gar nicht berücksichtigt worden. Der BF bemühe sich Deutsch zu lernen und sich weiterhin zu integrieren. Der maßgebliche Sachverhalt sei von der Behörde faktisch und rechtlich unrichtig beurteilt worden. Seit der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG seien zahlreiche weitere Änderungen im persönlichen Privat- und Familienleben des BF eingetreten (insbesondere das Nachgehen einer Beschäftigung, welche die nötige Einkommensgrenze überschreite, die erfolgreiche Ablegung der Integrationsprüfung sowie die kulturelle, gesellschaftliche und soziale Integration). Das BFA habe keine öffentlichen Interessen montiert, welche der Erteilung des Aufenthaltstitels entgegenstehen würden. Die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes, das bestehende Familien- und Privatleben und dessen Schutzwürdigkeit, sein Integrationsgrad, die fehlenden Bindungen zum Heimatstaat und die strafrechtliche Unbescholtenheit iSd Art. 8 EMRK seien nicht ausreichend berücksichtigt/abgewogen worden. Deshalb sei das BFA zur unzutreffenden rechtlichen Beurteilung gelangt und sei der Bescheid aufzuheben. Im Zuge der Verbesserung seines Antrages habe der BF eine Geburtsurkunde vorgelegt, die Behörde gehe aber dennoch davon aus, dass seine Identität nicht feststehe. Es werde daher nochmals ein Scan der Geburtsurkunde samt Apostille der indischen Regierung vom 02.07.2014 vorgelegt. Auch sei nicht nachvollziehbar, wie das BFA zur Feststellung gelange, dass der BF seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Am 09.11.2021 habe der BF persönlich mit seinem Bruder als Begleitung die notwendigen Originale – bis auf den Reisepass – dem BFA vorgelegt. Dabei sei zum wiederholten Male geschildert worden, dass die indische Botschaft dem BF keinen Reisepass ausstelle und dafür auch keine Bestätigungen erteile. Selbiges sei in der schriftlichen Verbesserung durch die anwaltliche Vertretung geschildert worden und der entsprechende Heilungsantrag gestellt worden. Die Geburtsurkunde sei vom BF persönlich am 09.11. und von seinem rechtlichen Vertreter schriftlich am XXXX zum BFA (ein)gebracht worden und dennoch nicht als Beweis aufgenommen worden. Es sei auch keine formelle Abweisung des Beweisanbots erfolgt. Der maßgebliche Sachverhalt sei vom BFA sohin unvollständig festgestellt worden und werde der Grundsatz der materiellen Wahrheit verletzt. Es werde unter einem beantragt die Geburtsurkunde als vorgelegten Beweis zum Verwaltungsakt zu nehmen. Das BFA habe nicht näher begründet, warum dem BF kein Bleiberecht zukomme, was den BF an der Verfolgung seiner Rechte nach Art. 8 EMRK hindere und daher ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege. Weiters liege Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK vor, da der BF aufgrund seiner Verwandtschaft zum ehemals bedrohenden Onkel väterlicherseits verfolgt werde. Bei einer Rückkehr sei er erneut den bereits erlittenen Bedrohungen ausgesetzt und körperlichen Angriffen ausgeliefert und drohe ihm eine Verletzung der körperlichen und seelischen Unversehrtheit. Auch habe es das BFA unterlassen, Ermittlungen zur Integration und zum Privatleben des BF iSd Art. 8 EMRK in Österreich anzustellen. Die vorgelegten Beweise hinsichtlich der Integration seien nicht ausreichend gewürdigt und überprüft worden. Eine Rückkehrentscheidung sei auf Dauer unzulässig. Weiters wurden in der Beschwerde Auszüge des Länderinformationsblattes (betreffend Covid und die Situation der Sikh) angeführt und darauf verwiesen, dass eine Rückkehr des BF nach Indien mit der Gefahr der Folter, menschenunwürdiger Erniedrigung, Gewalt und Unsicherheit verbunden wäre. Es wäre unzumutbar den gut integrierten BF der an das System in Österreich gewöhnt sei gerade in einer Zeit wo sich das Covid-19 Virus weiter ausbreite nach Indien zurückzuschicken. Das Risiko der Ansteckung sei in Indien wesentlich höher als in Österreich und entspreche das indische Gesundheitssystem nicht europäischen Standards. Da der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ermittelt worden sei, sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens unter Berücksichtigung der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF unvermeidlich.

Mit der Beschwerde wurden nochmals die bereits vorgelegte indische Geburtsurkunde sowie ein Lohnzettel/Gutschrift von November 2021 vorgelegt.

2.7. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 23.12.2021 wurde das gegenständliche Verfahren dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt und langte der Akt am 28.12.2021 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

2.8. Am 16.02.2022 langte ein ergänzendes Schreiben der Rechtsvertretung ein, wonach der BF in Österreich sehr gut integriert sei, gut Deutsch und Englisch beherrsche und über ein eigenes Einkommen verfüge. Er stelle keine Belastung der Gebietskörperschaft dar. Zusätzlich sei er mildtätig und spende er regelmäßig an die Barmherzigen Brüder.

Folgende Unterlagen wurden vorgelegt:

- Kontoauszug mit Spendenüberweisung;

- Lohnzettel/Gutschriften von Dezember 2021 und Jänner 2022.

2.9. Am 19.05.2022 langte erneut ein ergänzendes Vorbringen ein, worin ausgeführt wurde, dass der BF derzeit durchschnittlich 887,01€ ins Verdienen bringe, was jedenfalls über der Geringfügigkeitsgrenze des ASVG liege. Zudem sei er ein großzügiger Spender an das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder und an Amnesty International. Weiters lerne der BF aktuell für die B1-Prüfung und wolle er seine Fähigkeiten in einer mündlichen Verhandlung gerne persönlich darstellen.

Folgende Unterlagen wurden vorgelegt:

- Kontoauszüge mit Spendenüberweisungen;

- Lohnzettel/Gutschriften von Februar bis April 2022.

2.10. Am 07.07.2022 fand vor dem erkennenden Gericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der BF, ein Dolmetscher für die Sprache Punjabi und der Rechtsvertreter des BF teilnahmen.

In der Verhandlung führte der BF wie folgt aus:

[...]

R: Sind Sie gesund?

BF: Ja.

 

R: Stimmt Ihr Familienname, Ihr Vorname und das Geburtsdatum?

BF: Ja.

 

R: Haben Sie noch Unterlagen, die Sie vorlegen möchten?

RV legt vor:

- Zeitungsartikel (siehe Beilage ./A), aus diesem ist ersichtlich, dass ein Bekannter des BF ermordet wurde. Die RV gibt an, dass der Ermordete denselben Geburtsort wie der BF hatte.

 

R: Woher kennen Sie den Ermordeten?

BF: Wir sind aus demselben Dorf, wir sind auch von derselben Nachbarschaft, ich kannte ihn schon seit der Kindheit.

 

R: Wieso wurde er ermordet?

BF: Ohne Grund, es gab keinen Grund, er ist im Dorf erschienen und weil die Familie auch bei der Polizei ist, gab es den Vorhalt „wer bist denn du, der mich aufhalten könnte?“ und er wurde einfach erschossen.

 

R: Wer hat ihn erschossen?

BF: Ein Polizist des Nachbardorfes.

 

R: Mittels Verbesserungsauftrag v. 10.12.2021 wurden Sie ersucht, die Urkunden und Nachweise in Kopie vorzulegen sowie eine Terminvereinbarung durchzuführen. Dem sind Sie aber nicht nachgekommen, wieso sind Sie nicht persönlich beim BFA erschienen und haben die Originale der Kopien vorgelegt?

BF: Ich war persönlich im 8. Bezirk bei der Behörde und habe dort meine Originaldokumente vorgezeigt, sie haben dort aber nur die Kopien genommen. Ich war dort im 2. Stock.

 

R: Wann waren Sie bei der Behörde im 8. Bezirk?

BF: An das genaue Datum kann ich mich nicht erinnern. Ich habe davor angerufen und einen Termin ausgemacht, als ich beim Eingang war, wurde ich auch registriert, sie nahmen meinen Namen und die Telefonnummer auf und dann ging ich hinauf.

 

R: Mit wem haben Sie telefoniert?

BF: Den Namen weiß ich nicht.

 

R: Wenn Sie einen Termin vereinbart haben, müssten Sie sich doch an das Datum erinnern.

BF: Ich hatte keinen Termin ausgemacht, es war nur, um die Dokumente vorzulegen.

 

R: Sie sagten, Sie gingen zur Behörde und dann gingen Sie hinauf, zu wem?

BF: Das weiß ich nicht genau, aber ich ging in den 2. Stock, die Türnummer war 100 irgendwas, das ist genau die nächste Tür zum Raum, wo man die ecard und so macht. Ich habe die Unterlagen einer Dame vorgelegt.

 

R: Haben Sie eine Bestätigung bekommen?

BF: Nein.

 

RV legt vor:

-2 Emails, diese werden als Beilage ./B zum Akt genommen

 

R: Wieso wird lt. Akteninhalt festgehalten, dass der Rechtsanwalt die Unterlagen in Kopie vorgelegt hat?

RV: Das weiß ich nicht, das habe ich auch in der Beschwerde moniert. Unsere Kanzlei hat per E-Mail angefragt aufgrund des Verbesserungsauftrages einen Termin zu vereinbaren. Uns wurde gesagt, BFA Infotelefon, dass er morgen früh, nämlich am 9.11. ab 8 Uhr früh anrufen könne und vorbeikommen könne, bei Sachbearbeiter Giesel. Dann hat sich das überschnitten, dann kam die E-Mail für den 11. und da war der BF schon dort beim BFA.

 

R: Können Sie einen Reisepass im Original vorlegen?

BF: Ich habe keinen Reisepass.

 

R: Haben Sie nie einen Reisepass besessen?

BF: Früher hatte ich ja einen, bevor ich hierherkam hatte ich schon einen. Ich hatte einen bevor ich hierherkam.

 

R: Bevor Sie in Ö eingereist sind meinen Sie?

BF: Ja.

 

R: Was ist mit dem Reisepass passiert?

BF: Als ich hierherkam haben die Schlepperleute diesen weggenommen.

 

R: Das war Ihr eigener Reisepass, kein gefälschter?

BF: Mein eigener echter.

 

R: Haben Sie sich bei der Vertretungsbehörde in Ö bemüht, einen Reisepass zu erlangen?

BF: Einmal bin ich dorthin gegangen, nachdem ich im 8. Bezirk dort das Interview hatte, sagten sie, ich müsse sowas besorgen. Dann haben sie aber dort gesagt, dass sie mir sowas nicht ausstellen können.

 

R: Wann waren Sie bei der Vertretungsbehörde und fragten nach einem Reisepass?

BF: Nach dem Interview im 8. Bezirk ging ich dorthin, nachdem ich ersucht wurde, dorthin zu gehen, um mich zu erkundigen.

 

R: Können Sie mir dafür einen Nachweis erbringen?

BF: Ich habe keinen Beweis, nur, dass ich dort beim Eingang war, sie haben mir auch keine weiteren Infos gegeben, nur, dass es nicht möglich ist.

 

R: Wie oft waren Sie in Ö bei der Vertretungsbehörde und haben um einen Reisepass ersucht?

BF: 2mal bin ich dorthin gegangen. 1mal ging ich alleine dort hin und 1mal in Begleitung mit jemanden.

 

R: Wann konkret gingen Sie das erste Mal dorthin (Jahr/Monat)? Woran erinnern Sie sich?

BF: 2019. Den Monat weiß ich nicht.

 

R: Wann gingen Sie das 2. Mal dorthin?

BF: Eine Zeitlang danach, einige Tage danach. Ich bin nicht hinaufgegangen, ich war nur dort unten.

 

R: Das 2. Mal waren Sie auch 2019 bei der Vertretungsbehörde?

BF: Ja.

 

R: Welche andere Person hat Sie das 2. Mal begleitet?

BF: Er war Inder.

 

R: Können Sie mir den Namen nennen?

BF: Er war nur Tourist hier und fragte mich, wo die Botschaft ist.

 

R: Können Sie mir die Adresse der indischen Botschaft in Wien angeben?

BF: Karlplatz (phonetisch), das ist im 1. Bezirk neben der U4. Ich weiß nicht genau, ob es der 1. oder 4. Bezirk ist, aber gleich in der Nähe ist die „Baden“ Straßenbahn.

 

R: Ihr Anwalt schrieb, dass die Beschaffung des Reisepasses nicht möglich bzw. unzumutbar sei, wieso ist die Beschaffung des Reisepasses unzumutbar? Was meinen Sie damit?

BF: Ich war bei der Botschaft und sie sagten, weil ich keine Dokumente und Papiere habe, um hier zu sein, können sie es mir nicht geben. Das haben sie mir als Grund genannt, nachdem ich fragte, was der genaue Grund sei, sagten sie, dass vor einiger Zeit in Mumbai ein Vorfall passierte und sie deshalb diese Angelegenheiten so handhaben.

 

R: Welcher Vorfall ist in Mumbai passiert?

BF: Ich weiß nicht genau, sie sagten, dass dort ein „accitent“ passiert sei und sie damals ein Dokument, einen Reisepass, ausgegeben hätten.

 

R: Was Näheres wissen Sie nicht?

BF: Das sagten sie mir so.

 

R: Dh., sie sind 2mal 2019 bei der indischen Botschaft in Ö gewesen?

BF: Ja.

 

R: Wo sind Sie genau geboren? Schreiben Sie bitte auch den Namen Ihrer Eltern auf.

 

BF schreibt auf ein Blatt Papier, welches als Beilage ./C zum Akt genommen wird:

XXXX

R: Woher haben Sie die Geburtsurkunde? Hatten Sie diese bei der Einreise nach Ö oder wurde Sie Ihnen nachgeschickt?

BF: Ich habe sie mir danach besorgt.

 

R: Was bedeutet das?

BF: Ich habe sie mir von Indien schicken lassen.

 

R: Wer hat Ihnen die Geburtsurkunde geschickt?

BF: Meine Mutter hat mir die Geburtsurkunde geschickt und auch Zertifikate vom College.

 

R: Wieso steht dann bei Ihrem Namen in der Geburtsurkunde XXXX ? Wieso geben Sie im Asylverfahren an, XXXX zu heißen?

BF: Üblicherweise werden bei uns nicht Nachnamen angeführt. Deshalb steht es nur so auf der Geburtsurkunde, als ich damals nach meinem Familiennamen gefragt wurde, gab ich das an.

 

R: Was haben Sie angegeben?

BF: Dass das mein Familienname ist.

 

R: Wieso geben Sie dann XXXX als Nachnamen an, wenn Sie sagen, es werden keinen Nachnamen geführt?

BF: Weil ich gefragt wurde, was auf meinem Reisepass steht und ich sagte, auf meinem Reisepass steht XXXX

R: Auf der Geburtsurkunde steht eindeutig XXXX , wieso stimmt dann der Name in der Geburtsurkunde nicht mit dem Namen im Reisepass überein?

BF: Nein, meine Schulzeugnisse und diese sind eh gleich. Auch, als ich später meinen Führerschein machte, wurde dort XXXX angegeben.

 

R: Wo machten sie den Führerschein?

BF: In Indien.

 

R: Wo ist Ihre Originalgeburtsurkunde?

BF: Die habe ich bei mir.

 

Der BF wird aufgefordert, das Original der Geburtsurkunde vorzulegen sowie das Original des vorgelegten Zertifikates (siehe AS 475).

Der BF legt die Originale, nämlich die Geburtsurkunde und das Zertifikat vor.

 

R: Haben Sie schon eine B1-Prüfung gemacht?

BF: Ja.

 

R: Haben Sie das Zertifikat?

BF: Nein, ich habe es nicht clear gemacht. Ich habe die Prüfung nicht bestanden.

 

R: Können Sie mir genau sagen, wann Sie die Geburtsurkunde und das Zertifikat von Ihrer Mutter zugeschickt bekamen?

BF: 2021.

 

R: Haben Sie das Kuvert noch, wo die Dokumente drinnen waren?

BF: Nein. Ich habe es nicht bei mir gelassen.

 

R: Heißt das, Sie haben das Kuvert weggeworfen?

BF: Ja, es kam nicht per Kurier, sondern postalisch. Ich habe mir auch weitere drei bis fünf Unterlagen schicken lassen, die gemeinsam geschickt wurden, das sind meine „DMC“-Unterlagen meines Diploms.

 

R: Was heißt DMC?

BF: Das sind Zeugnisse, dass ich bestanden habe, es war ein Kurs für drei Jahr, bestehend aus 6 Semestern.

 

R: Welchen Kurs haben Sie bestanden?

BF: CSE – Computer Science Engineering.

 

R: Was bedeutet die Abkürzung DMC?

BF: Es steht für Diploma Mark Cheet Certifikate, es steht wie viele Punkte man auf welche Fach bekommen hat. Falls Sie es sehen möchten, ich habe es bei mir.

 

R: Sie arbeiten dzt. noch immer bei PDW Zustellservice?

BF: Ja.

 

R: Wieso gingen Sie dann nicht nochmals zur indischen Botschaft? Sie hatten ja die Geburtsurkunde.

BF: Danach war Corona und außerdem sagten sie, dass sie mir nichts geben können, bis ich eine österr. „ID“ habe oder generelle Visa-Karte.

 

RV: Wie sieht Ihr Privatleben in Ö aus, haben Sie österr. Freunde, was machen Sie in Ihrer Freizeit?

BF: Ich habe indische als auch österr. Freunde. Ich bin auch im guten Verhältnis zu den Arbeitskollegen meiner nächtlichen Zeitungsarbeit. Ich gehe auch zu ihnen nach Hause oder bin bei Freunden auch zu Weihnachten oder Neujahr.

BF auf Deutsch: Manchmal wir auch reden bis spät in der Nacht.

 

R: Haben Sie Verwandte hier in Ö?

BF: Nein.

 

R: Sind Sie verheiratet?

BF: Nein.

 

R: Leben Sie alleine?

BF: Nein, ich lebe mit meinen indischen Freunden zusammen.

 

R: Dh, Sie haben keine Freundin/Lebensgefährtin?

BF: Ja und nein, beides.

 

R: Was heißt das?

BF auf Deutsch: Momentan nein, aber früher ja.

 

R: Seit wann haben Sie keine Freundin/Lebensgefährtin?

BF: Meinerseits hatte ich die Freundin, aber es ist schon eine Zeitlang her, dass Schluss wurde, wir haben schon eine Zeitlang nicht miteinander gesprochen. Das ist 3 bis 4 Jahre her.

 

RV: Wie knapp war das B1-Zertifikat nicht erreicht bei der Prüfung im November?

BF: 9 Punkte beim Schreiben.

 

RV: Wie stellen Sie sich die Zukunft in Ö vor, wenn Sie einen Aufenthaltstitel bekommen würden?

BF: Ich könnte arbeiten oder auch ordentlich leben, wie auch andere mit Aufenthaltspapieren hier, ich würde auch Rechte habe, wie zB eine Arbeitsbewilligung. Ich kann auch mehr machen als das, was ich jetzt mache.

 

R: Was würden Sie gerne arbeiten?

BF: Das, was ich studiert habe in dieser Richtung.

 

R: Was genau?

BF: In der Softwareentwicklung, ich beherrsche auch die Sprache C, Java usw. All das habe ich mit meinem Diplom gelernt. Ich kann auch Hardware reparieren, wie zB ein Motherboard, deshalb wollte ich Ihnen mein Punktezeugnis zeigen, wo genau angeführt ist, wie viele Punkte ich im praktischen Arbeiten habe usw.

 

R: Sie meinen das Punktezeugnis bezüglich Ihrer 3jährigen Ausbildung in Indien?

BF: Ja.

 

RV: Bezüglich der Rückkehrentscheidung möchte ich noch etwas fragen. Wir haben den Artikel, wo der Freund getötet wurde, vorgelegt. Aus welchen Gründen wäre sonst noch die Rückkehr in Ihr Herkunftsland schwierig? Was würde Sie erwarten?

BF: Es könnte jegliches passieren. Denn all diese Sachen sind schon normal dort, es gab zB auch eine Situation, wie mit Hrn. XXXX . Kennen Sie diese Person? Er ist letztes Monat einfach so getötet worden, auch aus meinem Dorf, aus meinem Distrikt gab es ein Fest mit Kabbadi-Spielen, wo ein Spieler einfach so getötet wurde.

 

R: Was sind Kabbadi-Spiele?

BF: Das ist eine Spieleart bei uns in Indien in Punjab.

 

R: Welche Spieleart?

BF: Auf jeder Seite gibt es 9 Spieler, man muss die andere Person auf die andere Seite bringen. Das ist ein intern. Spiel, Anmerkung von D: sowas wie Ringen.

 

R: Wieso wurde er getötet, weil er dieses Spiel spielte?

BF: Nein, er spielte nicht, er war dabei. Leute sind mit einem Auto hingekommen und haben ihn erschossen.

 

R: Welche Leute waren das?

BF: Das weiß ich nicht.

 

R: Sie legten mir einen Artikel vor, wo ein Freund von Ihnen getötet wurde. Woher kennen sie ihn?

BF: Er war von meiner Nachbarschaft, wir wuchsen zusammen auf.

 

R: Wieso wurde diese getötet?

BF: Es gab keinen Grund, er hatte persönlich auch keinen Grund. Das kam auch in den Nachrichten.

 

R: Haben Sie noch Familie, die in Indien lebt?

BF: Ja.

 

R: Welche Familienangehörige leben in Indien?

BF: Mutter, Vater, meine Schwester.

 

R: Sie leben in Ihrem Geburtsort?

BF: Ja.

 

R: Wo Sie auch gelebt haben, bis zur Ausreise aus Indien?

BF: Ja. Meine Eltern sind schon alt.

 

R: Haben Sie nur 1 Schwester oder auch Brüder?

BF: 1 Schwester, sie ist 30 Jahre. Sie ist verheiratet.

 

R: Wann hat sie geheiratet?

BF: Vor 2 Jahren.

 

R: Sind Sie regelmäßig in Kontakt mit Ihren Eltern und Ihrer Schwester?

BF: Ja.

 

R: Wie oft telefonieren Sie mit Ihren Verwandten?

BF: Im Monat ein- bis zweimal.

 

R: Haben Sie Berichte zur Situation in Indien, die Sie vorlegen wollen?

RV: Ich möchte auf die Hompage des österr. Außenministeriums verweisen, es herrscht eine partielle Reisewarnung für Indien und im Speziellen für den Geburtsdistrikt Punjab die Sicherheitsstufe 3, es wird dringend davon abgeraten, Reisen dorthin zu unternehmen aufgrund von terroristischen Anschlägen seit dem Jahre 2021. Wie aus den LIB, Version 4, des BFA zu entnehmen sind die Regionen wie Punjab aufgrund der Nähe zu Pakistan besonders anfällig für terroristische Anschläge. Stand der Homepage des österr. Außenministeriums ist der 5.7. dieser Woche.

 

R: Das LIB der Staatendokumentation v. 2.6.2021, Version 4 wird als Beilage ./D zum Akt genommen.

 

R: Könnten Sie nicht in einem anderen Teil Indiens leben?

BF: Nein.

 

R: Wieso nicht?

BF: Weil in Indien man jeden ausfindig machen kann. Wenn ich schon nicht in meinem Land, ich meine, in meinem Ort leben kann, wo könnte ich dann in Indien sonst noch leben?

 

R: Indien ist ja sehr groß.

BF: Dort ist es aber sehr einfach, jemanden ausfindig zu machen.

 

R: Wie kann das einfach sein, wenn dort Mio. Menschen leben?

BF: Zu irgendeiner Zeit könnte das aber passieren.

 

R: Haben Sie Tanten und Onkel in Indien?

BF: Ja, ich habe Verwandte.

 

R: Wie viele Tanten u. Onkel haben Sie?

BF: Recht viele vs und überhaupt ms.

 

R: Wie viele Tanten haben Sie ca.?

BF: 4 Tanten.

 

R: Wo leben diese?

BF: Dort, wo sie zugeheiratet haben, bei ihren Ehemännern.

 

R: Wo haben sie zugeheiratet?

BF: Im selben Distrikt XXXX .

 

R: Was heißt im selben Distrikt?

BF: Weil ich auch im selben Distrikt XXXX bin.

 

R: Wo leben die Onkel, wie viele haben Sie?

BF: Sie sind 2 und leben auch im selben Distrikt XXXX , jedoch in verschiedenen Dörfern.

 

R: Wollen Sie das Verhandlungsprotokoll noch rückübersetzt haben?

BF: Das ist nicht notwendig.

 

...

 

R: Könnten Sie nicht in Neu Dehli leben?

BF: Nein.

 

R: Wieso nicht?

BF: Dort wäre es mir auch nicht erlaubt, ich denke, es wäre zu gefährlich für mich.

 

R: Warum glauben Sie, wäre es zu gefährlich?

BF: Weil das, was meinem Freund passiert ist, könnte auch mir passieren, es leben dort mächtige Menschen.

 

R: Welche Regionen außer Punjab, Jammu & Kashmir gibt es noch?

BF: Ijaipur, Rajasthan, es gibt viele Orte.

 

R: Können Sie mir noch weitere nennen?

BF: Jalandhar, Amritsar, das ist alles in Indien.

 

R: Dort können Sie nicht leben in den von Ihnen aufgezählten Regionen und Gebieten?

BF schüttelt den Kopf: Ja, ich kann schon dort sein, aber es wäre zu gefährlich für mich, das ist ja Indien, denn diese Sachen passieren überall. All diese Leute nutzen ihre Macht. Ich habe mehr Angst, weil ein Polizist meinen Freund getötet hat.

 

R: Wieso sollte ein Polizist Sie töten?

BF: Warum hat man ihn getötet, da gab es auch keinen Grund.

 

RV: Bezugnehmend auf die Hompeage des österr. Außenministeriums zu den nunmehr erläuterten indischen Regionen wie Rajasthan ist auszuführen, dass auch dort das hohe Sicherheitsrisiko der Stufe 3 vorliegt und in den Regionen Jammu und Kashmir sogar die Sicherheitsstufe 5 vorherrscht. Die Sicherheitsstufe 5 bedeutet generell Gefahr für Leib und Leben. Hinzu kommt, dass der BF als Angehöriger der Volksgruppe der Sikh sich nicht in den Landesteilen vor Diskriminierung schützen kann.

BF: Meine Anwältin hat die Gründe aufgezählt, ich habe jetzt gehört und möchte dazu etwas sagen, wie zB habe ich neuerlich Nachrichten gelesen, in meiner Stadt gab es eine Auseinandersetzung zwischen Landwirten und anderen Leuten aus der Gesellschaft. Sie habe gekämpft und das ohne Grund. Das ist schon normal dort, wenn ich das mit hier vergleiche … (Punkt, Punkt).

 

R: Was meinen Sie mit … (Punkt, Punkt)? BF: Wie zB haben Sie Delhi erwähnt, wir Punjabis können nicht einmal dorthin, weil vor 6 Monaten viele dorthin gingen, um zu demonstrieren und schon in Punjab am Anfang des Demonstrationszuges gab es Stempel und wir durften nicht weiter zur Hauptstadt.“

[...]

 

Im Zuge der Verhandlung legte der BF folgende Unterlagen vor:

- neuerlich das Zertifikat betreffend den Kurs „Computer Engineering“;

- Kopie der Aufenthaltsberechtigungskarte;

- neuerlich die indische Geburtsurkunde;

- Internetartikel;

- E-Mailverkehr zwischen dem BF, dem BFA und seiner Rechtsvertretung betreffend einen Termin des BF beim BFA am 11.11.2021 bzw. 09.11.2021.

 

2.11. Am 29.09.2022 wurde ergänzend vorgebracht, dass der BF, wie schon in der mündlichen Verhandlung erläutert worden sei, den gegenständlichen Antrag persönlich gestellt habe. Mittlerweile sei auch die Empfangsbestätigung der belangten Behörde aufgefunden worden.

 

Die erste Seite des Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens“ samt Eingangsstempel des BFA vom 09.11.2021 wurden vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige, ledige und kinderlose BF ist Staatsangehöriger von Indien. Er gehört der Volksgruppe der Rakhra und der Glaubensgemeinschaft der Sikh an.

Seine Identität steht nicht fest.

Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 08.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 05.01.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen wurde. Ebenso wurde gegenüber dem BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und ausgesprochen, dass die Abschiebung des BF zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Gegen diesen Bescheid brachte der BF eine Beschwerde ein. Mit Erkenntnis des BVwG vom 23.07.2018, Zl. GZ: W125 2185038-1/6E, wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung des BVwG erwuchs in Rechtskraft.

Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, verblieb illegal im Bundesgebiet und hält sich seither unrechtmäßig in Österreich auf. Er war im Bundesgebiet nicht durchgehend behördlich gemeldet.

Am 23.08.2021 stellte der BF durch seine Rechtsvertreter per E-Mail einen „Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK („Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens“) gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 („Aufenthaltsberechtigung plus“)“, wegen Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung. Am 09.11.2021 brachte er diesen Antrag persönlich beim BFA ein. Mit gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 16.11.2021 hat die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG vom 23.08.2021 gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf Mängelheilung vom XXXX gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 AsylG-DV 2005 ab.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er wuchs in Indien (Punjab) auf, besuchte dort 14 Jahre lang die Grundschule und schloss er in Indien einen Kurs für „Computer Engineering“ ab. Er spricht muttersprachlich Punjabi, etwas Englisch sowie Deutsch auf A2 Niveau.

In Indien leben nach wie vor Familienangehörige des BF.

In Österreich verfügt der BF über keine Verwandten und über keine familiären Beziehungen. Es besteht auch zu keinen in Österreich lebenden Personen ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis oder ein intensives Naheverhältnis.

Der BF weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale auf. Er legte am XXXX die Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 ab und arbeitet seit XXXX als Zeitungszusteller, wobei er erst seit 20.09.2021 bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen angemeldet ist. Für seine Tätigkeit als Zeitungszusteller verdient er etwa 900€/Monat. Der BF ist krankenversichert und bezieht seit Juni 2019 keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr. Er lebt mit anderen Personen gemeinsam in einer Mietwohnung. Er hat in Österreich Freundschaften und Bekanntschaften geschlossen. In seiner Freizeit besucht er Kultureinrichtungen. Der BF spendet regelmäßig kleine Summen Geld an karikative Einrichtungen.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Antrag des BF auf Mängelheilung nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV:

Der BF legte im Verfahren vor der belangten Behörde kein gültiges Reisedokument vor. Mit E-Mail vom XXXX , beim BFA eingelangt am 09.11.2021, beantragte der BF die Heilung eines Mangels gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005, da er keinen Reisepass vorlegen könne und die Beschaffung eines indischen Reisepasses in Österreich nicht möglich sei. Der BF hat keine Veranlassungen zur Beschaffung eines Reisepasses getroffen und hat die indische Botschaft zwecks Erlangung eines Reisepasses nicht aufgesucht. Die Beschaffung eines Reisedokumentes war dem BF weder nachweislich nicht möglich noch war sie ihm nicht zumutbar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des BF:

Die Feststellung, dass der BF volljährig ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben während des Verfahrens bzw. dem Unterlassen gegenteiliger Behauptungen. Dass er ledig und kinderlos ist, folgt ebenso aus seinen eigenen Angaben während des Verfahrens, zuletzt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.07.2022 (S. 9 Verhandlungsprotokoll). Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ergeben sich wiederum aus den eigenen Angaben des BF während der geführten Verfahren und wurden diese Umstände schon im Erkenntnis des BVwG vom 23.07.2018, GZl.: W125 2185038-1/6E, als erwiesen festgestellt.

In Ermangelung der Vorlage entsprechender Dokumente steht die Identität des BF nicht fest. Die im nunmehrigen Verfahren erstmals vorgelegte Geburtsurkunde reicht für eine Identitätsfeststellung mangels Lichtbild nicht aus.

Die Feststellungen zur illegalen Einreise des BF ins Bundesgebiet, seiner Asylantragstellung sowie dem negativen Ausgang des Asylverfahrens ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

Da der BF nach wie vor in Österreich aufhältig ist, steht fest, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist. Aus dem unstrittig negativ entschiedenen Asylverfahren bzw. mangels Hinweise auf ein bestehendes Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen, ergibt sich der illegale Verbleib in Österreich bzw. die seitherige Unrechtmäßigkeit seines Aufenthaltes. Die nicht durchengende melderechtliche Erfassung ist aus den Eintragungen im Zentralen Melderegister (ZMR) ersichtlich.

Die Stellung des gegenständlichen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (zunächst per E-Mail am 23.08.2021) ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt. Die persönliche Antragstellung des BF (am 09.11.2021) vor dem BFA ergibt sich aus dem Eingangstempel der belangten Behörde (AS 447). Der gegenständlich angefochtene Bescheid liegt ebenso im Akt ein.

Dass der BF gesund ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben während der Verfahren, zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 07.07.2022 (S. 3 Verhandlungsprotokoll). Da der BF gesund ist und in Österreich auch als Zeitungszusteller arbeitet, konnte ebenso festgestellt werden, dass der BF arbeitsfähig ist.

Die Herkunft bzw. das Aufwachsen des BF in Indien (Punjab), sein dortiger Schulbesuch sowie die Muttersprache des BF ergeben sich aus den Feststellungen des Erkenntnisses vom 23.07.2018, GZl.: W125 2185038-1/6E. Der Umstand, dass er in Indien einen Kurs für „Computer Engineering“ abgeschlossen hat, ergibt sich aus dem dazu vorgelegten Zertifikat. Dass der BF etwas Englisch spricht, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben während des Verfahrens. Die Feststellung, dass der BF Deutsch auf dem Niveau A2 spricht, folgt aus dem vorgelegten Zertifikat betreffend den positiven Abschluss der Integrationsprüfung auf dem Niveau A2.

Die Feststellung, wonach nach wie vor Familienangehörige des BF in Indien leben, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 07.07.2022, wo er ausführte, dass seine Eltern, seine Schwester sowie Onkel und Tanten in Indien leben würden und er auch regelmäßigen Kontakt zu diesen haben würde (1-2 Mal pro Monat) (S. 11-13 Verhandlungsprotokoll).

Die Feststellung, dass der BF in Österreich über keine Verwandten und über keine familienähnlichen Beziehungen verfügt und auch zu keinen in Österreich lebenden Personen ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis oder ein intensives Naheverhältnis besteht, ergibt sich aus dem Unterlassen derartiger Behauptungen. Auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.07.2022 verneinte der BF explizit, dass er Verwandte bzw. eine Freundin/Lebensgefährtin in Österreich habe (S. 9 und 10 Verhandlungsprotokoll). Soweit in der Beschwerdeschrift ausgeführt wurde, dass ein Bruder des BF in Österreich lebe und er mit diesem ein Familienleben führe bzw. auch eine Abhängigkeit zu seinen österreichischen Freunden bestehe, so stimmen diese Behauptungen nicht mit den eigenen Angaben des BF im Verfahren überein und sind daher als reine Schutzbehauptungen zu werten.

Dass der BF in Österreich die Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt hat, ergibt sich aus dem dazu vorgelegten Zertifikat. Seine Tätigkeit als Zeitungszusteller (seit XXXX ), ergibt sich insbesondere aus dem in Vorlage gebrachten Zustellvertrag. Die verspätete Anmeldung bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen ergibt sich aus den Eintragungen im AJ-WEB-Auskunftsverfahren. Der Verdienst des BF ist den zuletzt vorgelegten Honorarnoten zu entnehmen. Dass der BF krankenversichert ist, ergibt sich aus den eigenen Angaben des BF sowie der in Vorlage gebrachten E-Card. Die Feststellung, wonach der BF seit Juni 2019 keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr bezieht, ist aus den Eintragungen im Grundversorgungssystem ersichtlich. Dass der BF mit weiteren Personen in einer Mietwohnung lebt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben während des Verfahrens sowie den Eintragungen im ZMR. Die Feststellung, dass der BF in Österreich Freundschaften und Bekanntschaften geschlossen hat, ergibt sich ebenso aus seinen eigenen Angaben während des Verfahrens sowie den in Vorlage gebrachten Empfehlungsschreiben der Freunde. Dass der BF in seiner Freizeit Kultureinrichtungen besucht, ist aus den vorgelegten Eintrittskarten ersichtlich, die regelmäßigen Spendenzahlungen ergeben sich aus den vorgelegten Kontoauszügen. Eine maßgebliche Vertiefung seine Integration seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens ist nicht ersichtlich, sondern konnte der BF die dargelegten Integrationsaspekte lediglich deshalb erwerben, weil er beharrlich seine Ausreiseverpflichtung missachtet bzw. sich illegal in Österreich aufhält. Die Unrechtmäßigkeit seines Aufenthaltes musste dem BF aufgrund mehrerer Einvernahmen vor dem BFA betreffend seine Ausreiseverpflichtung auch bewusst gewesen sein.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

2.2. Zum Antrag des BF auf Mängelheilung nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV:

Die Feststellung, dass der BF keine Veranlassungen zur Beschaffung eines Reisepasses getroffen hat und er die indische Botschaft zwecks Erlangung der erforderlichen Urkunden nicht aufgesucht hat bzw. die Beschaffung dem BF weder nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war, ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der BF keine Bestätigungen betreffend den Besuch der indischen Botschaft in Vorlage brachte. Weiters machte der BF in auffälliger Weise auch widersprüchliche Angaben zum vermeintlichen Aufsuchen der indischen Botschaft. So sprach er in der mündlichen Verhandlung am 07.07.2022 zunächst davon, einmal bei der Botschaft gewesen zu sein, bevor er kurz darauf angab, zweimal dorthin gegangen zu sein (einmal alleine und einmal in Begleitung, S. 5 Verhandlungsprotokoll). Der BF konnte in der mündlichen Verhandlung aber auch nicht angeben, wann genau er bei der indischen Botschaft gewesen sei, sondern führte er nur vage aus, (das erste Mal) 2019 dort gewesen zu sein, wobei er den Monat nicht wisse und er (das zweite Mal) „eine Zeitlang danach, einige Tage danach“ dort gewesen sei, wobei er bejahte er, dass auch dies im Jahr 2019 gewesen sei (S. 5 und 6 Verhandlungsprotokoll). Diese zeitlichen Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung am 07.07.2022 passen aber auch nicht mit seinen Angaben in den vorherigen Verfahren zusammen, zumal er in der Einvernahme vor dem BFA am 10.10.2018 etwa schilderte, vor 2 Wochen (sohin September 2018) bei der Botschaft gewesen zu sein. Aber auch die Angaben des BF dazu, was ihm von den Mitarbeitern der indischen Botschaft bei seinen Besuchen gesagt worden sei, divergieren. In der Einvernahme vor dem BFA am 10.10.2018 gab der BF an, er habe bei der Botschaft ein Formular ausgefüllt und man habe ihm gesagt, er solle warten, bis man sich melde. In der Einvernahme vor dem BFA am 12.12.2019 gab er wiederum an, es sei ihm dort gesagt worden, dass er kein Dokument besitze und man ihm keinen Reisepass geben könne. In der mündlichen Verhandlung am 07.07.2022 schilderte der BF dann zunächst, man habe ihm dort gesagt, dass man ihm sowas (gemeint den Reisepass) nicht ausstellen könne bzw. man ihm keine weiteren Infos gegeben habe, nur, dass es nicht möglich sei (S. 5 Verhandlungsprotokoll); bevor er dann an späterer Stelle der Verhandlung plötzlich ausführte, man habe ihm bei der Botschaft als Grund gesagt, dass man ihm das (den Reisepass) nicht geben könne, weil er keine Dokumente und Papiere habe, um hier zu sein. Nachdem der BF dann genau nachgefragt habe, was der Grund sei, sei ihm gesagt worden, dass vor einiger Zeit in Mumbai ein Vorfall passiert sei und sie diese Angelegenheiten deshalb so handhaben würden. Welcher Vorfall dies genau gewesen sein soll, konnte der BF auf weitere Nachfrage der Richterin jedoch nicht angeben, sondern führte er nur vage aus, es nicht genau zu wissen bzw. man gesagt habe, dass dort ein „accident“ passiert sei und sie damals ein Dokument, einen Reisepass, ausgegeben hätten (S. 6 Verhandlungsprotokoll). An späterer Stelle der Verhandlung führte der BF dann schließlich noch aus, er sei nicht nochmals zur indischen Botschaft gegangen, weil Corona gewesen sei bzw. man ihm gesagt habe, dass man ihm nichts geben könne, bis er eine österreichische „ID“ oder eine generelle Visa-Karte habe (S. 9 Verhandlungsprotokoll). Unabhängig von diesen massiv divergierenden Angaben ist aber weiters auch nicht nachvollziehbar, warum der BF seine Geburtsurkunde nicht schon in den früher geführten Verfahren in Vorlage brachte bzw. sich diese nicht schon viel früher von Indien aus nach Österreich schicken hat lassen und er die Geburtsurkunde auch nicht bei der indischen Botschaft vorlegte, sondern er in den früheren Verfahren vielmehr nur lapidar davon sprach, keinerlei Urkunden zu besitzen. Betreffend die nunmehr vorgelegte Geburtsurkunde fällt weiters auf, dass diese auf den Namen XXXX , ausgestellt wurde, der BF in seinem Asylverfahren zu seiner Identität aber stets angab, XXXX zu sein. Der BF konnte diesen Umstand in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.07.2022 aber auch nicht nachvollziehbar erläutern, sondern gab er als Erklärung hierfür an, dass bei ihnen üblicherweise keine Nachnamen angeführt werden würden und es deshalb so auf der Geburtsurkunde stehen würde bzw. er damals, als er nach seinem Familiennamen gefragt worden sei, dies ( XXXX ) angegeben habe. Nochmals dazu befragt, warum er dann XXXX als Nachnamen angebe, wenn laut seinen eigenen Angaben keine Nachnamen geführt werden würden, gab der BF dann an, dass er gefragt worden sei, was auf seinem Reisepass stehe, dann habe er gesagt, auf seinem Reisepass stehe XXXX . Auch diese Aussage des BF vermochte nicht zu überzeugen, zumal nicht plausibel ist, weshalb am Reisepass des BF ein anderer Name als auf der Geburtsurkunde stehen sollte. Als dem BF dies dann vom Gericht vorgehalten wurde, konnte er wiederum keine überzeugende Erklärung für die unterschiedlichen Namensangaben abliefern, sondern gab er lediglich ausweichend an: „Nein, meine Schulzeugnisse und diese sind eh gleich. Auch, als ich später meinen Führerschein machte, wurde dort XXXX angegeben“ (S. 7 Verhandlungsprotokoll). Insgesamt geht das erkennende Gericht daher davon aus, dass der BF vor den österreichischen Behörden absichtlich einen falschen Namen angegeben hat und er in seiner Person völlig unglaubwürdig ist. Ebenso hat der BF widersprüchliche, unkonkrete und nicht nachvollziehbare Behauptungen zum Aufsuchen der indischen Botschaft gemacht, dies zu keinem Zeitpunkt belegt und ist daher auch sein Vorbringen, wonach er zur Erlangung eines Reisedokumentes die Botschaft ausgesucht habe, nicht glaubwürdig. Es haben sich zusammenschauend auch keine glaubwürdigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dem BF die Beschaffung des Reisepasses nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein sollte, sondern hat der BF durch die verspätete Vorlage der Geburtsurkunde bzw. die falschen Angaben zu seiner Identität auch seine Mitwirkungspflichten vor der belangten Behörde betreffend die Ausstellung eines Heimreisezertifikates verletzt.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Abweisung des Antrags auf Mängelheilung und zur Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1 Gemäß § 55 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung der Z. 1 vor, ist nach Abs. 2 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

3.1.2 Dem Antrag sind gemäß § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 (unter anderem) ein gültiges Reisedokument (Z 1) und eine Geburtsurkunde oder ein ihr gleichzuhaltendes Dokument (Z 2) anzuschließen. Nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag die Heilung (auch) eines Mangels nach § 8 AsylG-DV 2005 zulassen, und zwar im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war (Z 3).

3.1.3 Der BF hat eine solche Heilung in Bezug auf die Vorlage eines Reisepasses beantragt, einen Nachweis, dass ihm die Beschaffung des genannten Dokuments nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre, hat er jedoch, wie oben bereits dargestellt wurde, nicht erbracht bzw. nicht glaubhaft dargelegt. Zudem war es dem BF auch möglich seine Geburtsurkunde aus Indien zu beschaffen, weswegen noch weniger verständlich ist, warum ihm dann die Beschaffung eines Reisepasses nicht möglich sein sollte.

Das Vorbringen des BF reicht nicht aus, eine Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Erlangung eines Reisedokumentes zu belegen. Er wurde seitens der belangten Behörde mit Verbesserungsauftrag vom 12.10.2021 auf die Notwendigkeit der Vorlage eines Reisedokumentes bzw. zumindest von Nachweisen, dass die Beschaffung nicht möglich oder nicht zumutbar sei, aufmerksam gemacht. Dem BF wurde eine Frist von vier Wochen eingeräumt, um die Antragsmängel zu beheben, einen Reisepass bzw. Nachweise legte er jedoch nicht vor.

Der Antrag des BF auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise war demnach auch gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 abzuweisen, da dem BF deren Beschaffung weder nachweislich unmöglich noch unzumutbar war.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides erweist sich daher als unbegründet und war abzuweisen.

3.1.4 Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht nicht im erforderlichen Ausmaß nach, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, ist nach § 58 Abs. 11 AsylG 2005 (Z 1) das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels ohne weiteres einzustellen oder (Z 2) der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen. Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren, was im Falle des BF seitens der belangten Behörde auch gemacht wurde.

Unter den "allgemeinen Mitwirkungspflichten" iSd § 58 Abs. 11 AsylG 2005, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die in § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 angeordnete Vorlage von Identitätsurkunden wie etwa eines gültigen Reisedokuments zu subsumieren (vgl. VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0039).

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass die Nichtvorlage eines gültigen Reisepasses grundsätzlich, wenn es nicht zu einer Heilung nach § 4 AsylG-DV 2005 zu kommen hat, eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte Zurückweisung rechtfertigt (vgl. VwGH, 04.03.2020, Ra 2019/21/0214 und VwGH, 19.09.2019, Ra 2019/21/0103, mwN).

3.1.5. Der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG wurde daher vom BFA zu Recht gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückgewiesen und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.

3.1.6. Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 abgewiesen, so ist nach § 10 Abs. 3 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als kein Fall des § 58 Abs. 9 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt (was hier nicht zutrifft).

Demnach hätte das BFA auch mit der erlassenen Zurückweisung eine Rückkehrentscheidung zu verbinden gehabt, zumal zwar in § 59 Abs. 5 FPG angeordnet ist, dass es dann, wenn gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen (auch) nach dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung bedarf, dies aber nach der Rechtsprechung (VwGH 31.03.2020, Ra 2019/14/0209) nur auf jene Fälle anwendbar ist, in denen rechtskräftige Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverbot vorliegen, zu denen dieser nicht gehört.

Die Säumnis mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung führt aber nicht zur Rechtswidrigkeit der (hier: zurückweisenden) Entscheidung über den Antrag auf einen Aufenthaltstitel, da diese Entscheidung nicht von der Rückkehrentscheidung abhängt, sondern (umgekehrt) die Rückkehrentscheidung ohne Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Antrag (z. B. auf internationalen Schutz) unzulässig ist. (Vgl. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/22/0086 mwN, Antrag nach § 56 AsylG 2005)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

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