BVwG W111 2130541-1

BVwGW111 2130541-112.9.2016

AsylG 2005 §57
AVG 1950 §18 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
AsylG 2005 §57
AVG 1950 §18 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W111.2130541.1.00

 

Spruch:

W111 2130541-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, gegen das als "Bescheid" bezeichnete Schriftstück des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2016, Zl. 420394608-160903752 beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 17, 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) idgF in Verbindung mit § 18 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) idgF als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, nicht zulässig.

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, eine weibliche Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellte am 14.10.2015 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus".

2. Mit einem als "Bescheid" bezeichneten Schriftstück des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2016 wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF erlassen.

Die dem Verwaltungsakt einliegende, vom genehmigungsberechtigten Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu unterfertigende Erledigung weist keine Unterschrift auf, ebenso wenig eine Amtssignatur.

3. Gegen diesen "Bescheid" erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters Beschwerde, die am 18.07.2016 um 17:05 Uhr per Fax an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelt wurde.

4. Die Beschwerdevorlage langte am 22.07.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die als "Bescheid" bezeichnete Erledigung datierend mit 29.06.2016, die das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Antrag der Beschwerdeführerin vom 14.10.2015 erlassen hat, weist keine Unterschrift und auch keine Amtssignatur auf.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und Verfahren

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen nicht getroffen, weswegen gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl.I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.

Zu A)

3.2. Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Zustellung

Die Verwaltungsgerichte erkennen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 4 B-VG über Beschwerden gegen Bescheide, ferner auch über Beschwerden gegen die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde und gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4 B-VG.

Ob eine Erledigung einem der Rechtsakttypen des Art. 130 B-VG entspricht (z.B. Bescheidqualität besitzt) und folglich mit Beschwerde gemäß Art. 130 B-VG angefochten werden kann, ist eine Frage der Zuständigkeit (vergleiche in diesem Sinn die - auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht insoweit übertragbare - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH), wonach die Berufungsbehörde "für einen meritorischen Abspruch über eine Beschwerde gegen eine Erledigung, die keine Bescheidqualität hat, ... nicht zuständig [ist]" [VwGH 19.12.2012, 2011/06/0114, unter Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG § 63 Rz 46]).

Aus dem Vorgesagten folgt, dass die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über eine Beschwerde nur gegeben ist, wenn das angefochtene Schriftstück als Bescheid im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG qualifiziert werden kann, zumal eine Einordnung dieses Schriftstücks in eine der anderen in Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG genannten Rechtsaktkategorien nicht in Betracht kommt.

Die Frage der eigenen Zuständigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. § 17 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG).

Daran ändert auch die Vorschrift des § 27 VwGVG nichts, wonach das

Verwaltungsgericht "soweit [es] nicht Rechtswidrigkeit wegen

Unzuständigkeit der Behörde findet, ... den angefochtenen Bescheid,

die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher

Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der

Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) ... zu überprüfen" hat (in diesem

Sinne auch Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 27 K 10). Diese Bestimmung setzt die Existenz eines anfechtbaren Rechtsakts tatbestandsmäßig voraus, und ihre Rechtsfolgen kommen somit nur zum Tragen, wenn ein solcher Rechtsakt vorliegt. Die Existenz eines solchen Rechtsakts (die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts) ist daher auf vorgelagerter Stufe und unabhängig vom Beschwerdevorbringen zu beurteilen. Eine andere Auslegung würde dem Gesetzgeber einen Wertungswiderspruch unterstellen, müsste sie doch davon ausgehen, dass § 27 VwGVG dem Verwaltungsgericht zwar die amtswegige Prüfung der Zuständigkeit der belangten Behörde erlaubt, die amtswegige Prüfung der eigenen Zuständigkeit jedoch untersagt.

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist im Hinblick auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin nicht gegeben, weil das angefochtene Schriftstück nicht die Voraussetzungen erfüllen, die das Gesetz für das Zustandekommen eines Bescheides vorsieht:

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs muss unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat, die Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion inne hat oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (vgl. u.a. VwGH 22.10.2012, 2010/03/0024).

Die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Erledigung weist weder eine Unterschrift, noch eine Amtssignatur auf und stellt somit einen "Nichtbescheid" dar. Der von der Beschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Erledigung mangelt es daher an der Qualität eines Bescheides im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, weshalb keine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgericht begründet wurde und diese Beschwerde zurückzuweisen ist.

Daher braucht auch auf die fragliche Rechtzeitigkeit der Beschwerde nicht mehr eingegangen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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