BVwG L511 2285655-1

BVwGL511 2285655-128.2.2025

B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2025:L511.2285655.1.00

 

Spruch:

 

L511 2285655–1/4E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch SCHMIDBERGER-KASSMANNHUBER-SCHWAGER Rechtsanwaltspartnerschaft, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen Landesstelle Oberösterreich vom 19.12.2023, Zahl: XXXX , zu Recht:

 

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 19.12.2023, GZ: XXXX , stellte die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen [SVS] fest, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 01.01.2019 bis 31.12.2019 der Pflichtversicherung in der Kranken-und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliege (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AS] 119-128).

Begründend führt die SVS aus, das zuständige Arbeits-und Sozialgericht habe mit Schreiben vom 01.12.2023 angeregt, bescheidmäßig über das Bestehen der Pflichtversicherung gemäß § 2 1 Z 4 GSVG abzusprechen. Der vorliegende Sachverhalt sei von vornherein klar gegeben, daher werde auf eine gesonderte Beweisaufnahme gemäß § 56 AVG verzichtet. Im vom Bundesrechenzentrum übermittelten Einkommensteuerbescheid 2019 vom 20.01.2023 seien versicherungspflichtige Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aufgrund einer betrieblichen Tätigkeit in Höhe von EUR 9.108,79 ausgewiesen. Aus dem vorliegenden Firmenbuchauszug vom 11.12.2023 ergebe sich, dass der Beschwerdeführer seit 02.03.2016 als Stiftungsvorstand einer Privatstiftung, seit 19.09.2019 als Stiftungsvorstand einer weiteren Privatstiftung und seit 03.10.2019 als Aufsichtsrat einer GmbH selbstständig erwerbstätig sei. Es sei bereits mit Bescheid der SVS vom 07.04.2022 rechtskräftig festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Tätigkeit als Aufsichtsrat und Stiftungsvorstand der Pflichtversicherung in der Kranken-und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 unterliege. Der Beschwerdeführer sei über die rückwirkende Einbeziehung in die GSVG Pflichtversicherung im Zeitraum 01.01.2019 bis 31.12.2020 bzw. ab 24.03.2022 informiert worden und habe die vorgeschriebene Forderung in Höhe von EUR 5.346,72 (beinhaltend die gegenständliche Zwangseinbeziehung) ordnungsgemäß beglichen.

Aus dem vorliegenden Sachverhalt sei ersichtlich, dass die zuständige Finanzbehörde die im Jahr 2019 erzielten Einkünfte zu der betrieblichen Einkunftsart „Einkünfte aus selbstständiger Arbeit“ nach § 22 EStG zugeordnet habe und damit von einer betrieblichen selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sei. Anhand dieser die Versicherungsgrenze übersteigenden und einkommensteuerpflichtigen Einkünfte richte sich parallel dazu die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Für die SVS ergebe sich zudem u.a. aus folgenden Gründen, dass der Beschwerdeführer iSd § 2 Abs. 1 Z 4 betrieblich tätig gewesen sei: Der Beschwerdeführer habe im Fragebogen zur Feststellung der GSVG Pflichtversicherung u.a. angegeben, dass er seine Tätigkeit als Stiftungsvorstand und Aufsichtsrat bereits seit 2017 auf selbstständiger Basis erbringe, sich seine Arbeitszeit frei einteilen könne, sein arbeitsbezogenes Verhaltes einer freien Gestaltung unterliege, er über die Entlohnung hinaus eine Entschädigung für Aufwendungen bekomme und bei Nichteinhaltung vertraglicher Bestimmungen persönlich hafte. In der Versicherungserklärung für Freiberufler habe er angegeben, dass die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aus der Aufsichtsratstätigkeit sowie den beiden Stiftungsvorstandstätigkeiten stammen und die Einkünfte die Versicherungsgrenze in den Jahren 2019 - 2021 überschreiten. Im Versicherungszuordnungsverfahren habe die ÖGK (bindend) festgestellt, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers in den Anwendungsbereich des GSVG falle, und der diesbezügliche Bescheid der SVS vom 07.04.2022 sei in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdeführer habe weder gegen das Feststellungsverfahren noch gegen die rückwirkende Zwangseinbeziehung in die GSVG Pflichtversicherung Einwände erhoben und die vorgeschriebenen Beiträge fristgerecht bezahlt. Gemäß der Rechtsprechung des VwGH vom 07.09.2005, 2003/08/0132 handle es sich bei der Tätigkeit als Aufsichtsrat dezidiert um eine betriebliche Tätigkeit. Aufgrund der Sachlage sei daher festzustellen, dass die im Einkommensteuerbescheid 2019 ausgewiesenen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aus einer betrieblichen Tätigkeit iSd § 2 Abs. 1 Z 4 stammen. Die Erzielung von Einkünften im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG sei ein konstitutives Merkmal des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Liegt ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid vor, der für die zu beurteilende Tätigkeit eine Steuerpflicht im Sinne der vorgenannten Bestimmungen vorsieht, seien der Sozialversicherungsträger und die im Instanzenzug zuständigen Behörden bei der Feststellung der Sozialversicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG an die Entscheidung gebunden (VwGH vom 29.03.2006, 2005/08/006). Der Einkommensteuerbescheid 2019 sei unstrittig rechtskräftig und seien darin die Versicherungsgrenze übersteigende Einkünfte iSd § 2 Abs. 1 Z 4 iVm § 22 Z 1 bis 3 und 5 EstG aus selbstständiger Arbeit in Höhe von EUR 9.108,79 ausgewiesen. Für die zum Bezug der ausgewiesenen Einkünfte betriebene Tätigkeit bestehe auch keine Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz. Zusammenfassend sei daher vom Vorliegen von versicherungspflichtigen Einkünften im Zeitraum vom 01.01.2019 bis 31.12.2019 im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG auszugehen.

 

1.2. Mit Schreiben vom 17.01.2024 erhob der Beschwerdeführer gegen den am 21.12.2023 zugestellten Bescheid fristgerecht Beschwerde.

Darin wird zunächst ausgeführt, der Bescheid werde nur insoweit bekämpft, als der Beginn der Versicherungspflicht ab 01.01.2019 und nicht erst ab 01.05.2019 festgestellt worden sei.

Aufgrund der Aktenlage bzw. der vorliegenden Unterlagen wäre für die SVS klar zu erkennen gewesen, dass die Versicherungspflicht nicht mit 01.01.2019 eingetreten sein konnte. Es entspreche keinesfalls der wirtschaftlichen Erfahrung des täglichen Lebens, dass Honorare bereits vor einer Bestellung als Stiftungsvorstand (19.09.2019) oder Aufsichtsrat (03.10.2019) fließen. Eine weitere Glaubhaftmachung durch den Beschwerdeführer sei dabei nicht notwendig. Die Tätigkeit als Stiftungsvorstand der Privatstiftung XXXX sei im Jahr 2019 noch nicht entfaltet worden und habe der Beschwerdeführer auch kein Honorar enthalten. Auch als Aufsichtsrat der XXXX habe der Beschwerdeführer im Jahr 2019 noch keine Tätigkeit ausgeübt und daher auch kein Honorar erhalten. Die Honorare im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten seien erst ab 2020 als Jahreshonorare bezahlt worden. Das Jahreshonorar für die Beratungstätigkeit für die Firma XXXX für den Zeitraum 05.2019 bis 04.2020 habe EUR 8.500 betragen. Aus dem Jahreshonorar in Höhe von EUR 1.500 der Privatstiftung XXXX ergebe sich im Jahr 2019 ein monatlicher Anteil von EUR 150. Die Versicherungsgrenze sei daher erst ab 01.05.2019 überschritten worden und könne damit auch erst mit diesem Zeitpunkt die Pflichtversicherung als „Neuer Selbstständiger“ eingetreten sein. Diese Überschreitung ergebe sich durch die Aufnahme einer weiteren freiberuflichen Tätigkeit (ohne Gewerbeschein) als Berater. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung sei Stichtag somit der 01.05.2019. Bis 30.04.2019 seien nur Honoraranteile als Stiftungsorgan bei der Privatstiftung XXXX im Sinne des § 22 Z 2 EStG in der Höhe von EUR 500 angefallen. Für die einzelnen Monate 01-04/2019 sei das Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG und jedenfalls unter der Versicherungsgrenze gemäß § 25 GSVG gelegen.

Mit Bescheid vom 07.04.2022 sei die Einbeziehung in die GSVG-Pflichtversicherung auf Grund der Tätigkeit als Aufsichtsrat und Stiftungsvorstand im Zeitraum 01.01.2019 bis 31.12.2019 festgestellt und SV-Beiträge für das gesamte Kalenderjahr vorgeschrieben worden. Die Feststellung der Versicherungspflicht basiere nur auf einem übermittelten Fragebogen (24.03.2022), eine weitere Ermittlungshandlung, wann der Stichtag der Überschreitung der Versicherungsgrenze gewesen sei, sei nicht durchgeführt worden. Nach der Leistungserbringung würden sich für das Kalenderjahr 2019 Einkünfte von EUR 7.166 ergeben. Da die steuerliche Gewinnermittlung nach dem Zuflussprinzip (Überschuss Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 3 EStG) erfolge, werde das im Mai 2019 zugeflossene Honorar XXXX mit EUR 8.500 im Kalenderjahr 2019 als Einkünfte berücksichtigt. Es würden sich damit abzüglich der Betriebsausgaben steuerliche Einkünfte laut Steuerbescheid 2019 von EUR 9.108,79 ergeben. Da die Versicherungspflicht erst mit 01.05.2019 eingetreten sei wäre die Bemessungsgrundlage für die Pflichtversicherung von 01.05.-31.12.2019 um die Einkünfte der Monat 01.-04.2019 in der Höhe von EUR 500 zu kürzen gewesen. Die SVS habe aber die Versicherungsbeiträge für das gesamte Kalenderjahr 2019 vorgeschrieben. Dies sei dem Beschwerdeführer aufgrund der geringen Differenz der Vorschreibung nicht bewusst gewesen. Ein Rechtsmittel sei aus diesem Grund nicht ergriffen worden. Erst durch den Bescheid der PVA vom 07.11.2022, bei dem die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbseinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze weggefallen sei, sei die Stichtagsproblematik bewusstgeworden.

Seitens der SVS sei nicht geprüft worden, ab wann (Stichtag bzw. Monat) für den „Neuen Selbstständigen“ gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in Verbindung mit § 6 Abs. 4 GSVG die Versicherungsgrenzen durch Aufnahme weiterer betrieblicher Tätigkeiten überschritten worden seien. Vielmehr habe die SVS darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt von vornherein klar gegeben sei und daher auf eine gesonderte Beweisaufnahme verzichtet werde. Es liege jedoch keinesfalls ein klarer Sachverhalt vor und sei für die SVS jedenfalls eine amtswegige Ermittlungspflicht mit Parteiengehör gegeben.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einvernahme des Beschwerdeführers und seines Steuerberaters.

2. Die SVS legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 30.01.2024 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in eingescannter Form vor (Ordnungszahl der hg. Gerichtsakten [OZ] 1 bis 3 [=AZ 1-136]).

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer bezog von 01.01.2018 bis 30.04.2019 eine vorzeitige Alterspension, seit dem 01.05.2019 bezieht er eine Alterspension nach dem ASVG (Beschwerde AZ 134).

1.2. Seit 02.03.2016 ist der Beschwerdeführer als Stiftungsvorstand der Privatstiftung XXXX , seit 01.05.2019 als Berater für die XXXX GmbH, seit 19.09.2019 als Stiftungsvorstand der XXXX Privatstiftung sowie seit 03.10.2019 als Aufsichtsrat der XXXX Gesellschaft m.b.H. tätig (Beschwerde AZ 132, Versicherungserklärung AZ 86-83).

1.3. Für diese Tätigkeiten erhielt der Beschwerdeführer im Jahr 2019 von der Privatstiftung XXXX ein Jahreshonorar iHv EUR 1.500,00, sowie von der XXXX GmbH EUR 8.500,00 für den Leistungszeitraum 01.05.2019 bis 30.04.2020. Ergänzend erhielt er EUR 1.260 von der XXXX für den Leistungszeitraum 2018. Die weiteren Tätigkeiten erbrachten im Jahr 2019 (noch) keine Einkünfte (Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Landesgericht AZ 35).

Der Zahlungseingang erfolgte für alle Einkünfte nach dem 01.05.2019 (Kontoausdrucke AZ 58, 59, 62).

1.4. Der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid 2019 vom 20.01.2023 weist (neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit) Einkünfte des Beschwerdeführers aus selbständiger Arbeit in der Höhe von EUR 9.108,79 aus (Einkommensteuerbescheid AZ 52, 78).

1.5. Die Versicherungsgrenze gemäß § 4 Abs. 1 Z5 GSVG betrug im Jahr 2019 EUR 5.361,72.

 

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1-3) aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt.

2.2. Die entscheidungswesentlichen Feststellungen ergeben sich aus den vorliegenden jeweils zitierten Aktenteilen und sind im Verfahren unbestritten geblieben. Strittig blieb im Verfahren ausschließlich der Zeitraum der Pflichtversicherung.

 

2.3. Entfall der mündlichen Verhandlung

Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, da der zu Grunde liegende Sachverhalt im Verwaltungsverfahren unstrittig blieb und weder ergänzungsbedürftig war, noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145).

 

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz [GSVG] und § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz [VwGVG] geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die SVS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§ 7, § 9 VwGVG).

Das Bestehen oder Nichtbestehen der Sozialversicherungspflicht ist nicht nur hinsichtlich der maßgeblichen Sachlage, sondern auch hinsichtlich der Rechtslage zeitraumbezogen zu beurteilen (VwGH 20.12.2001, 98/08/0062 mwN). Verfahrensgegenständlich kommt daher das GSVG in der Fassung für das Jahr 2019 zur Anwendung.

3.2. gegenständlich maßgebliche Bestimmungen im GSVG (auszugsweise):

Gemäß § 2 Abs. 1 Z4 GSVG sind selbständig erwerbstätige Personen in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung pflichtversichert, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z5 GSVG sind Personen (ausgenommen jene, die eine Erklärung nach § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz abgegeben haben) von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung ausgenommen hinsichtlich ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4, deren Einkünfte (§ 25) aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr das Zwölffache des Betrages nach § 25 Abs. 4 nicht übersteigen.

Gemäß § 6 Abs. 4 GSVG beginnt die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung bei den im § 2 Abs. 1 Z 4 genannten Personen (Z1) mit dem Tag der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit; hat jedoch der Versicherte die Meldung nicht innerhalb der Frist gemäß § 18 erstattet, mit Beginn des Kalenderjahres, in dem die Einkünfte die Grenzen des § 25 Abs. 4 übersteigen, es sei denn, der Versicherte macht glaubhaft, daß er die betriebliche Tätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt begonnen hat; […] oder (Z3) mit dem Tag nach Wegfall eines Ausnahmegrundes; […]

Gemäß § 25 Abs. 1 GSVG sind für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs. 1, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz, unbeschadet einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Z 5, unterliegen, heranzuziehen; als Einkünfte gelten die Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988.

Gemäß Abs. 3 leg.ct. ist, wenn der Pflichtversicherte Einkünfte aus mehreren die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeiten hat, die Summe der Einkünfte aus diesen Erwerbstätigkeiten für die Ermittlung der Beitragsgrundlage heranzuziehen.

 

3.3. Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer mit seinen Tätigkeiten der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z4 GSVG unterliegt. Strittig ist der Beginn der Versicherungspflicht. Dabei verweist der Beschwerdeführer darauf, dass er zwar im gesamten Jahr 2019 selbständig erwerbstätig gewesen sei, jedoch erst mit der Aufnahme einer zweiten Tätigkeit ab Mai 2019 Versicherungspflicht entstanden sei, da die Einkünfte aus seiner bereits vor Mai 2019 durchgeführten Tätigkeit als Stiftungsvorstand unter der Versicherungsgrenze gelegen seien.

3.3.1. Für das Bestehen der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z4 GSVG kommt es nicht darauf an, ob die Einkünfte nach Maßgabe des Einkommensteuerbescheides aus Tätigkeiten stammen, die (zeitgleich) im selben Kalenderjahr entfaltet wurden. Für die zeitliche Abgrenzung der Versicherungspflicht ist nur der Beginn und das Ende der betrieblichen Tätigkeit von Bedeutung. Dabei ist das bloße zeitweise Nichttätigsein, eine Betriebsunterbrechung, ja sogar die Stilllegung eines Betriebes noch keine Beendigung, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt werden bzw. die betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgüter weder in das Privatvermögen übernommen noch veräußert worden sind (vgl. VwGH 05.06.2024, Ra2023/08/0078 mwN).

Für die Beurteilung des Überschreitens der Versicherungsgrenze nach § 4 Abs. 1 Z5 GSVG verweist dieser hinsichtlich der Heranziehung von Einkünften ohne Einschränkung auf § 25 GSVG (vgl. VwGH 02.07.2024, Ro2023/08/0006) und stellt damit – soweit eine betriebliche oder selbständige Tätigkeit im bereits dargelegten Sinn vorliegt – gleichfalls auf eine kalenderjährliche Betrachtungsweise ab.

Einkünfte, die zu den für die Bemessung der Einkommensteuer maßgeblichen Einkünften zählen, sind (sofern die sonstigen Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 GSVG vorliegen) nach dieser Bestimmung für die Ermittlung der Beitragsgrundlage heranzuziehen. Die Anknüpfung an Erwerbstätigkeiten gemäß § 25 Abs. 1 und 3 GSVG ist nicht nur auf Einkünfte aus derselben oder einer gleichartigen Erwerbstätigkeit zu beziehen, sondern auch auf den Fall zu übertragen, dass innerhalb eines Kalenderjahres Pflichtversicherungen nach § 2 Abs. 1 Z1 und nach § 2 Abs. 1 Z3 GSVG zeitlich aufeinanderfolgen. Wesentlich ist, dass die für die Bildung der Beitragsgrundlage herangezogenen Einkünfte auch steuerlich aufgrund von Tätigkeiten zugerechnet wurden, die nach dem GSVG versicherungspflichtig sind. (vgl. VwGH 19.10.2011, 2011/08/0108).

3.3.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt es daher nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt im Jahr die Versicherungsgrenze überschritten wurde, oder ob diese erst durch die Aufnahme einer weiteren betrieblichen Tätigkeit – wie fallgegenständlich im Mai 2019 erfolgt – überschritten wurde, da bei Zusammentreffen von mehreren Einkünften aus derselben oder einer gleichartigen Erwerbstätigkeit oder zeitlich aufeinanderfolgenden Erwerbstätigkeiten innerhalb eines Kalenderjahres nur der Beginn und das Ende der betrieblichen Tätigkeiten an sich von Bedeutung ist und nicht der konkrete Zeitpunkt der Überschreitung der Versicherungsgrenze.

Zumal der Beschwerdeführer unbestritten im gesamten Jahr 2019 selbständig erwerbstätig war, und für 2019 im Einkommenssteuerbescheid Einkünfte aus selbständiger Arbeit über der Versicherungsgrenze von EUR 5.361,72 ausgewiesen sind (zur Bindung an die durch die Abgabenbehörde festgestellten Einkünfte und Einkunftsart für viele VwGH 27.01.2020, Ra2019/08/0120), erfolgte die Einbeziehung in die Pflichtversicherung für das gesamte Jahr 2019 daher zu Recht.

Die Beschwerde ist daher spruchgemäß abzuweisen.

 

zu B) Unzulässigkeit der Revision

Die gegenständliche Beurteilung erfolgte im Einklang mit der jeweils zitierten einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 1 Z 4 und § 4 GSVG. Zur zeitlichen Abgrenzung der Versicherungspflicht VwGH 05.06.2024, Ra2023/08/0078 mwN; zur Einbeziehung aller Einkünfte bei der Bildung der Beitragsgrundlage und der Beurteilung des Überschreitens der Versicherungsgrenze VwGH 19.10.2011, 2011/08/0108 mwN; zur Bindung des Sozialversicherungsträgers an die Beurteilung der zuständigen Abgabenbehörde VwGH 22.07.2014, 2012/08/0243 mwN.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

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