BVwG I417 2297518-1

BVwGI417 2297518-128.2.2025

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §32 Abs1
AVG §32 Abs2
AVG §33 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs2
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs3
VwGVG §33 Abs4
VwGVG §7 Abs4 Z1
ZustG §13 Abs1
ZustG §23 Abs2
ZustG §23 Abs3
ZustG §8 Abs1
ZustG §8 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2025:I417.2297518.1.00

 

Spruch:

 

I417 2297518-1/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Friedrich ZANIER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI, vertreten durch RA Mag. Thomas KLEIN, Kärntner Straße 7b, 8020 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2023, Zl. XXXX :

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.05.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 28.11.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Es wurde eine 14-tägige Frist für seine freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VII.).

3. Es erfolgte am 01.12.2023 ein Zustellversuch an der damaligen Meldeadresse des Beschwerdeführers durch ein Postzustellorgan. Das Schriftstück wurde mit dem Vermerk „Unbekannt“ an die belangte Behörde retourniert.

4. Daraufhin erging ein Erhebungsersuchen der belangten Behörde an die LPD XXXX , mit Ersuchen um Ausfolgung des verfahrensgegenständlichen Bescheides bzw. um amtliche Abmeldung, sollte der Beschwerdeführer verzogen sein.

5. Es erfolgten drei Nachschauen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an der Meldeadresse des Beschwerdeführers, und zwar am 15.12.2023, 08.01.2024 (Verständigung am Türschlitz hinterlassen) sowie am 14.01.2024 (Verständigung am Türschlitz hinterlassen). Die Erhebungen erfolgten zu unterschiedlichen Zeiten und verliefen immer negativ. Auch eine fernmündliche Rücksprache mit der Hausverwaltung sowie dem Hausmeister verlief ohne Ergebnis, sodass eine amtliche Abmeldung veranlasst wurde.

6. Am 27.02.2024 erfolgte die Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung im Akt gemäß § 23 Abs. 2 ZustellG.

7. Am 01.03.2024 meldete der Beschwerdeführer einen neuen Wohnsitz an.

8. Am 17.04.2024 erging gegen den Beschwerdeführer eine Strafverfügung aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet. Am 18.04.2023 wurde der Beschwerdeführer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und mit Mandatsbescheid vom 19.04.2024 über ihn nach erfolgter niederschriftlicher Einvernahme durch die belangte Behörde die Schubhaft verhängt.

9. Am 29.04.2024 stellte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob gleichzeitig Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 28.11.2023.

Begründend führte er aus, dass der Beschwerdeführer jedenfalls bis Ende Februar 2024 an der Zustelladresse gewohnt habe, jedoch weder ein gelber Hinterlegungszettel in seinem Briefkasten hinterlassen, noch seitens der belangten Behörde irgendwie versucht worden sei, mit dem Beschwerdeführer zum Zweck der Zustellung des bekämpften Bescheides in Kontakt zu treten. Die persönliche Zustellung des Bescheides wäre der belangten Behörde sehr wohl möglich und zumutbar gewesen, zumal der belangten Behörde bekannt gewesen sei, dass der Beschwerdeführer einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe. Er wäre während der Arbeitszeit am Arbeitsort anzutreffen gewesen. Außerdem sei der Beschwerdeführer mit der belangten Behörde per E-Mail in Kontakt getreten und es wäre der belangten Behörde zumutbar gewesen, diesen mit einer kurzen Nachricht per E-Mail ausfindig zu machen. Erst am 17.04.2024 habe der Beschwerdeführer aufgrund der gegen ihn erlassenen Strafverfügung Kenntnis von dem verfahrensgegenständlichen Bescheid erlangt.

10. Am 26.04.2024 übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und forderte ihn zur Erstattung einer schriftlichen Stellungnahme auf. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 08.05.2024 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu seinem Wiedereinsetzungsantrag. Am 14.05.2024 erging eine weitere Stellungnahme.

11. Die Beschwerde, Wiedereinsetzungsantrag und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben des BFA vom 12.08.2024, eingelangt am 16.08.2024, vorgelegt. In der Beschwerdevorlage führte die belangte Behörde aus, dass sie aufgrund eines Organisationsversagens keine Beschwerdevorentscheidung innerhalb der gesetzlich normierten Frist treffen habe können und nun aufgrund des Zuständigkeitsüberganges auf das Bundesverwaltungsgericht nicht über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand absprechen dürfe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Türkei.

Am 17.05.2023 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge seiner polizeilichen Erstbefragung am selben Tag erhielt er ein „Merkblatt Pflichten und Rechte von Asylwerbern“ (AS 23). Am 10.11.2023 wurde er von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und neuerlich nach den Bestimmungen des Meldegesetzes belehrt (AS 76).

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid der belangten Behörde vom 28.11.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Türkei abgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Es wurde eine 14-tägige Frist für seine freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Dieser Bescheid enthielt eine vollständige und fehlerfreie Rechtsmittelbelehrung, mit Hinweis auf die vierwöchige Rechtsmittelfrist ab Zustellung des Bescheides.

Es erfolgte am 01.12.2023 ein Zustellversuch an die damals im ZMR-Auszug des Beschwerdeführers aufscheinende Adresse durch ein Postzustellorgan. Das Schriftstück wurde mit dem Vermerk „Unbekannt“ an die belangte Behörde retourniert. Zum Zeitpunkt der versuchten Zustellung war der Beschwerdeführer an seiner Meldeadresse nicht mehr wohnhaft.

Es erfolgten drei Nachschauen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an der Meldeadresse des Beschwerdeführers, und zwar am 15.12.2023, 08.01.2024 (Verständigung am Türschlitz hinterlassen) sowie am 14.01.2024 (Verständigung am Türschlitz hinterlassen). Die Erhebungen erfolgten zu unterschiedlichen Zeiten und verliefen jeweils negativ. Auch eine fernmündliche Rücksprache mit der Hausverwaltung sowie dem Hausmeister verlief ohne Ergebnis. Daraufhin wurde eine amtswegige Abmeldung angeregt.

Am 27.02.2024 erfolgte die Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung im Akt gemäß § 23 Abs. 2 ZustellG.

Die vierwöchige Rechtsmittelfrist, auf die in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides hingewiesen wurde, endete mit Ablauf des 27.03.2024.

Der Beschwerdeführer war von 30.10.2023 bis 28.02.2024 an der Zustelladresse XXXX , behördlich gemeldet. Am 01.03.2024 nahm er persönlich eine Ummeldung seines Hauptwohnsitzes vor, nachdem er vom Meldeamt von der beabsichtigten amtswegigen Abmeldung verständigt worden war.

Der Beschwerdeführer stellte am 29.04.2024 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob gleichzeitig Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 28.11.2023.

Beschwerde, Wiedereinsetzungsantrag und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben des BFA vom 12.08.2024, eingelangt am 16.08.2024, vorgelegt. Über den Wiedereinsetzungsantrag hat die belangte Behörde noch nicht entschieden.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung folgende Erwägungen getroffen:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorliegenden türkischen Personalausweises Nr. XXXX , der einer urkundentechnischen Untersuchung unterzogen und für echt befunden wurde, fest.

Die Feststellungen zur Asylantragstellung am 17.05.2023 sowie dem Erhalt des Merkblattes „Pflichten und Rechte von Asylwerbern“ (AS 23) sowie dem neuerlichen Hinweis auf seine Meldepflicht durch die belangte Behörde am 10.11.2023 (AS 76) ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

Der Bescheid vom 28.11.2024 liegt im Verwaltungsakt ein (AS 169 ff) und ergeben sich dazu die inhaltlichen Feststellungen.

Die Feststellungen zum Zustellversuch und der Retournierung mit dem Vermerk "Unbekannt" ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Kuvert des RSa-Briefs samt Retournierungsstempel und Eingangsstempel der belangten Behörde (AS 299). Den Beschwerdeausführungen, wonach der Beschwerdeführer bis Ende Februar 2024 an der Zustelladresse gewohnt habe, kann nicht gefolgt werden (AS 378-379), zumal der Beschwerdeführer im Zuge von drei Nachschauen am 15.12.2023, 08.01.2024 und 14.01.2024 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht an seiner Meldeadresse angetroffen werden konnte und auch auf die am Türschlitz hinterlassenen Verständigungen nicht reagiert hat. Hätte der Beschwerdeführer tatsächlich an seiner damaligen Meldeadresse gewohnt, so wäre davon auszugehen, dass er von der versuchten Kontaktaufnahme durch die Polizei rechtzeitig Kenntnis erlangt und sich unverzüglich gemeldet hätte. Aus diesem Grund war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer trotz aufrechter Meldung zum Zeitpunkt der versuchten Zustellung nicht an seiner Meldeadresse wohnhaft war.

Die Feststellung zu den polizeilichen Nachschauen ergeben sich aus den Berichten der LPD XXXX vom 05.02.2024 und vom 25.04.2024 (AS 321).

Dass die belangte Behörde eine Zustellung gemäß § 23 ZustG vorgenommen hat, ergibt sich aus der Beurkundung der Hinterlegung im Akt gemäß § 23 Abs. 2 ZustellG (AS 285).

Die Zeiträume, zu denen der Beschwerdeführer im Bundesgebiet gemeldet war, wurden einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister entnommen. Aus dem Bericht der LPD XXXX vom 05.02.2024 ergibt sich die Feststellung, dass eine amtliche Abmeldung des Beschwerdeführers veranlasst wurde (AS 275). Die Feststellung zu seiner behördlichen Ummeldung ergibt sich aus dem vorliegenden Meldezettel vom 01.03.2024 (AS 299). Aus einer Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.04.2024 ist ersichtlich, dass dieser die behördliche Ummeldung vornahm, nachdem ihn das Meldeamt von der beabsichtigten amtswegigen Abmeldung in Kenntnis gesetzt hatte (AS 331).

Die Feststellung zu dem am 29.04.2024 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der am 16.08.2024 erfolgten Beschwerdevorlage und die Feststellung, wonach über den Wiedereinsetzungsantrag von Seiten des BFA nicht entschieden wurde, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zurückweisung der Beschwerde:

Gemäß § 13 Abs. 1 ZustG ist das Dokument dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen.

Gemäß § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Gemäß § 8 Abs. 2 ZustG ist, wenn diese Mitteilung unterlassen wird, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Gemäß § 23 Abs. 1 ZustG ist, hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, dass ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, dieses sofort bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.

Die Hinterlegung ist gemäß § 23 Abs. 2 ZustG von der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde auch auf andere Weise zu beurkunden.

Soweit dies zweckmäßig ist, ist der Empfänger durch eine an die angegebene inländische Abgabestelle zuzustellende schriftliche Verständigung oder durch mündliche Mitteilung an Personen, von denen der Zusteller annehmen kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Hinterlegung zu unterrichten (§ 23 Abs. 3 ZustG).

Das so hinterlegte Dokument gilt gemäß § 23 Abs. 4 ZustG mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt.

Gemäß § 32 Abs. 1 AVG wird bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

Der Beginn von Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren (nach "Kalenderzeiträumen") bemessen sind, hat weder im AVG noch im FristenÜb (Europäisches Übereinkommen über die Berechnung von) eine ausdrückliche Regelung erfahren. Aus dem AVG geht aber doch hervor, dass auch solche Fristen an dem Tag beginnen, auf den das fristauslösende Ereignis (z.B. die Zustellung des Bescheides (vgl. § 63 Abs. 5 AVG) oder das Einlangen des Antrages fällt (vgl. VwGH vom 17.01.1990, Zl. 89/03/0003; 22.05.1990, Zl. 90/11/0089; Hellbling 217; Hengstschläger RZ 250; Mannlicher/Quell AVG § 32 Anm. 3; Thienel/Schulev-Steindl 141; Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger RZ 234; ferner etwa auch VwGH vom 10.09.1998, Zl. 98/20/0347; Art 3 Abs. 1 FristenÜb: "dies a quo"). Dies wird von § 32 Abs. 1 AVG nämlich offenkundig vorausgesetzt und daher darin angeordnet, dass dieser Tag bei einer nach Tagen bestimmten Frist nicht mitzuzählen ist. Dementsprechend hat der VwGH ausgesprochen, dass sich aus dem Zusammenhalt von § 32 Abs. 2 AVG und Art 3 Abs. 1 FristenÜb ergibt, "dass nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen an dem Tag, und zwar um 24:00 Uhr dieses Tages, zu laufen beginnen, an dem das den Fristenlauf bestimmende Ereignis stattgefunden hat (VwGH vom 17.01.1990, Zl. 89/03/0003 vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG I, 2. Ausgabe 2014, § 32 AVG, RZ 12).

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Gemäß § 33 Abs. 1 AVG werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert. Nach Abs. 2 ist, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember fällt, der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen. Gemäß Abs. 3 werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet. Gemäß Abs. 4 können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen nicht geändert werden.

Eine nach Wochen bestimmte Frist endet demnach um Mitternacht (24:00 Uhr) des gleich bezeichneten Tages der letzten Woche der Frist (VwGH vom 18.10.1996, Zl. 96/09/0153 mwN).

Bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde handelt es sich um eine Rechtsfrage gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG. Die Prüfung der Rechtzeitigkeit hat jedenfalls dann, wenn Anhaltspunkte für die Verspätung eines Rechtsmittels vorliegen, von Amts wegen zu erfolgen (VwGH 16.12.2019, Ra 2019/02/0230). Dazu hat das VwG nach amtswegigen Erhebungen Tatsachen festzustellen und der Partei auch außerhalb einer mündlichen Verhandlung bereits im Rahmen der amtswegigen Prüfung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde Gelegenheit zu geben, zu dabei hervorkommenden Tatsachen und Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen (vgl. VwGH 24.06.2020, Ra 2020/17/0017).

Da es sich bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit um eine von Amts wegen zu überprüfende Rechtsfrage handelt, war diese vom erkennenden Richter aufzugreifen.

Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht Folgendes erwogen:

Zunächst stellt sich die Frage, ob der gegenständliche Bescheid von der Behörde ordnungsgemäß zugestellt wurde.

Die von der Behörde vorgenommene Zustellart des § 23 ZustG ist zulässig, wenn die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet hat, dass ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen hat (§ 8 Abs. 1 ZustG), und nicht umgekehrt die Behörde zu prüfen hat, ob die Partei ihre Abgabestelle geändert hat. Eine derartige rechtzeitige Meldung hat der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren jedoch unterlassen, obwohl er in Kenntnis des laufenden Verfahrens zu seinem Antrag auf internationalen Schutz war und von der belangten Behörde umfangreich über seine Mitwirkungspflichten im Verfahren aufgeklärt wurde, zuletzt am 10.11.2023. Insbesondere wurde er darauf hingewiesen, jede Änderung seiner Abgabestelle der Behörde unverzüglich zu melden. Durch diese ausführliche Belehrung musste dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein, dass er mit der zeitnahen Erlassung eines Bescheides der belangten Behörde zu rechnen hätte.

Wird die Mitteilung der Änderung der Abgabestelle unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Dies war im vorliegenden Verfahren der Fall. Die belangte Behörde hat alle ihr zumutbaren Ermittlungen unternommen, zumal drei polizeiliche Nachschauen und fernmündliche Rückfragen sowohl bei der Hausverwaltung als auch beim Hausmeister ohne Ergebnis blieben. Die Zustellung des Bescheides ist daher am 27.02.2024 durch Hinterlegung im Akt rechtswirksam erfolgt.

Die vierwöchige Beschwerdefrist begann somit am 27.02.2024 zu laufen und endete am 27.03.2024. Die Beschwerde vom 14.05.2024 langte außerhalb der Beschwerdefrist bei der belangten Behörde ein und war somit als verspätet zurückzuweisen.

II. Was den gleichzeitig mit der Beschwerde eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag vom 29.04.2024 betrifft, ist auszuführen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des VwGVG zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lauten:

 

„§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(….)

(3) In den Fällen des Abs. 1 ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht; ein ab Vorlage der Beschwerde vor Zustellung der Mitteilung über deren Vorlage an das Verwaltungsgericht bei der Behörde gestellter Antrag gilt als beim Verwaltungsgericht gestellt und ist diesem unverzüglich vorzulegen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

 

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

 

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

 

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

 

(…)

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

 

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

 

Aus diesen Bestimmungen geht hervor, dass im Beschwerdefall die belangte Behörde für die Entscheidung über den gleichzeitig mit der Beschwerde eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag zuständig ist, weil der Antrag vor Beschwerdevorlage (und Mitteilung darüber) gestellt wurde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat - zu der in dieser Hinsicht vergleichbaren Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 109/2021 - in seinem Erkenntnis VwGH 17.03.2021, Ra 2020/15/0126, unter Hinweis auf VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013, ausgeführt, dass die belangte Behörde durch Vorlage des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Übergang der Entscheidungspflicht auf das Verwaltungsgericht herbeiführen kann. Maßgeblich für die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, ob dieser vor Vorlage der Beschwerde gestellt wurde oder erst danach.

Für einen vor Vorlage der Beschwerde gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bleibt die belangte Behörde auch nach Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht weiterhin zuständig, zumal es andernfalls vom bloßen Willen der belangten Behörde abhängen würde, sich der sie gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG treffenden Entscheidungspflicht zu entledigen und dem Antragsteller mit dieser Vorgehensweise zugleich eine Rechtsmittelinstanz zu entziehen. Eine andere Auslegung würde bedeuten, dass es unabhängig von einer diesbezüglichen Antragstellung durch den Wiedereinsetzungswerber einzig und allein im Belieben der vor Vorlage der Beschwerde unzweifelhaft zuständigen Behörde stünde, durch Vorlage der Beschwerde einen Übergang der Zuständigkeit für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag auf das Verwaltungsgericht herbeizuführen und damit nach Wahl der Behörde, ohne weitere gesetzliche Vorgaben und unabhängig von einem entsprechenden Parteienantrag einen Wechsel der Zuständigkeit von der Verwaltungsbehörde zum Verwaltungsgericht verbunden mit dem Verlust einer Instanz herbeizuführen. Eine derartige Absicht ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen (vgl. auch VwGH 17.03.2021, Ra 2020/15/0126).

Die in der Stellungnahme der belangten Behörde vom 12.08.2024 vertretene Rechtsansicht, wonach die belangte Behörde aufgrund eines Organisationsversagens keine Beschwerdevorentscheidung innerhalb der gesetzlich normierten Frist treffen habe können und nun aufgrund des Zuständigkeitsüberganges auf das Bundesverwaltungsgericht auch nicht über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand absprechen dürfe, erweist sich daher als nicht zutreffend.

Die Behörde hat daher über den noch offenen (und ohnedies bei ihr eingebrachten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist zu entscheiden (VwGH 17.03.2021, Ra 2020/15/0126).

 

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

 

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

 

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

 

Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage nicht von besonderer Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).

 

Vor dem Hintergrund, dass die gegenständliche Beschwerde bereits auf Grund des mit der Aktenlage in Einklang stehenden Vorbringens als verspätet zurückzuweisen war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

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