AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:I403.2163493.1.01
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Peter LECHENAUER und Dr. Margrit SWOZIL, Huber-Sattler-Gasse 10, 5020 XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2017, Zl. 1112004207/160557331 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin stellte am 19.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am selben Tag fand dazu eine Erstbefragung der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Die Beschwerdeführerin erklärte aus Angst vor einer Zwangsverheiratung aus Nigeria geflüchtet zu sein. Dieser Fluchtgrund wurde von ihr bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; belangte Behörde) am 21.03.2017 wiederholt. Der Beschwerdeführerin wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria vom September 2016 übergeben und ihr die Möglichkeit für eine schriftliche Stellungnahme geboten. Eine solche Stellungnahme ist dem Akt nicht zu entnehmen.
3. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I. bzw. II.). Ihr wurde kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, und es wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Der Beschwerde gegen den Bescheid wurde mit Spruchpunkt IV. gemäß § 18 Abs. 1 Ziffer 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
4. Der Bescheid wurde am 29.05.2017 zugestellt.
5. Am 09.06.2017 legten die Rechtsanwälte Dr. Peter LECHENAUER und Dr. Margrit SWOZIL im Namen der Beschwerdeführerin Beschwerde ein und beriefen sich auf die ihnen erteilte Vollmacht. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Antrag auf internationalen Schutz stattgeben oder der Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel gewähren und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen und eine mündliche Verhandlung durchführen bzw. in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Als Beschwerdegründe wurden Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen wesentlicher Ermittlungsmängel und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. In Ergänzung des bisherigen Vorbringens wurde erklärt, dass die Beschwerdeführerin von ihrer Mutter an einen Schlepper verkauft worden sei und dass dieser in Österreich eine Abbezahlung ihrer "Schulden" durch Prostitution verlangt habe. In Nigeria habe er ihr falsche Versprechen gemacht. Er habe sie hier in Österreich bedroht und sei die Beschwerdeführerin Opfer von Menschen- und Prostitutionshandel. Sie habe nicht gewagt dies vor dem BFA offenzulegen.
6. Beschwerde und Bezug habender Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 07.07.2017 vorgelegt.
7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2017, Zl. I4032163493-1/3Z wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
8. Am 18.09.2017 wurde an der Außenstelle Innsbruck des Bundesverwaltungsgerichtes eine mündliche Verhandlung im Beisein der Beschwerdeführerin und ihrer rechtsfreundlichen Vertretung abgehalten. Der Beschwerdeführerin wurde eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme zum aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria vom August 2017 und zum EASO Country of Origin Information Report:
Nigeria – Sex Trafficking of Women (vgl. Punkt 1.2 und 1.3) gewährt; am 03.10.2017 langte eine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein, am 18.10.2017 wurde ein Empfehlungsschreiben übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:
Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine unbescholtene Staatsbürgerin Nigerias. Ihre Identität steht nicht fest. Sie gehört der Volksgruppe der Edo und der christlichen Glaubensgemeinschaft an. Die Beschwerdeführerin lebte vor ihrer Ausreise in XXXX, Edo State. Sie verließ Nigeria im April 2016.
Die Mutter der Beschwerdeführerin lebt in XXXX, ihre Tante in Benin City. Die Beschwerdeführerin gibt aber an, keinen Kontakt mehr nach Nigeria zu haben.
Die Beschwerdeführerin wird in Nigeria nicht verfolgt. Es ist nicht glaubhaft, dass sie von einem älteren Mann, den sie hätte heiraten sollen, gesucht wird bzw. dass sie von einem Mann namens XXXX nach Europa verschleppt worden wäre und im Falle einer Rückkehr Vergeltungsmaßnahmen zu fürchten hätte.
Die Beschwerdeführerin leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Ihre Erwerbsfähigkeit ist nicht beeinträchtigt. Im Falle einer Rückkehr würde sie nicht automatisch in eine existenzbedrohende Notlage geraten.
Die Beschwerdeführerin reiste unrechtmäßig in Österreich ein und stellte unmittelbar darauf am 19.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie hält sich somit seit eineinhalb Jahren im Bundesgebiet auf. Sie führt in Österreich kein Familienleben. Sie hat begonnen Deutsch zu lernen und einen Kurs für den Pflichtschulabschluss gemacht. Sie war gemeinnützig tätig und verkauft eine Straßenzeitung.
1.2. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:
Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.
In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.
Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.
Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.
In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.
Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.
Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.
Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.
Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.
Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.
Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.
Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.
Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.
1.3. Zur Situation von Frauen in Nigeria:
Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).
Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering – nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4 .2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).
Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).
Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).
Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).
Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).
Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).
Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).
Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).
Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO .2.2017). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9.2.2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
- AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/D3.8.2016 , Zugriff 22.6.2017
- AllAfrica (3.9.2014): Nigeria: Eradicating Female Genital Cutting, Hope for the Nigerian Child,
http://allafrica.com/stories/201409040129.html , Zugriff 4.7.2017
- BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,
http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf , Zugriff 4.7.2017
- IBT - International Business Times (26.5.2015): Nigeria Bans Female Genital Mutilation: African Powerhouse Sends ‘Powerful Signal’ About FGM With New Bill, http://www.ibtimes.com/nigeria-bans-female-genital-mutilation-african-powerhouse-sends-powerful-signal-about-1938913 , Zugriff 4.7.2017
- IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (13.9.2016):
Responses to Information Requests, http://www.irb.gc.ca/Eng/ResRec/RirRdi/Pages/index.aspx?doc=456691&pls=1 , Zugriff 22.6.2017
- NHW - Nigerian Healthwatch (10.5.2016): Five big issues at the International Conference of Midwives in Abuja, http://nigeriahealthwatch.com/five-big-issues-at-the-international-conference-on-midwives-in-abuja/ , Zugriff 4.7.2017
- UKHO - United Kingdom Home Office (2.2.017): Country Policy and Information Note Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595458/CPIN_-_NGA_-_FGM_-_v_1_0.pdf , Zugriff 23.6.2017
- UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf , Zugriff 22.6.2017
- UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf , Zugriff 4.7.2017
- UNFPA (9.2.2016): Female Genital Mutilation must end within a generation, says Nigerian First Lady, http://wcaro.unfpa.org/news/female-genital-mutilation-must-end-within-generation-says-nigerian-first-lady , Zugriff 4.7.2017
- USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html , Zugriff 8.6.2017
(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel
Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).
Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).
Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).
Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.
Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes – und dort vor allem in den Städten – werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).
Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).
Eine Auswahl spezifischer Organisationen:
• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin
City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:
info@awegng.org , aweg95@yahoo.com , nosaaladeselu@yahoo.co.uk (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).
• The Women’s Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women’s Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).
• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA), ,
19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja;, Tel.:
08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com , wrapa399@yahoo.com , (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).
• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org , wacolnig@gmail.com , wacolnig@yahoo.com , wacolenugu@yahoo.com ; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:
+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples’ Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf , Zugriff 7.7.2016
- AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): Contact Information, http://awegng.org/contactus.htm , Zugriff 5.7.2017
- AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): About us, http://awegng.org/aboutus.htm , Zugriff 5.7.2017
- IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet,
- ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria
- OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html , Zugriff 5.7.2017
- UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf , Zugriff 5.7.2017
- WACOL – Women Aid Collective (o.D.a): Contact Us, http://wacolnigeria.org/wacol/?page_id=58 , Zugriff 5.7.2017
- WACOL - Women Aid Collective (o.D.b): About Us, http://wacolnigeria.org/wacol/ , Zugriff 5.7.2017
- WOCON - Women’s Consortium of Nigeria (o.D.a): Contact, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/5 , Zugriff 5.7.2017
- WOCON - Women’s Consortium of Nigeria (o.D.b): About us, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/2 , Zugriff 5.7.2017
- WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.a): Contact Details, https://wrapanigeria.org/ , Zugriff 5.7.2017
- WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.b): https://wrapanigeria.org/whatiswrapa/ , Zugriff 5.7.2017
1.4. Zu Menschenhandel in Nigeria
Nigeria ist eine der Drehscheiben des internationalen Frauen- und Menschenhandels: Die meisten Opfer stammen aus Benin City, der Hauptstadt des Bundesstaats Edo. Die Rekrutierung Minderjähriger hat zugenommen, wohl weil sich erwachsene Frauen, vor allem in den Städten, der Risiken stärker bewusst sind, denen sie beim Menschenhandel ausgesetzt sind. Vielen Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, ist der Verlust der Unterstützung durch Familie oder Gemeinschaft gemeinsam. Die nigerianische Regierung hat mit mehreren Maßnahmenpaketen versucht, gegen das Phänomen Handel mit Frauen anzugehen; dazu gehört insbesondere auch die Errichtung einer Agentur zur Bekämpfung des Menschenhandels, der National Agency for Prohibition of Traffic in Persons and other related matters (NAPTIP), im August 2003, zu deren Auftrag Untersuchung, Verfolgung, Überwachung, Beratung, Wiedereingliederung, Aufklärung und Fortbildung gehören. Es wird jedoch trotz all dieser Bemühungen geschätzt, dass die staatlichen Ausgaben in diesem Bereich unzureichend sind, insbesondere im Hinblick auf die Befriedigung der Nachfrage nach NAPTIP-Diensten. Die Entscheidung darüber, dass eine Frau zum Arbeiten nach Europa geht, geht in manchen Fällen von der Familie aus. Prostitution wird in Nigeria moralisch nicht akzeptiert, weshalb die heimkehrenden Mädchen von ihren Gemeinschaften zwei Reaktionen erwarten können. Kommt das Mädchen mit Geld zurück, wird es von der Gesellschaft akzeptiert, auch wenn die Gemeinschaft weiß, dass es in Europa als Prostituierte gearbeitet hat. Wurde das Mädchen jedoch abgeschoben oder kommt es ohne Geld, grenzt die Gemeinschaft das Mädchen aus, und sogar die eigene Familie kann das Mädchen ablehnen. Ein Problem für zurückgekehrte Opfer ist das Fehlen sozialer Unterstützungsnetze; je länger das Opfer in Europa gelebt hat, desto eher fehlt es ihm an solchen Netzen. Viele haben den Eindruck, in Nigeria könne man ohne Familie keinen Erfolg haben, und denken: "In Nigeria bist du ohne deine Familie nichts." Die Unterstützung durch Unterstützungsorganisationen kann soziale Netze nicht ersetzen, auch können sich die Organisationen nicht ständig um die heimgekehrten Opfer kümmern. Für manche Frauen besteht die einzige Möglichkeit, sich den Lebensunterhalt nach Ablauf der Unterstützung durch Unterstützungsorganisationen zu verdienen, in der Prostitution. Für zurückkehrende Opfer von Menschenhandel stehen mehrere Unterkünfte zur Verfügung, die von der NAPTIP und verschiedenen Unterstützungsorganisationen betrieben werden. Es ist nicht genau bekannt, wie viele Frauen sich in den NAPTIP-Unterkünften aufhalten. Von den Quellen werden unterschiedliche maximale Aufenthaltszeiten genannt; manche sprechen von sechs Wochen, andere von einer Spanne zwischen zwei und sechs Wochen. Haben Frauen nach sechs Wochen noch immer keinen sicheren Aufenthaltsort oder Mittel für ihren Lebensunterhalt, kann der Aufenthalt in der NAPTIP-Unterkunft verlängert werden. Nach Angaben der IOM bleiben nur die Frauen länger als zwei Wochen in den Unterkünften, die gegen Menschenhändler ausgesagt haben und deren Fälle von der NAPTIP untersucht werden. Auf der anderen Seite sind Frauen, die in einer NAPTIP-Unterkunft leben, stigmatisiert, weil jeder davon ausgeht, dass sie im Ausland als Prostituierte gearbeitet haben. Daher schicken die NAPTIP-Mitarbeiter sie so bald wie möglich zu ihren Familien oder in Unterkünfte in anderen Gebieten Nigerias.
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Feststellungen zu Staatsbürgerschaft, Volksgruppe, Glaubensgemeinschaft, Wohnort, Gesundheitszustand und Ausbildung ergeben sich aus den entsprechenden Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.09.2017.
Die Beschwerdeführerin legte keinen amtlichen Lichtbildausweis (über die Verfahrenskarte hinaus) vor, so dass ihre Identität nicht abschließend festgestellt werden konnte.
Die Feststellungen zu ihrem Privatleben in Österreich ergeben sich aus ihren diesbezüglichen Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und den vorgelegten Unterlagen (Kursbestätigung Deutsch für Asylwerbende A1/1 vom 05.12.2016, Bestätigung über den Verkauf einer Straßenzeitung vom 17.03.2017, Bestätigung über die Teilnahme an afrikanischen Rodelmeisterschaften vom 11.03.2017, Bestätigung über das Engagement der Beschwerdeführerin bei der Afrikanischen Pfingstgemeinde vom 17.09.2017, Bestätigung über gemeinnützige Arbeit beim Magistrat der Stadt XXXX vom 11.11.2016, Empfehlungsschreiben, ÖSD Zertifikat A1 vom 19.06.2017, ÖSD Zertifikat A2 vom 01.08.2017).
2.3. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin brachte im Verwaltungsverfahren vor, dass sie Nigeria verlassen habe, weil sie zwangsverheiratet werden sollte. Das BFA kam im angefochtenen Bescheid zum Schluss, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft sei und dass es sich jedenfalls um keine asylrelevante Verfolgung handeln würde, da sie nur eine Verfolgung durch Privatpersonen geltend gemacht habe. In der Beschwerde wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass eine nähere Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen notwendig gewesen wäre. Das Bundesverwaltungsgericht gewährte daher der Beschwerde die aufschiebende Wirkung und beraumte eine mündliche Verhandlung an. Nach Würdigung aller Beweise muss sich das Gericht dennoch der Feststellung der belangten Behörde zur Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens anschließen, dies aus den folgenden Erwägungen:
In der Erstbefragung durch die Sicherheitsorgane am 19.04.2016 hatte die Beschwerdeführerin angegeben, dass sie durch ihre Eltern an einen älteren Grundbesitzer hätte verheiratet werden sollen. Sie sei dann nach Lagos zu ihrer Tante geflüchtet, dort aber während eines Gottesdienstes von einer Frau erkannt worden, die zuerst in Ohnmacht gefallen sei, dann aber allen erklärt habe, man müsse die Beschwerdeführerin ins Dorf zurückbringen, da sonst jeder mit dem Tod bedroht sei. Die Beschwerdeführerin sei vor die Kirche gegangen, habe geweint und dann sei ein weißer Mann gekommen, der sie nach Europa gebracht habe. Abgesehen davon, dass diese Geschichte auf den ersten Blick wenig plausibel erscheint, finden sich auch Widersprüche zu den späteren Aussagen der Beschwerdeführerin: So gab die Beschwerdeführerin später immer an, dass ihre Tante sich in Benin City befunden habe. Warum in der Niederschrift der Erstbefragung aber Lagos und Benin City verwechselt worden sein soll, ist schwer zu verstehen.
Aber auch die weiteren Einvernahmen trugen nicht dazu bei, dass am Ende von einem wahren Vorbringen auszugehen wäre: In der Einvernahme durch das BFA am 21.03.2017 führte die Beschwerdeführerin näher aus, dass ihr Vater XXXX, dem Grundbesitzer, Geld geschuldet habe und einen Eid habe schwören müssen. Bereits das diesbezügliche Vorbringen erscheint wenig nachvollziehbar: Die Kosten für die Geburt der Beschwerdeführerin seien außerordentlich hoch gewesen und sie und ihre Mutter hätten im Krankenhaus bleiben müssen, wenn nicht bezahlt worden wäre. Zugleich war die Beschwerdeführerin aber nicht in der Lage anzugeben, ob es Komplikationen gegeben hatte bzw. in welchem Krankenhaus sie geboren worden war. Jedenfalls habe ihr Vater sich bei dieser Gelegenheit Geld von XXXX geliehen und habe gar nicht gewusst, "welchen geheimen Eid er da geschworen hatte". Als sich die Beschwerdeführerin im jugendlichen Alter befunden habe, sei der Mann immer häufiger aufgetaucht und habe sie für sich gefordert und die Familie bedroht. Sie habe sich dann von 2011 bis 2015 zuhause versteckt und sei nicht mehr nach draußen gegangen.
Auch dies erscheint wenig plausibel: Wenn der Mann tatsächlich derart einflussreich und gewalttätig gewesen wäre, wie es die Beschwerdeführerin behauptete, ist es wenig realistisch, dass sie sich ihm über vier Jahre lang widersetzen konnte, indem sie sich zuhause versteckte. Dann sei sie zu ihrer Tante nach Benin City (in der Erstbefragung: Lagos) geflüchtet: Nach ein paar Tagen sei die Beschwerdeführerin zum Markt gegangen; als sie zu ihrer Tante zurückgekommen sei, sei diese leblos am Boden des Zimmers gelegen. Sie habe ihr erzählt, dass XXXX mit anderen Männern die Beschwerdeführerin gesucht habe und dass die Männer sie zusammengeschlagen haben würden. Auch dies überrascht: Wenn man tatsächlich nach der Beschwerdeführerin gesucht hätte, wäre anzunehmen, dass man die kurze Zeitspanne, welche sie am Markt brauchte, auf sie gewartet hätte und nicht unverrichteter Dinge wieder abgezogen wäre. Die Beschwerdeführerin gab in der Einvernahme an, dann nach Lagos gefahren zu sein, wo sie drei Wochen in einer Kirche bei einem Pastor gelebt habe, ehe eine Frau aus ihrer Gegend sie bei einem Gottesdienst wedererkannt habe. Dieser Vorfall wurde in der Erstbefragung allerdings noch mit dem Wohnort ihrer Tante in Zusammenhang gebracht. Auch die Schilderung der Begegnung mit dem weißen Mann weicht zwischen Erstbefragung (Die Beschwerdeführerin sei vor die Kirche gegangen und habe geweint) und Einvernahme durch das BFA (Sie habe vor der Kirche geschlafen und der Mann habe sie geweckt) voneinander ab. Dieser Mann habe sie nach Europa gebracht. Am Ende der Einvernahme gab die Beschwerdeführerin dann noch gewissermaßen nebenbei an, dass der Mann, den sie hätte heiraten sollen, ihren Vater getötet habe.
Alleine schon auf Basis dieser Aussagen sind Zweifel daran, ob es sich um ein glaubhaftes Vorbringen handelt, durchaus angebracht. Das BFA unterließ es aber, dies im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend herauszuarbeiten, wodurch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung unumgänglich erschien. Darüber hinaus wurde in der Beschwerde erstmals erklärt, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um ein Opfer von Menschen- und Prostitutionshandel handeln würde.
In der mündlichen Verhandlung am 18.09.2017 konnten die aufgetretenen Unstimmigkeiten allerdings auch nicht aufgeklärt werden. Soweit in der Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung vom 27.09.2017 auf die "nicht stabile" psychologische Verfassung der Beschwerdeführerin verwiesen wurde, wurden diesbezüglich keine Befunde vorgelegt und wurden in der mündlichen Verhandlung auch keine Anzeichen einer Prozessunfähigkeit festgestellt. Die Beschwerdeführerin machte in der Verhandlung den Eindruck, sich nunmehr weniger durch XXXX, den Mann, den sie hätte heiraten sollen, als vielmehr durch den Mann, der sie nach Europa brachte, bedroht zu fühlen, obwohl diese Bedrohung im Verwaltungsverfahren nie vorgebracht worden war. In Bezug auf beide Bedrohungsszenarien kann aber nicht von einem glaubhaften Vorbringen ausgegangen werden:
Zur behaupteten Zwangsehe mit einem Mann namens XXXX stehen ihre Aussagen in der Verhandlung in klarem Widerspruch zu ihren Aussagen vor dem BFA: Während sie dem BFA erzählt hatte, dass sie ihre Tante leblos am Boden vorgefunden und diese ihr vom Besuch XXXXXXXX erzählt habe, meinte sie nun: "Meine Tante hatte mich losgeschickt, um etwas einzukaufen, und als ich zurückkehrte, wollte ich hineingehen ins Haus, sah aber zwei Autos mit Leuten. Ich wollte hineingehen, hörte aber die Stimme von XXXX und versteckte mich daher hinter dem Haus, ums Eck. Ich hörte, wie sich meine Tante und XXXX stritten. Als ich schließlich hineinging, sah ich, dass sie meine Tante zusammengeschlagen hatten, und ich fragte dann, warum sie sich gestritten hatten, und offenbar hatte ein Freund von XXXX ihm gesagt, dass ich bei meiner Tante wäre." Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes lässt sich diese Darstellung kaum damit in Einklang bringen, dass die Beschwerdeführerin dem BFA erzählt hatte, dass sie nach ihrer Tante gerufen, in das Zimmer hineingegangen und diese dann am Boden vorgefunden habe. Trotz mehrmaligen Erinnerns an die Wahrheitspflicht blieb die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung aber bei ihrem Vorbringen. Allerdings meinte sie zunächst, XXXX würde sie in ganz Nigeria finden; nachdem die erkennende Richterin ihr vorhielt, dass es einer Privatperson nicht möglich sei, eine andere Privatperson in Nigeria zu finden, gestand sie wiederum ein, dass sie auch nicht glaube, dass er sie in ganz Nigeria finden könne. Insgesamt blieb das ganze Vorbringen rund um die behauptete Zwangsehe bzw. die Bedrohung durch den Mann XXXX vage, widersprüchlich und nicht nachvollziehbar, so dass das Bundesverwaltungsgericht ausschließt, dass es sich dabei um ein wahres Vorbringen handelt.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt ebenfalls zum Schluss, dass das Vorbringen rund um den behaupteten Menschenhandel nicht glaubhaft ist. Gegenüber dem BFA hatte sie den weißen Mann, dessen Namen sie angeblich nicht kannte, noch als "Helfer" bezeichnet, der sie nach Europa gebracht habe. In der mündlichen Verhandlung dagegen meinte sie, sie sei durch einen Mann nach Europa gebracht worden, der ihre Mutter bezahlt habe, um sie für die Tätigkeit als Prostituierte zu kaufen. Unabhängig von der Frage des Neuerungsverbotes muss darauf hingewiesen werden, dass es nicht schlüssig erscheint, dass die Beschwerdeführerin vor dem BFA noch keine diesbezügliche Erklärung abgegeben hat. In diesem Zusammenhang wird nicht verkannt, dass es Opfern von Menschenhandel oft nur schwer und damit spät im Verfahren möglich ist, dies zu offenbaren, da sie Angst vor einer Bedrohung durch die Menschenhändler haben. Im gegenständlichen Fall erklärte die Beschwerdeführerin allerdings, dass sie XXXX, der sie außer Landes gebracht hatte, drei Tage nach ihrer Ankunft das letzte Mal gesehen hatte, so dass es zumindest auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar erscheint, dass sie ein Jahr später gegenüber dem BFA noch immer nicht die Wahrheit gesagt haben will.
Die erstmals vor dem Bundesverwaltungsgericht geschilderte Geschichte ist allerdings auch in sich nicht stimmig und nicht glaubhaft. In der Beschwerde wurde diesbezüglich erstmals behauptet, dass die Beschwerdeführerin an einen Schlepper namens XXXX/XXXX verkauft worden sei. In Nigeria habe er sie mit falschen Versprechen (Heirat und der Aussicht auf ein besseres Leben) zum Beischlaf genötigt. Dann habe er in Österreich verlangt, sie müsse das Geld für die Reise als Prostituierte abarbeiten. Er werde sie in Österreich schon finden und umbringen, wenn sie es der Polizei erzählen würde. Als die Beschwerdeführerin einmal einen Termin in Wien wahrgenommen habe, habe sie ihn erneut getroffen und sei sie von ihm bedroht worden. Diese Darstellung hielt einer Überprüfung in der mündlichen Verhandlung aber nicht stand.
In völliger Abweichung von ihrer früheren Geschichte erklärte die Beschwerdeführerin nämlich in der mündlichen Verhandlung, dass, nachdem sie nach dem Vorfall in der Kirche in Lagos diese verlassen habe, eine Frau sie angesprochen habe, ob sie nach Europa wolle. Diese habe sie dann XXXX vorgestellt. Sie sei dann mit zu ihm. Er habe ihre Mutter angerufen, die am Abend gekommen sei. Die Beschwerdeführerin habe gesehen, dass XXXX ihr einen Umschlag gegeben habe. Dies erscheint völlig unlogisch. Abgesehen davon, dass es zweifelhaft ist, dass der Vater der Beschwerdeführerin, der zu diesem Zeitpunkt ja noch am Leben gewesen sein muss, gar nicht eingebunden gewesen sein soll und dass die Mutter bereits am gleichen Tag in Lagos, das immerhin eine mehrstündige Autofahrt von XXXX entfernt ist, angekommen sein soll, befand sich die Beschwerdeführerin ihren Angaben nach ohnehin schon in der Gewalt des Mannes und war sie bereit, Nigeria zu verlassen. Warum dieser dann den Kontakt zur Mutter gesucht und dieser noch etwas bezahlt haben soll, erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht. Soweit in der Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung vom 27.09.2017 darauf verwiesen wird, dass es laut EASO-Bericht nicht unüblich sei, dass Familienangehörige an der Rekrutierung von Opfern des Menschenhandels beteiligt sind, entspricht dies auch dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes. Der Fall der Beschwerdeführerin war aber anders, war sie doch bereits aus dem Familienverbund ausgegliedert und völlig alleine, so dass eine Kontaktaufnahme mit der Familie ja nur zu Problemen für den Menschenhändler hätte führen können. Ebenso unwahrscheinlich erscheint es, dass XXXX der Beschwerdeführerin nach der Ankunft in Österreich erklärte, dass sie sich nun zu prostituieren habe, dass er aber keinerlei Schritte in diese Richtung setzte. Nach Auskunft der Beschwerdeführerin ging sie niemals der Prostitution nach und sah sie XXXX letztmals drei Tage nach ihrer Ankunft in Österreich, somit im April 2016. Dass ein Menschenhändler sein Opfer über eineinhalb Jahre vollkommen unbehelligt lässt, entspricht nicht der Erfahrung des Bundesverwaltungsgerichtes. Wenn in der Stellungnahme vom 27.09.2017 erklärt wird, dass es für Opfer von Menschenhändler problematisch sei, in Nigeria Schutz bei den Behörden zu finden, so mag dies durchaus zutreffen – im Falle der Beschwerdeführerin ist das Vorbringen rund um den angeblichen Menschenhändler XXXX aber schlichtweg nicht glaubhaft.
Von Seiten der erkennenden Richterin wird auch keineswegs verkannt, dass zahlreiche Frauen, die von Nigeria nach Österreich kommen, Opfer von Frauenhandel sind und unter teils menschenunwürdigen Bedingungen in Österreich der Prostitution nachgehen müssen. Ebenso wenig wird verkannt, dass Opfer von Frauenhandel oftmals Schwierigkeiten haben, sich den österreichischen Behörden und Gerichten gegenüber zu öffnen. Im Fall der Beschwerdeführerin kommt das Bundesverwaltungsgericht allerdings zum Schluss, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin, Opfer von Menschenhandel zu sein, nicht glaubhaft ist. Wie auch schon in Bezug auf ihr Fluchtvorbringen im Verwaltungsverfahren (der behaupteten Flucht vor der Ehe mit XXXX) muss festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin offensichtlich bereit ist, falsche Angaben zu machen, offenbar in der Hoffnung, damit ihre Chancen auf einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich zu verbessern.
Die Beschwerdeführerin hat daher im Falle einer Rückkehr nach Nigeria keine Verfolgung zu erwarten. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass sie in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Sie besuchte einige Jahre die Schule, über eine Berufsausbildung oder berufliche Erfahrungen verfügt sie nicht. Es besteht aber kein Hindernis für die Beschwerdeführerin, einfache Tätigkeiten oder Hilfsarbeiten durchzuführen. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass sie im Falle einer Rückkehr in eine existentielle Notlage geraten würde. Sie verfügt auch über familiären Anschluss in Nigeria; nachdem ihr Vorbringen nicht glaubhaft ist, besteht auch kein Grund anzunehmen, dass sie nicht wieder in Kontakt mit ihrer Mutter bzw. ihrer Tante treten könnte.
2.4. Zu den Länderfeststellungen
Zur aktuellen Lage in Nigeria wurden im angefochtenen Bescheid umfassende Feststellungen auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Stand 07.08.2017) getroffen. Die entscheidungsrelevanten Feststellungen, die bereits im angefochtenen Bescheid enthalten waren, finden sich unter Punkt 1.2. und 1.3. Zu den dahinterstehenden Quellen (und somit zu den Quellen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatliche Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Es handelt sich dabei insbesondere um die folgenden Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
- AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html , Zugriff 6.7.2017
- AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria – Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html , Zugriff 26.7.2017
- AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html , Zugriff 24.7.2017
- AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,
https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf , Zugriff 28.7.2017
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- AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende , Zugriff 13.6.2017
- BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,
http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html , Zugriff 24.7.2017
- BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,
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- USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html , Zugriff 8.6.2017
Unter Punkt 1.4. des gegenständlichen Erkenntnisses wurden Feststellungen zu Menschenhandel in Nigeria getroffen. Diese basieren auf dem Bericht des European Asylum Support Office (EASO) vom Oktober 2015 zu "Nigeria: Sexhandel mit Frauen" (abrufbar unter https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457689242_bz0415678den.pdf ), welcher der Beschwerdeführerin zum Parteiengehör übergeben wurde. Diesen Feststellungen wurde auch nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG idgF ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Die Beschwerdeführerin brachte vor, in Nigeria durch einen Mann, der sie heiraten wollte, und einen Menschenhändler, der sie nach Europa brachte, um sie der Prostitution zuzuführen, bedroht zu sein. Beides ist, wie in der Beweiswürdigung dargelegt, nicht glaubhaft. Sonstige Fluchtgründe wurden nicht vorgebracht.
Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat Nigeria keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der Ausspruch in Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.
3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids):
Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 leg. cit. sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht.
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage in Nigeria (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für Edo State, die Herkunftsregion der Beschwerdeführerin nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr nach Nigeria mit existentiellen Nöten konfrontiert ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5). Eine konkrete Darlegung, warum eine Rückkehr nach Nigeria für die Beschwerdeführerin zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen sollte, erfolgte nicht, auch nicht im Beschwerdeschriftsatz. Es würde aber ihr obliegen, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Derartige Beweise wurden nicht vorgelegt.
Im gegenständlichen Fall ist, wie in der Beweiswürdigung dargelegt wurde, nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in eine Notlage geraten würde. Auch wenn die Situation in Nigeria für Frauen nicht einfach ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine gesunde und arbeitsfähige Frau automatisch ihre Existenz bedroht sehen würde. Die Beschwerdeführerin hielt sich auch nicht lange außerhalb ihres Heimatlandes auf und ist davon auszugehen, dass sie wieder Kontakt zu ihrer Familie knüpfen kann. Der Ausspruch in Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides war daher zu bestätigen.
3.3. Zur Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids):
Das BFA hat gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird – was gegenständlich der Fall ist. Der Antrag auf internationalen Schutz wird mit gegenständlicher Entscheidung abgewiesen. Daher ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu prüfen.
Gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war der Beschwerdeführerin daher nicht zuzuerkennen.
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das BFA einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Im gegenständlichen Fall verfügt die Beschwerdeführerin über kein Familienleben in Österreich, und sie hat ein solches auch nicht behauptet. Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff). Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von weniger als zwei Jahren davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin das Interesse an der Achtung ihres Privatlebens überwiegt.
Es wird nicht verkannt, dass die Beschwerdeführerin bereits die A2 Prüfung abgeschlossen hat, den Pflichtschulabschluss anstrebt, gemeinnützig tätig war, eine Straßenzeitung verkauft und Kontakte geknüpft hat. Dennoch kann noch nicht von einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden, verfügt sie doch in Österreich nicht über Familie und ist sie auch am Arbeitsmarkt nicht integriert.
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK – aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen, wobei im Rahmen der Gesamtabwägung einem solchen Vorbringen nicht in jeder Konstellation Relevanz zukomme (vgl. dazu VwGH, 30.06.2016, Zl Ra 2016/21/0076-10 und VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Wie bereits ausgeführt ist eine besondere Vulnerabilität bei der Beschwerdeführerin aber nicht erkennbar.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung der Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Nigeria keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt. Daher war kein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen.
Im angefochtenen Bescheid wurde auch festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria zulässig ist. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).
3.5. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV):
Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Dass besondere Umstände, die die Beschwerdeführerin bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
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