BVwG I403 1436406-1

BVwGI403 1436406-19.5.2017

AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:I403.1436406.1.00

 

Spruch:

I403 1436406-1/44E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Sudan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH und die Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH gegen Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesasylamtes vom 28.06.2013, Zl. 11 03.412-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.04.2017 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein am XXXX geborener sudanesischer Staatsangehöriger, reiste am 26.03.2011 unter Umgehung der Grenzkontrollen aus Italien kommend illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 08.04.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 08.04.2011 führte er zur Frage nach seinen Fluchtgründen wie folgt aus: "Weil dort (Sudan) Kriegsgebiet ist und ich und meine Familie dort kaum was zu essen hatten." Auf die Frage, was er im Falle einer Rückkehr zu befürchten habe, gab der Beschwerdeführer an: "Wenn ich [in] mein Land zurückgeschickt werden sollte, bringen mich die Leute dort um. Es herrscht dort Bürgerkrieg."

 

3. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am 03.05.2011, am 21.06.2011 und am 31.05.2012 niederschriftlich durch das Bundesasylamt einvernommen.

 

4. Aufgrund der Zweifel an der Herkunft des Beschwerdeführers beauftragte das Bundesasylamt diesen damit, sich einer Sprachprobe via Direkttelefonat mit einem skandinavischen Sprachinstitut zu unterziehen und veranlasste die Auswertung der Sprachprobe. Das dazu eingeholte Gutachten gelangte mit näherer Begründung zu der Feststellung, dass die Sprachprobe von einer Person stamme, deren sprachlicher Hintergrund mit sehr hohem Sicherheitsgrad dem Sudan zuzuordnen sei. Die Wahrscheinlichkeit dass der sprachliche Hintergrund des Sprechers in Darfur liege, sei "mittel".

 

5. Das Bundesasylamt lud den Beschwerdeführer am 25.06.2012 zu einer erneuten niederschriftlichen Einvernahme.

 

6. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl; im Folgenden: belangte Behörde) wurden der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 (AsylG) (Spruchpunkt I.) vom 28.06.2013 sowie sein Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) jeweils abgewiesen und die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Sudan ausgesprochen (Spruchpunkt III.).

 

Gleichzeitig mit der Erlassung des Bescheides stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer von Amts wegen einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite.

 

7. Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin verwies der Beschwerdeführer auf zahlreiche Medienberichte zur Sicherheits- und Menschenrechtslage in Darfur und anderen Teilen des Sudans. Bei ihrer Beweiswürdigung habe die belangte Behörde die fehlende Schulbildung des Beschwerdeführers unberücksichtigt gelassen. Zu einer möglichen innerstaatlichen Fluchtalternative führte die Beschwerde aus, dass der Beschwerdeführer in Khartum über keinerlei soziale Kontakte verfüge und sich sein Leben im Falle einer Rückkehr mangels Hilfe, Arbeitsmöglichkeiten und Infrastruktur schwierig gestalten würde. Wie das Bundesasylamt darauf komme, dass er im Falle einer Rückkehr mit finanzieller Unterstützung seiner Verwandtschaft rechnen könne, sei für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar.

 

8. Zu einer für den 02.12.2014 anberaumten mündlichen Verhandlung war der Beschwerdeführer trotz nachweislich zugestellter Ladung – unentschuldigt – nicht erschienen. Dennoch setzte das Bundesverwaltungsgericht einen neuerlichen Verhandlungstermin für den 15.10.2015 an. An diesem Tag erschien der Beschwerdeführer in Begleitung einer mit seiner Vollmacht ausgestatteten Rechtsberaterin. Das Bundesverwaltungsgericht konnte den Beschwerdeführer im Rahmen dieser Verhandlung (unter Mitwirkung eines Dolmetschers für die arabische Sprache) einvernehmen und ihm Gelegenheit geben, sich zu äußern. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung fern.

 

9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2015, I402 1436406-1/17E, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I und II gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs.1 und 8 Abs. 1 Z1 AsylG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I). Hinsichtlich Spruchpunkt III wurde gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe und dass der Beschwerdeführer im Sudan keiner konkreten und gezielten gegen seine Person gerichteten Verfolgung von maßgeblicher Intensität oder einer sonstigen relevanten Bedrohung ausgesetzt sei.

 

10. Gegen Spruchpunkt I des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2015, I402 1436406-1/17E, erhob der Beschwerdeführer außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Zudem wurde Beschwerde nach Art 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

 

11. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.03.2016 wurde die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 für ein Jahr erteilt.

 

12. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.09.2016, Ra 2015/19/0303-8, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2015 in seinem Spruchpunkt I. betreffend der Nicht-Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wurde mit Beschluss die Revision betreffend der Nicht-Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und erwuchs dieser Spruchpunkt in Rechtskraft. Begründend wurde bezüglich der Nicht-Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht sich mit den vom Revisionswerber vorgebrachten Stellungnahmen zu den Länderinformationen auseinandersetzen und angesichts der in Darfur herrschenden instabilen Lage, welche sich laut den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Berichten im ersten Halbjahr 2014 noch verschlechtert habe, die aktuellsten Berichte in seine Entscheidung einbeziehen hätte müssen. Zudem hätte das Bundesverwaltungsgericht auf das Vorbringen des Revisionswerbers, dass seine Familie in einem Flüchtlingslager lebe, eingehen müssen, zumal nach den vorgelegten Berichten die Situation in den Lagern in Darfur katastrophal sei. Wenn sich das Bundesverwaltungsgericht darauf stütze, dass der Revisionswerber in der Gegend von Khartum leben könne, sei anzumerken, dass jegliche Feststellungen bezüglich der Lage in Khartum fehlen würden und sohin die Prüfung gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 11 AsylG 2005, ob dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen stehe, unterlassen worden sei. Sohin sei das angefochtene Erkenntnis, soweit dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Demgegenüber zeige die Revision, soweit sie sich gegen die Nicht-Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs.1 AsylG 2005 richte, keine Rechtsfrage auf, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

 

13. Aufgrund einer Änderung in der Geschäftsverteilung wurde die Rechtssache nunmehr der Gerichtsabteilung I403 der erkennenden Richterin zugeteilt.

 

14. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2016 wurde eine Mitteilung der Polizeiinspektion Schrems im Beschwerdeverfahren nachgereicht. Gegenüber dem Beschwerdeführer wurde für die Asylunterkunft XXXX ein Betretungsverbot ausgesprochen sowie wurde er wegen §§ 83, 105 und 107 StGB auf freien Fuß angezeigt.

 

15. Am 23.02.2017 langten beim Bundesverwaltungsgericht Anfragebeantwortungen von ACCORD (Austrian Centre for Country and Origin & Asylum Research and Documentation) ein, welche Informationen zur Sicherheitslage und zur wirtschaftlichen Lage in Darfur, insbesondere in größeren Städten sowie zur wirtschaftlichen und sozialen Lage von Personen aus Darfur in Khartum enthielten. Diese wurden dem Beschwerdeführer gemeinsam mit der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung am 10.04.2017 zugestellt.

 

16. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 24.02.2017, E 2626/2015-18 wurde die Behandlung der Beschwerde hinsichtlich der Nicht-Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgelehnt. Das Beschwerdeverfahren wurde im Übrigen eingestellt, da durch die Aufhebung des Spruchpunktes zum subsidiären Schutz durch den Verwaltungsgerichtshof die entsprechende Beschwer weggefallen war. Ebenso sei dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG erteilt worden, so dass auch diesbezüglich von einer Klaglosstellung auszugehen war.

 

17. Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau vom 02.03.2017 wurde dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass gegen den Beschwerdeführer ein Strafantrag wegen §§ 83, 105 und 107 StGB erhoben wurde.

 

18. Am 10.04.2017 wurde (unter Heranziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache) eine mündliche Verhandlung abgehalten, zu der der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsberater erschien. Im Rahmen der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, sich dem Militärdienst entzogen zu haben. Sein Aufenthaltstitel sei mittlerweile abgelaufen, um einen neuen habe er sich nicht bemüht. Eine Vollmacht für die Vertretung durch die juristischen Personen Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH wurde vorgelegt. Es wurde um eine Frist für eine schriftliche Stellungnahme ersucht.

 

19. Am 24.04.2017 langte eine schriftliche Stellungnahme ein, in welcher zunächst darauf hingewiesen wurde, dass Personen aus Darfur größere Probleme bei der Rückkehr in den Sudan zu erwarten hätten.

Der Beschwerdeführer sei aus der somalischen [gemeint wohl:

sudanesischen] Armee desertiert, daher drohe ihm eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren, wobei eine Haftstrafe im Sudan mit einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK gleichzusetzen sei. Daher sei die Gewährung subsidiären Schutzes ernstlich in Betracht zu ziehen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der Beschwerdeführer stellte am 08.04.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2013 wurde dem Beschwerdeführer weder der Status eines Asylberechtigten noch eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Sudan zuerkannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2015 wurde die diesbezüglich eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.09.2016 wurde Spruchpunkt A) I. betreffend der Nicht-Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Betreffend der Nicht-Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde die Revision mit Beschluss zurückgewiesen. Spruchpunkt A) I., soweit es die Nicht-Zuerkennung des Status des Asylberechtigten betrifft, erwuchs daher in Rechtskraft. Gegenständlich ist daher nur die Frage des subsidiären Schutzes zu behandeln und werden daher auch nur diesbezüglich relevante Feststellungen getroffen.

 

1.1. Zu dem Beschwerdeführer:

 

Der Beschwerdeführer ist volljährig, sudanesischer Staatsbürger und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des Asylgesetzes. Es kann nicht festgestellt werden, aus welcher Region des Sudan der Beschwerdeführer stammt. Er spricht Arabisch und bekennt sich zum muslimischen Glauben.

 

Eine abschließende Feststellung der Identität des Beschwerdeführers kann nicht erfolgen. Er legte zwar einen Staatsbürgerschaftsnachweis vor, doch stehen die dort enthaltenen Angaben (Geburtsort und Geburtsdatum) im Widerspruch zu den von ihm selbst getätigten Angaben.

 

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er ist strafrechtlich unbescholten, allerdings läuft ein Strafverfahren gegen ihn.

 

Aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Beschwerdeführers kann weder festgestellt werden, wo er vor seiner Ausreise im Sudan lebte noch wo sich seine Familie aktuell aufhält. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus Darfur stammt und dass seine Familie in einem Flüchtlingslager aufhält. Ebenso kann nicht festgestellt werden, welche berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführer im Sudan ausübte und welche Schulbildung er aufweisen kann. Der Beschwerdeführer verweigerte jegliche Mitwirkung am Verfahren, indem er es sowohl dem BFA wie auch dem Bundesverwaltungsgericht durch seine widersprechenden Aussagen unmöglich machte, irgendwelche Feststellungen zu treffen.

 

Es kann daher auch keine reale Gefahr festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

 

1.2. Zur Situation im Sudan:

 

Auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 16.12.2015, aktualisiert am 02.12.2016, werden die folgenden Feststellungen getroffen:

 

Politische Lage

 

Der Sudan ist der Verfassung nach ein Bundesstaat, der 17 Bundesstaaten umfasst. Das Zentralstaatsprinzip ist gleichwohl stark ausgeprägt. Staatspräsident ist Feldmarschall Omar Hassan Ahmad al-Baschir. Er ist zugleich Premierminister und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Vorsitzender des obersten Richterrates und Befehlshaber der Polizei. Er kann die Verfassung aussetzen und den Ausnahmezustand erklären (AA 10 .2013).

 

1983 erklärte Präsident Nimeiri den Sudan zum islamischen Staat und führte die Scharia ein. Der südsudanesische Autonomiestatus wurde aufgehoben. Als direkte Antwort formierte sich die "Sudan People's Liberation Army/Movement" (SPLA/M) unter der Führung von John Garang. Der Kampf dauerte 22 Jahre und wurde damit zum längsten Bürgerkrieg in Afrika - und zu einem der blutigsten. Mehr als zwei Millionen Menschen verloren durch den Krieg und seine direkten Folgen ihr Leben, und mehr als vier Millionen wurden, zum Teil mehrmals, vertrieben. Ausgeblutet nach Jahrzehnten des Bürgerkrieges und unter hohem internationalem Druck, verhandelten beide Seiten ein Friedensabkommen, das im Januar 2005 unterschrieben und als Comprehensive Peace Agreement (CPA) bekannt wurde. Der Süden sollte Autonomiestatus erhalten und in einem Referendum, das im fünften Jahr nach dem Frieden geplant war, über seine Unabhängigkeit abstimmen. Außerdem sollten die Regionen Südkordofan, Blue Nile und Abyei über ihren Status bzw. die Zugehörigkeit zum Norden oder Süden entscheiden können. Sowohl Zensus als auch Wahlen fanden zwar verspätet statt (2008 bzw. 2010), wurden jedoch trotz einiger Unregelmäßigkeiten weitgehend anerkannt. Die Wahlen bestätigten Omar Hassan Ahmad al-Baschir mit 68 Prozent der Stimmen im Amt des Präsidenten. Als Präsident für den Süden wurde Salva Kiir Mayardit gewählt, der damit auch Vize-Präsident für Gesamtsudan wurde. Mit der Wahl von Salva Kiir Mayardit zum Präsidenten des Südens wurde auch eine Sezession immer wahrscheinlicher. Am 9.7.2011 erklärte der Südsudan unter großer internationaler Aufmerksamkeit und friedlicher Beteiligung des Nordens seine Unabhängigkeit. Der Sudan hat diesen neuen Staat umgehend anerkannt (GIZ 11.2015b).

 

Die sudanesische Innenpolitik ist maßgeblich durch die notwendigen wirtschaftlichen und politischen Anpassungen nach der Sezession des Südsudan bestimmt (AA 10 .2013). Nach der Unabhängigkeit des Südsudan soll für den Sudan eine neue Verfassung ausgearbeitet werden. Die Neufassung ist immer wieder verschoben worden, soll aber Plänen zufolge stark islamisch geprägt sein. Der Verfassungstext ist bereits von der Regierungspartei entworfen worden. Da hier andere Parteien nicht konsultiert wurden, lehnten die Oppositionsparteien 2012 eine Mitarbeit ab. Anfang 2014 hat Staatspräsident Al-Bashir die Oppositionsparteien erneut dazu eingeladen, an der Gestaltung der neuen Verfassung teilzunehmen (GIZ 11.2015a).

 

Sudans Langzeitpräsident Omar Hassan Al-Bashir wurde am 2.6.2015 wiedergewählt und bleibt für weitere fünf Jahre im Amt. Der 71-Jährige hat laut Wahlkommission NEC bei den Wahlen im April 2015 94,5 Prozent der Stimmen erhalten. Sein Sieg galt als sicher, da politisch Oppositionelle systematisch unterdrückt wurden; und die großen Oppositionsparteien boykottierten die Wahl. Der Zweitplatzierte bekam nach NEC-Angaben 1,43 Prozent der Stimmen. Von den 13 Millionen Wahlberechtigten seien 46,4 Prozent an die Urnen gegangen, hieß es weiter. Beobachter halten diese Zahl für zu hoch, da in den Wahllokalen kaum Menschen waren und viele Wähler entschieden hatten, nicht an der Abstimmung teilzunehmen. Wahlbeobachter der Afrikanischen Union hatten erklärt, vermutlich seien nur 30 bis 35 Prozent der Sudanesen zu den Urnen gegangen (DS 27.4.2015; vgl. DP 27.4.2015). In seiner Antrittsrede bot Al-Bashir den Rebellengruppen in Darfur eine Amnestie an, sollten diese Friedensverhandlungen zustimmen und kündigte Maßnahmen gegen die grassierende Korruption im Land an (GIZ 11.2015a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage

 

Die Lage ist in weiten Teilen des Landes angespannt (EDA 10.12.2015). Der Sudan ist seit Loslösung des Südens und dem Verlust eines Großteils seines Öleinkommens in einer schwierigen Situation, die wiederum zu inzwischen chronischen Phasen sozialer Unruhe führt (ÖB 12.2013). Demonstrationen mit gewalttätigen Ausschreitungen sind daher immer wieder möglich. In einigen Landesteilen finden bewaffnete Konflikte statt. In mehreren Landesteilen besteht die Gefahr von Landminen und Blindgängern (EDA 10.12.2015). Es besteht eine erhöhte Terrorismusgefahr im gesamten Sudan. In einigen Landesteilen wurden in den letzten Jahren vereinzelt radikale Zellen ausgehoben, die Anschläge in der Hauptstadt u.a. auch auf die Geburtstagsfeierlichkeiten des Propheten Mohammed im Jänner 2015, geplant hatten (AA 10.12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

Spezifische regionale Risiken

 

Süden: Nach einem mehr als 21 Jahre dauernden Bürgerkrieg wurde das Land getrennt. Am 9.7.2011 ist im Süden der Südsudan entstanden. Wichtige Fragen bleiben aber noch ungeklärt, wie z.B. der genaue Grenzverlauf, die Zuteilung der Region Abyei zum Norden oder zum Süden, die Aufteilung der Erdöleinnahmen sowie Status und zukünftige Rechte der Südsudanesen, die zurzeit im Norden wohnen und umgekehrt. Die Sicherheitslage in der Grenzregion zwischen Sudan und Südsudan bleibt weiterhin instabil. Es kommt immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Betroffen sind vor allem die Provinzen Südkordofan und Blue Nile. In Abyei sind seit August 2011 UN-Friedenstruppen stationiert. In diesen Gebieten besteht auch Minengefahr (EDA 10.12.2015).

 

Westen (Darfur): Die schwelenden Stammeskonflikte im Westen des Landes sind seit Ende 2003 zu schweren Kämpfen eskaliert (EDA 10.12.2015). Zwei Rebellengruppen (Justice and Equality Movement - JEM; Sudan Liberation Army - SLA), hervorgegangen aus schwarzafrikanischen Volksgruppen in Darfur, warfen der sudanesischen Regierung vor, die Region zu marginalisieren und die Bevölkerung zu unterdrücken. Die sudanesische Regierung reagierte, unterstützt von arabischen Milizen (den Janjaweed), auf diesen Angriff mit einem bewaffneten Feldzug. Im April 2004 wurde ein Waffenstillstand unterzeichnet, den die Friedensmission der Afrikanischen Union (AU) im Sudan, AMIS (African Union Mission in Sudan), überwacht. Im Mai 2006 wurde der Darfur-Friedensvertrag von der sudanesischen Regierung und der Fraktion der Rebellengruppe SLA-MM unter Führung von Minni Minnawi unterzeichnet. Die beiden anderen Rebellenbewegungen (SLA-AW unter Abdul Wahid und JEM unter Khalil Ibrahim) lehnten den Vertrag ab, da ihre Forderungen nicht erfüllt worden waren. Das Darfur Peace Agreement ist allerdings als gescheitert anzusehen. Minnawi hat es 2012 aufgekündigt und den bewaffneten Kampf wieder begonnen. Das Abkommen hat auch vorher nicht zu einer Verbesserung der Sicherheitslage oder zu einer umfassenden politischen Lösung des Darfur-Konflikts geführt. Die Rebellenbewegungen sind in der Folge in zahlreiche Splittergruppen zerfallen und haben die Umsetzung des Abkommens unmöglich gemacht. Der Konflikt in Darfur im Westen Sudans zählt zu den größten humanitären Krisen weltweit. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind im Zuge des Konflikts ca. 300.000 Menschen ums Leben gekommen. Die Zahl der Binnenvertriebenen in Darfur liegt nach VN-Angaben zurzeit bei 2,7 Millionen, von denen 1,9 Millionen in Lagern leben. Zudem sind seit Beginn der Kämpfe rund 290.000 Menschen in das Nachbarland Tschad geflüchtet, etwa 50.000 weitere in die Zentralafrikanische Republik. Unter Einschluss der hilfsbedürftigen ortsansässigen Bevölkerung sind derzeit fast vier Millionen der rund sieben Millionen Einwohner Darfurs von der Krise betroffen (AA 23.12.2014). Der bewaffnete Konflikt in Darfur dauert an, wenngleich mit verminderter Intensität (AA 21.7.2015). Die Sicherheitslage ist daher noch immer prekär, die Entführungsgefahr hoch (EDA 10.12.2015; vgl. AA 10.12.2015). In den Darfurprovinzen kommt es weiter zu Überfällen auf Transporte von Hilfsorganisationen und der Friedensmission UNAMID sowie zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Rebellengruppen. Brandschatzungen von Milizen unter der Bevölkerung halten an (AA 10.12.2015). Die Rebellengruppen "Justice and Equality Movement" (JEM), Sudan Liberation Army unter Abdul Wahed Nour (SLA-AW) und unter Minni Minawi (SLA-MM) haben sich mit der in den Grenzgebieten zu Südusdan kämpfenden "Sudan People's Liberation Army – North" (SPLA/N) zur Sudan Revolutionary Force zusammengeschlossen, lehnen Verhandlungen mit der Regierung weiterhin ab und streben einen Regimewechsel in Khartum an (AA 21.7.2015).

 

Osten (Gedaref, Kassala, Red Sea): Im Oktober 2006 schlossen die lokalen Rebellen und die Regierung ein Friedensabkommen (EDA 10.12.2015; vgl. AA 10.12.2015). Es bestehen aber weiterhin Spannungen. Außerdem besteht die Gefahr von Landminen (EDA 10.12.2015).

 

Grenzgebiete zu Ägypten und Libyen: In den Grenzgebieten zu Ägypten und Libyen sind Banditen und Schmuggler aktiv (EDA 10.12.2015). Die Sicherheitslage ist dort wegen der umfangreichen Militär- und Polizeipräsenz Ägyptens und des Sudan gegenwärtig unter Kontrolle (AA 10.12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

In rechtsstaatlicher Hinsicht weist der Sudan gravierende Mängel auf. Es gibt keine funktionierende Gewaltenteilung (AA 21.7.2015). Auch wenn die Interimsverfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, ist diese größtenteils dem Präsidenten oder den Sicherheitskräften unterworfen (USDOS 25.6.2015; vgl. AA 21.7.2015; FH 28.1.2015), vor allem in Fällen von angeblichen Verbrechen gegen den Staat. Manchmal zeigen die Gerichte einen gewissen Grad an Unabhängigkeit. Allerdings ist politische Einflussnahme allgemein üblich und einige hochrangige Mitarbeiter der Justiz sind gleichzeitig für das Innenministerium oder andere Teile der Exekutive tätig (USDOS 25.6.2015). Die Folge ist, dass Richter oftmals bemüht sind, mit ihren Urteilen politisch nicht anzuecken (AA 21.7.2015). Niedrigere Instanzen verfügen über gewisse angemessene prozessuale Rechtsstandards, während höhere Instanzen der politischen Kontrolle unterliegen. Sicherheits- und Militärgerichte wenden akzeptierte rechtliche Standards nicht an (FH 28.1.2015). Es fehlt u.a. an hinreichender Ausbildung der Mitarbeiter im Justizbereich. Das "Public Grievances Board", das nominell die Funktion eines Ombudsmanns ausübt, hat in der Praxis keine Bedeutung (AA 21.7.2015).

 

Das sudanesische Strafrecht basiert auf der Scharia und es können Strafen wie Auspeitschen, Amputationen (FH 28.1.2015; vgl. USDOS 25.6.2015) und Steinigungen trotz verfassungsmäßigen Verbots verhängt werden (USDOS 25.6.2015). Ein Strafregister existiert, ist aber unvollständig und ungenau. Es enthält nur die Daten von Personen, die zu gerichtlichen Freiheitsstrafen verurteilt wurden. An Verfahrensarten in Strafrechtsangelegenheiten bestehen die regulären Strafgerichte, "public order"-Gerichte, Jugendgerichte und seit kurzem auch Strafverfahren für Zivilisten vor Militärgerichten. Für Mitglieder der Sicherheitskräfte (Militär und Polizei) bestehen Sondergerichte. Strafverfahren dauern mitunter zwei Jahre bis zum Urteil erster Instanz. Politische Häftlinge sind von Strafverfahren ausgenommen. Sie werden einer beliebig langen Haftdauer an geheimen Orten unterworfen (ÖB 12.2013).

 

Die verfassungsmäßig zugesicherten Rechte auf ein faires und zügiges Gerichtsverfahren sowie die Unschuldsvermutung werden häufig nicht geachtet. Verhandlungen sind normalerweise öffentlich, außer wenn es sich um Vergehen gegen den Staat oder die Staatssicherheit handelt. Der Angeklagte hat Anspruch auf einen Pflichtverteidiger, jedoch gibt es Berichte darüber, dass Angeklagten dieses Recht manchmal verweigert wird. Militärprozesse, die manchmal geheim und rasch ablaufen, beinhalten keine prozessualen Rechtsstandards. Auf dem Special Courts Act beruhende Sondergerichte bestehen meist aus Zivilrichtern, behandeln jedoch oft sicherheitsrelevante Fälle. Bei diesen Gerichten gibt es nur eingeschränkte Möglichkeiten der Rechtshilfe (USDOS 25.6.2015). Haftbefehle werden in politischen Fällen überhaupt nicht ausgestellt. Die betreffende Person wird ohne Bekanntgabe von Anschuldigungen abgeholt. Das Verfahren unterliegt keiner gerichtlichen Aufsicht. Anwälte sind nicht zugelassen (ÖB 12.2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Mehrere Regierungsorganisationen sind für die innere Sicherheit verantwortlich: der Nationale Nachrichten- und Sicherheitsdienst NISS, das Innenministerium und das Verteidigungsministerium. Der NISS ist in allen wichtigen Städten vertreten. Das Innenministerium kontrolliert Polizeikräfte, wie unter anderem die Nationale Polizei, polizeiliche Spezialeinheiten und die Central Reserve Police (CRP) (USDOS 25.6.2015). Die Ende 2013 gegründeten Rapid Support Forces (RSF) unter dem NISS gewannen im Jahr 2014 an Bedeutung. Es handelt sich dabei um eine Einheit, die größtenteils aus früheren Mitgliedern arabischer Milizen (Janjaweed) besteht (USDOS 25.6.2015; vgl. AA 21.7.2015).

 

Die Polizei agiert häufig willkürlich; eine richterliche Kontrolle polizeilichen Handelns findet kaum statt. Der mächtige NISS ist innerstaatlich de facto ohne demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle tätig. Willkürliche Verhaftungen ohne richterlichen Haftbefehl sind Praxis (AA 21.7.2015). Straffreiheit stellt in allen Teilen der Sicherheitskräfte ein verbreitetes Problem dar (USDOS 25.6.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Obwohl die Übergangsverfassung Folter und unmenschliche Behandlung verbietet, foltern und belästigen Sicherheitskräfte, Regierungsmilizen und Rebellengruppen politische Gegner weiterhin (USDOS 25.6.2015). Polizei- und Sicherheitskräfte gehen generell mit Härte vor. Konzepte wie Rechtsstaatlichkeit oder Verhältnismäßigkeit sind vielen Sicherheitskräften unbekannt oder werden bewusst außer Acht gelassen (AA 21.7.2015; vgl. FH 28.1.2015). Von rüdem polizeilichem Handeln sind in Khartum lebende afrikanischstämmige Südsudanesen und Binnenvertriebene aus Darfur und den Nubabergen besonders stark betroffen gewesen. Die meisten Südsudanesen haben das Land inzwischen verlassen (AA 21.7.2015). In Darfur und anderen Konfliktregionen kommt es durch Regierungstruppen, Rebellen und Stammesfraktionen zu außergerichtlichen Hinrichtungen (USDOS 25.6.2015). Vor allem der sudanesischen Armee werden systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung als eine zentrale Strategie der Kriegsführung vorgeworfen. So kommt es immer wieder zu Bombardierungen von Dörfern durch die sudanesische Luftwaffe. Weiter stellen sexuelle Gewalt in den Konfliktregionen durch Milizen der Regierung und der sudanesischen Armee und die Rekrutierung von Kindersoldaten, vor allem durch die verschiedenen Rebellenorganisationen, ein immenses Problem dar (GIZ 11.2015a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Korruption

 

Trotz Antikorruptionsgesetzen (USDOS 25.6.2015) ist die Korruption im Land allgegenwärtig (GIZ 11.2015a; vgl. USDOS 25.6.2015) und durchzieht sämtliche Sektoren der Wirtschaft (GIZ 11.2015a) und des Staatsapparates (GIZ 11.2015a; vgl. USDOS 25.6.2015). Behördenmitarbeiter sind oftmals in korrupte Aktivitäten involviert. Die Regierung unternimmt nur wenig Bemühungen, um Gesetze zur Vermeidung und Verfolgung von Korruption anzuwenden (USDOS 25.6.2015). So rangiert das Land im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International im weltweiten Vergleich seit Jahren traditionell auf den letzten Rängen, aktuell (CPI 2014) zum wiederholten Mal auf dem vorletzten Platz, mit 11 von 100 möglichen Punkten. Am meisten wird von Sudanesen die Korruption in Polizei und Behörden beklagt. Die sudanesische Polizei wird unter den weltweit zehn korruptesten Polizeikräften geführt, aber auch die Korruption in der Wirtschaft ist enorm. Nachdem Präsident al-Bashir Anfang 2012 eine Anti-Korruptionsbehörde ins Leben gerufen hatte, wurde deren Vorsitzender nach einem Jahr wegen Untätigkeit wieder abgesetzt und dessen Posten bis heute nicht wiederbesetzt. Stattdessen wurde von der sudanesischen Regierung eine Untersuchungskommission zur vorherigen Prüfung von Presseveröffentlichungen, in denen Amtsträgern Korruption vorgeworfen wird, eingeführt (GIZ 11.2015a). Fälle von Korruption bei öffentlich Bediensteten werden von einem speziellen Antikorruptionsstaatsanwalt untersucht. Verhängte Strafen werden allerdings kaum exekutiert (USDOS 25.6.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Die Verfassung gewährt allen Sudanesen die grundlegenden Menschenrechte (ÖB 12.2013). Die Menschenrechtslage bleibt im ganzen Land prekär (AA 21.7.2015; vgl. GIZ 11.2015a). Der Regierung und regierungsnahen Organisationen wird eine systematische Missachtung der grundlegendsten Menschenrechte vorgeworfen. Die Menschenrechtslage wird durch die im Land herrschenden bewaffneten Konflikte in Darfur und in den Grenzregionen zum Südsudan verschärft (GIZ 11.2015a).

 

Meinungs- und Pressefreiheit ist von der Übergangsverfassung gewährleistet. In der Praxis wird auf private oder öffentliche Kritik seitens des Staates mit Repressalien wie etwa Verhaftungen reagiert (USDOS 25.6.2015). Medien – Presse, Radio, und Fernsehen – werden vom Staat kontrolliert. Falls sie nicht der Regierungspartei gehören oder staatlich sind, unterliegen sie einer Zensur (GIZ 11.2015a; vgl. USDOS 25.6.2015). So werden regelmäßig die Veröffentlichungen von Artikeln verboten oder gleich ganze Zeitungsauflagen konfisziert. Sowohl die Verbote von Zeitungsauflagen, die das wirtschaftliche Überleben von Zeitungsverlagen massiv erschweren als auch komplette Schließungen von Zeitungen lassen viele Journalisten arbeitslos werden. Auch wird Druck auf Zeitungsherausgeber ausgeübt, um die Inhalte von Nachrichten zu steuern oder Berufsverbote für Journalisten verhängt. Bei unerwünschter Berichterstattung auch ausländischer Medien reagiert die Staatsgewalt mit der Schließung von deren Büros. Nach Berichten von Reporter ohne Grenzen gehören zu den zahlreichen Tabuthemen z.B. die Berichterstattung über Militäraktionen in den Unruheprovinzen des Landes, Meldungen zu Versorgungsengpässen und die o.g. Korruptionsvorwürfe gegen Amtsträger (GIZ 11.2015a). Zwar wurde die Pressezensur formell aufgehoben, weiter bestehende Selbstzensur und administrative Hindernisse verhindern eine wirkliche Pressefreiheit (AA 10 .2013).

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind gemäß der Verfassung gewährleistet, werden jedoch seitens der Regierung massiv eingeschränkt. Versammlungen von mehr als fünf Personen ohne Genehmigung werden seitens der Regierung als illegal betrachtet. Menschenrechtsorganisationen werden geschlossen oder an ihrer Arbeit gehindert (USDOS 25.6.2015). Zahlreiche Menschenrechtsverteidiger haben das Land verlassen. Der Nationale Nachrichten- und Sicherheitsdienst (National Intelligence and Security Service – NISS) überwacht politische Gegner und kann missliebige Personen ohne richterlichen Beschluss verhaften (AA 10 .2013).

 

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) hat im Jahr 2009 für den sudanesischen Präsidenten Omar Al-Bashir einen Haftbefehl aufgrund vorgeworfener Kriegsverbrechen in Darfur ausgestellt. 2010 wurde dieser um den Tatbestand des Völkermordes erweitert. Omar Al-Bashir ist der einzige amtierende Staatschef, gegen den ein Verfahren am ICC wegen Völkermordes anhängig ist. Haftbefehle des ICC bestehen seit einigen Jahren auch gegen den ehemaligen Innenminister und jetzigen Gouverneur von Südkordofan Ahmad Harun und einen ehemaligen Anführer der Janjaweed-Milizen. Gegen den amtierenden Verteidigungsminister Abdul Rahim Hussein wurde im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen in Darfur im März 2012 ebenfalls seitens des ICC ein Haftbefehl ausgestellt. Ende 2014 stoppte der ICC die Ermittlungen zu den Kriegsverbrechen in Darfur wegen mangelnder Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft für eine Festnahme Al-Bashirs. Die Verfahren wurden bisher als endgültig gescheitert angesehen (GIZ 11.2015a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Haftbedingungen

 

Die Haftanstalten sind überfüllt und weisen landesweit menschenunwürdige Zustände auf (Überbelegung von Zellen, mangelhafte sanitäre Einrichtungen, unzureichende medizinische Versorgung) (AA 21.7.2015; vgl. USDOS 25.6.2015). Es gibt Berichte über den Tod von Häftlingen aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung und schlechter Haftbedingungen (USDOS 25.6.2015). Begüterte Gefangene können sich die Haftbedingungen erträglicher machen. Das im Dezember 2009 durch die Nationalversammlung verabschiedete Gesetz über Gefängnisvorschriften und die Behandlung von Insassen ("The Regulation of Prisons and Treatment of Inmates Act") entspricht nach Angaben der Vereinten Nationen nicht den VN-Minimalstandards für die Behandlung von Gefangenen (AA 21.7.2015). Die Regierung genehmigt eingeschränkte Besuche von Gefängnissen durch Menschenrechtsbeobachter. Uneingeschränkter Zugang wird weiterhin verweigert. Das Justizministerium gewährt UNAMID (African Union/United Nations Hybrid Operation in Darfur) gelegentlich Zugang zu Regierungsgefängnissen in Darfur (USDOS 25.6.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Todesstrafe

 

Der Sudan gehört zu den Staaten, in denen Todesurteile vollstreckt werden (AI 20.7.2015; vgl. GIZ 11.2015a). Auch ein Urteil durch Steinigung kann verhängt werden (GIZ 11.2015a). Das Strafgesetzbuch sieht für verschiedene Delikte, einschließlich Abfall vom Islam, Ehebruch, homosexuelle Handlungen (bei der dritten Verurteilung) und verschiedene Drogendelikte die Todesstrafe vor. Laut Art. 181 der sudanesischen StPO von 1991 ist allerdings jede Todesstrafe, Amputation oder lebenslängliche Gefängnisstrafe erst vom OGH zu prüfen und zu bestätigen. Steinigungsurteile werden seit 1985 vom OGH regelmäßig aufgehoben. Todesurteile werden ansonsten auch vollzogen (ÖB 12.2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

Religionsfreiheit

 

Schätzungen zufolge sind 97 Prozent der Bevölkerung im Sudan Muslime, davon fast alle Sunniten. Die restlichen drei Prozent sind vorwiegend Christen (USDOS 14.10.2015).

 

Die Verfassung gewährt Religionsfreiheit (AA 21.7.2015; vgl. USDOS 14.10.2015). Gesetze und Regierungspraxis bevorzugen allerdings den Islam (USDOS 14.10.2015). Durch die 2007 eingesetzte "Nationale Kommission zum Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen in der Hauptstadt" ist der Schutz der Rechte nicht-muslimischer Minderheiten jedenfalls in der Hauptstadt institutionalisiert (AA 21.7.2015). Die seelsorgerische und soziale Tätigkeit der christlichen Kirchen in Khartum, die vor Inkrafttreten des Friedensabkommens häufig behindert wurden, ist derzeit weitgehend frei. Aus anderen Teilen des Nordsudans kommen gelegentlich Meldungen über Schikanen gegenüber christlichen Kirchen, die im muslimisch geprägten Umfeld tätig sind (AA 21.7.2015; vgl. USDOS 14.10.2015).

 

Auf Apostasie, insbesondere den Übertritt eines Muslims zum Christentum, steht nach der 1983 eingeführten Scharia die Todesstrafe, deren Vollstreckung bis zum Vollzug der Hinrichtung durch Sprechen des islamischen Glaubensbekenntnisses abgewendet werden kann (AA 21.7.2015; vgl. USDOS 14.10.2015).

 

Quellen:

 

AA - Auswärtiges Amt (21.7.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan

 

 

Ethnische Minderheiten

 

Der Sudan ist ein Vielvölkerstaat mit etwa fünfzehn größeren Ethnien, ihren mehreren hundert Untergruppen und kleineren Ethnien. Durch die Vielzahl von Konflikten und daraus resultierenden Vertreibungen variieren die Informationen und Statistiken zur ethnischen Gliederung des Landes. Etwa 70 Prozent der Bevölkerung wird zum arabisch-islamischen Bevölkerungsteil gezählt. Größere arabische Gruppen wie z.B. die Ja'aliyin und die Shayqiya, traditionell Bauern und Viehzüchter, stellen zumeist auch die politische und wirtschaftliche Bildungselite der nordsudanesischen Gesellschaft. Größtenteils als Kamel- und Rindernomaden leben die Kababish in Nord-Kordofan und die Baggara im östlichen Darfur und Süd-Kordofan. Immer wieder zu schweren Ausschreitungen führt der Konflikt zwischen den zu den nomadischen Baggara gehörenden Misseriye aus dem Süden Kordofans, die ihre Herden traditionell in die zwischen dem Sudan und Südsudan umstrittene Region Abyei treiben und den hier ansässigen Ngok-Dinka. Zu den bekanntesten nichtarabischen Gruppen des Sudan gehören z.B. die beiderseits der ägyptisch-sudanesischen Grenze am Nil lebenden Nubier und die Volksgruppen Darfurs, darunter die Zaghawa, deren ökologisch bedingte Abwanderung aus Norddarfur u.a. als einer der Gründe des Darfur-Konflikts angesehen wird und die vornehmlich Hirseanbau betreibenden Fur, die der Region den Namen gaben (Dar Fur - Land der Fur), sowie die im ariden Ostsudan am Roten Meer als Kamelnomaden lebenden Beja (GIZ 11.2015c).

 

Es gibt keine Gesetzgebung, die sich diskriminierend gegen ethnisch definierte Gruppen richtet. In der gesellschaftlichen Realität mit vielen hunderten ethnischen Gruppen arabischer und afrikanischer Prägung bei knapp 32 Mio. Einwohnern bestehen allerdings vielfältige Spannungen, die erhebliche ethnische Komponenten aufweisen. Vorurteile, diskriminierendes und teilweise auch aggressives Vorgehen ethnischer Gruppen untereinander ist weit verbreitet, allerdings mit erheblichen regionalen Unterschieden. Der langjährige Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südsudan hatte neben einer politisch/religiösen auch eine deutliche ethnische Dimension. Die überwiegend afrikanische Bevölkerung des Südsudan rebellierte gegen die Dominanz und Marginalisierung durch den arabisch geprägten Nordsudan, dessen politisches, wirtschaftliches und kulturelles Leben historisch von Angehörigen einiger weniger arabischer Ethnien beherrscht wird. Diese Konfliktlage besteht nach der Loslösung des Südsudan im verbliebenen (Nord‑) Sudan gegenüber nicht-arabischen Ethnien in Darfur, dem Osten des Sudan sowie in den Regionen Südkordofan und Blauer Nil im Grundsatz fort (AA 21.7.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Verfassung und Gesetze garantieren Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Die Regierung schränkt diese Rechte in der Umsetzung ein. In Konfliktzonen ist die Bewegungsfreiheit für Staatsbürger, UN-Organisationen und humanitäre Organisationen eingeschränkt. Während sich Staatsbürger außerhalb der Konfliktgebiete generell frei bewegen können, benötigen Ausländer eine Erlaubnis für Reisen außerhalb Khartums, welche oft schwierig zu bekommen ist. Staatsbürger brauchen ein Exit-Visum, um das Land verlassen zu dürfen. Außer in bestimmten Fällen (wie etwa Ärzte oder politisch exponierte Personen) werden diese Visa nicht verwendet, um die Reisefreiheit der Bürger einzuschränken (USDOS 25.6.2015). Aufgrund der Nachwirkungen des Bürgerkriegs in Südsudan, der Stammeskonflikte und der nach wie vor angespannten Situation an manchen Teilen der südlichen und östlichen Grenzen sowie v. a. aufgrund des Darfur-Konflikts ist eine Durchquerung des Landes weder in Nord-Süd- noch in Ost-West-Richtung gefahrlos möglich (AA 21.7.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Binnenflüchtlinge

 

Nach Schätzungen des UNHCR verzeichnet der Sudan aktuell über zwei Millionen Binnenflüchtlinge, vor allem infolge des Darfur-Konfliktes. Die angespannte Konfliktlage des Jahres 2014 verursachte mit annähernd einer halben Million Menschen die höchste Anzahl von Binnenflüchtlingen seit Beginn des Konfliktes in Darfur. Zusätzlich verschärften die seit vier Jahren ununterbrochenen Konflikte in den "Two Areas" Südkordofan und Blue Nile die Flüchtlingslage. Hier gilt mit ca. 1,7 Mio. Menschen die Hälfte der ansässigen Bevölkerung als Binnenflüchtlinge. Nachdem zunächst nach der Abspaltung des Südsudan im Jahr 2011 Zehntausende Menschen in den Südsudan und auch nach Äthiopien geflohen waren, setzten im Dezember 2013 durch Auseinandersetzungen im Südsudan Flüchtlingsbewegungen von Südsudanesen in die südlichen Bundesstaaten des Sudan und nach Khartum ein, die immer noch andauern. Bis zum Ende des Jahres 2015 wird vom UNHCR eine Anzahl von fast 200.000 von in den Sudan geflüchteten Südsudanesen erwartet (GIZ 11.2015a).

 

Quellen:

 

 

Grundversorgung/Wirtschaft

 

Die Wirtschaft des Sudan ist durch die Landwirtschaft und die Erdölförderung geprägt. Nach der Abspaltung des Südens musste der Sudan auf 75 Prozent seiner Ölfelder verzichten und ist seitdem von einer tiefen wirtschaftlichen Krise erfasst, mit Inflationsraten von über 20 Prozent. In der Landwirtschaft des Sudan sind ca. 70 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung, zumeist in Subsistenzwirtschaft, beschäftigt. Ackerbau wird im Land nur an den Ufern des Nils oder im Bewässerungsanbau betrieben. Nur in wenigen Gebieten der südlichen Landesteile ist Regenfeldbau möglich (GIZ 10.2015). Wassermangel und Wüstenbildung sind charakteristisch für weite Landesteile des Sudan und hemmen die Entwicklung. Gleichzeitig verfügt das Land über reiche Bodenschätze, darunter Öl, Erze, Edelmetalle, insbesondere Gold, das Nilwasser und potenziell fruchtbares Ackerland (AA 22.12.2014).

 

Der Sudan gehört immer noch zu den ärmsten und höchst verschuldeten Ländern der Welt. Die Lebensumstände der Bevölkerung sind vielerorts besorgniserregend (AA 22.12.2014). Die Versorgungslage ist in großen Teilen des Landes kritisch. Lediglich in der Hauptstadt Khartum existiert ein recht gutes Warenangebot. Über den Mindestbedarf zum Leben hinausgehende Güter sind aber auch hier für den Großteil der Bevölkerung kaum erschwinglich. In der Krisenregion Darfur versorgt die internationale Gemeinschaft im Rahmen humanitärer Hilfe über 2 Millionen Personen mit dem Nötigsten. Die staatliche Daseinsvorsorge ist hier völlig zusammengebrochen (AA 21.7.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit der in Europa nicht zu vergleichen und ist vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Durch den langjährigen Bürgerkrieg sind vor allem im Süden des Landes weiterhin große Teile der medizinischen Infrastruktur zerstört (AA 10.12.2015).

 

Die Gesundheitsversorgung ist nur in der Hauptstadt befriedigend. Einige Krankenhäuser (Militär- und Polizeihospitäler) sind hervorragend ausgerüstet. Aber die öffentlichen Krankenhäuser sind in einem ärmlichen Zustand und das nicht nur in den Kleinstädten und den ländlichen Regionen, sondern auch in der Hauptstadt. Einige Privatkliniken sind gut mit Personal und Medikamenten ausgerüstet (GIZ 11.2015c).

 

Die medizinische Versorgung ist außerhalb Khartums allenfalls auf geringem Niveau gewährleistet. In den größeren Städten gibt es vergleichsweise ordentliche, aber internationalen Standards nicht genügende Krankenhäuser, vor allem sind die Hygienestandards unzureichend. Die Ärzte sind in der Regel gut ausgebildet. Alle gängigen Medikamente der WHO Essential Drug List (meist in Ägypten, Jordanien, China oder unter entsprechender Lizenz vor Ort hergestellt) sind in Apotheken erhältlich, andere können im Einzelfall importiert werden und sind dann zu verzollen. Viele Arzneimittel sind jedoch für den Normalverdiener unerschwinglich (AA 21.7.2015).

 

Das Sozialversicherungssystem funktioniert nur unzulänglich. Vor allem kleine und finanziell schlecht gestellte Betriebe entziehen sich dem staatlich kontrollierten System, das auf dem "Social Insurance Act" von 1990 fußt, in das sie wenig Vertrauen haben. Zum Tragen kommt es überhaupt nur dort, wo die nötige Infrastruktur vorhanden ist, vornehmlich in den wenigen städtischen Ballungszentren. Auf dem Lande hat das System noch nicht Fuß fassen können (AA 21.7.2015). Die Mehrzahl der Sudanesen kann daher, ohne finanzielle Unterstützung von Verwandten und Freunden, keine ausreichende medizinische Behandlung erwarten (GIZ 11.2015c).

 

Quellen:

 

 

 

 

Behandlung nach Rückkehr

 

Das Auswärtige Amt hat keine Kenntnis von einer etwaigen besonderen Behandlung der in den Sudan zurückgeführten sudanesischen Staatsangehörigen. Allein die Stellung eines Asylantrags im Ausland hat nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes bisher nicht zu staatlichen Repressionen geführt (AA 21.7.2015). Laut anwaltlicher Auskunft haben Personen, deren Asylansuchen im Ausland abgelehnt wurde, im Allgemeinen keine Schwierigkeiten bei der Wiedereinreise in den Sudan, es sei denn, sie sind bekannte Oppositionelle oder sie befürworten den bewaffneten Umsturz (ÖB 12.2013).

 

Quellen:

 

 

 

Dokumente

 

Die Glaubwürdigkeit sudanesischer Dokumente unterliegt den für ein Entwicklungsland üblichen Vorbehalten. Hinsichtlich der Geburtsbescheinigung ist anzumerken, dass im häufig auftretenden Fall mangelnder Nachweise das Alter der Antragssteller durch ein Ärzteteam geschätzt wird. Von der Botschaft werden sudanesische Urkunden seit 1.1.2013 aufgrund der Zweifel an der Glaubwürdigkeit nicht mehr beglaubigt. Nationale Feststellungspraxis der Staatsangehörigkeit: Falls keine Geburtsbestätigung vorliegt, muss der Antragsteller zwei mit ihm verwandte Personen mit sudanesischer Staatsangehörigkeit präsentieren. Gerade bei der Staatsbürgerschaft sind allerdings Korruptionsfälle und falsche Eintragungen häufig. Bei Bevölkerungen in Grenzgebieten (Nomaden) wird die Doppelstaatsbürgerschaft akzeptiert. Hinsichtlich Passausstellung gilt, dass der Antrag auf digitalisierte Pässe viel strenger gehandhabt wird, als der Antrag auf einen, inzwischen immer seltener werdenden, handbeschriebenen Pass (Notpässe oder in einigen Bezirken ohne Zugang zum zentralisierten Erfassungssystem ausgestellte Pässe). Für erstere ist eine Eintragung in das zentralisierte Datenerfassungssystem notwendig (diese erfolgt erst nach Vorweis eines Meldezettels). Deswegen sind einige Staaten (u.a. Golfstaaten) dazu übergegangen, nur noch diese Pässe anzuerkennen (ÖB 12.2013).

 

Quellen:

 

 

Der Anfragebeantwortung a-10030 vom 17.02.2017 zur Sicherheitslage und wirtschaftlichen Lage in Darfur ist zu entnehmen, dass sich die bewaffneten Konflikte zuletzt vorrangig auf das Gebiet um Jebel Marra konzentrierten. In den größeren Städten Al-Fashir und Nyala sei aufgrund von Lieferengpässen ein Preisanstieg bemerkbar. Im Schreiben des UN-Kommitees zur Resolution 1591 (2005) an den UN-Sicherheitsrat vom 09.01.2017 wird ebenfalls darauf verwiesen, dass der bewaffnete Konflikt zwischen Regierung und Rebellen sich auf Jebel Marra beschränkt, dass in den anderen Gebieten Darfurs aber interkommunale Gewalt und kriminelle Aktivitäten gehäuft herrschen.

 

Der Anfragebeantwortung a-10029 vom 17.02.2017 zur wirtschaftlichen und sozialen Lage von Personen aus Darfur in Khartum ist zu entnehmen, dass Personen aus Darfur aufgrund iher beschränkten Mittel gezwungen sind, in den ärmeren Slum-Gemeinschaften am Rande der Stadt zu leben. Die meisten Personen aus Darfur leben anfangs bei ihren Verwandten in Khartum. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist in Slumgebieten schlecht, doch gibt es einige öffentliche Krankenhäuser in Khartum, wo es Zugang zu niedrigpreisiger Grundversorgung gibt. Eine systematische Diskriminierung von Personen aus Darfur gibt es beim Zugang zur Gesundheitsversorgung nicht. Personen aus Darfur arbeiten vorwiegend im informellen Bereich, auf Baustellen, in der Landwirtschaft, als Sicherheitspersonal, etc. Afrikanisch-stämmige bzw. nicht Arabisch sprechende Flüchtlinge aus Darfur sind mit höherer Wahrscheinlichkeit von Diskriminierung und Schikane betroffen. Im Sommer 2015 gab es in Khartum einen ethnisch motivierten Zusammenstoß, im Zuge dessen 200 Personen aus Darfur nach einer Demonstration für die Unterstützung der Rebellengruppen in Darfur verhaftet und angegriffen wurden.

 

Der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.02.2017 zu "Abschiebung, Behandlung bei Rückkehr" ist zu entnehmen, dass es wenig Erfahrungen über Abschiebungen sudanesischer Staatsbürger gibt. Generell scheinen Abschiebungen nach Khartum vorgenommen zu werden. Wenn man vor der Flucht durch Kritik an der sudanesischen Regierung aufgefallen ist, kann es bei der Einreise zu Problemen kommen.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

 

2.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

 

2.2. Zur Person und zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

 

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen erhebliche Zweifel in Bezug auf alle biographischen Angaben des Beschwerdeführers. Trotz des Umstandes, dass der Beschwerdeführer einmal durch die Sicherheitsorgane, viermal durch das Bundesasylamt sowie durch zwei verschiedene Richter des Bundesverwaltungsgerichtes befragt wurde, gelang es ihm nicht, ein klares Bild in Bezug auf seine Herkunft zu entwerfen, sondern verwickelte er sich vielmehr in derart eklatante Widersprüche, dass es dem Bundesverwaltungsgericht unmöglich ist - abgesehen von der Annahme, dass er aus dem Sudan stammt – einer von seinen Aussagen Glauben zu schenken.

 

Die Widersprüchlichkeit seiner Angaben soll im Folgenden dargelegt werden:

 

Zum Geburtsort und -datum:

 

Gegenüber der Polizei gab er im Zuge der Anhaltung am 26.03.2011 "Darfur" als Geburtsort und den XXXX als Geburtsdatum an. Im Zuge der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 21.06.2011 erklärte er, nicht gebildet zu sein und nur zu wissen, dass er im Jahr XXXX geboren sei; das genauere Geburtsdatum würden ihm die Behörden gegeben haben. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 25.06.2013 meinte er, er sei im Dorf "DXXXX" geboren. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015 dagegen erklärte er, dass er in einem Dorf in Darfur namens "CXXXX" geboren sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 wiederum erklärte er, in DXXXX geboren zu sein.

 

Es erscheint wenig plausibel, dass die Sicherheitsorgane dem Beschwerdeführer ein fiktives Geburtsdatum zuweisen; es ist daher eher davon auszugehen, dass er selbst den XXXX nannte. Sein Geburtsort kann aufgrund seiner Aussagen nicht festgestellt werden, gab er doch drei verschiedene Orte an.

 

Im Akt befindet sich allerdings auch ein Staatsbürgerschaftsnachweis des Beschwerdeführers, den dieser im Juli 2012 dem BFA vorlegte. Die Echtheit dieses Dokuments kann nicht abschließend festgestellt werden, die Glaubwürdigkeit sudanesischer Dokumente unterliegt nach den Länderfeststellungen den für ein Entwicklungsland üblichen Vorbehalten. Nach diesem Ausweis wurde der Beschwerdeführer im Jahr XXXX in Al-Fashir geboren. Dies steht im Widerspruch zu den von ihm angegebenen Geburtsdaten wie auch Geburtsorten.

 

Eine abschließende Feststellung seines Geburtsortes und Geburtsdatums kann daher nicht erfolgen.

 

Zur Herkunft des Beschwerdeführers:

 

In der Erstbefragung am 08.04.2011 erklärte der Beschwerdeführer, in einem kleinen Dorf im Sudan im Bezirk Al-Fashir, Darfur gelebt zu haben. Eine genauere Adresse würde es nicht geben. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 03.05.2011 gab er als letzte Wohnadresse im Sudan zu Protokoll: "Sudan, Darfur, El Fashir". Auf nähere Nachfrage gab er dann an, dass er gemeinsam mit seinen Eltern im Dorf "BXXXX" gewohnt habe. Diesbezüglich muss darauf hingewiesen werden, dass er selbst handschriftlich auf einen dem Protokoll beiliegenden Zettel schrieb: "BXXXX Dorf". Im Zuge der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 21.06.2011 erklärte er im Gegensatz dazu, vor seiner Ausreise mit seiner Mutter und seinem Bruder AbXXXX (der in diesem Zusammenhang erstmals erwähnt wurde) in einem Haus aus Stroh außerhalb der Ortschaft DXXXX gelebt zu haben. Auf Nachfrage gab er an, dass auch sein Vater dort gelebt habe. Mit der Frage nach dem Dorf BXXXX konfrontiert erklärte der Beschwerdeführer: "Das liegt im Norden von DXXXX. Mit BXXXX meine ich, dass mein Stamm BXXXX heißt. Es ist nicht sehr weit von DXXXX weg. Dort lebt mein Stamm." In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 25.06.2013 meinte er, er sei im Dorf "DaXXXX" geboren und habe dort gelebt, bis die Familie kriegsbedingt nach Al-Fashir übersiedelt sei, als der Beschwerdeführer zehn Jahre alt gewesen sei. Zu einem späteren Zeitpunkt meinte er dann aber, die Familie sei nach der Ermordung seines Bruders 2009 nach Al-Fashir übersiedelt – zu dem Zeitpunkt wäre der Beschwerdeführer aber schon über 20 Jahre alt gewesen. Dann wieder erklärte er – noch immer in derselben Einvernahme - er habe die letzten sechs Monate vor seiner Ausreise bei seiner Familie in Nyala verbracht. Nyala, nach Khartum die größte Stadt des Sudan, wurde in dieser Einvernahme zum ersten Mal erwähnt. Das Bundesasylamt übernahm diese Aussage als Feststellung im Bescheid vom 28.06.2013 und hielt fest, dass der Beschwerdeführer in Darfur geboren sei und zuletzt in Nyala gelebt habe. Dies wurde im Beschwerdeschriftsatz vom 10.07.2013 entsprechend wiederholt. Ganz anders wiederum die Darstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015: Er sei in einem Dorf namens "CXXXX" geboren und habe dort etwa zwanzig Jahre gelebt. Auf Vorhalt, dass er einmal gesagt habe, seine Familie habe in DXXXX gelebt, meinte er, das wolle er korrigieren. Auf die Frage, wo er denn dann gelebt habe, meinte er: "Im Jahr 2000 sind wir nach DXXXX, im Jahr 2005 waren wir wo anders und im Jahr 2010 sind wir ins Flüchtlingslager in der Nähe von El-Fashir." In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015 behauptete er dann allerdings auch erstmals, dass er die letzten drei Jahre vor seiner Ausreise als Soldat im Norden von Al-Fashir stationiert gewesen sei. Eine wiederum abgeänderte Variante wurde der erkennenden Richterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 präsentiert: Der Beschwerdeführer habe bis zu seinem 24. Lebensjahr in DXXXX gelebt, dann sei die Familie in ein Flüchtlingslager bei Al-Fashir umgezogen. Dort habe er bis zu seiner Ausreise gelebt. Konfrontiert mit Fragen zu den in den früheren Einvernahmen erwähnten Orten versuchte der Beschwerdeführer diese in seine Geschichte zu integrieren (im Folgenden die entsprechenden Auszüge aus der Verhandlungsschrift):

 

RI: Haben Sie jemals für eine Raffinerie gearbeitet?

 

BF: Ja. Ich flüchtete vom Militär und arbeitete dort dann drei Monate, ehe ich das Land verlies.

 

RI: Wo war diese Raffinerie?

 

BF: Das war weit weg von Darfur, ca. zwei bis drei Tage.

 

RI: Wo?

 

BF: Weit weg von Darfur.

 

RI: Wo?

 

BF: In einem Ort namens AXXXX (phonetisch), die Firma hieß XXXX (phonetisch), die Firma findet man im Internet, ich kann nicht schreiben. Die Firma ist aber weit weg von AXXXX.

 

RI: Warum haben Sie davor immer gesagt, Sie sind von Darfur direkt nach Khartum und von dort ausgereist?

 

BF: Ja, das stimmt, ich bin von Khartum geflohen.

 

RI: Jetzt sagen Sie, Sie waren drei Monate woanders.

 

BF: Was meinen Sie mit drei Monaten?

 

RI: Sie sagten, dass Sie für eine Raffinerie tätig waren.

 

BF: Ja, das ist eine chinesische Firma.

 

RI: Haben Sie jemals in einem Dorf namens BXXXX gelebt?

 

BF: Ja, das ist ein Dorf, ich wohnte in diesem Dorf. Ich arbeitete in dieser Firma.

 

RI: BXXXX ist nicht in Darfur?

 

BF: Es ist ein Dorf außerhalb von Darfur.

 

RI: Haben Sie jemals in Nyala gelebt?

 

BF: Ja. Ich bin nach Nyala gefahren und dann von Nyala nach Khartum.

 

RI: Wie lange waren Sie in Nyala?

 

BF: Ca. ein bis zwei Wochen.

 

Es muss daher festgestellt werden, dass zwar aufgrund des Sprachanalysegutachtens davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer aus dem Sudan stammt, dass die Herkunft aus Darfur aber nicht festgestellt werden kann. Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Fragen während der Sprachanalyse allgemeine Kenntnisse zu Al-Fashir aufweisen konnte, dieser Ort kann aber als Herkunftsort nicht festgestellt werden, machte der Beschwerdeführer doch zu unterschiedliche Angaben zu seinem früheren Wohnort. Während im Sprachanalysegutachten die Herkunft aus dem Sudan mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit angenommen wurde, wurde dies für Darfur nur mit einer mittleren Wahrscheinlichkeit angenommen, so dass daraus nichts zu gewinnen ist. Wie dargelegt variierten die Angaben zum Wohnort des Beschwerdeführers, einmal wurde BXXXX, dann DXXXX als letzter Wohnort angegeben, dann wieder habe er mit seiner Familie in Al-Fashir gelebt, einmal in einem Flüchtlingslager, einmal in der Stadt, dann wieder würden alle in Nyala gelebt haben, während er sich nach einer anderen Aussage dort nur eine Woche vor der Ausreise aufgehalten habe. Es bleibt aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes kein anderer Schluss übrig, als dass der Beschwerdeführer alles daran setzt, seinen tatsächlichen Wohnort vor der Ausreise zu verschleiern. Es kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus Darfur stammt und auch nicht, dass seine Familie sich in einem Flüchtlingslager aufhält. Gegen eine Herkunft aus Darfur spricht auch, dass er keiner der dort ansässigen Volksgruppen entstammt (siehe nächster Punkt).

 

Zu seiner Volksgruppe:

 

In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 03.05.2011 gab der Beschwerdeführer seine Volksgruppe mit "Araber" an. Im Zuge der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 21.06.2011 erklärte er dagegen (konfrontiert mit dem Widerspruch, dass er einmal gesagt habe, er lebe im Dorf BXXXX, dann im Dorf DXXXX), dass sein Stamm BXXXX heiße. Diesbezüglich muss festgehalten werden, dass es der erkennenden Richterin nicht möglich war, einen Stamm BXXXX in verschiedenen Internetquellen (zB https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Völker_im_Sudan ) zu finden. Zudem schrieb der Beschwerdeführer selbst in der vorangegangenen Einvernahme auf einen Zettel "Dorf BXXXX". Im völligen Widerspruch dazu meinte er dann in der Einvernahme am 25.06.2013 zum Bundesasylamt, dass sein Stamm "AXXXX" heiße. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 nannte er Darfur als Volksgruppe, obwohl es sich dabei um eine Region im Westen des Sudans handelt, in welcher verschiedene Volksgruppen leben. Der Beschwerdeführer kann daher keiner Volksgruppe zugeordnet werden, sondern kann nur festgehalten werden, dass er der arabischen Sprache mächtig ist.

 

Zu seinen Eltern:

 

In der Erstbefragung am 08.04.2011 erklärte der Beschwerdeführer, dass seine Eltern, welche bereits 80 (Vater) bzw. 70 (Mutter) Jahre alt seien, in einem kleinen Ort in Darfur in einer Zelthütte leben würden und Gelegenheitsarbeiter bei Bauern seien. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 03.05.2011 wiederholte er das Alter seiner Eltern und gab an, dass diese in "Sudan, Darfur, El Fashir" leben würden. Auf nähere Nachfrage gab er dann an, dass diese gemeinsam mit ihm im Dorf "BXXXX" gewohnt haben würden. Seine Eltern würden noch immer im Dorf BXXXX leben. Im Gegensatz dazu gab er im Zuge der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 21.06.2011 zu Protokoll, dass seine Familie "rechts von Al-Fashir, im Dorf DXXXX" leben würde. Die Familie habe etwa 25 bis 30 Schafe gehalten und auch kleine landwirtschaftliche Flächen besessen. Am 31.05.2012 meinte er gegenüber dem Bundesasylamt, er habe einmal seine Eltern kontaktiert, es sei alles in Ordnung bei ihnen. Am 31.05.2012 meinte er gegenüber dem Bundesasylamt, die Familie habe zuerst im Norden von Al-Fashir, in DXXXX, gelebt, etwa sechs Monate nach seiner Ankunft in Österreich sei die Familie aber nach Al-Fashir gezogen und habe in der Nähe der XXXX gelebt. Seine Eltern habe er vor etwa sechs Monaten gesprochen; er übergab dem Bundesasylamt eine Telefonnummer, welche einer Festnetznummer zugehöre, die seinem kleinen Bruder AbXXXX gehören würde. Das Bundesasylamt versuchte jemanden zu erreichen, doch die Nummer stellte sich als gesperrt heraus. Eine ganz neue Version wurde in der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 25.06.2013 vorgebracht: Seine Familie sei, als der Beschwerdeführer zehn Jahre alt gewesen sei, vom Dorf "DaXXXX" nach Al-Fashir gezogen. Aktuell würden seine Eltern in Nyala leben und würden dort etwa 30 Schafe haben. Er telefoniere immer wieder mit seinen Eltern. Dies bestätigte er auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015, zuletzt habe er sie vor etwa sechs Monaten angerufen. Sie würden weder einen Festnetzanschluss noch ein Mobiltelefon besitzen; sie würden ihn angerufen haben und er habe sie dann zurückgerufen. Eine ganz neue Wende bekam die Geschichte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015: Nunmehr wurde als Wohnort der Eltern weder BXXXX (Einvernahme am 08.04.2011), noch DXXXX (21.06.2011), noch Al-Fashir (31.05.2012), noch Nyala (25.06.2013) angegeben, sondern erklärte der Beschwerdeführer erstmals, dass sie seit 2005 in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Al-Fashir leben würden. Das Lager habe keinen bestimmten Namen. Damit konfrontiert, dass er einmal gesagt habe, seine Familie habe in DXXXX gelebt, meinte er, das wolle er korrigieren. Auf die Frage, wo er denn dann gelebt habe, meinte er: "Im Jahr 2000 sind wir nach DXXXX, im Jahr 2005 waren wir wo anders und im Jahr 2010 sind wir ins Flüchtlingslager in der Nähe von El-Fashir." In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 blieb der Beschwerdeführer bei seiner Aussage, dass seine Eltern noch in einem Flüchtlingslager leben würden. Er habe sie dort unter einer Festnetznummer eines Geschäftes zuletzt im vergangenen Jahr kontaktiert. Auf weiteres Nachfragen hieß es dann plötzlich, er könne sie nicht mehr kontaktieren, das Geschäft habe zugesperrt.

 

Das zuvor zum Wohnort des Beschwerdeführers Gesagte gilt auch in Bezug auf den Aufenthaltsort seiner Eltern. Ein Abgleich der verschiedenen Einvernahmen zeigt deutlich, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung, die Wahrheit zu sagen, nicht nachgekommen ist, da er fünf verschiedene Aufenthaltsorte seiner Eltern angegeben hat.

 

Der Bezug des Beschwerdeführers zu Khartum:

 

In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 25.06.2013 meinte der Beschwerdeführer, alle seine Verwandten würden in Darfur leben. Auch in der Beschwerde vom 10.07.2013 betonte er, dass er in Khartum über keinerlei soziale Kontakte verfügen würde. Ebenso erklärte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 zunächst, dass keine Verwandten von ihm in Khartum leben würden. Dagegen gab er etwas später an, dass dort sehr wohl Onkel leben würden, dass er aber keinen Kontakt zu ihnen habe.

 

Ein Indiz für einen Bezug zu Khartum findet sich in dem Kuvert, das der Beschwerdeführer dem Bundesasylamt vorgelegt hatte und das in Khartum abgeschickt worden war. Die Erklärung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017, dass sein Freund es von Darfur nach Khartum geschickt habe und es dann von dort weitergesendet wurde, kann allerdings nicht völlig außer Acht gelassen werden.

 

Ein weiterer Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer in Khartum gelebt haben könnte ergibt sich daraus, dass der vom Beschwerdeführer vorgelegte Staatsbürgerschaftsausweis (welcher mit dem oben erwähnten Kuvert übermittelt worden war) am 14.07.2003 in Khartum ausgestellt worden ist. Wie bereits gesagt kann eine abschließende Feststellung zur Echtheit dieses Dokumentes aber nicht erfolgen. Wenn das Dokument echt sein sollte, ist davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer entgegen seinen Aussagen jedenfalls im Jahr 2003 in Khartum aufgehalten hat.

 

Es kann daher nicht abschließend festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer in Khartum gelebt hat bzw. dort über ein Netzwerk verfügt.

 

Zu seinem/seinen lebenden Bruder/Brüdern:

 

Der Bruder AbXXXX wurde erst in der zweiten Einvernahme durch das Bundesasylamt, am 21.06.2011, erstmals erwähnt. Dieser sei zehn Jahre alt und helfe den Eltern bei der Landwirtschaft. Ergänzend meinte er dann in der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 31.05.2012, er habe zwei jüngere Brüder, einer sei zehn Jahre alt, der andere namens AbXXXX zwölf oder dreizehn Jahre. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 25.06.2013 meinte er zunächst, dass sein Bruder AbXXXX bei seiner Ausreise etwa neun Jahre alt gewesen sei und sein Bruder AdXXXX elf oder zwölf Jahre. Damit konfrontiert, dass diese Altersangaben in Widerspruch zum Alter seiner Mutter stehen würden, revidierte er seine Aussagen und meinte, seine Brüder seien beide über 20 Jahre alt. Das Bundesasylamt stellte im Bescheid vom 28.06.2013 fest, dass die Aussagen zu seinen Brüdern widersprüchlich und nicht glaubhaft seien. In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 10.07.2013 wiederum meinte der Beschwerdeführer, er könne sich nicht erklären, wie es zur Protokollierung gekommen sei, dass seine Brüder über 20 Jahre alt seien. Tatsächlich seien sie bei der Ausreise 12/13 Jahre bzw. 9 Jahre alt gewesen und kenne er das tatsächliche Alter seiner Mutter nicht genau. Dieses jugendliche Alter seiner Brüder bestätigte er auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015.

 

Auch in Bezug auf seine Brüder finden sich daher zahlreiche Widersprüche; wie bereits vom Bundesasylamt festgestellt wurde, würde das Alter der Brüder nicht zum Alter der Eltern passen. Im Rahmen einer Einvernahme änderte der Beschwerdeführer das Alter ja auch ab, um es dann wieder zu leugnen. Zudem fällt auf, dass in der Einvernahme am 31.05.2012 AbXXXX (oder AbXXXX) als älter gegenüber dem anderen Bruder AdXXXX bezeichnet wird, während das Altersverhältnis in der nächsten Einvernahme wieder umgekehrt geschildert wird.

 

Zu seinem verschollenen/verstorbenen Bruder:

 

In der Erstbefragung am 08.04.2011 erklärte der Beschwerdeführer, dass sein Bruder HXXXX etwa 30 Jahre alt und seit etwa 4 Jahren verschollen sei. Dies wiederholte er in der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 03.05.2011. Im Zuge der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 21.06.2011 meinte er allerdings, sein Bruder HXXXX sei am 10.01.2010 aufgrund des Krieges verstorben. Alle seien zu Hause gewesen, als Rebellen der Bewegung Khalil Ibrahim, die gegen die Regierung seien, gekommen seien und geschossen haben. Sein Bruder sei getötet und in weiterer Folge begraben worden. Mit dem Widerspruch zu seinen früheren Aussagen konfrontiert, sprach er dem damaligen Dolmetscher die Schuld zu. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 31.05.2012 wiederholte er, dass sein Bruder vor seinen Augen von Rebellen des Khalil Ibrahim getötet worden sei. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 25.06.2013 wiederholte er zwar, dass sein Bruder von Rebellen der Bewegung Khalil Ibrahim getötet worden sei, siedelte das Geschehen aber im Jahr 2009 an. Einen ganz anderen Grund für die Ermordung seines Bruders brachte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015 vor: "Einmal kam ein Soldat zu uns nachhause, sie wollten, dass wir kämpfen. Mein Bruder hat das verweigert. Einmal kamen Soldaten mit dem Auto und haben meinen Bruder erschossen. Es waren Soldaten von der Regierung, von Al Bashir. Falls man es verweigert, wird man verhaftet und ins Gefängnis gebracht." Sein Bruder habe die Armee verlassen gehabt; er selbst sei aber nicht zuhause gewesen, als sein Bruder getötet worden sei. Die Regierung habe seinen Bruder erschossen. Dies wurde in der Revisionsbegründung vom 07.03.2016 wiederholt. In der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vom 01.03.2016 dagegen wird wieder ausgeführt, dass der Bruder des Beschwerdeführers von Rebellen getötet worden sei.

 

Zusammengefasst ergibt sich auch hier ein widersprüchliches Bild:

Zunächst wurde von einem verschollenen Bruder, dann von einem ermordeten Bruder gesprochen. Einmal will der Beschwerdeführer bei der Ermordung anwesend gewesen sein, dann wieder nicht. Einmal wurde er durch die Rebellen, dann durch die Regierung erschossen.

 

Zu seinen Sprachkenntnissen:

 

In der Erstbefragung am 08.04.2011 erklärte der Beschwerdeführer, dass er nur Arabisch sprechen würde. Dies wiederholte er in der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 03.05.2011 und erklärte er explizit, dass Arabisch seine Muttersprache sei. Auch in der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 21.06.2011 bestand er darauf, nur Arabisch zu sprechen. Ebenso betonte er in der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 31.05.2012, nur Arabisch zu sprechen. Danach befragt, warum er in der Einvernahme immer wieder "yes" sage, erklärte er, in Österreich Pidgin-Englisch gelernt zu haben. Im Protokoll ist vermerkt, dass der Beschwerdeführer (unter anderem am Telefon) flüssig Englisch spricht. Einem vom Bundesasylamt in Auftrag gegebenen Sprachanalysegutachten ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer eine Variante von Arabisch spreche, die Nicht-Arabern im Sudan zuzuordnen sei. Er beherrsche sie auf Niveau der Muttersprache. Ob er einen sprachlichen Hintergrund in Darfur habe, konnte nicht eindeutig festgestellt werden; er verwende jedenfalls gewisse arabische Begriffe, die im Sudan üblich sind und sei mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer sprachlichen Sozialisierung im Sudan auszugehen.

 

Es kann jedenfalls festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die arabische Sprache auf muttersprachlichem Niveau beherrscht.

 

Zu seiner Ausbildung:

 

Im Rahmen der Einvernahme am 03.05.2011 schrieb der Beschwerdeführer einige Angaben auf einen Zettel. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 21.06.2011 meinte er dagegen, er könne nicht lesen und schreiben. Am 31.05.2012 erklärte er gegenüber dem Bundesasylamt, er habe drei Jahre lang die Schule in DXXXX, im Norden von Al-Fashir, besucht, aber nicht lesen und schreiben gelernt. Im völligen Widerspruch dazu meinte er dann in der Einvernahme am 25.06.2013 zum Bundesasylamt, dass er drei Monate lang die Schule besucht habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015 kam er wieder darauf zurück, dass er etwa zwei oder drei Jahre die Schule besucht habe. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 betonte er, dass er nicht lesen und schreiben könne. Auf die Frage der erkennenden Richterin, wie er sein Mobiltelefon bediene, meinte er, er habe im Deutschkurs etwas lesen gelernt.

 

Es kann nicht abschließend festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer tatsächlich nur drei Jahre die Schule besucht hat bzw. ob er tatsächlich Analphabet ist.

 

Zu seinen beruflichen Tätigkeiten im Sudan:

 

In der Erstbefragung am 08.04.2011 erklärte der Beschwerdeführer, dass er keinen speziellen Beruf ausgeübt, sondern zuletzt als Hilfsarbeiter tätig gewesen sei. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 03.05.2011 gab er an, dass er von 2008 bis 2010 als Hilfsarbeiter in Al-Fashir selbständig gearbeitet habe. Konkret meinte er dann, er habe "als Hilfsarbeiter am Bau und auch als Taxifahrer" gearbeitet. Im Zuge der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 21.06.2011 meinte er dagegen, er sei "nur Hirte" gewesen, er sei nicht gebildet. Er schilderte dann genauer, dass er täglich etwa fünf bis sechs Stunden mit den 25 bis 30 Schafen der Familie gewandert sei. Nochmals nach seinem Beruf gefragt, antwortete er: "Ich hatte keinen Beruf. Ich kann auch nicht lesen und schreiben. Ich kenne mich bei den Tieren und in der Landwirtschaft aus." Daneben sei er auch drei Monate als "Fahrerhelfer" tätig gewesen. Im völligen Widerspruch dazu meinte er dann in der Einvernahme am 25.06.2013 zum Organwalter des Bundesasylamtes, dass er für ausländische Erdölgesellschaften gearbeitet habe, etwa vier bis fünf Monate vor der Ausreise, 2009 oder 2010. Er habe in der Umgebung der Raffinerie "XXXX" gearbeitet. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 25.06.2013 meinte er, dass er die letzten Monate vor seiner Ausreise in Nyala gelebt und keine Arbeit gefunden habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015 behauptete er, dass die aus Darfur stammenden auch in Darfur diskriminiert würden und nicht arbeiten dürften. Er habe nie gearbeitet, sondern sei nur für drei Jahre Soldat gewesen, bei der Einheit XXXX. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 erklärte er, dass er bis zu seinem 24. Lebensjahr Gelegenheitsarbeiten durchgeführt habe, ehe er dann gezwungen worden sei, als Soldat zu dienen. Er sei in Al Fashir rekrutiert worden und habe von 2008 bis 2010 bei der Einheit 87 als Soldat gedient. Zunächst gab er an, er habe direkt von der Armee aus die Flucht angetreten. Erst auf Rückfrage der erkennenden Richterin, ob er je in einer Raffinerie gearbeitet habe, erklärte er, er habe dort 3 Monate gearbeitet, ehe er das Land verlassen habe. Die chinesische Firma heiße XXXX und befinde sich bei AXXXX.

 

Es ist völlig unmöglich festzustellen, welcher Tätigkeit der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus dem Sudan nachkam. Es erscheint nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer von der sudanesischen Armee desertierte, brachte er dies doch erst nach vielen Jahren erstmals vor. Die Behauptung, der Dolmetscher habe ihm davon abgeraten, erscheint absurd angesichts des Umstandes, dass er davor fünfmal einvernommen worden war und auch eine Beschwerde verfasst hatte. Zudem gab er in beiden Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht verschiedene Einheiten an, für die er gedient haben will.

 

Zur Ausreise:

 

In der Erstbefragung am 08.04.2011 erklärte der Beschwerdeführer r, dass er im Oktober 2010 mit einem LKW von Darfur in die Hauptstadt des Sudan gereist sei, von wo aus er die Flucht nach Ägypten angetreten habe. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 21.06.2011 erklärte er, Ende 2010 ausgereist zu sein. Er wiederholte, dass er von Al-Fashir nach Khartum und dann weiter nach Ägypten ausgereist sei. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 25.06.2013 meinte er, dass die UNO seine Ausreise bezahlt habe. Auf Vorhalt, dass es dann entsprechende Dokumente geben würde, meinte er nur: "Nun fällt mir ein, dass ich solche Dokumente hatte, die ich aber leider verloren habe." In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015 meinte er wieder, er habe sich das Geld für die Ausreise geliehen. Nachdem er zuvor immer behauptet hatte, er sei von Al-Fashir nach Khartum gereist, fügte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 dazu, dass er die letzten drei Monate vor seiner Ausreise in der Nähe von AXXXX gearbeitet habe. Dies lässt eine Ausreise von Al-Fashir nach Khartum aber sehr unwahrscheinlich erscheinen, da es ein Umweg wäre von AXXXX zunächst nach Al-Fashir zu fahren. Auf die Nachfrage der erkennenden Richterin, ob er jemals in Nyala gewesen sei, meinte er dann plötzlich, er habe ein bis zwei Wochen dort verbracht, ehe er dann nach Khartum gefahren sei. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass es sich dabei um eine sehr außergewöhnliche Reiseplanung handeln würde.

 

Zu Dokumenten:

 

In der Erstbefragung am 08.04.2011 erklärte der Beschwerdeführer, dass er nie ein Reisedokument besessen habe. Dies wiederholte er in der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 03.05.2011, er meinte, er habe nie einen Reisepass und auch kein anderes Dokument besessen. Im Zuge der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 21.06.2011 dagegen meinte er: "Ich hatte einen Personalausweis. Ich meine damit die sudanesische Staatsbürgerschaft, wo ein Lichtbild enthalten ist und die Staatsbürgerschaft bestätigt wird. Dieser blieb in DXXXX bei meiner Mutter." Am 31.05.2012 meinte er zum Bundesasylamt, er habe einen Staatsbürgerschaftsausweis besessen, dieser sei aber im Haus verbrannt. Er könne sich aber innerhalb von zwei bis drei Wochen ein anderes Dokument, allerdings ohne Lichtbild, schicken lassen. Im Akt ist ein Kuvert eines internationalen Postdienstes enthalten; dieses Kuvert wurde in Khartum aufgegeben und befand sich darin ein Staatsbürgerschaftsausweis mit Lichtbild, obwohl dieser doch angeblich verbrannt sein soll. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015 erklärte er im Gegensatz zu seinen früheren Aussagen, dass er einen Reisepass besessen, diesen aber in der Türkei zurückgelassen habe.

 

Zum Fluchtgrund:

 

In der Erstbefragung am 08.04.2011 erklärte der Beschwerdeführer, dass im Sudan Krieg herrsche und seine Familie daher kaum etwas zu essen habe. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 03.05.2011 erklärte er, er werde durch die Rebellen bedroht; die Regierung könne ihn davor nicht schützen, da sie selbst gegen die Rebellen machtlos sei. Dagegen meinte er in der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 21.06.2011, er wolle nicht wie sein Bruder im Krieg getötet werden. In dieser Einvernahme erklärte er auch, dass die Rebellen, welche gegen die Regierung kämpfen würden, das Dorf DXXXX und damit auch das Haus des Beschwerdeführers angegriffen haben würden, wobei sein Bruder ums Leben kam. An diesem Tag im Jänner 2010 seien mehr als 30 Menschen getötet worden. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 31.05.2012 wiederholte er, dass er wegen des Krieges nicht mehr im Sudan leben könne und dass sein Bruder vor seinen Augen getötet worden sei. In der Beschwerde wurde kein neuer Fluchtgrund genannt, allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2015: Der Beschwerdeführer habe drei Jahre als Soldat gedient, habe aber nicht kämpfen wollen und sei deswegen geflohen. Der Dolmetscher habe ihm empfohlen, das nicht zu sagen. Auf die Frage, ob es größere Gefechte gegeben habe, antwortete er dem erkennenden Richter des damaligen Beschwerdeverfahrens: "Ja, aber ich nicht hingegangen, ich wollte niemanden töten. Ich will nicht kämpfen und nicht für die Regierung arbeiten." In der Revisionsbegründung vom 07.03.2016 wiederum heißt es, dass der Beschwerdeführer drei Jahre als Soldat tätig gewesen sei, bevor er desertierte. Sein Bruder sei wegen Desertion erschossen worden.

 

Wie bereits ausgeführt ist es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer desertiert ist. Zuvor hatte der Beschwerdeführer einmal angegeben, von den Rebellen, dann wieder von der Regierung verfolgt zu werden. Ein Fluchtgrund ist nicht feststellbar und kann nicht festgestellt werden, warum der Beschwerdeführer sich zur Ausreise aus dem Sudan entschlossen hat.

 

Zur Frage der Rückkehr:

 

In der Erstbefragung am 08.04.2011 erklärte der Beschwerdeführer, dass er im Falle einer Rückkehr umgebracht werde. Es herrsche Bürgerkrieg im Sudan. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 03.05.2011 erklärte er, die Rebellen würden ihn im ganzen Sudan finden. In der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 25.06.2013 meinte er, auch in Nyala und in Khartum seien die Rebellen aktiv. Sie würden ihn zwar nicht kennen und auch nicht persönlich verfolgen, doch sei sein Leben in Gefahr, wenn wieder eine Stadt angegriffen würde. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 wiederum erklärte er, dass er von der Regierung von Al-Bashir getötet werden würde. Sonst habe er aber keine Rückkehrbefürchtungen, er könne sich vorstellen, in Khartum zu leben, er habe etwa auch keine Ängste, keine Arbeit zu finden.

 

Eine Verfolgung durch Rebellen oder die Regierung (wegen Desertion) ist wegen der Widersprüchlichkeit der Aussagen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft. Daraus entsteht daher auch keine besondere Rückkehrgefährdung. Eine sonstige Rückkehrgefährdung schloss der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 explizit für sich aus.

 

Zu den vorangegangenen Entscheidungen:

 

Das Bundesasylamt war im Bescheid vom 28.06.2013 zum Schluss gekommen, dass der Beschwerdeführer in Darfur geboren sei und zuletzt in Nyala gelebt habe. Seine Eltern würden noch immer in Nyala leben, seine sonstigen Verwandten auch alle in Darfur. Diese Schlussfolgerungen sind aus Sicht der erkennenden Richterin nicht nachvollziehbar; das Bundesasylamt scheint sich dabei vorrangig auf die Aussagen des Beschwerdeführers in der letzten Einvernahme am 25.06.2013 zu stützen, übersieht dabei aber, dass diese in fundamentalem Gegensatz zu den davor getätigten Aussagen stehen und dass Nyala als Wohnort des Beschwerdeführers bzw. seiner Eltern in dieser Einvernahme überhaupt zum ersten Mal Erwähnung fand.

 

Der im ersten Beschwerdeverfahren (vor Aufhebung des Spruchpunktes zum subsidiären Schutz durch den Verwaltungsgerichtshof) zuständige Richter des Bundesverwaltungsgerichtes stellte in seinem Erkenntnis vom 28.10.2015 ebenfalls fest, dass der Beschwerdeführer aus der Region Darfur stammt, wobei das fluchtbegründende Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund verschiedener Widersprüche als nicht glaubhaft gewertet wurde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof stützte sich in seinem Erkenntnis vom 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 im Wesentlichen auf die Feststellungen des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2015 und ging daher davon aus, dass der Beschwerdeführer aus der Region Darfur stamme. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde vorgehalten, es habe sich nicht ausreichend mit der konkreten Sicherheits- und Versorgungslage in Darfur auseinandergesetzt, ebenso wenig mit dem Vorbringen, dass die Familie des Beschwerdeführers in einem Flüchtlingslager lebe. Das Bundesverwaltungsgericht sei auch nicht ausreichend auf die vom Beschwerdeführer zitierten Berichte zur schlechten Lage von Flüchtlingen in Khartum eingehen müssen. Soweit sich das Bundesverwaltungsgericht auf Khartum beziehe, sei auch zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer diese innerstaatliche Fluchtalternative zumutbar sei.

 

Zu den Schlussfolgerungen der erkennenden Richterin:

 

Wie bereits ausgeführt ist das Vorbringen zur Desertion von der sudanesischen Armee nicht glaubhaft. Darüber hinaus fällt das Vorbringen, das erstmals in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erstattet wurde, unter das Neuerungsverbot des § 20 BFA-Verfahrensgesetz, der wie folgt lautet:

 

"In einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesamtes dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur vorgebracht werden,

 

1. wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung des Bundesamtes maßgeblich geändert hat;

 

2. wenn das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft war;

 

3. wenn diese dem Fremden bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes nicht zugänglich waren oder

 

4. wenn der Fremde nicht in der Lage war, diese vorzubringen."

 

Dass es sich bei der Behauptung, der Beschwerdeführer sei während der Ableistung des Militärdienstes geflohen, um Neuerungen handelt, wurde bereits aufgezeigt. Diese wurden erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebracht. Es ist auch nicht erkennbar, dass sie unter eine der vier Ausnahmen fallen würden, die § 20 Abs. 1 BFA-VG aufzählt. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Begründung dafür, dass er das Vorbringen nicht bereits vor dem Bundesamt erstattet hatte, nämlich, dass ihm der Dolmetscher abgeraten habe, ist, wie erwähnt, nicht stichhaltig, insbesondere da er mehrere Einvernahmen hatte und selbst im Beschwerdeschriftsatz die Desertion noch nicht erwähnte.

 

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Neuerungen gegen das Neuerungsverbot des § 20 Abs. 1 BFA-VG im Lichte der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes verstoßen. Weder hat sich der Sachverhalt im Nachhinein geändert noch war das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft noch waren dem Beschwerdeführer die neu vorgebrachten Tatsachen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes nicht zugänglich noch kann gesagt werden, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, sie vorzubringen. Da dem Beschwerdeführer seine nunmehr neu vorgebrachten Fluchtgründe immer bekannt gewesen sein mussten und er auch in vielerlei anderen Punkten seine Aussagen immer wieder abänderte, geht das Bundesverwaltungsgericht von einer "Missbrauchsabsicht" im Sinne der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts aus (VwGH 27.2.2007, 2006/01/0919; 26.3.2007, 2007/01/0074; 30.8.2007, 2006/19/0554; 10.12.2008, 2008/23/0280 sowie zuletzt 29.07.2015, Ra 2015/18/0036). Dieses Vorbringen ist daher unbeachtlich und wird der rechtlichen Beurteilung nicht zugrunde gelegt. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.04.2017 können daher nicht zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen.

 

Zu prüfen ist aber auch, ob der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Sudan in eine aussichtlose Lage geraten würde. Dass eine entsprechende intensive Auseinandersetzung mit dieser Frage für einen aus Darfur stammenden Staatsbürger des Sudans notwendig ist, betonte auch der Verwaltungsgerichtshof, 07.09.2016, Ra 2015/19/0303. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der bereits der Aktenlage zu entnehmenden widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung für notwendig erachtete, kommt die erkennende Richterin nunmehr zum Schluss, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer aus Darfur stammt. Das Sprachanalysegutachten stellte mit hoher Wahrscheinlichkeit die Herkunft aus dem Sudan fest, eine entsprechende Wahrscheinlichkeit konnte für eine Herkunft aus Darfur nicht festgestellt werden. Im Rahmen dieser Analyse wies der Beschwerdeführer zwar ein paar grundlegende Kenntnisse zu Al-Fashir auf, doch sind diese erstens aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht als umfassend zu bezeichnen, waren die Fragen doch oberflächlich und allgemein, und kann zweitens Al-Fashir nicht als Wohnort festgestellt werden, da der Beschwerdeführer immer wieder unterschiedliche Angaben zu seinem Wohnort im Sudan machte. Einige Punkte sprechen gegen eine Herkunft aus Darfur: So gehört der Beschwerdeführer keiner der dort ansässigen Volksgruppen an und spricht er nur Arabisch. Er war nicht in der Lage, ein Flüchtlingscamp bei Al-Fashir zu benennen. Auch wenn man von der Echtheit des vorgelegten Staatsbürgerschaftsnachweises ausgehen würde, wäre davon für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Daraus würde sich zwar Al-Fashir als Geburtsort ergeben, doch wäre der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise nicht in Darfur, sondern Khartum wohnhaft gewesen.

 

Der Beschwerdeführer kam seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, sondern erschwerte das Verfahren für alle beteiligten Behörden und Gerichte, indem er immer wieder andere Aussagen tätigte. Dies ist auch bei der Frage der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens zu berücksichtigen. Es ist allgemein bekannt, dass aufgrund der Krise in Darfur von "besseren Chancen" für Asylwerber aus dieser Region auszugehen sein wird. Es ist daher durchaus möglich, dass der Beschwerdeführer aus diesem Grund eine Herkunft aus Darfur behauptet. Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, wo sich der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise im Sudan aufhielt. Aufgrund der unterschiedlichen und widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers und seiner fehlenden Mitwirkungspflicht besteht aber keine Veranlassung, anzunehmen, dass der Beschwerdeführer aus Darfur geflüchtet ist.

 

Ebenso wenig kann festgestellt werden, wo sich die Familie des Beschwerdeführers aufhält.

 

Der Beschwerdeführer selbst gab in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 an, dass er – abgesehen von der von ihm behaupteten Verfolgung durch die Regierung – keine Probleme darin sehen würde, in Khartum zu leben. Er würde auch keine Probleme darin sehen, eine Arbeit zu finden. Es gibt durchaus Hinweise auf einen gewissen Bezug des Beschwerdeführers nach Khartum, wurde doch ein Schreiben an ihn von dort aus verschickt und meinte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017, dass Onkel von ihm dort leben würden, wenn er diese auch nicht kenne. Auch der vorgelegte Staatsbürgerschaftsausweis, dessen Echtheit nicht feststeht, wurde im Jahr 2003 in Khartum ausgestellt. Insgesamt ist es aber aufgrund des unterschiedlichen Aussageverhaltens des Beschwerdeführers unmöglich zu beurteilen, ob er in Khartum über ein Netzwerk verfügt oder nicht. Er selbst scheint jedenfalls davon auszugehen, dass er in keine existentielle Notlage geraten würde. Wenn man nun davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer nicht aus Darfur stammt, kann die schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Darfur nicht herangezogen werden, um einen Bedarf an subsidiärem Schutz zu begründen.

 

Es wird nicht verkannt, dass der Verwaltungsgerichtshof das Bundesverwaltungsgericht aufgefordert hat, die Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Khartum zu prüfen. Nun muss vorab festgestellt werden, dass aufgrund der ergänzend abgehaltenen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.04.2017 nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer aus Darfur stammt. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass er aus Khartum selbst kommt. Der Beschwerdeführer hat es unterlassen, seinen tatsächlichen Wohnort vor der Ausreise glaubhaft zu machen. Somit machte er auch keinen glaubwürdigen Grund geltend, warum er nicht dorthin zurückkehren könnte. Es ist ihm daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes zumutbar, dorthin zurückzukehren. Jedenfalls erscheint eine Ansiedelung in Khartum zumutbar, ob er nun bereits dort gelebt hat oder nicht. Es wird keinesfalls übersehen, dass Personen aus Darfur, insbesondere wenn sie nicht Arabisch sprechen, im ganzen Land Diskriminierung erfahren. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus Darfur stammt bzw. sich vor seiner Ausreise dort aufhielt. Er spricht Arabisch auf Muttersprachenniveau. Eine besondere Diskriminierung ist daher nicht zu erwarten. Aufgrund der unter den Länderfeststellungen wiedergegebenen Anfragebeantwortung ist auch davon auszugehen, dass eine Rückkehr abgewiesener Asylwerber generell nach Khartum erfolgt. Die Erreichbarkeit ist daher jedenfalls gegeben. Beim Beschwerdeführer liegt keine besondere Vulnerabilität vor, er ist gesund und arbeitsfähig – etwas anderes hat er nie behauptet.

 

Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht. Trotz der insgesamt angespannten Situation im Sudan kann doch nicht automatisch für jede Person für den Fall der Rückkehr automatisch eine Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK angenommen werden.

 

Soweit der Beschwerdeführer eine Verfolgung durch die Regierung oder die Rebellen vorbringt, ist diese nicht glaubhaft. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass der Antrag auf Asyl rechtskräftig abgewiesen wurde, da die dagegen erhobene Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen worden war.

 

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich. Die Information, dass gegen den Beschwerdeführer ein Strafantrag der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des § 107 Abs 1 StGB; der §§ 15, 105 Abs 1 StGB und des § 83 Abs 1 StGB erstattet wurde, ergibt sich aus dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft vom 21.02.2017, 5 St 321/16z-3.

 

2.3. Zu den Länderfeststellungen

 

Die Feststellungen zum Herkunftsstaat und zur Situation im Falle einer Rückkehr stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Sudan (Stand 02.12.2016) sowie die Anfragebeantwortung a-10029 vom 17.02.2017 zur wirtschaftlichen und sozialen Lage von Personen aus Darfur in Khartum, die Anfragebeantwortung a-10030 vom 17.02.2017 zur Sicherheitslage und wirtschaftlichen Lage in Darfur und die Anfragebeantwortungen zur Lage der Zaghawa und der Masalt vom 16.02.2017. Ebenso wurde das Schreiben des UN-Kommitees zur Resolution 1591 (2005) an den UN-Sicherheitsrat vom 09.01.2017 (Letter dated 9 January 2017 from the Chair of the Security Council Committee established pursuant to resolution 1591 (2005) concerning the Sudan addressed to the President of the Security Council) berücksichtigt.

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

3. Rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides:

 

3.1. Verfahrensbestimmungen:

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

 

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für den Sudan nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Trotz der angespannten Sicherheitslage und dem Konflikt in Darfur und an der Grenze zum Südsudan kann nicht davon ausgegangen werden, dass im ganzen Staatsgebiet eine jede Person treffende existenzbedrohende Notlage herrscht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis, mit dem das vorangegangene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes behoben wurde, kritisiert, dass keine ausreichende Beschäftigung mit der "schlechten Sicherheits- und Versorgungslage, vor allem in den Flüchtlingslagern" erfolgt sei. In der Beschwerde seien entsprechende Berichte vorgelegt worden und hätte das Bundesverwaltungsgericht "angesichts der in Darfur herrschenden Lage" aktuelle Berichte miteinbeziehen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hätte auf das Vorbringen, die Familie des Beschwerdeführers lebe in einem Flüchtlingslager eingehen müssen und Feststellungen zur Lage von Flüchtlingen in Khartum treffen müssen.

 

In der Beschwerde fanden sich Auszüge aus verschiedenen Berichten, welche sich mit der Situation in Darfur beschäftigen, unter anderem aus dem Amnesty Jahresbericht 2012 Sudan, aus einem Bericht des Congressional Research Service vom Oktober 2012, aus einer Meldung der Agence France-Presse (Gunfire in Darfur¿s largest city as UN peacekeeper visits vom 04.07.2013) und aus einem auf ReliefWeb veröffentlichten Bericht von Radio Dabanga (Darfur Regional Authority highlights plight of Nyala displaced vom 04.07.2013).

 

Aufgrund des Umstandes, dass, wie in der Beweiswürdigung dargelegt wurde, inzwischen nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aus Darfur bzw. dort vor seiner Ausreise gelebt hat, stammt, sind diese Berichte in Bezug auf den gegenständlichen Einzelfall allerdings ohne Bedeutung. In der Beschwerde fand sich auch ein Bericht über die schlechte Sicherheitslage in den Regionen South Kordofan, Blue Nile, White Nile und Sennar, welche vom Bundesverwaltungsgericht auch anerkannt wird; doch gibt es keine Hinweise, dass der Beschwerdeführer aus einer dieser Regionen stammt bzw. dorthin zurückkehren sollte.

 

In der aktuellen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24.04.2017 finden sich Berichte und Feststellungen zu den Folgen von Desertion und Fahnenflucht von der sudanesischen Armee. Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt wurde ist aber nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer desertierte bzw. würde dies dem Neuerungsverbot unterliegen, so dass auch diese Berichte gegenständlich von keiner Relevanz sind.

 

Die vom Verwaltungsgerichtshof geforderte Auseinandersetzung mit der Situation in Flüchtlingslagern bzw. mit der Situation von Flüchtlingen aus Darfur in Khartum kann aufgrund des geänderten Sachverhaltes unterbleiben. Es kann aufgrund der neuerlichen Verhandlung nicht festgestellt werden, dass die Familie des Beschwerdeführers in einem Flüchtlingslager lebt und kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Flüchtling aus Darfur handelt.

 

Es kann aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, wo er sich tatsächlich vor seiner Ausreise aufhielt. Eine Rückkehr wird in den meisten Fällen nach Khartum erfolgen. Die Anreise dorthin ist aufgrund der Flugverbindungen unproblematisch. Es stellt sich die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein Aufenthalt in Khartum zumutbar ist. Ob er dort über ein soziales oder familiäres Netzwerk verfügt, kann nicht festgestellt werden. Doch auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist es ihm aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes zumutbar, sich in Khartum anzusiedeln. Er gehört zu keiner Minderheit, die besondere Diskriminierung erfahren würde (zB zu einer bestimmten Volksgruppe wie den Masalit). Er spricht die Sprache der Herrschenden, Arabisch, auf Muttersprachenniveau. Er weist keine besonderen Verletzlichkeiten auf und ist gesund. Aufgrund seiner Weigerung, in Bezug auf seine Vergangenheit die Wahrheit zu sagen, kann nicht festgestellt werden, welche berufliche oder schulische Bildung er hat, doch ist davon auszugehen, dass er sich durch einfache Tätigkeiten ein Existenzminimum wird sichern können. Zumindest in Khartum sind laut den diesbezüglich unwidersprochenen Länderfeststellungen die für den Mindestbedarf zum Leben benötigten Güter vorhanden. Der Beschwerdeführer selbst erklärte in der mündlichen Verhandlung, abgesehen von einer Verfolgung durch die Regierung, keine Rückkehrbefürchtungen zu haben (im Folgenden der entsprechende Auszug aus der Verhandlungsschrift vom 10.04.2017):

 

RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

 

BF: Falls sie mich sehen, werden sie mich töten.

 

RI: Wer?

 

BF: Die Regierung von Al Bashir.

 

RI: Welches andere Problem hätten Sie?

 

BF: Ich würde sofort zurückkehren ,wenn Al Bashir nicht mehr an der Macht wäre.

 

RI: Sie würden auch kein Problem darin sehen, z.B. in Khartum zu leben?

 

BF: Wenn die Regierung von Al Bashir nicht mehr da ist, kehre ich zurück.

 

[ ]

 

BF: Solange es die Regierung von Al Bashir gibt, kehre ich nicht zurück, sonst würde ich gerne in den Sudan zurück.

 

RI: Sie hätten keine Ängste, dass Sie keine Arbeit finden, oder sonstige Ängste, unabhängig von einer Verfolgung durch die Regierung?

 

BF: Nein, da habe ich keine Befürchtung.

 

Wie bereits dargelegt kann von keiner Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Regierung ausgegangen werden, da sein Vorbringen auch diesbezüglich widersprüchlich war. In diesem Zusammenhang muss auch in Erinnerung gerufen werden, dass die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten in Rechtskraft erwachsen ist.

 

Es liegt in seinem Fall keine besondere Verletzlichkeit vor; wenn man die für unglaubhaft befundene Fluchtgeschichte abstrahiert, ist kein Grund erkennbar, warum der Beschwerdeführer Probleme mit den sudanesischen Behörden bekommen sollte. Er ist außerdem gesund und arbeitsfähig.

 

Weder aus den Angaben des Beschwerdeführers zu den Gründen, die für seine Ausreise aus seinem Herkunftsstaat maßgeblich gewesen sind, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall daher ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.8.2001, Zl. 2000/01/0443).

 

Die Voraussetzungen für die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigter in Bezug auf den Herkunftsstaat Sudan liegen für den Beschwerdeführer daher nicht vor.

 

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

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