BVwG G313 2236628-2

BVwGG313 2236628-228.10.2022

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §29 Abs2a
VwGVG §29 Abs5
VwGVG §33 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:G313.2236628.2.02

 

Spruch:

G313 2236628-2/47E

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Anträge des XXXX , geb. XXXX , StA. Schweiz, vertreten durch RAe Dr. Erich MOSER & Dr. Martin MOSER, vom XXXX .07.2022 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beantragung einer schriftlichen Ausfertigung des im Verfahren G313 2236628-2 in der Verhandlung am 28.06.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses und auf schriftliche Ausfertigung des im Verfahren G313 2236628-2 in der Verhandlung am 28.06.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses beschlossen:

A)

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

II. Der Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses wird gemäß § 29 Abs. 2a und 5 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Am 28.06.2022 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG), Außenstelle XXXX , eine mündliche Verhandlung über die Beschwerde gegen den in der Sprucheinleitung angeführten Bescheid betreffend ein befristetes Aufenthaltsverbot statt.

Am Schluss der Verhandlung wurde das Erkenntnis – die Abweisung der Beschwerde – samt wesentlichen Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung mündlich verkündet.

Nach Ende der mündlichen Verhandlung wurde der an der Verhandlung teilnehmenden Vertreterin der in der Sprucheinleitung angeführten Rechtsvertreter eine Ausfertigung der Verhandlungsniederschrift samt Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG persönlich ausgefolgt.

2. Mit E-Mail der Rechtsvertreter vom 30.06.2022 wurde ein mit 30.06.2022 datierter Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses an die Einlaufstelle des BVwG, Außenstelle XXXX , übermittelt.

3. Mit 13.07.2022 erging seitens des BVwG gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG eine gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 28.06.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses, mit der Begründung, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch die dazu Berechtigten nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Verhandlungsniederschrift gestellt worden ist.

Dieser Beschluss wurde den in der Sprucheinleitung angeführten Rechtsvertretern am 19.07.2022 zugestellt.

4. Mit E-Mail der Rechtsvertreter vom 19.07.2022 wurde an die Einlaufstelle des BVwG das folgende mit 19.07.2022 datierte Schreiben übermittelt:

„In der umseits näher bezeichneten Rechtssache haben die ausgewiesenen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers fristgerecht am 30.06.2022 die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs 2 VwGVG beantragt. Am 19.07.2022 wurde den Rechtsvertretern die gekürzte Ausfertigung des am 28.06.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses zugestellt. Die gekürzte Ausfertigung enthält den Hinweis, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist gestellt worden sei. Über telefonische Nachfrage beim Bundesverwaltungsgericht wurde den Rechtsvertretern des Beschwerdeführers am 19.07.2022 jedoch mitgeteilt, dass ihr Antrag vom 30.06.2022 fristgerecht eingelangt ist. Vor diesem Hintergrund stellt die Zustellung der gekürzten Ausfertigung offenkundig einen Gerichtsfehler dar.“

5. Mit Beschluss des BVwG vom 21.07.2022 wurde der Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses zurückgewiesen, mit der Begründung, dass dieser dem BVwG mittels E-Mail übermittelte Antrag wegen unzulässiger Einbringungsform als nicht beim BVwG eingebracht anzusehen ist.

6. Mit Schreiben der Rechtsvertreter vom 22.07.2022, eingelangt beim BVwG am 25.07.2022 wurde ein „Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Stellung eines Antrages auf schriftliche Ausfertigung bezüglich des mündlich verkündeten Erkenntnisses des BVwG vom 28.06.2022“ und mit diesem zugleich ein „Antrag auf Übermittlung einer schriftlichen Ausfertigung“ des mündlich verkündeten Erkenntnisses gestellt bzw. die versäumte Handlung nachgeholt.

Dieses Schreiben lautet wie folgt (im Folgenden: „Mitarbeiterin“ für die namentlich genannte Mitarbeiterin der Rechtsvertreter):

„(…) Die Ausfertigung der Niederschrift samt Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG wurde nach dem Ende der Verhandlung der Konzipientin der ausgewiesenen Rechtsvertreter ausgefolgt.

(…) Bereits zwei Tage später, nämlich am 30.06.2022, wurde der Antrag auf Übermittlung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses von den ausgewiesenen Rechtsvertretern verfasst und an die zuständige Mitarbeiterin im Sekretariat zum Abfertigen vorgelegt. Die Mitarbeiterin ist seit rund sechs Jahren zur vollsten Zufriedenheit in der Kanzlei der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers tätig. Die Mitarbeiterin hat nicht nur die Fristen äußerst gewissenhaft im Auge, sie ist auch mit der Thematik der korrekten Einbringung von Schriftstücken bestens vertraut. Die Mitarbeiterin kennt sich mit der in der Kanzlei verwendeten Software aus und ist in der Kanzlei ,,Expertin" für Web-ERV, wobei sie diesbezüglich Mitarbeiter, inklusive Rechtsanwaltsanwärter, im Umgang mit diesen Programmen einschult. Dennoch wurde am 30.06.2022 der Antrag auf Übermittlung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses versehentlich per E-Mail an das Bundesverwaltungsgericht Außenstelle XXXX versendet. Ein derartiges Versehen ist der Mitarbeiterin bislang nicht unterlaufen. Der RA Dr. (…) hat die Mitarbeiterin am 30.06.2022 angewiesen, den Antrag auf Übermittlung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses noch am selben Tag per Web-ERV abzufertigen. Kurze Zeit später bestätigte die Mitarbeiterin die aufgetragene Erledigung gegenüber RA Dr. (…). Zum Zeichen für die Richtigkeit dieser Darlegungen unterfertigt die Mitarbeiterin den vorliegenden Antrag im Anschluss an diesen Absatz. (…)

Das Übersehen der korrekten Einbringungsart ,,Web ERV" stellt lediglich einen minderen Grad des einmaligen Versehens einer sonst äußerst verlässlichen und stets sorgfältigen Mitarbeiterin dar, so dass die Einbringung des Antrages per E-Mail beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle XXXX , nicht zu erwarten war. (…)

Wie eingangs bereits festgehalten, wurde aufgrund eines Versehens der Sekretariatsmitarbeiterin unter Übersehen der korrekten Einbringungsart ,,Web ERV" der Antrag auf schriftliche Ausfertigung an die belangte Behörde gemailt. Dieses Verhalten stellt lediglich einen minderen Grad des einmaligen Versehens einer sonst äußerst verlässlichen und stets sorgfältigen Mitarbeiterin dar.

(…) Aus all diesen Gründen stellt der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Stellung eines Antrages auf schriftliche Ausfertigung bezüglich des mündlich verkündeten Erkenntnisses des BVwG vom 28.06.2022, GZ: G313 2236628-2/332.

(…) Im Sinne des obigen Wiedereinsetzungsantrages holt der Beschwerdeführer die versäumte Prozesshandlung nach und beantragt binnen offener Frist, dass seinen Rechtsvertretern eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses übermittelt wird (§ 29 Abs 4 VwGVG).“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird in den Stand der Feststellungen erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und damit gleichzeitig auch festgestellte Sachverhalt beruht auf dem vorliegenden diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) I. Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

3.1.1. Der mit „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ betitelte § 33 VwGVG lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) In den Fällen des Abs. 1 ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht; ein ab Vorlage der Beschwerde vor Zustellung der Mitteilung über deren Vorlage an das Verwaltungsgericht bei der Behörde gestellter Antrag gilt als beim Verwaltungsgericht gestellt und ist diesem unverzüglich vorzulegen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(…).“

3.1.2. Die in der Sprucheinleitung angeführten Rechtsvertreter haben, nachdem ihnen der Beschluss des BVwG vom 21.07.2022 mit Zurückweisung ihres Antrages auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses wegen unzulässiger Einbringung ihres Antrages per E-Mail zugestellt und damit ihre unzulässige Einbringungsweise zur Kenntnis gebracht worden war, am 22.07.2022 ein Antragsschreiben mit Wiedereinsetzungsantrag und Antrag auf Übermittlung einer schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses verfasst und dieses dem BVwG auf zulässige Weise übermittelt.

Der Wiedereinsetzungsantrag vom 22.07.2022 langte am 25.07.2022 beim BVwG ein und wurde auf jeden Fall rechtzeitig binnen einer zweiwöchigen Frist „nach Wegfall des Hindernisses“ beim BVwG gestellt bzw. eingebracht.

3.1.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit festgestellt, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH vom 25.11.2015, Ra 2015/06/0113 sowie VwGH vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa VwSlg. 11.312/A sowie VwGH vom 21.05.1997, Zl. 96/21/0574). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Es ist daher ausschließlich das Vorbringen des Antragstellers bzw. Wiedereinsetzungswerbers in seinem Antrag vom 22.07.2022, eingelangt beim BVwG am 25.07.2022, auf seine Tauglichkeit als Wiedereinsetzungsgrund zu prüfen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann (vgl. VwGH vom 24.01.1996, Zl. 94/12/0179). Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt hingegen nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte (vgl. VwGH vom 03.04.2001, Zl. 2000/08/0214).

Nach der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen und - insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbaren - Rechtsprechung ist das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers gleichzusetzen. Es hat dieselben Rechtswirkungen wie das Verschulden der Partei. Der Machtgeber muss sich das Verschulden des Machthabers zurechnen lassen. Das Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, ist so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgültig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson vertreten wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, "AVG", § 71 Rz 44 samt weiteren Nachweisen). Sohin trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. z.B. VwGH vom 18.12.2014, Ra 2014/01/0015 sowie VwGH vom 26.02.2015, Ra 2014/22/0092, mwN).

Ein Verschulden der Partei bzw. des Vertreters hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH vom 29.01.2014, Zl. 2001/20/0425).

Ein Verschulden des Bevollmächtigten ist dem Verschulden einer Partei selbst gleichzuhalten. Hingegen trifft das Verschulden eines Kanzleibediensteten des Parteienvertreters nicht schlechthin die Partei. Allerdings vermag ein Versehen eines Kanzleibediensteten für einen Rechtsanwalt und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darzustellen, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleiangestellten nachgekommen ist. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt muss die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die fristgerechte Setzung von mit Präklusion sanktionierten Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrolle dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. VwGH 05.11.2014, Ra 2014/18/0006, mwN).

Ein berufsmäßiger Parteienvertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Rechtsmitteln oder von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, gesichert erscheint. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Was der Wiedereinsetzungswerber in Erfüllung seiner nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht vorgenommen hat, hat er im Wiedereinsetzungsantrag substantiiert zu behaupten.

Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer ansonsten verlässlichen Kanzleikraft überlassen. Solche Vorgänge sind etwa die Kuvertierung, die Beschriftung eines Kuverts oder die Postaufgabe, also manipulative Tätigkeiten. Eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Parteienvertreter nicht zuzumuten, will man seine Sorgfaltspflicht nicht überspannen. (vgl. VwGH 24.01.2008, 2007/19/1063).

Dies gilt auch für rein manipulative Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Versendung auf elektronischem Weg (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2015/19/0155).

Wenn allerdings in keiner Weise dargelegt wird, ob jemals eine Kontrolle der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb oder der Kanzleiangestellten erfolgte bzw. wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist, kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein. Ein Parteienvertreter hat nämlich durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor. Daher sind bereits mangels einer Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems die Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages nicht erfüllt (vgl. VwGH 23.06.2016, Ra 2016/02/0100).

Das Verschulden eines Kanzleibediensteten stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder ein unabwendbares Ereignis dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muss gegenüber seiner Kanzlei als Hilfsapparat, dessen er sich bei Wahrnehmung der ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragenen Aufgaben bedient, alle Vorsorgen treffen, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumnis in Betracht (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2015/19/0155).

Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden zuzurechnen, wenn der Anwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von berufsmäßigen Parteienvertretern ermöglichen dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der beruflichen Sorgfaltspflichten des Anwaltes bei der Kontrolle seines Kanzleiapparates und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und dem Anwalt kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen ist (vgl. VwGH 09.11.2016, Ra 2016/10/0071)

3.1.4. Im Zuge des Wiedereinsetzungsantrags wurde vorgebracht, dass die dafür zuständige Mitarbeiterin in der Kanzlei „Expertin“ für Web-ERV sei, diesbezüglich andere Mitarbeiter einschließlich juristische Mitarbeiter einschule, „sonst äußerst verlässlich und stets sorgfältig“ sei, nicht nur die Fristen äußerst gewissenhaft im Auge habe, sondern auch mit der Thematik der korrekten Einbringung von Schriftstücken bestens vertraut bzw. „Expertin“ für Web-ERV sei und diesbezüglich Mitarbeiter einschließlich Rechtsanwaltsanwärter im Umgang mit diesen Programmen einschule.

Demnach war somit nur von programmtechnischen Einbringungskenntnissen der Mitarbeiterin die Rede, bevor ohne Zusammenhang damit angeführt wurde, dass am 30.06.2022 „dennoch“ der Antrag auf Übermittlung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses „versehentlich per E-Mail an das Bundesverwaltungsgericht Außenstelle XXXX “ versendet worden ist.

Erst danach wurde im Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, dass einer der Rechtsvertreter die Mitarbeiterin am 30.06.2022 angewiesen habe, „den Antrag auf Übermittlung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses noch am selben Tag per Web-ERV abzufertigen“, woraufhin kurze Zeit später die Mitarbeiterin die aufgetragene Erledigung gegenüber dem Rechtsvertreter bestätigt habe.

Mit dem Wiedereinsetzungsantragsschreiben wurde nicht dargelegt und nicht glaubhaft gemacht, dass der dafür zuständigen Kanzleimitarbeiterin von den Rechtsvertretern auch zur Kenntnis gebracht worden ist, dass der Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses beim BVwG nicht mittels E-Mail eingebracht werden dürfe, weil es sich dabei in Bezug auf das BVwG um eine unzulässige Einbringungsform handle.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der zuständigen Kanzleimitarbeiterin von den Rechtsvertretern jemals die (allgemeine) Weisung erteilt worden ist, Anträge bzw. allgemein Schriftsätze beim BVwG nicht per E-Mail, sondern nur in einer gemäß § 1 Abs. 1 BVwG-EVV zulässigen technischen Einbringungsform einzubringen.

Davon, dass die Kanzleimitarbeiterin den mit 30.06.2022 datierten „Antrag auf schriftliche Ausfertigung“ tatsächlich wie im Zuge des Wiedereinsetzungsantrages angeführt „versehentlich per E-Mail an das Bundesverwaltungsgericht Außenstelle XXXX XXXX ersendet“ hat und es sich dabei wie ebenso mit Wiedereinsetzungsantrag angeführt um ein bloß einmaliges Versehen gehandelt hat, war im gegenständlichen Fall nicht auszugehen, wurde doch nach Zustellung der gekürzten Ausfertigung des in der Verhandlung am 28.06.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses vom 13.07.2022 am 19.07.2022 seitens der Rechtsanwaltskanzlei dem BVwG erneut ein Schreiben mittels E-Mail und damit in unzulässiger Einbringungsform übermittelt – diesmal nicht wie der „Antrag auf schriftliche Ausfertigung“ vom 30.06.2022 an die E-Mail-Adresse der Einlaufstelle des BVwG, Außenstelle XXXX , sondern an die E-Mail-Adresse der zentralen Einlaufstelle des BVwG am Hauptsitz in Wien.

Die Einbringung eines neuerlichen Schriftsatzes per E-Mail vom 19.07.2022 erfolgte am Tag des Erhalts der gekürzten Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses, in welcher zusammengefasst begründend ausgeführt wurde, dass innerhalb von zwei Wochen ab Ausfolgung bzw. Zustellung der Verhandlungsniederschrift beim BVwG kein Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses eingebracht worden ist und deshalb eine gekürzte Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG zu ergehen hatte.

Mit E-Mail der Rechtsvertreter vom 19.07.2022 wurde an die Einlaufstelle des BVwG das folgende dem Wiedereinsetzungsantrag beigelegte mit 19.07.2022 datierte Schreiben übermittelt:

„In der umseits näher bezeichneten Rechtssache haben die ausgewiesenen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers fristgerecht am 30.06.2022 die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG beantragt. Am 19.07.2022 wurde den Rechtsvertretern die gekürzte Ausfertigung des am 28.06.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses zugestellt. Die gekürzte Ausfertigung enthält den Hinweis, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist gestellt worden sei. Über telefonische Nachfrage beim Bundesverwaltungsgericht wurde den Rechtsvertretern des Beschwerdeführers am 19.07.2022 jedoch mitgeteilt, dass ihr Antrag vom 30.06.2022 fristgerecht eingelangt ist. Vor diesem Hintergrund stellt die Zustellung der gekürzten Ausfertigung offenkundig einen Gerichtsfehler dar.“

Demnach wurde in diesem nach unzulässiger Antragseinbringung beim BVwG vom 30.06.2022 erneut auf unzulässige Weise per E-Mail eingebrachten Schriftsatz vom 19.07.2022, sich den Ausführungen in der erhaltenen gekürzten Erkenntnisausfertigung vom 13.07.2022 widersetzend, nur auf eine fristgerechte Antragseinbringung beharrt und mit keinem Wort auf die Einbringungsform eingegangen.

Wenn es sich bezüglich der Antragseinbringung per E-Mail vom 30.06.2022 tatsächlich um „ein einmaliges Versehen“ einer wie von den Rechtsvertretern im Wiedereinsetzungsantrag angeführt „sonst äußerst verlässlichen und stets sorgfältigen Mitarbeiterin“ gehandelt hätte und von den Rechtsvertretern für ein zur Fristenwahrung hinreichend eingerichtetes Kontrollsystem betreffend Kanzleibetriebsvorgänge auch im Hinblick auf die richtige Einbringungsform gesorgt worden wäre, wäre gleich nach Erhalt der gekürzten Erkenntnisausfertigung am 19.07.2022 von den Rechtsvertretern bzw. vom Rechtsvertreter, der laut Wiedereinsetzungsantragsvorbringen am 30.06.2022 der Mitarbeiterin einen Auftrag zur Zustellung mittels Web ERV erteilt habe, kontrolliert worden, ob der „Antrag auf schriftliche Ausfertigung“ vom 30.06.2022 tatsächlich in der richtigen technischen Einbringungsform versendet worden ist, und dann nach Erkennen der vormals falschen Einbringungsform und des mittlerweile eingetretenen Fristablaufs gleich mit einer von den Rechtsvertretern überwachten Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages und eines nachgeholten Antrages auf schriftliche Ausfertigung in der richtigen Einbringungsform reagiert worden.

Dies war jedoch nicht der Fall.

Es wurde seitens der Rechtsanwaltskanzlei vielmehr am Tag des Erhalts der gekürzten Erkenntnisausfertigung vom 13.07.2022 am 19.07.2022 dem BVwG noch ein weiterer Schriftsatz auf unzulässige Weise per E-Mail übermittelt. Dies beweist, dass es sich bei der Antragseinbringung per E-Mail vom 30.06.2022 nicht um ein einmaliges Versehen gehandelt hat und seitens der Rechtsanwaltskanzlei beim BVwG wiederholt Schriftsätze auf unzulässige Weise per E-Mail eingebracht worden sind.

Erst nachdem die Rechtsvertreter den dem Wiedereinsetzungsantrag beigelegten Beschluss des BVwG vom 21.07.2022 mit der Zurückweisung ihres Antrages auf schriftliche Ausfertigung vom 30.06.2022 erhalten hatten und damit in Kenntnis gesetzt worden waren, dass ihr Antrag nicht in einer zulässigen Einbringungsform beim BVwG eingebracht worden ist, wurde mit Schreiben vom 22.07.2022, eingelangt beim BVwG am 25.07.2022, der verfahrensgegenständliche Wiedereinsetzungsantrag gestellt und mit diesem unter einem in einer zulässigen Einbringungsform „die versäumte Prozesshandlung nachgeholt“ bzw. die Übermittlung einer schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt.

Im Zuge des Wiedereinsetzungsantrages wurde vorgebracht, der betreffende Rechtsanwalt bzw. Rechtsvertreter habe die Kanzleimitarbeiterin „am 30.06.2022 angewiesen, den Antrag noch am selben Tag per Web-ERV abzufertigen“, woraufhin von dieser kurze Zeit später die Auftragserledigung bestätigt worden sei. Der Antrag auf schriftliche Ausfertigung sei von der dafür zuständigen Kanzleimitarbeiterin „versehentlich per E-Mail an das BVwG, Außenstelle XXXX , versendet worden“, wobei „das Übersehen der korrekten Einbringungsart „Web ERV“ „lediglich einen minderen Grad des einmaligen Versehens einer sonst äußerst verlässlichen und stets sorgfältigen Mitarbeiterin“ darstelle.

Der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag enthält kein Vorbringen, ob und welche Maßnahmen in der Rechtsanwaltskanzlei gesetzt worden sind, um die formgültige Einbringung von Schriftsätzen bei Gerichten im Allgemeinen und beim BVwG im Besonderen sicherzustellen und somit nicht nur eine fristgerechte, sondern auch eine in formaler Hinsicht entsprechende Einbringung von Eingaben zu gewährleisten, zumal diese in Ansehung der Rechtsanwälte üblicherweise im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelt werden (vgl. hiezu insbesondere § 1 Abs. 2 BVwG-EVV, § 74 Abs. 3 VwGG oder § 89c Abs. 5 GOG, wonach sich der Rechtsanwalt stets des elektronischen Rechtsverkehrs zu bedienen hat).

Mit dem Wiedereinsetzungsantragsschreiben wurde nicht dargelegt und nicht glaubhaft gemacht, dass der zuständigen Kanzleimitarbeiterin von den Rechtsvertretern jemals eine (allgemeine) Weisung erteilt worden ist, in welcher Einbringungsform Anträge bzw. allgemein Schriftstücke beim BVwG einzubringen sind und in welcher Form diese beim BVwG nicht eingebracht werden dürfen, und dass von ihnen jemals vor oder nach Einbringung die Einbringungsform kontrolliert bzw. auf deren Richtigkeit und Zulässigkeit überprüft worden ist.

Im gegenständlichen Fall war somit nicht zu erkennen, dass von den Rechtsvertretern für ein zur Fristenwahrung hinreichend eingerichtetes Kontrollsystem betreffend Kanzleibetriebsvorgänge auch im Hinblick auf die richtige Einbringungsform gesorgt worden ist bzw. eine von ihnen wirksame Überwachung der Kanzleibetriebsvorgänge, welche eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, vorliegt.

Der Lauf der gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG zweiwöchigen Frist zur Stellung eines Antrages auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses begann mit Ausfolgung der Verhandlungsniederschrift an die an der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG teilnehmende Vertreterin der Rechtsvertreter am 28.06.2022 zu laufen und endete mit Ablauf des 12.07.2022.

Fest steht, dass nach Einbringung des Antrages auf schriftliche Ausfertigung beim BVwG in unzulässiger Einbringungsform mittels E-Mail vom 30.06.2022 keine neuerliche Einbringung des Antrages beim BVwG in zulässiger Einbringungsform erfolgt ist.

Da die in der Sprucheinleitung angeführten Rechtsvertreter die von ihnen zu erwarten gewesenen beruflichen Sorgfaltspflichten somit nicht hinreichend erfüllt haben, war ihnen das Fehlen einer fristgerechten Antragseinbringung in zulässiger Einbringungsform aufgrund der innerhalb der Frist durch ihre Kanzleimitarbeiterin nur in unzulässiger Einbringungsform erfolgten Antragseinbringung anzulasten und als ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden an der Fristversäumung vorzuwerfen. Das diesbezügliche Verschulden der Rechtsvertreter trifft auch den rechtsfreundlich vertretenen Antragssteller.

Das im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthaltene Vorbringen war nicht geeignet, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes glaubhaft zu machen.

Die Voraussetzungen hinsichtlich der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden und der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen war.

Gemäß § 33 Abs. 4 S. 3 VwGVG hatte diese Entscheidung in Beschlussform zu ergehen.

3.2. A) II. Zur Zurückweisung des Antrages auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses:

3.2.1. Die Bestimmung des § 29 VwGVG lautet auszugsweise wie folgt:

„Verkündung und Ausfertigung der Erkenntnisse

§ 29. (…)

(2a) Das Verwaltungsgericht hat im Fall einer mündlichen Verkündung die Niederschrift den zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen auszufolgen oder zuzustellen. Der Niederschrift ist eine Belehrung anzuschließen:1. über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß Abs. 4 zu verlangen;2. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt.

(…)

(4) Den Parteien ist eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen. Eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses ist in den in Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG genannten Rechtssachen auch dem zuständigen Bundesminister zuzustellen.

(5) Wird auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof von den Parteien verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt, so kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.“

Die an der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 28.06.2022 teilnehmende Vertreterin der in der Sprucheinleitung angeführten Rechtsvertreter und damit auch die Rechtsvertreter und der Antragsteller selbst wurden über das Recht gemäß § 29 Abs. 2a Z. 1 VwGVG, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Verhandlungsniederschrift eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses zu verlangen, belehrt.

Die mit „Elektronischer Rechtsverkehr“ betitelte Bestimmung des § 21 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz-BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, idF BGBl. I Nr. 87/2021) lautet in Abs. 3 wie folgt:

„§ 21. (…)

(3) Der Bundeskanzler hat nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Möglichkeiten sowie unter Bedachtnahme auf eine einfache und sparsame Verwaltung und eine Sicherung vor Missbrauch die nähere Vorgangsweise bei der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen und Übermittlung von Ausfertigungen von Erledigungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Verordnung zu regeln. Dazu gehören insbesondere die zulässigen elektronischen Formate und Signaturen, die Regelungen für die Ausgestaltung der automationsunterstützt hergestellten Ausfertigungen einschließlich der technischen Vorgaben für die Amtssignatur und deren Überprüfung sowie Bestimmungen über den Anschriftcode. In der Verordnung kann vorgeschrieben werden, dass sich der Einbringer einer Übermittlungsstelle zu bedienen hat. Diese Verordnung hat nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Möglichkeiten den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem Schriftsätze und Ausfertigungen von Erledigungen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht bzw. übermittelt werden können.“

Die „BVwG-elektronischer-Verkehr-Verordnung“, BGBl. II Nr. 515/2013, idF 587/2021, in deren „Präambel / Promulgationsklausel“ festgehalten ist, dass auf Grund des § 21 Abs. 3 des BVwGG Folgendes verordnet wird, lautet in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 wie folgt:

„Elektronische Einbringung von Schriftsätzen und von Beilagen zu Schriftsätzen

§ 1. (1) Schriftsätze und Beilagen zu Schriftsätzen können nach Maßgabe technischer Möglichkeiten auf folgende Weise elektronisch eingebracht werden:

1. im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs;

2. über elektronische Zustelldienste nach den Bestimmungen des 3. Abschnittes des Zustellgesetzes – ZustG, BGBl. Nr. 200/1982;

3. im Wege des elektronischen Aktes;

4. im Wege einer standardisierten Schnittstellenfunktion;

5. mit auf der Website www.bvwg.gv.at abrufbaren elektronischen Formblättern;

6. mit Telefax.

E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen im Sinne dieser Verordnung.

(2) Sofern Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer Schriftsätze nicht im elektronischen Rechtsverkehr einbringen, haben sie in der Eingabe zu bescheinigen, dass die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr nicht vorliegen.“

Nach § 1 Abs. 1 BVwG-elektronischer-Verkehr-Verordnung gibt es sechs verschiedene zulässige Formen der Einbringung von Schriftsätzen beim BVwG und nur eine explizite unzulässige Form, nämlich die Einbringung mittels E-Mail. Ein mittels E-Mail beim BVwG eingebrachter Schriftsatz vermag daher keine Rechtswirkungen zu entfalten (vgl VwGH 15.12.2015, Ra 2015/01/0061; 15.03.2018, Ra 2017/21/0155). Ein per E-Mail gestellter Antrag auf Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses ist als nicht eingebracht anzusehen (VwGH 26.03.2019, Ra 2019/19/0014).

3.2.2. Wie festgestellt, wurde mit E-Mail vom 30.06.2022 ein Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 28.06.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses gestellt. Aufgrund unzulässiger Einbringungsform mittels E-Mail war dieser Antrag als nicht eingebracht anzusehen.

Da binnen zwei Wochen nach Ausfolgung der Verhandlungsniederschrift an die an der Verhandlung teilnehmende Vertreterin der Rechtsvertreter des Antragstellers nach Ende der mündlichen Verhandlung am 28.06.2022 von den Rechtsvertretern beim BVwG kein Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses in einer zulässigen Einbringungsform eingebracht worden ist, ist nach Fristablauf seitens des BVwG mit 13.07.2022 gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG eine gekürzte Ausfertigung des im Verfahren Zl. G313 2236628-2 in der Verhandlung am 28.06.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses ergangen.

Zu einer schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses konnte es nicht kommen, stellt doch eine E-Mail-Einbringung nach § 1 Abs. 1 letzter Satz BVwG-EVV 2014 keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen im Sinn dieser Verordnung dar und vermochte deshalb der mittels E-Mail vom 30.06.2022 übermittelte beim BVwG als nicht eingebracht anzusehende Antrag auf schriftliche Ausfertigung keine Rechtswirkungen zu entfalten (vgl. VwGH 26.03.2019, Ra 2019/19/0014, mwN).

Der Antrag auf schriftliche Ausfertigung vom 30.06.2022 wurde mangels zulässiger Einbringungsform mit Beschluss des BVwG vom 21.07.2022 zurückgewiesen.

Da das Erkenntnis des BVwG in der Verhandlung am 28.06.2022 mündlich verkündet und die Verhandlungsniederschrift nach Ende der mündlichen Verhandlung am 28.06.2022 an die Vertreterin der Rechtsvertreter des Antragstellers persönlich ausgefolgt worden ist, hat im gegenständlichen Fall der Lauf der zweiwöchigen Antragsfrist am 28.06.2022 begonnen und mit Ablauf des 12.07.2022 geendet.

Erst nachdem die Rechtsvertreter den Beschluss des BVwG vom 21.07.2022 mit Zurückweisung des Antrages auf schriftliche Ausfertigung vom 30.06.2022 mangels formgerechter Einbringung zugestellt erhalten hatte, wurde der Antrag auf schriftliche Ausfertigung beim BVwG in einer technisch zulässigen Einbringungsform eingebracht, und zwar am 25.07.2022 mit Einlangen des Schreibens vom 22.07.2022, womit ein Wiedereinsetzungsantrag und gleichzeitig in Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung auch ein Antrag auf Übermittlung einer schriftlichen Ausfertigung des in der Verhandlung am 28.06.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses gestellt wurde.

Dem Wiedereinsetzungsantrag konnte wegen eines dem Antragsteller zuzurechnenden den minderen Grad eines Versehens übersteigenden Verschuldens seiner Rechtsvertreter an der Fristversäumung nicht Folge gegeben werden.

Der gemeinsam mit dem Wiedereinsetzungsantrag gestellte Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses wurde erst am 25.07.2022 und somit erst nach Ablauf der in § 29 Abs. 2a Z. 1 und Abs. 5 VwGVG angeführten zweiwöchigen Frist, binnen welcher nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Verhandlungsniederschrift ein derartiger Ausfertigungsantrag einzubringen war, in einer zulässigen Einbringungsform beim BVwG eingebracht.

Dieser am 25.07.2022 beim BVwG eingebrachte Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 28.06.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses war daher gemäß § 29 Abs. 2a und Abs. 5 VwGVG als verspätet zurückzuweisen. Da gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, hatte diese Entscheidung in Beschlussform zu ergehen.

3.3. Absehen von einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da die Akten erkennen lassen haben, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde im Übrigen nicht beantragt. Art. 6 EMRK steht zudem dem Absehen von einer Verhandlung nicht entgegen, da bei verfahrensrechtlichen Entscheidungen nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten ist (VwGH 23.05.2018, Ra 2018/05/0159).

3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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