VwGH 2011/07/0215

VwGH2011/07/021519.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde 1. des Willibald Steinbauer und

2. der Maria Steinbauer, beide in St. Martin im Sulmtal, beide vertreten durch Stenitzer & Stenitzer Rechtsanwälte OG, 8430 Leibnitz, Hauptplatz 32-34, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 13. Juli 2011, Zl. FA13A- 30.40-243/2010-5, betreffend nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. EG und 2. J, beide in S, beide vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH, 8010 Graz, Kalchberggasse 6-8), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §863;
AVG §56;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §9 Abs2;
ABGB §863;
AVG §56;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg (im Folgenden: BH) vom 21. April 1953 wurde gemäß dem Wasserrechtsgesetz 1934 festgestellt, dass es sich bei drei im Eigentum der Rechtsvorgänger der mitbeteiligten Parteien (im Folgenden: mP) stehenden Teichen, darunter ein Teich auf dem Grundstück Nr. 340, KG G., um einen "Alten Bestand" handle.

Im Zuge von wasserrechtsbehördlichen Erhebungen durch den wasserbautechnischen Amtssachverständigen DI Horst B. am 1. März 2009 wurde festgestellt, dass beim Teich auf dem Grundstück Nr. 340 der Abschlussdamm verbreitert und um ca. 50 cm erhöht sowie auf dem Grundstück der mP Nr. 357/6, KG G., ein (kleinerer) Teich errichtet worden sei.

Die Beschwerdeführer sind Wassernutzungsberechtigte hinsichtlich einer zum Teich der mP (auf dem Grundstück Nr. 340) oberliegenden Teichanlage und führen seit Jahren bei der Wasserrechtsbehörde Beschwerde darüber, dass beim Teich der mP auf dem Grundstück Nr. 340 das Stauziel erhöht worden sei und sie dadurch Probleme beim Abstauen ihres untersten Teiches hätten, weshalb sie die Herstellung des bescheidgemäßen Zustandes beim Teich der mP verlangten.

Diese bestritten, das Stauziel verändert zu haben, und brachten vor, dass eine durchgeführte Erhöhung und Verbreiterung des Dammes dieses Teiches lediglich zur Verbesserung der Standsicherheit und Erhaltung der Befahrbarkeit vorgenommen worden sei.

Mit Eingabe vom 17. April 2007 suchten die mP bei der BH um die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die auf ihrem Grundstück Nr. 357/6, KG G., errichtete Teichanlage an.

Im weiteren Verfahren legten die mP an die BH den "Technischen Bericht" des DI K. vom 12. Dezember 2008 betreffend "Höhenkontrolle des Teiches der (mP)" vor.

Mit Eingabe der Beschwerdeführer vom 20. April 2009 wurde die von ihnen eingeholte Befundaufnahme des vermessungstechnischen Sachverständigen DI Meinrad B. vom 2. April 2009 vorgelegt.

Der wasserbautechnische Amtssachverständige DI Horst B. erstattete die weitere gutachterliche Stellungnahme vom 13. Juli 2009, wogegen die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15. Juli 2009 Stellung nahmen.

In der Folge beauftragte die BH den Sachverständigen für Land- , Forst-, Jagd- und Fischereiwirtschaft, den Zivilingenieur für Forstwirtschaft DI St., nach Ablassen des Teiches der mP auf dem Grundstück Nr. 340 eine Erhebung und Messung durchzuführen. Dieser gelangte zusammenfassend in seinem Gutachten vom 9. Dezember 2009 ("Erhebungsbericht") zum Ergebnis, dass die derzeit geübte Stauhöhe (beim Teich auf dem Grundstück Nr. 340) über der genehmigten Stauhöhe liege.

Die BH beauftragte den wasserbautechnischen Amtssachverständigen DI Horst B., dazu ein abschließendes Gutachten zu erstatten. Dieser Amtssachverständige führte in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 6. April 2010 aus, dass DI St. das Grundablassrohr mit dem Dammfuß verwechselt habe, und hielt zusammenfassend fest, dass es nach wie vor keine konkreten Hinweise auf eine Änderung des Stauziels durch die mP gebe.

Diese Annahme, dass das Grundablassrohr und der Dammfuß nicht dieselbe Lage hätten, wurde von den Beschwerdeführern in ihrer Stellungnahme vom 17. Mai 2010 bekämpft.

Mit Bescheid der BH vom 6. Juli 2010 wurde unter Spruchpunkt I. den mP gemäß § 9 Abs. 2, § 98 und § 111 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die Änderung der im Wasserbuch eingetragenen Teichanlage erteilt, und zwar

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 2 WRG 1959 bedarf die Benutzung der privaten Tagwässer sowie die Errichtung oder Änderung der hiezu dienenden Anlagen dann einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde, wenn hiedurch auf fremde Rechte oder infolge eines Zusammenhanges mit öffentlichen Gewässern oder fremden Privatgewässern auf das Gefälle, auf den Lauf oder die Beschaffenheit des Wassers, namentlich in gesundheitsschädlicher Weise, oder auf die Höhe des Wasserstandes in diesen Gewässern Einfluss geübt oder eine Gefährdung der Ufer, eine Überschwemmung oder Versumpfung fremder Grundstücke herbeigeführt werden kann.

Gemäß § 12 Abs.1 leg. cit. sind das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung derart zu bestimmen, dass das öffentliche Interesse (§ 105 leg. cit.) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.

Gemäß § 12 Abs. 2 leg. cit. sind als bestehende Rechte im Sinne des § 12 Abs. 1 leg. cit. rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8 leg. cit.), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 leg. cit. und das Grundeigentum anzusehen.

Werden durch die beantragte wasserrechtliche Bewilligung öffentliche Interessen nicht beeinträchtigt und fremde Rechte nicht verletzt, dann besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der angestrebten wasserrechtlichen Bewilligung, wenn das Ermittlungsverfahrens diese Bewilligung - sei es auch nur unter zahlreichen erschwerenden Nebenbestimmungen - zulässt. Eine Beeinträchtigung des Wasserbenutzungsrechtes der Beschwerdeführer wäre nur dann anzunehmen, wenn deren Teichanlage durch die Auswirkungen der bewilligungsgegenständlichen Änderung der Teichanlage der mP größere Nachteile als zuvor erfahren würde. Hiebei müssen diese Nachteile mit einem entsprechend hohen Kalkül der Eintrittswahrscheinlichkeit im Verfahren hervorgekommen sein, um die bekämpfte wasserrechtliche Bewilligung zu hindern (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 28. September 2006, Zl. 2005/07/0019, mwN).

Die Beschwerde rügt, dass den Beschwerdeführern vor Erlassung des angefochtenen Bescheides das im Berufungsverfahren eingeholte Amtssachverständigengutachten nicht zur Kenntnis gebracht und kein Parteiengehör gewährt worden sei. Wäre ihnen die Möglichkeit offen gestanden, dazu noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Stellungnahme abzugeben, so hätten sie aufgezeigt, dass dieses Amtssachverständigengutachten unschlüssig sei. Folge man den Gutachten des Amtssachverständigen DI S. und des DI St., ergebe sich die - schon laienhaft nachvollziehbare - Schlussfolgerung darauf, dass die Erhöhung der Dammoberkante selbstverständlich auch zu einer Verstärkung des Rückstauverhaltens in Richtung der Teichanlage der Beschwerdeführer geführt habe und daher zweifelsfrei das Stauziel des verfahrensgegenständlichen Teiches erhöht worden sei. Im genannten Verwaltungsverfahren habe sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben, dass der Teich der Beschwerdeführer verändert worden sei, sodass nur die Veränderung am Teich der mP als Ursache für das Auftreten des Rückstaues in Frage komme. Darüber hinaus habe die belangte Behörde die verfahrensgegenständliche nachträgliche Veränderung der Teichanlage bewilligt, obwohl die mP einen solchen Antrag nicht gestellt hätten. Ein derartiger Antrag sei jedenfalls der Abschrift des Verwaltungsaktes nicht zu entnehmen. Mangels eines Bewilligungsantrages sei die Bewilligung selbst mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Nach ständiger hg. Judikatur belastet die Erlassung eines antragsbedürftigen Bescheides von Amts wegen, also ohne einen eindeutigen diesbezüglichen Antrag, diesen Bescheid jedenfalls mit Rechtswidrigkeit, weil damit eine Verletzung des Rechtes der Partei auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung verbunden ist (vgl. etwa die in Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 13 Rz 3 zitierte Rechtsprechung). Für einen solchen Antrag reicht ein bloß konkludentes Handeln nicht aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. 2007/07/0044, mwN).

Bei der Verleihung eines Wasserbenutzungsrechtes handelt es sich um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. September 1978, Zl. 0978/78, und vom 25. November 1999, Zl. 98/07/0181, mwN), sodass ein wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid nur aufgrund eines Antrages eines dazu Legitimierten erlassen werden darf.

Weder dem erstinstanzlichen Bescheid vom 6. Juli 2010 noch dem vorliegend angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, mit welcher Eingabe die mP die Erteilung der nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung für die Änderung des Dammes auf dem Grundstück Nr. 340 beantragt haben. Auf das diesbezügliche, oben genannte Beschwerdevorbringen hat die belangte Behörde zwar in ihrer Gegenschrift vom 25. Oktober 2011 mit dem Hinweis darauf repliziert, es sei dem erstinstanzlichen Akt zu entnehmen, dass mit Eingabe vom 4. Juli 2007 seitens der mP um die Erteilung der nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung für die Änderung an der Teichanlage auf dem Grundstück Nr. 357/6, KG G., angesucht worden sei. Damit ist jedoch - abgesehen davon, dass in den vorgelegten Verwaltungsakten eine Eingabe der mP vom 4. Juli 2007 nicht enthalten ist und ein solcher Antrag von den mP mit Schreiben vom 17. April 2007 gestellt wurde - nicht dargelegt, dass auch in Bezug auf die Teichanlage der mP auf dem Grundstück Nr. 340 ein Bewilligungsantrag gestellt worden ist.

Die mP bringen dazu in ihrer Gegenschrift vom 10. November 2011 vor, dass sie als Laien ihren Antrag in zumutbarer Weise konkretisiert hätten und es ein überbordender Formalismus wäre, einen "formellen Antrag" von ihnen abzufordern. Sie hätten in ihren Eingaben und in ihrem Vorbringen klar dargelegt, was sie von der Behörde erster Rechtstufe erwarteten bzw. erwünschten, und die Behörde erster Rechtstufe und/oder die belangte Behörde habe diesen "informellen Antrag" in konkrete juristische Worte gegossen. "Der Spruch des Bescheides ist kongruent zum 'informellen Antrag' der (mP)".

Auch aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht, mit welchem ausdrücklichen und - im Sinne der oben zitierten Judikatur - eindeutigen Anbringen bei der BH ein Antrag auf nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung in Bezug auf die Teichanlage auf dem Grundstück Nr. 340 von den mP gestellt worden ist; ein allfälliges, bloß konkludentes Handeln reicht, wie oben erwähnt, bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten hiefür nicht aus (vgl. nochmals das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 2007/07/0044, mwN).

Gemäß § 38 Abs. 2 VwGG ist daher - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in den vorgelegten Verwaltungsakten - von der Beschwerdebehauptung auszugehen, dass die mP kein Ansuchen um nachträgliche Bewilligung der Änderung an der Teichanlage auf dem Grundstück Nr. 340 gestellt haben.

Im Hinblick darauf fehlte der BH die Zuständigkeit zur Erteilung der nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung für die Änderung der Teichanlage durch Anhebung der Dammoberkante auf dem Grundstück Nr. 340. Da die belangte Behörde diese Rechtswidrigkeit nicht bereits von Amts wegen aufgegriffen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2012, Zl. 2011/07/0149, mwN). Dadurch, dass die BH insoweit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen hat, die ihr nicht zukam, wurde das Recht der Beschwerdeführer auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung (vgl. dazu nochmals das zitierte Erkenntnis, Zl. 2011/07/0149, mwN) verletzt, zumal es für die Beschwerdeführer auch unter dem Blickwinkel des § 138 Abs. 1 WRG 1959 von Relevanz ist, ob für eine von ihnen beanstandete fremde Anlage rechtmäßig eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde oder ob die Änderung an dieser Anlage als Neuerung im Sinn dieser Gesetzesbestimmung zu behandeln ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2002, Zl. 2000/06/0159, betreffend die Rechtsverletzung eines Nachbarn im Bauverfahren durch die Erteilung einer Baubewilligung ohne diesbezüglichen Bewilligungsantrag).

Der angefochtene Bescheid war daher bereits deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beschwerde mit dem oben erwähnten Vorwurf der Verletzung des Rechtes der Beschwerdeführer auf Parteiengehör im Recht ist. So wurde nach Ausweis der Verwaltungsakten das im Berufungsverfahren erstattete Gutachten des Amtssachverständigen DI S. vom 13. Mai 2011 den Beschwerdeführern vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zugestellt. Hiebei ist zu berücksichtigen, dass die BH im erstinstanzlichen Bescheid vom 6. Juli 2010 die verschiedenen gutachterlichen Stellungnahmen - darunter auch das für den Standpunkt der Beschwerdeführer sprechende Gutachten des DI St. vom 9. Dezember 2009 - referiert hat, aber zu diesem Gutachten im Wesentlichen lediglich ausgeführt hat, dass im aufwändig geführten Ermittlungsverfahren die Behauptung der Beschwerdeführer hinsichtlich der Beeinträchtigungen ihrer Teichanlage nicht hätten verifiziert werden können und die BH keinen Anlass habe, "sich den schlüssigen Befunden und Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen zu entziehen". Im angefochtenen Bescheid stützte sich die belangte Behörde auf das von ihr eingeholte Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen DI S., zu dem jedoch - wie dargestellt - den Beschwerdeführern kein Parteiengehör gewährt worden war, sodass die diesbezügliche, von der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge berechtigt ist.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 19. Dezember 2013

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