Parkometer: Wiederaufnahme des Verfahrens
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500458.2023
Beachte:
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2024/16/0002.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Dr. Sebastian Pfeiffer LL.M. betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG hinsichtlich des Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 25.04.2023, RV/7500204/2023 betreffend einer Verwaltungsstrafsache wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 51/2005, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 9/2006 in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 24/2012 gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, zu Recht:
I. Der Antrag auf Wiederaufnahme wird abgewiesen.
II. Die Revision ist zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 15.03.2023, Zahl: ***GZ-alt*** wurde ***Bf1*** (in weiterer Folge der Bf.) für schuldig befunden, die Parkometerabgabe hinterzogen zu haben, weil er einen ungültigen (abgelaufenen) §29b-StVO-Parkausweis hinterlegt gehabt hatte.
Mit Erkenntnis vom 25.04.2023 hob das Bundesfinanzgericht das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Bf. ein. Hierzu wurde begründend ausgeführt, dass sich aus der jüngeren OGH-Judikatur ergebe, dass das ordentliche Strafrecht bei derartigen Sachverhalten vorgehen würde. Zeitgleich richtete das Bundesfinanzgericht eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien. Eine Amtsrevision gegen dieses Erkenntnis wurde nicht erhoben.
Das Ermittlungsverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft Wien gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt.
Im nunmehr eingebrachten Antrag auf Wiederaufnahme begehrt die belangte Behörde die Wiederaufnahme des Verfahren. Zusammengefasst argumentiert der Magistrat, die Beurteilung, ob ein gerichtlich strafbarer Tatbestand erfüllt ist, sei eine Vorfrage. Diese sei nunmehr rechtskräftig durch die zuständige Stelle entschieden worden.
Mit Beschluss vom 21.08.2023 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei übermittelt und auf die Möglichkeit einer Stellungnahme hingewiesen. Eine schriftliche Stellungnahme langte nicht ein.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerde des Bf. zur Geschäftszahl RV/7500204/2023 wurde stattgegeben. Das dort verfahrensgegenständliche Straferkenntnis wurde aufgehoben, weil im Rahmen der Vorfragenbeurteilung gemäß § 22 Abs. 1 VStG das Verwaltungsstrafverfahren gegenüber dem ordentlichen Strafverfahren zurücktrat.
Nachdem die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt hat, stellte der Magistrat einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG.
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Vorverfahren zur Geschäftszahl RV/7500204/2023 sowie aus dem vorgelegten Antrag auf Wiederaufnahme samt Beilagen.
Rechtliche Würdigung
Zu Spruchpunkt I (Abweisung):
Gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
§ 38 AVG normiert: "Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird".
Die belangte Behörde argumentiert, als Vorfrage war gegenständlich zu beurteilen, ob durch das Einlegen eines abgelaufenen § 29b-StVO-Ausweises der Ehefrau des Beschuldigten neben § 4 Wiener Parkometergesetz zugleich auch eine Straftat erfüllt ist. Die Verfahrenseinstellung der Staatsanwaltschaft Wien sei daher als Vorfrage entscheidend für die Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens gewesen.
Diese Argumentation ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht überzeugend: Zwar ergibt sich aus der Rechtsprechung des VwGH, dass die Frage, ob die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Vorfrage darstellt (vgl. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/03/0095). Diese Vorfrage ist aber (im Beschwerdeverfahren) vom Verwaltungsgericht als Vorfrage zu beurteilen (vgl. hierzu VwGH 05.05.2023, Ra 2022/03/0280, Rn 12).
Die Vorfrage, ob eine gerichtlich strafbare Tat vorliegt, wurde vom Bundesfinanzgericht in der Beschwerde zur GZ RV/7500204/2023 entsprechend entschieden: Im Lichte der Rechtsprechung des OGH ging das Bundesfinanzgericht dort davon aus, dass die gegenständliche Tat sowohl unter § 146 StGB als auch § 4 Abs 1 Wiener Parkometergesetz 2006 subsumierbar sei. Aufgrund des tateinheitlichen Zusammentreffens der gerichtlich strafbaren Handlung mit der Verwaltungsübertretung sei Letztere (ungeachtet der Herkunft konkurrierender Normen von unterschiedlichen Gesetzgebern [Bund/Land]) gemäß § 22 Abs. 1 VStG nicht strafbar und dürfe die Tat nur wegen des gerichtlichen Tatbestands verfolgt werden.
Gemäß § 22 Abs. 1 VStG ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. § 22 Abs. 1 VStG stellt dabei ausschließlich auf die "Tat" ab. Dass die Verwaltungsstrafnorm gegebenenfalls eine andere Schutzrichtung aufweist als die gerichtliche Strafnorm, ändert an der Subsidiarität nichts. Entscheidend ist, dass die Tat auch den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet; auf die tatsächliche Einleitung (oder gar den Abschluss) eines Strafverfahrens kommt es daher ebensowenig an wie auf den Umstand, dass die strafgerichtliche Verfolgung nur auf Verlangen zu erfolgen hat. Auch die Frage, ob der Beschuldigte die Tat verschuldet hat oder ein Entschuldigungsgrund in Betracht zu ziehen ist, ist für die Subsidiarität der Verwaltungsstrafdrohung nicht entscheidend (vgl. wiederum VwGH 05.05.2023, Ra 2022/03/0280, Rn 12 mwN sowie VwGH 13.12.2019, Ra 2019/02/0020, Rn 18 mwN).
Die entsprechende Vorfrage, ob eine gerichtlich strafbare Tat gesetzt wurde, wurde bereits beantwortet und lag der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zur GZ RV/7500204/2023 zu Grunde. Der belangten Behörde wäre es in diesem Verfahren freigestanden, eine ordentliche Amtsrevision zu erheben, um die Vorfragenbeurteilung des Bundesfinanzgerichts, das sich seinerseits auf die Judikatur des OGH stützt, durch den VwGH überprüfen zu lassen.
Fest steht, dass die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren aufgrund von § 190 Z 2 StPO eingestellt hat. Eine detaillierte Begründung dafür ist der dem Wiederaufnahmeantrag beigelegten Benachrichtigung nicht zu entnehmen. Dementsprechend war aufgrund der Beweisergebnisse des Ermittlungsverfahrens wohl ein Schuldspruch nicht wahrscheinlicher als ein Freispruch (mwN Nordmeyer, in WK StPO § 190 (2022) § 190 Rn 14; Tauschmann in Schmölzer/Mühlbacher (Hrsg) StPO2 (2021) § 190 Rn 9). Die Staatsanwaltschaft Wien hat das Verfahren gerade nicht nach § 190 Z 1 StPO eingestellt, wonach die zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht oder eine Verfolgung aus weiteren rechtlichen Gründen unzulässig wäre (mwN Nordmeyer, in WK StPO § 190 (2022) § 190 Rn 12; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 (2020) § 190 Rn 2; Tauschmann in Schmölzer/Mühlbacher (Hrsg) StPO2 (2021) § 190 Rn 6). Damit scheint auch die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen zu sein, dass grundsätzlich die zu Grunde liegende Tat mit gerichtlicher Strafe bedroht ist.
Eine in wesentlichen Punkten anders entschiedene Vorfrage liegt durch die Einstellung der Staatsanwaltschaft Wien gemäß § 190 Z 2 StPO nicht vor.
Damit ist im Ergebnis der Antrag auf Wiederaufnahme abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II (Zulässigkeit der Revision):
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt gegenständlich vor: Zwar geht das Bundesfinanzgericht im Lichte der VwGH-Rechtsprechung davon aus, dass Frage, ob die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Vorfrage darstellt (vgl. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/03/0095), die im Beschwerdeverfahren betreffend Verwaltungsstrafverfahren vom Verwaltungsgericht zu beurteilen ist (vgl. hierzu VwGH 05.05.2023, Ra 2022/03/0280, Rn 12) und entsprechend auch beurteilt wurde. Ebenso geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass durch die Einstellung des Verfahrens gemäß § 190 Z 2 StPO keine in wesentlichen Punkten anders entschiedene Vorfrage vorliegt.
Da zur gegenständlichen Rechtsfrage jedoch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, ist die Revision zulässig.
Wien, am 26. September 2023
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen: | § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 |
Verweise: | VwGH 22.11.2016, Ra 2016/03/0095 |