Einbeziehung des Arbeitslosengeldes in der Steuerfestsetzung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103495.2019
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin RI in der Beschwerdesache VNFNBf, GasseXX, PLZXX OrtXX, über die Beschwerde vom 16.11.2017 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FAXX vom 17.10.2017, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Frau VNFNBf, Beschwerdeführerin, erhielt im Jahr 2016 nichtselbständige Einkünfte für folgende Zeiträume:
ArbeitgeberX: 01.01.2016 bis 29.04.2016 und 10.10.2016 bis 31.12.2016
Von der Vorsorgekasse VorsorgekasseXX erhielt sie für den Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2016 mit festen Sätzen versteuerte Bezüge im Betrag von € 336,82.
Weiters erhielt sie für den Zeitraum vom 10.05.2016 bis 09.10.2016 Arbeitslosengeld vom Arbeitsmarktservice ausbezahlt.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 17.10.2017 setzte das Finanzamt aufgrund der Arbeitnehmerveranlagung die Einkommensteuer mit € -116,00 fest.
Die Begründung für die Berechnung der Einkommensteuer - neben nicht beschwerderelevanten Ausführungen - lautete wie folgt:
"Bei der Ermittlung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) - siehe Hinweise zur Berechnung - wurden zuerst Ihre steuerpflichtigen Einkünfte auf den Jahresbetrag umgerechnet, Sonderausgaben und andere Einkommensabzüge berücksichtigt und anhand der sich für das umgerechnete Einkommen ergebenden Tarifsteuer ein Durchschnittssteuersatz ermittelt und auf Ihr Einkommen angewendet (Umrechnungsvariante). Danach ist anhand einer Kontrollrechnung festzustellen, ob sich bei Hinzurechnung der Bezüge gemäß § 3 Abs.2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergibt. Da dies in Ihrem Fall zutrifft, wurde der Tarif daher nicht auf das im Bescheid ausgewiesene, sondern auf ein Einkommen von 14.480,45 € angewendet."
Dagegen erhob Frau FNbf mit Schreiben vom 16.11.2017 Beschwerde mit folgendem Inhalt:
"......
Betrifft: Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 17.10.2017
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich bekam Ihres Einkommensteuerbescheid von 17.10.2017.am 19.10.2017. Auf Ihres Bescheids habe ich gelesen, dass die Einkünft von 5.266,26 € der AMS-**** Wien ist dabei zu rechnen
Zufällig habe ich auf die „HEUTE Zeitung" am Mi. 08.11.2017 ein Steuertipp von Hr. Steuerombudsmann Alfred FALLER gelesen, dass nur die lohnsteuerpflichtige Einkünfte die Steuer berechnet würden.
Ich kam in der Arbeitskammer-Wien, und bat ich die Damen dort, mir die lohnsteuerpflichtige Einkünfte genau zu erklären. Die Damen in der AK-Wien sagte mir: die lohnsteuerpflichtige Einkünfte ist die Löhne, die ich von der Arbeit (ob Teilzeits- oder Vollzeitsarbeit) bekommen, und das Arbeitslosengeld von AMS normaleweise gehört nicht in die Kategorie lohnsteuerpflichtige Einkünfte. Aber genaue, soll ich zum Finanzamt (Beratungsstelle) in der AdrFA, OrtFA, nochmals fragen.
Heute bin ich in der Beratungsstell des Finanzamtes in der Adrfa, eine Dame bei der Beratungsstelle erklärte mir: dass das Arbeitslosengeld von AMS ist nicht lohnsteuerpflichtige Einkünfte.
Deshalb schreibe ich Ihnen diesen Brief und bitte ich Sie meine Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 nochmals anschauen.
Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Hilfe und Ihre Bemühungen,....."
Beigelegt war eine Kopie des erwähnten Zeitungsausschnittes der Zeitung "Heute" vom 08.11.2017 Seite 24. Der Inhalt bezieht sich auf Information zur antraglosen Arbeitnehmerveranlagung.
Das Finanzamt wies die Beschwerde vom 16.11.2017 gegen den Bescheid vom 17.10.2017 mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.02.2018 als unbegründet ab.
Die Begründung lautete.
"Bei der Berechnung der Arbeitnehmerveranlagung für 2016 wurde §3(2) EStG 88 angewendet. "Erhält ein Steuerpflichtiger steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs.1 Zi.5 lit.a (Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§41(4) EStG) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§33 Abs.10 EStG) auf einen Jahresbetrag umzurechnen, (sh. auch Begründung zum Einkommensteuerbescheid für 2016 - Seite 2)
Hinsichtlich des Ergebnisses ergibt sich daher keine Änderung."
Mit 20.03.2018 überreichte die Beschwerdeführerin beim Finanzamt ein Schreiben mit folgendem Inhalt ein:
"...Betreff: Beschwerde gegen den Einkommensteuer-Bescheid vom 17.10.207 und 21.02.2018
Innerhalb offener Frist erhebe sie Beschwerde und begründe dies wie folgt..
Ich war bei der Lohnsteuerabteilung der AK-Wien um mir wegen Ihrer Bescheide vom 17.10.2017 und vom 21.02.2018 zu erklären. die Dame bei der AK-Wien/Lohnsteuerabteilung riet mir Ihnen diesen Einspruchsbrief zu schreiben. Dass ich mit Ihren Bescheiden (o.g.) nicht einverstanden und bitte ich Sie Ihren Bescheiden nochmals anzuschauen......"
Das Finanzamt legte am 29.06.2019 die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und führte dazu aus:
"Bezughabende Normen:
§ 3(2) EStG 1988
Sachverhalt und Anträge
Sachverhalt:
Die Beschwerde rügt eine Besteuerung von steuerfreien Bezügen im Rahmen der Abgabenbemessung und begehrt eine nochmalige Überprüfung.
Beweismittel:
Beschwerde, Vorlageantrag, Beschwerdevorentscheidung
Stellungnahme:
Da die Hochrechnung zu einem höheren steuerlichen Ergebnis führen würde, hat die Besteuerung nach der Kontrollrechnung zu erfolgen. Die automatisiert durchgeführte Kontrollrechnung ist im Bescheid nicht dargestellt, nur das Ergebnis dieser Berechnung. Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt:
Frau FNbf bezog im Jahr 2016 für die Zeiträume 01.01.2016 bis 29.04.2019 und vom 10.10.2016 bis 31.12.2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Im Zeitraum 10.05.2016 bis 09.10.2016 erhielt sie für 153 Tage Arbeitslosengeld des Arbeitsmarktservice Österreich ausbezahlt.
Rechtsfrage:
Wie ist die Einkommensteuer für das Jahr 2016 zu berechnen?
Rechtliche Bestimmungen:
Einkommensteuergesetz in der für 2016 gültigen Fassung:
"§ 2. (1) Der Einkommensteuer ist das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.
(2) Einkommen ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie der Freibeträge nach den §§ 105 und 106a.
......
Steuerbefreiungen
§ 3. (1) Von der Einkommensteuer sind befreit:
........
5. a) das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen
...........
(2) Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder c, Z 22 lit. a (5. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 2001), lit. b oder Z 23 (Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes 1986) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Die diese Bezüge auszahlende Stelle hat bis 31. Jänner des Folgejahres dem Wohnsitzfinanzamt des Bezugsempfängers eine Mitteilung zu übersenden, die neben Namen und Anschrift des Bezugsempfängers seine Versicherungsnummer (§ 31 ASVG), die Höhe der Bezüge und die Anzahl der Tage, für die solche Bezüge ausgezahlt wurden, enthalten muß. Diese Mitteilung kann entfallen, wenn die entsprechenden Daten durch Datenträgeraustausch übermittelt werden. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren des Datenträgeraustausches mit Verordnung festzulegen.
......"
Anwendung auf den konkreten Fall:
Gemäß § 2 Abs. 1 und 2 EStG ist für die Berechnung der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, dass die Beschwerdeführerin innerhalb des Kalenderjahres 2016 bezogen hat.
Das Einkommen der Beschwerdeführerin besteht gemäß § 2 Abs. 2 und Abs. 3 EStG aus den nichtselbständigen Einkünften, die sie von ihrem Arbeitgeber ArbeitgeberX im Jahr 2016 für die Zeiträume 01.01.2016 bis 29.04.2019 und vom 10.10.2016 bis 31.12.2016 erhalten hat.
Die Einkünfte aus Arbeitslosengeld, die sie für den Zeitraum 10.05.2016 bis 09.10.2016 erhalten hat sind steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit a EStG.
Der Besteuerung unterliegen daher die nichtselbständigen Einkünfte.
Gemäß § 3 Abs. 2 EStG wird aber für die Ermittlung des auf die steuerpflichtigen nichtselbständigen Einkünfte anzuwendenden Steuersatzes der steuerfreie Bezug des Arbeitslosengeldes (§ 3 Abs. 1 Z 5 lit a EStG) miteinbezogen, da die Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 2 EStG das Arbeitslosengeld nur für einenTeil des Kalenderjahres (für 153 Tage ) bezogen hat.
Gemäß § 3 Abs. 2 EStG sind zum laufenden Tarif zu versteuernden Bezüge aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen.
Im konkreten Fall wurden daher die nichtselbständigen Einkünfte zum laufenden Tarif (KZ 245) von € 6.099,50 (120 Tage) und € 3.306,69 (83Tage) auf einen Jahresbetrag von 16.958,94 (366 Tage Schaltjahr 2016) umgerechnet.
Die erste Berechnung erfolgte daher auf einen angenommenen steuerpflichtigen Betrag von € 16.958,94.
Dies ergäbe eine festzusetzende Einkommensteuer von:
Hochrechnung | 16.958,94 € |
Werbungskostenpauschbetrag | - 132,00 € |
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Einkünfte | 16.826,94 € |
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Sonderausgabenpauschbetrag | - 60 € |
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Einkommen | 16.766,94 e |
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Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG: |
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0% für die ersten 11.000,00 | 0,00 € |
25% für die restlichen 5.766,94 | 1.441,74 € |
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Steuer vor Abzug der Absetzbeträge | 1.441,74 € |
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Verkehrsabsetzbetrag | - 400,00 € |
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Steuer nach Abzug der Absetzbeträge | 1.041,74 € |
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Einkommensteuer | 1.041,74 € |
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Anrechenbare Lohnsteuer (KZ 260) | -586,02 € |
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Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG | + 0,28 € |
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Festgesetzte Einkommensteuer | 456,00 € |
In Anwendung des durch die Hochrechnung verwendeten Steuersatzes ergäbe sich eine festzusetzende Einkommensteuer von 456,00 €.
In Anwendung des § 3 Abs. 2 EStG darf die festzusetzende Steuer nicht höher sein als jene, die sich bei der Besteuerung sämtlicher Bezüge - nichtselbständiger Bezüge und Arbeitslosengeld - ergäbe.
Dies ist im Fall der Beschwerdeführerin die Besteuerung der Bezüge aus nichtselbständiger Tätigkeit und Arbeitslosengeld. Die Besteuerung dieses Betrages ergibt eine festzusetzende Einkommensteuer von - 116,00 €, wie vom Finanzamt im Erstbescheid vom 17.10.2017 festgesetzt.
Da diese ermittelte Einkommensteuer geringer als die ermittelte Besteuerung der Hochrechnung ist, ist die Einkommensteuer von den gesamten Bezügen gemäß § 3 Abs. 2 EStG zu berechnen.
Die Festsetzung der Einkommensteuer im Betrag von - 116,00 € für 2016 ist daher richtig.
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist nicht zulässig, da die Berechnung der Einkommensteuer aufgrund der gesetzlichen Vorschriften in § 3 EStG eindeutig geregelt ist. Welche der gesetzlich vorgesehenen Berechnungen eine geringere Steuerfestsetzung zur Folge hat ist eine Sachverhaltsfrage und keine Rechtsfrage.
Wien, am 10. Juli 2019
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 3 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | steuerfreie Bezüge , Kontrollrechnung, Hochrechnung, Progressionsvorbehalt |
