Außergewöhnliche Belastung - Krankheitskosten
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101843.2018
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. NN in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerde vom 24.5.2018 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt XYZ vom 22.5.2018 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung, StNr. ZZZ) 2017 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt/Verfahren
Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2017.
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 beantragte die Beschwerdeführerin unter dem Titel "zusätzliche Kosten bei Behinderung" (KZ 476) eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastungen in Höhe von 3.638,54 €. In einem Nachtrag zu ihrem Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung vom 24.4.2018 ersuchte die Beschwerdeführerin neben der Vorlage der Belege für Krankheitskosten um Berücksichtigung der Kosten für den nachträglichen Einbau der Ortswasserleitung in Höhe von 6.858,50 € als Sonderausgaben.
Das Finanzamt anerkannte die geltend gemachten Anschlusskosten an den Ortswasserkanal nicht, da Kosten für Wohnraumschaffung/-sanierung nur bei einem Beginn der Arbeiten vor dem 1.1.2016 begünstigt seien; hinsichtlich der Krankheitskosten berücksichtigte es lediglich die Kosten für ärztlich verordnete Medikamente in Höhe von 141,85 € als außergewöhnliche Belastungen (ohne Selbstbehalt) und die Kosten für Augenarzt und Zahnarzt in Höhe von 375 €, die jedoch wegen des Selbstbehaltes steuerlich nicht zum Tragen kamen (Bescheid vom 22.5.2018). Auf die Bescheidbegründung wird verwiesen.
In der am 24.5.2018 erhobenen Beschwerde ersuchte die Beschwerdeführerin um Berücksichtigung der nicht anerkannten Krankheitskosten; auf die nähere Begründung wird verwiesen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 3.10.2018 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab; auf die desbezügliche Begründung wird verwiesen.
Im Vorlageantrag vom 17.10.2018 verwies die Beschwerdeführerin auf die Notwendigkeit der alternativen Behandlungsmethoden, da sie schulmedizinisch austherapiert sei; auf die weiteren Ausführungen wird verwiesen. Die geltend gemachten Sonderausgaben für die Anschlusskosten an den Ortskanal sind vom Vorlageantrag nicht umfasst.
In weiterer Folge legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Festgestellter Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin leidet an orthostatischem Tremor (Zittern der Beine beim Stehen, Zittern der Arme bei Muskelanspannung) und ist aufgrund dieses Krankheitsbildes zu mehr als 25 % behindert. Sie ist schulmedizinisch austherapiert. Eine durchgeführte Akupunktur brachte keinen Erfolg. Durch eine kinesiologische Behandlung konnten bisher sehr gute, allerdings noch nicht nachhaltige Erfolge erzielt werden.
Bezüglich einer bei der Beschwerdeführerin vorliegenden eingeschränkten Sehleistung bzw. eines Augenleidens und einer Erkrankung im Kiefer-Rachenbereich liegt kein Grad der Behinderung von 25 % vor.
Die Beschwerdeführerin machte 2017 folgende beschwerdegegenständlichen alternativmedizinischen Therapien als außergewöhnliche Belastungen geltend. Auf die diesbezüglich vorgelegten Beweismittel wird verwiesen.
- Apotheke 236,34 €
- Homöopathische Medikamente 1.810,20 €
- Augenarzt 150 €
- Zahnarzt 225 €
- Kinesiologie (Behandlung und Fahrtkosten) 1.147 €
- Energetische Massage 70 €
Es liegt mit Ausnahme der Apothekenkosten keine ärztliche Verordnung hinsichtlich dieser Aufwendungen vor.
Seitens der GKK wurden für 2017 die Kinesiologie-Behandlungen in Höhe von 580 € (2017) bzw. 380 € (2018) und der Medikamentenaufwand (inklusive Rezeptgebühren) in Höhe von 1.319,60 € (2017) bzw. 475,90 € (2018) anerkannt, woraus eine Beihilfe von 449 € (für 2017 und 2018) resultierte.
Die nach ärztlicher Verordnung entstandenen Behandlungskosten in Höhe von 375 € (Augenarzt, Zahnarzt – mit Selbstbehalt) und benötigten Medikamente in Höhe von 141,85 € (ohne Selbstbehalt) wurden seitens des Finanzamtes anerkannt.
Beweiswürdigung
Zum Nachweis dafür, dass eine medizinische Notwendigkeit zur Anwendung der alternativen Heilmethoden vorliegt hat die Beschwerdeführerin eine Bestätigung von Dr.med. T, Allgemeinmedizinerin, vom 24.5.2018 mit nachstehendem Inhalt vorgelegt.
"Frau D leidet seit 2004 an orthostatischem Tremor. Nähere Details dazu finden Sie in der Beilage. Aus den mir vorliegenden fachärztlichen Befunden geht hervor, dass alle bisher versuchten Medikationen nicht zielführend waren und keinerlei Besserung erzielt werden konnte. Lediglich die Einnahme von Mysoline scheint eine ganz kleine Erleichterung zu bringen, die wird also weiterhin fortgeführt. Aus schulmedizinischer Sicht sind die Behandlungsmöglichkeiten austherapiert, es wurde daher angedacht, auf alternative Methoden auszuweichen und diese zu nützen, um so zumindest Erleichterung zu verschaffen. Stehen ist ihr seit geraumer Zeit unmöglich geworden. Derzeit ist Frau D bei einer Physioenergetikerin in Behandlung (Überbegriff Kinesiologie), die durch ganzheitliches Austesten des Körpers Schadstoffe ortet, diese ausleitet und die fehlenden Substanzen durch Einnahme diverser Präparate ersetzt. Durch diese Behandlung konnten bisher sehr gute, allerdings noch nicht nachhaltige Erfolge erzielt werden."
Der neurologische Befund des Landeskrankenhauses – Universitätsklinikums Graz, Universitätsklinik für Neurologie, vom 12.3.2013 wird auszugsweise folgend wiedergegeben.
"..…Frau D ist 64 Jahre alt. 2002 bemerkte sie erstmals ein Zittern der Beine, welches nach einiger Zeit im Stehen auftrat. Dies war anfangs nur kurz vorhanden, sobald sie sich mit dem Finger irgendwo abstützte sistierte es. Im Herbst 2004 verschlechterten sich die Beschwerden. Nach ca. 3 Minuten Stehen hatte sie das Gefühl, als habe sie 'Holzfüße' und würde umkippen, wenn sie sich nicht sofort anhalten würde. Sobald sie ging oder sich hinsetzte, sistierten die Beschwerden. Weiters gibt sie an, dass ihre Stimme im Laufe der Erkrankung schwächer wurde. ..…Sie selbst fand dann im Internet Artikel über orthostatischen Tremor und suchte dann erstmals einen Neurologen auf. Es wurde Inderal versucht, dies wurde nicht vertragen (sie konnte nicht mehr schlafen) und führte zu keiner Verbesserung. Es erfolgte eine Abklärung im Wagner-Jauregg-Spital, mittels Bewegungsanalyse wurde ein orthostatischer Tremor diagnostiziert. Es wurde eine Therapie mit Mysoline eingeleitet, dies führte nur zu minimaler Besserung. 2008 war sie erstmals bei Fr. OÄ W in unserer Ambulanz vorstellig. Es wurde eine Therapie mit Keppra versucht, dies erbrachte keine Besserung, es traten ausgeprägte Nebenwirkungen auf. Es erfolgte dann ein Therapieversuch mit Gabapentin. Dies führte zu einer Gewichtszunahme und hatte ebenfalls keine Wirkung. Auch Rivotril (Clonazepam) wurde versucht. Dies wurde ebenfalls von ihr nicht vertragen. Seither hat sie alternativmedizinische Therapien versucht – unter anderem Akupunktur, ebenfalls ohne Erfolg. Der Leidensdruck ist unter der aktuellen Therapie sehr hoch. …..
Objektiv neurologisch:
Hirnnerven: unauffällig. Kein Ruhetremor. Leichter Halte- und Aktionstremor beidseits. Keine Bradykinese. MER: stgl. mittellebhaft. Kein sensomotorisches Defizit. Im Stehen tritt ein feinschlägiger Tremor der Beine auf, weiters auch Rumpftremor und auch der Tremor der Hände ist im Stehen verstärkt. Beim Gehen sofortiges Sistieren.
Anamnetisch keine Besserung auf Alkohol.
Beurteilung: i.e.L. Orthostatischer Tremor
Therapieempfehlung:
Mit Frau D wurden die prinzipiellen Therapiemöglichkeiten und die jeweiligen Erfolgsaussichten besprochen. Die Medika, die noch die besten Chancen auf Linderung des orthostatischen Tremors haben – Gabapentin, Clonazepam und Primidon – wurden bereits ohne signifikanten Erfolg (bzw. traten Nebenwirkungen auf) versucht. ….."
Sowohl die ärztliche Bestätigung als auch der neurologische Befund enthalten keinen Hinweis auf eine medizinische Notwendigkeit der Anwendung alternativmedizinischer Behandlungen und sind daher als Nachweis nicht geeignet.
Die weiteren Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich der geltend gemachten Krankheitskosten erfolgten aufgrund der vorliegenden Beweismittel.
Rechtslage
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2).
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).
Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (Abs. 4 1. Satz).
Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden (Abs. 6):
- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen (BudBG 2011, BGBl I 111/2010).
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
Gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 idF BudBG 2011, BGB I 111/2010, steht dem Steuerpflichtigen jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu, wenn er außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat, und er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält.
Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung (§ 34 Abs. 6) geltend gemacht werden (Abs. 5).
Aufgrund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung BGBl. 303/1996 (VO).
Gemäß § 4 VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) und Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
Rechtliche Erwägungen
Strittig ist, ob die Kosten für alternativmedizinische Heilmethoden als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sind.
Die Erhaltung der Gesundheit gilt immer als zwangsläufig iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 (vgl. Doralt/Baldauf EStG, 2015, § 34 Tz 42). Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht werden, sind außergewöhnlich. Sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig.
Werden in Literatur – wie oben zitiert – und Judikatur Kosten, welche durch eine Krankheit entstehen, generell als außergewöhnlich im Sinne des § 34 bezeichnet, so muss auch hier untersucht werden, ob jede Ausgabe, welche in Zusammenhang mit einer Krankheit anfällt auch zwangsläufig im Sinne der zitierten Bestimmung ist. Die vom Kranken übernommenen Kosten müssen mit der Heilbehandlung bzw. Betreuung typischerweise verbunden sein (VwGH 26.4.2004, 2001/15/0109) und aus triftigen medizinischen Gründen getätigt werden (LStR, § 34 Rz 902). Dazu gehören die Kosten einer vom Arzt verordneten Therapie oder von Heilbehelfen (zB Zahnersatz, Sehbehelfe, Hörgeräte, Protesen, Gehbehelfe).
Die triftigen medizinischen Gründe für eine Heilbehandlung sind nachzuweisen. Die Beschwerdeführerin gibt an, sie sei schulmedizinisch austherapiert und habe nur durch alternative Behandlungsmöglichkeiten versuchen können, eine Linderung zu erreichen. Letztendlich konnten von den versuchten alternativmedizinischen Behandlungen nur durch Kinesiologie kurzfristig sehr gute Erfolge erzielt werden, die jedoch nicht nachhaltig waren.
Die Beschwerdeführerin hat den geforderten Nachweis der triftigen medizinischen Gründe für die versuchten alternativmedizinischen Heilbehandlungen nicht erbracht. Es liegt daher keine Zwangsläufigkeit iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 vor, sodass eine Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastungen nicht gegeben ist. Am Rande sei bemerkt, dass die Bezuschussung durch die Gebietskrankenkasse kein Kriterium für die steuerliche Anerkennung der Krankheitskosten darstellt.
Da hinsichtlich der eingeschränkten Sehleistung bzw. eines Augenleidens und einer Erkrankung im Kiefer-Rachenbereich kein Grad der Behinderung von 25 % vorliegt, handelt es sich bei den geltend gemachten Kosten des Augenarztes bzw. des Zahnarztes um allgemeine Krankheitskosten ohne Zusammenhang mit einer Behinderung. Diese Kosten können daher nur mit Abzug eines einkommensabhängigen Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
Die unter dem Punkt "Apotheke" angeführten Kosten hat das Finanzamt richtigerweise um die nicht ärztlich verordneten Medikamente (Nahrungsergänzungsmittel, Tees, Wick Hustenbonbons, Pflegeprodukte) gekürzt.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wird über geltend gemachte Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen abgesprochen. Zu den §§ 34 und 35 EStG 1988 liegt eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Zudem hing die Entscheidung im Wesentlichen von im Streitfall ausschließlich einzelfallbezogenen Sachverhaltsfragen ab. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.
Linz, am 4. April 2019
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
