Außergewöhnliche Belastung: Übernahme der Pflegekosten eines Nachkommens bei Zuwendung von nicht verwertbarem Vermögen durch einen Elternteil an einen anderen Nachkommen – fortgesetztes Verfahren
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100004.2020
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N., Adresse1, vertreten durch X. Steuerberatung und Wirtschaftsberatung GmbH & Co KG, Adresse2, über die Beschwerde vom 24. April 2014 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Stadt vom 20. März 2014, betreffend Einkommensteuer 2012 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) machte für das Streitjahr Aufwendungen in Höhe von 26.605,44 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend. Dabei handelte es sich nach den Angaben des Bf. um Pflegekosten für seinen am 10. Mai 2013 verstorbenen Vater.
Bei der Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 2012 berücksichtigte das Finanzamt diese Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 wurde mit der Begründung Beschwerde erhoben, dass Kosten der Unterbringung in einem Pflegeheim nach ständiger Rechtsprechung dem Grunde nach eine außergewöhnliche Belastung darstellten. Der Vater des Bf. habe im Streitjahr Pflegegeld der Stufe 6 bezogen, womit seine besondere Betreuungsbedürftigkeit im Sinn einer Pflegebedürftigkeit erwiesen sei (vgl. VwGH 30.06.2010, 2008/13/0145). Gemäß § 234 Abs. 1 ABGB (früher § 143 ABGB) schulde das Kind seinen Eltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande sei, sich selbst zu erhalten. Reiche das Einkommen der pflegebedürftigen Person nicht aus, seien die Pflegekosten vom Unterhaltsverpflichteten zu tragen, bei dem diese Kosten dann als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 zu berücksichtigen seien. Der Bf. sei daher rechtlich zur Kostenübernahme verpflichtet gewesen.
Mit Vorhalt des Finanzamts vom 02. Juni 2014 wurde der Bf. aufgefordert, durch Vorlage des Bescheides des Sozialamts nachzuweisen, dass er zur Tragung der Pflegekosten für seinen Vater verpflichtet gewesen sei. Der Bf. wurde auch gefragt, ob in den letzten sieben Jahren (oder davor) eine Vermögensübertragung (Liegenschaften, Sparbücher, Geld etc.) von seinem Vater an ihn stattgefunden habe und ob er mit seinem Vater eine Vereinbarung abgeschlossen habe, die ihn zur Tragung der Pflegekosten verpflichtet habe. Weiters wurde der Bf. ersucht, die Bezahlung der Pflegekosten anhand von Zahlungsbelegen bzw. Kontoauszügen nachzuweisen.
Diesen Vorhalt beantwortete der Bf. damit, dass die Übernahme der Pflegekosten bereits auf der rechtlichen Unterhaltsverpflichtung der Kinder gegenüber ihren Eltern beruhe (§ 234 Abs. 1 ABGB bzw. § 143 ABGB), weshalb ein zusätzlicher Nachweis für das Vorliegen dieser Verpflichtung, zB durch Vorlage eines Bescheides, weder vorgesehen noch notwendig sei. Auch der Abschluss einer Vereinbarung mit dem Pflegebedürftigen sei nicht erforderlich. Vermögensübertragungen habe es keine gegeben. Die entsprechenden Zahlungsbelege wurden vom Bf. vorgelegt.
Mit einem weiteren Vorhalt vom 29. August 2014 ersuchte das Finanzamt den Bf., einen allenfalls vorliegenden Schriftverkehr mit dem Sozialamt betreffend die Übernahme der Pflegekosten vorzulegen sowie bekannt zu geben, warum der Bf. auch die anteilige Verpflichtung seines Bruders zur Übernahme der Pflegekosten übernommen habe. Dieser Vorhalt wurde vom Bf. nicht beantwortet.
Die abweisende Beschwerdevorentscheidung begründete das Finanzamt damit, dass der Vater des Bf. im Mai 2010 eine bebaute Liegenschaft an den Bruder des Bf. übertragen habe. Die Übernahme der Kosten für das Pflegeheim durch den Bf. sei im zeitlichen Zusammenhang mit dieser Vermögensübertragung erfolgt. Unabhängig davon, wer die Pflegekosten letztlich getragen habe, seien diese erst dann als außergewöhnliche Belastung absetzbar, wenn sie den Verkehrswert dieser Liegenschaft übersteigen. Da der Bf. darüber hinaus keine Unterlagen vorgelegt habe, aus denen die Verpflichtung des Bf. zur Kostentragung ersichtlich sei, fehle den Aufwendungen des Bf. die Zwangsläufigkeit. Der Zweck der Übernahme solcher Kosten liege nach der Lebenserfahrung vor allem darin, den Zugriff des Sozialhilfeverbandes auf die Liegenschaft zu vermeiden und dadurch das Vermögen zu bewahren.
Der gegen diesen Bescheid erhobene Vorlageantrag wurde damit begründet, dass eine Vermögensübertragung an den Bf. nicht erfolgt sei. Die Übertragung von Vermögen an den Bruder des Bf. könne keine Bedeutung haben, weil zwischen den Brüdern kein Vermögensausgleich stattgefunden habe. Der Aufwand sei vom Bf. endgültig getragen worden und stelle somit eine entsprechende Belastung dar. Die mit Vorhalt vom 29. August 2014 angeforderte Vereinbarung zwischen den Brüdern könne nicht vorgelegt werden, weil eine solche nicht existiere. Der Bruder des Bf. sei nicht bereit gewesen, Aufwendungen dieser Art für seinen Vater zu übernehmen. Der Einwand der Abgabenbehörde gehe auch deshalb ins Leere, weil nicht zu untersuchen sei, ob der Unterhaltsberechtigte selbst oder ein anderer Unterhaltsverpflichteter zivilrechtlich zur teilweisen Kostentragung verpflichtet wäre. Da sich die Pflegebedürftigkeit bereits aus der Berechtigung zum Bezug des Pflegegeldes ergebe, sei auch ein allfälliger Schriftverkehr mit dem Sozialamt irrelevant. Die Kosten würden vom Heimbetreiber vorgeschrieben. Das Vorliegen der Zwangsläufigkeit sei unter Hinweis auf die höchstgerichtliche Judikatur bereits dargelegt worden.
In einer Stellungnahme zum Vorlagebericht führte das Finanzamt ergänzend aus, im Mai 2010 habe der Vater des Bf. sein Vermögen (Haus) an den Bruder des Bf. übergeben. Daher habe der Vater des Bf. im Jahr 2012 offenbar keine Mittel mehr gehabt, um die Pflegekosten selbst zu tragen. Dies habe bewirkt, dass gemäß § 234 ABGB grundsätzlich eine Unterhaltspflicht seiner beiden Söhne ihm gegenüber bestanden habe. Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwachse die Belastung einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne. Eine Belastung erwachse aber nicht zwangsläufig, wenn sie sonst Folge eines Verhaltens sei, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen habe. Die Übernahme der gesamten Pflegeheimkosten durch den Bf. sei betreffend des Kostenanteils des Bruders freiwillig und in zeitlichem Zusammenhang mit der Vermögensübertragung des Vaters an den Bruder erfolgt. Der Verkehrswert der Liegenschaft sei daher zu berücksichtigen. Solange bei einer solchen Konstellation die Aufwendungen den Wert des übertragenen Vermögens nicht übersteigen, sei die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Unterbringung des Angehörigen als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen (vgl. VwGH 21.11.2013, 2010/15/01390).
Mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichts vom 27. April 2017 wurde dem Bf. mitgeteilt, dass die von ihm getragenen Kosten für die Heimunterbringung seines Vaters zwar dem Grunde nach eine außergewöhnliche Belastung darstellten, die Unterhaltspflicht eines Kindes gegenüber seinen Eltern gemäß § 143 Abs. 1 ABGB (nunmehr § 234 ABGB) jedoch nur insoweit bestehe, als die Eltern nicht imstande seien, sich selbst zu erhalten. Die Kosten der Heimunterbringung wären daher zunächst aus dem Einkommen seines Vaters zu bestreiten gewesen, wobei die Höhe der Kosten, die sein Vater selbst zu tragen gehabt hätte wie folgt zu schätzen sei:
Pflegeheimkosten |
| 41.725,44 Euro |
abzügl. Haushaltsersparnis 156,96 x 12 |
| -1.883,52 Euro |
abzügl. Pflegegeld |
| -15.120,00 Euro |
| Zwischensumme | 24.721,92 Euro |
Einkommen der zu pflegenden Person | 14.725,44 Euro |
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20% des Ausgleichszulagenrichtsatzes814,82 Euro x 12 = 9.777,84 Eurodavon 20% ("Taschengeld") | -1.955,57 Euro |
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Einkommen der Ehegattin: 5.950,96 EuroDifferenz zum AusgleichszuIagenrichtsatzvon 9.777,84 Euro (Unterhalt für Ehegattin) | -3.826,88 Euro |
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Kostenübernahme der zu pflegenden Person | 8.942,99 Euro |
|
|
| -8.942,99 Euro |
Vom Unterhaltsverpflichtetenzu übernehmender Anteil |
| 15.778,93 Euro |
Die dem Bf. bekannt gegebene Schätzung ergab somit einen Anteil von 8.942,99 Euro an Kosten, die der Vater des Bf. selbst hätte tragen müssen. Der vom Bf. zu übernehmende Kostenanteil hätte demnach 15.778,93 Euro betragen. Den Bruder des Bf. habe im Streitjahre auf Grund der geringen Höhe seines Einkommens gemäß § 143 Abs. 3 ABGB keine Unterhaltspflicht getroffen. Die an den Bruder des Bf. übertragene Liegenschaft sei bei der Bemessung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nicht zu berücksichtigen, weil es sich bei einer Liegenschaft, die von Angehörigen des zu Pflegenden noch bewohnt werde, um kein "verwertbares" Vermögen im Sinn des ABGB handle.
Diesen Ausführungen stimmte der steuerliche Vertreter des Bf. zu.
Das Finanzamt entgegnete den Ausführungen des Bundesfinanzgerichts in einer Stellungnahme vom 27. Juni 2017, dass zwar der Berechnung des Anteils an den Pflegeheimkosten, der von den unterhaltsverpflichteten Angehörigen zu übernehmen sei, zugestimmt werde, dass aber den Ausführungen, dass eine Gegenüberstellung der Kosten der Heimunterbringung des Vaters des Bf. mit dem Verkehrswert der Liegenschaft nicht zu erfolgen habe, ebenso wenig zugestimmt werde wie der Aussage, dass es sich bei der Liegenschaft um kein "verwertbares" Vermögen handle, weil auf der Liegenschaft der Wohnsitz der Mutter und des Bruders des Bf. gewesen sei sowie der Aussage, wonach den Bruder des Bf. auf Grund der geringen Höhe seines Einkommens keine anteilige Unterhaltspflicht träfe. Begründend führte das Finanzamt aus, dass die vom Bf. getragenen Kosten für den Aufenthalt seines Vaters im Pflegeheim nach Ansicht des Finanzamts erst dann steuerlich absetzbar seien, wenn sie den Verkehrswert der an den Bruder übertragenen Liegenschaft übersteigen. Das Finanzamt wies in diesem Zusammenhang zunächst auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 21.11.2013, 2010/15/0130, hin, wonach eine außergewöhnliche Belastung des die Pflegekosten tragenden Angehörigen dann ausgeschlossen sei, wenn der zu Pflegende seine Eigentumswohnung diesem Angehörigen davor schenkt. Dass im gegenständlichen Fall nicht der Bf., sondern sein Bruder die Wohnung des Vaters erhalten hat, ändert nach Ansicht des Finanzamts an der rechtlichen Beurteilung nichts, weil mit der Übernahme derartiger Kosten nach der Lebenserfahrung lediglich der Zweck verfolgt werde, den Zugriff des Sozialhilfeverbandes auf die Liegenschaft zu vermeiden und das Vermögen zu bewahren.
Nach den Ausführungen im Erkenntnis VwGH 21.10.2015, Ro 2014/13/0038, gelte dies auch dann, wenn sich der Wohnsitz auf der Liegenschaft befindet. In dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Fall entstand die Verpflichtung zur Zahlung der Pflegekosten als Folge der freiwilligen Entscheidung der Abgabepflichtigen, die Erbschaft anzutreten. Aufwendungen, die Folge eines Verhaltens seien, zu denen sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen habe, seien aber nicht als im Sinn des § 34 Abs. 3 EStG 1988 zwangsläufig erwachsen anzusehen. Die Zwangsläufigkeit könne auch nicht darauf gestützt werden, dass die im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens erworbenen Anteile an einer Liegenschaft bestehen, die der Abgabepflichtigen und ihrem Sohn als Familienwohnsitz dienen. Wohnungskosten habe die Mehrzahl der Abgabepflichtigen zu tragen, weshalb es diesen Aufwendungen an der Außergewöhnlichkeit fehle. Habe ein Pflegebedürftiger sein Vermögen (zB eine Wohnung) noch nicht übertragen, gingen die Pflegekosten laut Lohnsteuerrichtlinien (LStR 2002 Rz 823) zunächst zu Lasten dieses Vermögens. Erst ein im Nachlass voraussichtlich nicht gedeckter Teil komme bei den vorgesehenen Erben als außergewöhnliche Belastung in Betracht. In diesem Sinn habe auch das Bundesfinanzgericht (vgl. BFG 10.05.2017, RV/2101811/2014) entschieden. ln dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hätten die zu pflegenden Eltern lediglich eine Eigentumswohnung besessen, in der sie bis zu ihrem Ableben gepflegt worden seien. Der die Pflegekosten tragenden Tochter sei diese Wohnung innerhalb von vier Jahren ab Übernahme der Pflegekosten tatsächlich im Erbweg zugekommen. Da der Verkehrswert der Wohnung die in Summe getragenen Pflegekosten erheblich überschritten habe, sei die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung versagt worden. Im gegenständlichen Fall habe der Pflegebedürftige zwei Söhne gehabt, wobei dem einen im Jahr 2010 die Liegenschaft übergeben worden sei, der andere, der nach seinen Angaben vom Vater nichts erhalten habe, jedoch die Pflegekosten getragen habe. Diesem Sohn wäre jedoch ein Pflichtteil an der Liegenschaft zugestanden. Die vom Bf. getragenen Pflegekosten stellen nach Ansicht des Finanzamts mangels Zwangsläufigkeit daher keine außergewöhnliche Belastung dar.
Mit Erkenntnis vom 30. August 2018, RV/2101241/2015 25, wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben und von den geltend gemachten Aufwendungen iHv 26.605,44 Euro Aufwendungen iHv. 15.778,93 Euro (Pflegeheimkosten iHv. 41.725,44 Euro, abzüglich Haushaltsersparnis iHv 1.883,52 Euro, abzüglich Pflegegeld iHv 15.120,00 Euro, abzüglich Kostenübernahme des Vaters iHv gesamt 8.942,99 Euro) als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, da der Bf. zur Unterhaltsleistung gemäß § 143 ABGB verpflichtet war, sein Bruder hingegen aufgrund seiner Einkünftesituation 2012 nicht. Da zur Frage, ob eine außergewöhnliche Belastung im Sinn des § 34 EStG 1988 vorliegt, wenn ein Nachkomme im Rahmen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht die Kosten der Heimunterbringung eines Elternteils übernimmt, während einem anderen Nachkommen Vermögen, welches nach Zivilrecht jedoch nicht "verwertbar" ist, von jenem Elternteil zugewendet wurde, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, wurde die Revision für zulässig erklärt und in Folge Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Fortgesetztes Verfahren nach VwGH 20.11.2019, Ro 2018/15/0024:
§ 143 ABGB (idF vor BGBl. I Nr. 15/2013) lautet:
(1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.
(2) Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten.
(3) Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet.
§§ 946 und 947 ABGB lauten:
§ 946 ABGB: "Schenkungsverträge dürfen in der Regel nicht widerrufen werden."
§ 947 ABGB: "Geräth der Geschenkgeber in der Folge in solche Dürftigkeit, daß es ihm an dem nöthigen Unterhalte gebricht; so ist er befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, in so weit die geschenkte Sache, oder derselben Werth noch vorhanden ist, und ihm der nöthige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet. Aus mehrern Geschenknehmern ist der frühere nur in so weit verbunden, als die Beyträge der spätern zum Unterhalte nicht zureichen."
Gemäß § 1000 Abs. 1 ABGB, BGBl. I Nr. 28/2010, sind an Zinsen, die ohne Bestimmung der Höhe vereinbart worden sind oder aus dem Gesetz gebühren, sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, vier vom Hundert auf ein Jahr zu entrichten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 20. November 2019, Ro 2018/15/0024, das Erkenntnis des BFG vom 30. August 2018, RV/2101241/2015, hinsichtlich der Einkommensteuer 2012 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Dabei hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass Kosten der Unterbringung in einem Altersheim außergewöhnliche Belastungen darstellen, sofern die Unterbringung durch Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit verursacht wird und solche besonderen Umstände unstrittig vorliegen. Es liegt daher im Beschwerdefall eine außergewöhnliche Belastung dem Grunde nach vor (vgl. VwGH Erkenntnis Rz 22 und 23).
Strittig ist, ob der Bf. die vollen bezahlten Heimkosten - nach Abzug der Haushaltsersparnis und der Kostenübernahme des Vaters - abziehen kann. Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwächst, d. i., wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Liegt Freiwilligkeit vor, sind die dadurch ausgelösten Aufwendungen nicht zwangsläufig angefallen, was infolge der Abgabe einer unbedingten Erberklärung oder der Einwilligung zu einer einvernehmlichen Scheidung der Fall ist (vgl. VwGH Erkenntnis Rz 24 und 25).
Der Verwaltungsgerichtshof führt in Folge weiter aus:
"26 Das BFG hat die Zwangsläufigkeit der Heimkostenbeiträge des Mitbeteiligten unter Hinweis auf seine Unterhaltsverpflichtung gemäß § 143 ABGB bejaht, wobei es eine Unterhaltsverpflichtung des vom Vater mit der Schenkung der Liegenschaft bedachten Bruders des Mitbeteiligten unter Hinweis auf dessen niedrige Einkünfte im Streitjahr verneinte und die Verwertung einer als Wohnsitz dienenden Liegenschaft für Zwecke der Erfüllung der Unterhaltspflicht für von Vornherein unzumutbar hielt.
27 Der unterhaltspflichtige Mitbeteiligte kann allerdings für die Übernahme von Aufwendungen für die Heimunterbringung seines Vaters nur insofern außergewöhnliche Belastungen geltend machen, als ihm diese zwangsläufig erwachsen. Soweit er ohne rechtliche Verpflichtung freiwillig einen größeren Anteil der Aufwendungen übernimmt und andere Unterhaltspflichtige damit entlastet, liegen keine außergewöhnlichen Belastungen vor (VwGH 21.11.2013, 2010/15/0130).
28 Der Unterhaltsanspruch gegen Nachkommen, der nach der Wertung des § 143 ABGB einen Ausnahmefall darstellt, setzt nach § 143 Abs. 1 ABGB fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit der unterhaltsberechtigten Eltern voraus (vgl. zB OGH 9.6.2009, 1 Ob 88/09m). Mehrere Nachkommen gleichen Grades schulden den Unterhalt anteilig nach Kräften (OGH 21.11.2006, 4 Ob 192/06y, mwN).
29 Vor diesem zivilrechtlichen Hintergrund fehlen im angefochtenen Erkenntnis nähere Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Bruders des Mitbeteiligten. So hat sich das BFG zu dessen Einkommenssituation auf die Feststellung beschränkt, dass dieser 'im Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 716,23 EUR' erzielte. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Bruders im Rahmen seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Vater ist die isolierte Betrachtung der Einkommenshöhe eines Wirtschaftsjahrs allein jedoch nicht aussagekräftig.
30 Darüber hinaus ist angesichts der Grundstücksschenkung des pflegebedürftigen Vaters zu beachten, dass dem Geschenkgeber noch § 946 ABGB zwar in der Regel nicht das Recht zusteht, die Schenkung zu widerrufen, ihm aber Ansprüche nach § 947 ABGB zustehen, die wie andere vermögensrechtliche Ansprüche gegen Dritte zu behandeln sind, welche ein Elternteil zur Deckung seines Bedarfs einsetzen kann und daher auch einsetzen muss. Ein Unterhaltsanspruch gegen Kinder kommt nach der Rechtsprechung des OGH daher nur in Betracht, soweit trotz des Bestehens von Ansprüchen nach § 947 ABGB die Selbsterhaltungsfähigkeit zu verneinen ist, dh im Umfang der verbleibenden 'Bedarfslücke' (OGH 21.11.2006, 4 Ob 192/06y). Gerät der Geschenkgeber nach einer Schenkung in der Folge in eine solche Dürftigkeit, dass es ihm an dem nötigen Unterhalte gebricht, so ist er nach dieser Bestimmung nämlich befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, insoweit die geschenkte Sache oder derselben Wert noch vorhanden sind, und ihm der nötige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet.
31 Bei der Beurteilung der Notlage des Vaters des Mitbeteiligten sind demnach auch Ansprüche des Vaters nach § 947 ABGB als 'eigene Mittel' zu berücksichtigen, wenn ihre Geltendmachung zumutbar ist und sie rechtzeitig durchgesetzt werden können (vgl. zB OGH 21.11.2006, 4Ob192/06y, mwN). Ob ein solcher Anspruch des Vaters gegen den Bruder des Mitbeteiligten als Geschenknehmer des Grundstücks im Revisionsfall bestand, hängt damit wiederum von den Feststellungen zu dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ab. Bejahendenfalls würden diese Zinsen den Unterhaltsanspruch des Vaters gegen seine Kinder bereits von Vornherein mindern."
Der Verwaltungsgerichtshof hat zusammenfassend judiziert, dass
1. nur zwangsläufige Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen iSd § 34 EStG 1988 in Betracht kommen. Soweit ein unterhaltspflichtiger Nachkomme eines pflegebedürftigen Elternteils daher ohne rechtliche Verpflichtung freiwillig einen größeren Anteil der Aufwendungen übernimmt und andere Unterhaltspflichtige damit entlastet, liegen keine außergewöhnlichen Belastungen vor.
2. vorgelagerte Grundstücksschenkungen zu Minderungen von Unterhaltsansprüchen pflegebedürftiger Angehöriger führen können, weil einem nach einer Schenkung in "Dürftigkeit" geratenen Geschenkgeber finanzielle Ansprüche nach § 947 ABGB gegen den Beschenkten zustehen können und dieser grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Ansprüche gegen Dritte einsetzen muss, bevor er sich zur Deckung der Bedarfslücke an seine Unterhaltsverpflichteten wendet.
Das Bundesfinanzgericht hat im nunmehr fortgesetzten Verfahren den Bruder des Bf. in zwei Auskunftsverlangen gem. §§ 143 iVm 269 BAO, unter Verweis auf die bestehende Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Auskunftserteilung und Vorlage der Unterlage, aufgefordert seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse vom Zeitpunkt der Schenkung (Mai 2010) bis zum Tod des Geschenkgebers (Mai 2013) schriftlich bekanntzugeben und zu den dazu ergänzenden Fragestellungen des Bundesfinanzgerichts Stellung zu nehmen.
Betreffend seiner Vermögenssituation für den Zeitraum ab der Schenkung im Jahr 2010 bis zum Tod des Geschenkgebers im Jahr 2013 gab die Auskunftsperson in zwei Antwortschreiben und unter Beilage von Unterlagen bekannt, dass er - mit Ausnahme der betreffenden Liegenschaft - über keine Wertpapiere, keine Wertgegenstände, keine Liegenschaften, keine Beteiligungen an Gesellschaften und über keine weiteren Schenkungen verfügte. Die Auskunftsperson hatte weiters keine Unterhaltspflichten zu leisten. Hinsichtlich seiner Verbindlichkeiten übermittelte die Auskunftsperson Abrechnungen über die Darlehensrückzahlungen btr. Wohnbauförderung des Landes Steiermark und die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2013.
Weiters teilte die Auskunftsperson mit, dass er im Mai 2011 von der Bank1 zur Bank2 wechselte und die zum damaligen Zeitpunkt offenen Kredit-Verbindlichkeiten bei der Bank1 von der Bank2 übernommen wurden. Die Auskunftsperson konnte die geleisteten Kreditverbindlichkeiten (Firmen- und Privatkredit) bei der Bank2 für die Jahre 2011 bis 2013 durch Vorlage der entsprechenden Aufstellung der Bank2 nachweisen. Hinsichtlich des Jahres 2010 und tw. für das Jahr 2011 (bis Mai 2011) teilte die Auskunftsperson mit, dass er für diese Jahre - mit Ausnahme der vorgelegten Zahlungen an die Bank1 für eine Risikoversicherung - keine weiteren Belege mehr habe. In einem Telefonat vom 23. April 2020 gab die Auskunftsperson auf Nachfrage des Richters an, dass er auch 2010 Kreditrückzahlungen gehabt habe und diese betraglich ungefähr gleich hoch gewesen seien wie in den Jahren 2011 und 2012.
Bezüglich der gegenständlichen Liegenschaft hat eine Abfrage des Bundesfinanzgerichts im Grundbuch ergeben, dass der Geschenkgeber für den späteren Geschenknehmer im Jahre 2006 ein Pfandrecht zugunsten der Bank1 eintragen lies. Zum Zeitpunkt der Schenkung im Mai 2010 wies die Liegenschaft im C-Blatt folgende weitere Belastungen auf: Veräußerungsverbot gem. WBFG zugunsten des Landes Steiermark (eingetragen Februar 1981), sowie zwei weitere Pfandrechte zugunsten der Bank1 (jeweils eingetragen Jänner 2004). Nach Schenkung der Liegenschaft im Mai 2010 wurde die drei Pfandeintragungen zugunsten der Bank1 gelöscht (Löschungserklärung Juni 2011) und erfolgte im Mai 2011 eine neuerliche Verpfändung der Liegenschaft zu den eingeräumten Darlehens- und Kreditbesicherungen zugunsten der Bank2.
Zu den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs führt das Bundesfinanzgericht aus:
Pkt. 1: Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Bruders des Bf. im Rahmen seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Vater (§ 143 ABGB idF vor BGBl I 2013/15, nunmehr § 234 ABGB):
Da gemäß § 143 Abs. 2 ABGB gleichrangigen Nachkommen den zivilrechtlichen Unterhalt anteilig nach Kräften schulden, ist anhand der ermittelten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der zwangsläufigen Anteil des Bruders des Bf. zu bestimmen.
Bei Geldschulden wird das - wie bei § 140 ABGB (idF vor BGBl I 2013/15, vgl. nunmehr § 231 ABGB) - Folgendes bedeuten: Vom Nettoeinkommen jedes Verpflichteten wird das Existenzminimum abgezogen; der Unterhaltsbedarf wird im Verhältnis der Resteinkommen geteilt. Die Grenze der Leistungsfähigkeit darf nicht überschritten werden (vgl. Weinrichter, Zum Unterhaltsanspruch von Aszendenten insb bei deren Heimunterbringung - Interpretation des § 143 ABGB als "Sonderbedarfsregel", in: iFamZ, 5/2007, S. 234, mit Verweis auf Neuhauser in Schwimann, ABGB3, I, § 140 Rz 23. Für § 231 ABGB siehe Neuhauser in Schwimann, ABGB5, I, § 231 Rz 101).
Das Bundesfinanzgericht hat auf Grundlage der vorgelegten Unterlagen eine Vermögensdeckungsrechnung vorgenommen. Aus den Einkommensteuerbescheiden 2010 bis 2013 ist ersichtlich, dass die Auskunftsperson aus seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb in den Jahren 2010 bis 2013 jeweils einen Gewinn erwirtschaftet hat. Von den Einkünften aus Gewerbebetrieb wurden in Folge die nicht zahlungswirksame Aufwendungen hinzugerechnet (alle Jahre: AfA und Grundfreibetrag; 2010 zusätzlich auch Buchwert abgegangener Anlagen) und von dem sich danach errechneten tatsächlichen Gewinn die Darlehenszahlungen an das Land Steiermark, die Kreditzahlungen (Firmen- und Privatkredit) und die Lebenserhaltungskosten, welche anhand des Existenzminimums geschätzt wurden, abgezogen. Als Summe errechnete sich für jedes Jahr ein Verlust.
Hingewiesen wird, dass eine summenmäßige Abbildung der Berechnung aufgrund der abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht, welche gem. §§ 2a iVm 48a BAO auch vom Bundesfinanzgericht zu beachten ist, nicht zulässig ist.
Da der Bruder des Bf. im Zeitraum von der Schenkung bis zum Tod des Geschenkgebers - mit Ausnahme der belasteten Liegenschaft - auch über keine sonstigen Vermögenswerte verfügte, geht das Bundefinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass er aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage war, einen anteiligen Unterhalt zu leisten.
Pkt 2: Feststellung der finanzielle Ansprüche des Geschenkgebers nach § 947 ABGB gegen den Beschenkten:
Festzustellen ist, welchen (theoretischen) Anteil der Bruder des Bf. an den Pflegekosten aufgrund der erhaltenen Vorschenkung sowie aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse zivilrechtlich zu tragen gehabt hätte.
Bezüglich der Vorschenkung der Liegenschaft ist auszuführen:
Der Geschenkgeber hat im Falle des § 947 ABGB bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen kein Widerrufsrecht, sondern lediglich einen Anspruch auf eine jährliche Rente in Höhe der gesetzlichen Zinsen von dem im Zeitpunkt des Eintritts der Bedürftigkeit noch vorhandenen Geschenkwerts (vgl. Parapatits in Schwimann/Kodek, ABGB: Praxiskommentar, § 947 Rz 4).
Die gesetzlichen Zinsen in der Höhe von 4 % pro Jahr des aktuellen Wertes des Geschenkes, können nur gefordert werden, wenn die Sache oder deren Wert noch bestehen und soweit es dem Geschenknehmer in Hinblick auf seine eigenen Lebensverhältnisse zugemutet werden kann (vgl. Liedermann in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar4, § 947 Rz 2).
Da sich die Liegenschaft ab dem Zeitpunkt der Schenkung im Jahr 2010 im Eigentum des Bruder des Bf. befunden hat und auch weiterhin befindet, war die Voraussetzung "Bestehens der Sache" gegeben.
Zur weiteren Voraussetzung der Zumutbarkeit ist auszuführen:
Wie unter Pkt. 1 zur Vermögens- und der Einkommensverhältnisse ausgeführt, stellte
das einzige Vermögen des Bruders die geschenkte Liegenschaft dar. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Leistung der gesetzlichen Zinsbeträge mittels des sonstige Vermögens des Bruders - abgesehen von der soeben dargestellten faktischen Vermögens- und Einkommenssituation, welche eine Leistungsmöglichkeit nicht erkennen lassen - aus dem Gesetzeswortlaut nicht ableitbar ist, nimmt diese Verpflichtung doch einzig und allein Bezug auf das Geschenk ("... von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen ... von dem Beschenkten zu fordern …").
Allerdings gebietet die Sorgfalt eines pflichtbewussten Unterhaltspflichtigen unter Umständen sogar die Heranziehung zumutbarerweise verwertbaren Vermögens zur Unterhaltsleistung (OGH, 23.11.2000, 2Ob295/00x).
Somit verbleibt die Frage, ob dem Geschenknehmer die Zinszahlung durch" Versilberung" oder Belastung der Liegenschaft möglich gewesen wäre.
Zur Veräußerung der Liegenschaft: Bei der Liegenschaft, die der Vater des Bf. im Jahr 2010 an den Bruder des Bf. übergeben hatte, handelte es sich um ein Zweifamilienhaus, das der Vater bis zu seiner Heimunterbringung gemeinsam mit der Mutter und dem Bruder des Bf. bewohnte und das danach weiterhin von der Mutter und vom Bruder des Bf. bewohnt wurde. Der OGH sieht in der Verwertung einer Liegenschaft inkl. Haus dann eine Unzumutbarkeit gegeben, wenn sie als einzige Wohnmöglichkeit dient (OGH, 09.06.2009, 1Ob88/09m). Da im gegenständlichen Fall das Zweifamilienhaus nach Heimunterbringung des Vaters, (weiterhin) als einzige Wohnmöglichkeit der Mutter und des Bruders des Bf. diente, war eine Verwertung in Form einer Veräußerung des Vermögens aufgrund des dringendes Wohnbedürfnisses unzumutbar.
Darüberhinaus ist aus dem Grundbuchsauszug ersichtlich, dass die Liegenschaft mit einem Pfandrecht (Bank2) belastet und aufgrund des Wohnbauförderungsgesetz 1968 (nunmehr: Wohnbauförderungsgesetz 1993) ein Veräußerungsverbot zugunsten des Landes Steiermark eingetragen wurde. Die Verpfändung der Liegenschaft und die notwendige Zustimmung des Landes für eine Eigentumsübertragung standen daher zusätzlich einer Verwertung der Liegenschaft in Form der Veräußerung entgegen.
Zur Möglichkeit einer Belastung der Liegenschaft: Die Verwertung des Vermögens kann auch durch Belastung erfolgen (vgl. VwGH 29.04.2015, 2012/13/0012). Ein Jahr nach der Schenkung der zu diesem Zeitpunkt bereits belasteten Liegenschaft wurde vom Geschenknehmer eine Umschuldung vorgenommen (Wechsel von der Bank1 zur Bank2) und im Mai 2011 die Liegenschaft zugunsten der Bank2 mit einer neuen Hypothek belastet. Die Einräumung einer - weiteren - pfandrechtlichen Belastung der Liegenschaft ist aufgrund der bereits ein Jahr nach der Schenkung zugunsten der Bank2 eingeräumten Verpfändung und des ebenfalls eingetragenen Veräußerungsverbot zugunsten des Landes Steiermark als unrealistisch zu qualifizieren. Auch eine Vermietung des Objektes bzw. eines Teiles davon war im Beschwerdejahr nicht realisierbar, da - wie bereits dargelegt - die Wohnungen die Wohnsitze der Mutter und des Bruders des Bf. darstellten.
Entsprechend war im Beschwerdefall weder die Veräußerung noch eine (weitere) Belastung der Liegenschaft durch den Bruder des Bf. möglich.
Der Geschenkgeber hatte somit gegen den Bruder des Bf. als Geschenknehmer aufgrund dessen mangelnder Leistungsfähigkeit keine Ansprüche nach § 947 ABGB und waren daher solche Ansprüche auf gesetzliche Zinsen auch nicht als "eigene Mittel" des Geschenkgebers bei diesem zur Auffüllung der verbleibenden Bedarfslücke (15.778,93 Euro) mindernd zu berücksichtigen.
Das Bundesfinanzgericht geht daher in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der Bruder des Bf. aufgrund seiner Vermögens- und der Einkommensverhältnisse und aufgrund Fehlens eines (zumutbarerweise) verwertbaren Vermögens aus der Grundstücksschenkung keinen Anteil an den Pflegekosten zivilrechtlich zu tragen gehabt hätte, weshalb der Bf die Unterhaltsverpflichtung zur Gänze zu tragen hatte. Die übernommenen Pflegeheimkosten iHv 15.778,93 Euro sind dem Bf. damit zwangsläufig erwachsen.
Zu den weiteren vorgebrachten Argumenten des Finanzamtes wird ausgeführt:
Gemäß § 143 Abs. 3 ABGB mindert sich der Unterhaltsanspruch eines Elternteils insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist.
Der Vater des Bf. hatte im Jahr 2012 kein eigenes Vermögen mehr, weil er die in seinem Eigentum stehende Liegenschaft bereits im Jahr 2010 an den Bruder des Bf. übergeben hatte. Nach Ansicht des Finanzamts wäre aus diesem Grund in erster Linie der Bruder des Bf. verpflichtet gewesen, die Kosten der Heimunterbringung des Vaters zu tragen bzw. seien die Kosten der Heimunterbringung so lange nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, als diese Kosten den Verkehrswert der übertragenen Liegenschaft nicht übersteigen.
Diese Argumentation trifft für den Bereich des Zivilrechts jedoch nur bei so genanntem
"verwertbarem" Vermögen zu, dh. nur verwertbares Vermögen eines Unterhaltsberechtigten mindert die Pflicht der Angehörigen zur Unterhaltsleistung bzw. beeinflusst nur verwertbares Vermögen eines Angehörigen die Höhe seiner Unterhaltspflicht (vgl. Weinrichter, a.a. O., S. 233). Wie ausgeführt war eine Verwertung - sei es in Form einer Veräußerung, sei es durch eine Belastung - im Beschwerdefall jedoch nicht realisierbar und handelte es sich bei der Liegenschaft um nicht "verwertbares Vermögen". Die Höhe der nach Zivilrecht zu bemessenden Unterhaltspflicht des Bf. wurde durch die Übertragung der als Wohnsitz dienenden Liegenschaft an seinen Bruder somit nicht beeinflusst. Die rechtliche Verpflichtung und damit die Zwangsläufigkeit der Unterhaltsleistung des Bf. gegenüber seinem Vater war im Streitjahr somit gegeben. Eine ausdrückliche vertragliche Verpflichtung zur Übernahme der Heimunterbringungskosten war dafür nicht erforderlich.
Zu den vom Finanzamt in der Stellungnahme vom 27. Juni 2017 und in der Revisionsschrift vom 28. August 2018 herangezogenen Judikaten des Verwaltungsgerichtshofes - VwGH 21.11.2013, 2010/15/0130, und VwGH 21.10.2015, Ro 2014/13/0038 - ist auszuführen:
Im Erkenntnis vom 21.11.2013, 2010/15/0130, verneinte der VwGH das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung beim Sohn, der Pflegeheimkosten für seinen Vater übernommen hatte, weil der Sohn die spätere Bedürftigkeit des Vaters freiwillig mitverursachte, da der Sohn als Geschenknehmer die Schenkung der Eigentumswohnung angenommen hatte, der Vater im Zeitpunkt der Schenkung bereits 76 Jahre alt war und über kein weiteres Vermögen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit verfügte.
Das Erkenntnis vom 21.10.2015, Ro 2014/13/0038, basierte auf dem Sachverhalt, dass die Abgabepflichtige den Teil der Wohnhauses ihres verstorbenen Gatten im Erbwege annahm (ein vergleichbarer Sachverhalt war im zitierten Erkenntnis des BFG vom 10.05.2017, RV/2101811/2014 gegeben - dort nahm die Tochter die Eigentumswohnung der Eltern als Erbe an), welcher ihr und ihrem Sohn als Familienwohnsitz zur Deckung des Wohnbedürfnisses diente. Der VwGH hielt fest, dass eine außergewöhnliche Belastung nicht vorgelegen ist, da keine Verpflichtung der Witwe zum Antritt der Erbschaft bestand. Da der Erbschaftsantritt freiwillig erfolgte, fehlte das Merkmal der Zwangsläufigkeit. Zudem kann die Zwangsläufigkeit auch nicht darauf gestützt werden, dass die geerbten Liegenschaftsanteile zur Deckung des Wohnbedürfnisses dienen. Der Tragung von Wohnungskosten fehle nämlich das Element der Außergewöhnlichkeit.
Im gegenständlichen Beschwerdefall setzte der Bf. allerdings weder im Streitjahr noch in den Jahren davor oder danach ein freiwilliges Verhalten, das zur Vermögenslosigkeit seines Vaters und zur daraus folgenden Notwendigkeit der Unterhaltsleistung führte. Der Bf. nahm weder eine Schenkung von seinem Vater entgegen noch trat er nach dessen Ableben eine Erbschaft an. Insofern unterscheidet sich der vorliegenden Fall von jenen, die den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 21.11.2013, 2010/15/0130, und VwGH 21.10.2015, Ro 2014/13/0038, zugrunde lagen.
Zum Argument, dass dem Bf. jedenfalls ein Pflichtteil aus der Liegenschaft zugestanden wäre, und eine Absetzbarkeit der Pflegekosten daher jedenfalls erst dann bestehe, wenn der anteilige Pflichtteil an der Liegenschaft, auf den der Bf. Anspruch habe, durch die pflegebedingten Zahlungen überschritten worden sei, ist zu entgegnen:
Laut Beschluss des Bezirksgericht Graz-Ost vom xxx 2013, Gz xxx, fand eine Verlassenschaftsabhandlung gem. § 153 AußStrG nicht statt, da das Aktivvermögen den Wert von 4.000,00 Euro nicht überstiegen hat und wurde die Verfügung über das Verlassenschaftsvermögen iHv 434,63 Euro dem Bruder des Bf., der die Bestattungskosten bezahlt hatte, erteilt.
Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, dass der Bf. Pflichtteilsberechtigter ist und aufgrund § 785 ABGB iVm § 951 ABGB aF (vor BGBI I 87/2015) der Pflichtteilsberechtigte so zu stellen ist, wie er stünde, wenn die Schenkung unterblieben wäre (zB OGH 19.04.2012, 7Ob248/11p). Allerdings ist bei der Berechnung vom Wert der Liegenschaften im Übergabezeitpunkt die übernommenen Verbindlichkeiten abzuziehen, und ergibt sich daraus der Wert des Schenkungsanteils, aus welchem sich in Folge die Schenkungsquote - das Verhältnis des Schenkungsanteils zum Gesamtwert - in % errechnet. Der für die Pflichtteilsbemessung maßgebende Wert des Schenkungsanteils errechnet sich mit diesem %-Wert der Liegenschaften im Zeitpunkt des Erbanfalls (vgl. OGH 26.06.2018, 2Ob91/18y mwH). Im Beschwerdefall ergibt sich, dass die zum Zeitpunkt der Schenkung auf der Liegenschaft lastenden Pfandrechte zugunsten der Bank1 deutlich den einfachen Einheitswert - und im Übrigen auch den dreifachen Einheitswert iSd § 167 Abs. 2 AußStrG - überstiegen haben, sodass mangels positiver Bemessungsgrundlage kein Schenkungspflichtteil besteht.
Wenn schließlich in der Stellungnahme des Finanzamtes vom 27. Juni 2017 die Bestimmung der Rz 823 LStR 2002 herangezogen wird, so ist auszuführen, dass der zitierte Absatz 3 der Rz 823 davon ausgeht, dass schon vor einer Vermögensübertragung/Erbschaft bei den potentiellen gesetzlichen Erben, im Regelfall den Kindern, im Hinblick auf die in der Zukunft uU gegenüberstehenden "Bereicherung" eine außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen sei. Diese Ansicht der Finanzverwaltung, die sich im Übrigen auf keine Rechtsprechung des VwGH stützen kann, wird vom Bundesfinanzgericht unter Verweis auf Jakom/Peyerl, EStG 2019, § 34 Rz 27 m.w.Verw., als "zu weitgehend" angesehen (so auch BFG vom 16.03.2018, RV/7103337/2017). Vom Bundesfinanzgericht wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass sich uU aufgrund der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderten Einzelfallbetrachtung eine andere Sichtweise ergeben kann (vgl. das vom Finanzamt herangezogene abweisende Erkenntnis des BFG vom 10.05.2017, RV/2101811/2014, wobei in dieser Causa die Beschwerdeführerin eine Erbschaft angenommen und ein Vermögensübergang stattgefunden hatte).
Unbestritten ist, dass dem Bf. weder vor, noch während oder nach der Heimunterbringung seines Vaters von diesem Vermögen übertragen wurde. Eine Gegenüberstellung der Kosten der Heimunterbringung mit dem Verkehrswert der an den Bruder des Bf. übertragenen Liegenschaft hat nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht zu erfolgen.
Der Bf. erzielte im Streitjahr ein zu versteuerndes Einkommen (vor Abzug der außergewöhnlichen Belastung) in Höhe von 120.170,21 Euro. Da er zur Unterhaltsleistung gemäß § 143 ABGB verpflichtet war, sein Bruder hingegen nicht, war die Tragung der Kosten für die Heimunterbringung seines Vaters in Höhe von 15.778,93 Euro für ihn zwangsläufig. Da es sich dabei um Aufwendungen handelt, die auch beim Bf. selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden, war dieser Betrag gemäß § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 zu berücksichtigen.
Übersicht: | Einkommensteuerbescheid 20.3.2014 | lt. Erkenntnis |
Festgesetzte Einkommensteuer | 49.651,00 | 47.169,00 |
bisher vorgeschrieben | 42.390,00 | 42.390,00 |
Nachforderung | 7.261,00 | 4.779,00 |
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die Erledigung der gegenständlichen Bescheidbeschwerde unter Zugrundelegung der bereits für den Beschwerdefall mit Erkenntnis vom 20.11.2019, Ro 2018/15/0024, klargestellten Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes im Wege der Beweiswürdigung zu lösen war, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.
Graz, am 15. Mai 2020
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 143 Abs. 3 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 |
Verweise: | VwGH 21.11.2013, 2010/15/0130 |