62. Verordnung der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus über die Begrenzung von Abwasseremissionen aus der Herstellung von Zellstoff und Papier (AEV Zellstoff und Papier)
Auf Grund der §§ 33b Abs. 3, 4, 5 und 7 sowie 33c Abs. 1 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215/1959, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 58/2017, wird im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort verordnet:
§ 1. (1) Im Sinne dieser Verordnung gilt als:
a) Altpapierstoff: aus Altpapier durch Aufbereitungsverfahren für die Papierherstellung geeignet gemachter Faserstoff;
b) Holzstoff: ganz oder im Wesentlichen mit mechanischen Mitteln aus Holz hergestellte Fasermaterialien mit Ausnahme von Chemischem Holzstoff und Chemo-Refiner-Holzstoff (CMP), sowie von Chemo-Thermo-Refiner Holzstoff (CTMP);
c) Papier: Papier, Karton oder Pappe;
d) Zellstoff: aus dem Rohstoff Holz nach dem Sulfat- oder Sulfitverfahren hergestellter Zellstoff, CMP oder CTMP.
(2) Die Verordnung gilt für Einleitungen von Abwasser in ein Fließgewässer oder in eine öffentliche Kanalisation, wenn der einleitende Betrieb oder die Anlage einer oder mehreren der folgenden Tätigkeiten dient:
- 1. Herstellen von Zellstoff,
- 2. Gewinnen von Wertstoffen aus der Kochflüssigkeit des Rohstoffaufschlusses aus Tätigkeiten der Z 1,
- 3. Rückgewinnen von Energie und Aufschlusschemikalien aus der Kochflüssigkeit des Rohstoffaufschlusses aus Tätigkeiten der Z 1,
- 4. Herstellen von Holzstoff und Altpapierstoff,
- 5. Herstellen von Papier aus Zellstoff, Holzstoff oder Altpapierstoff,
- 6. Herstellen von Asbestpapier,
- 7. Reinigen von Abluft und wässrigen Kondensaten aus Tätigkeiten der Z 1 bis 3 oder
- 8. Reinigen von Abluft und wässrigen Kondensaten aus Tätigkeiten der Z 4 bis 6.
(3) Bei der wasserrechtlichen Bewilligung von Einleitungen gilt:
- 1. Für Einleitungen von Abwasser aus Betrieben oder Anlagen mit Tätigkeiten gemäß Abs. 2 Z 1 bis 3 und Z 7 in ein Fließgewässer oder in eine öffentliche Kanalisation sind - sofern nicht Z 2 etwas anderes regelt - die in den Anlagen A oder B festgelegten Emissionsbegrenzungen vorzuschreiben.
- 2. Für rechtmäßig bestehende Einleitungen von Abwasser aus Betrieben oder Anlagen mit einer Tätigkeit gemäß Abs. 2 Z 1 bis 3 und Z 7, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung AEV Gebleichter Zellstoff, BGBl. II Nr. 219/2000, bereits wasserrechtlich bewilligt waren (Einleitung aus einer bestehenden Anlage gemäß § 33b Abs. 3 dritter Satz WRG 1959), in ein Fließgewässer sind die in den jeweiligen Fußnoten der Anlage A festgelegten Emissionsbegrenzungen vorzuschreiben, sofern nicht die ihrer wasserrechtlichen Bewilligung zu Grunde liegende maximale Tagesproduktionskapazität um mehr als 25% jene maximale Tagesproduktionskapazität überschreitet, die am 18. Juli 2001 wasserrechtlich bewilligt war. In einem solchen Fall gelten die Emissionsbegrenzungen der Z 1.
- 3. Für Einleitungen von Abwasser aus Betrieben oder Anlagen mit Tätigkeiten gemäß Abs. 2 Z 4 bis 6 und Z 8 in ein Fließgewässer oder in eine öffentliche Kanalisation sind die in den Anlagen C oder D festgelegten Emissionsbegrenzungen vorzuschreiben.
(4) Abs. 2 gilt nicht für die Einleitung von
- 1. Abwasser aus Kühlsystemen und Dampferzeugern ausgenommen Dampferzeuger gemäß Abs. 2 Z 3 (§ 4 Abs. 2 Z 4.1 AAEV),
- 2. Abwasser aus der Wasseraufbereitung (§ 4 Abs. 2 Z 4.4 AAEV),
- 3. häuslichem Abwasser aus Betrieben gemäß Abs. 2.
(5) Für Direkt- und Indirekteinleitungen gemäß Abs. 2 Z 1 bis 3 und Z 7 gilt, dass halogenierte organische Verbindungen, die durch eine Reaktion von Chlorgas (Cl2) oder unterchloriger Säure (HOCl) und ihrer Salze mit den organischen Bestandteilen der Rohstoffe entstehen, im Abwasser nicht enthalten sein dürfen; diese Anforderung gilt als eingehalten, wenn Chlorgas oder unterchlorige Säure und ihre Salze bei der Zellstoffbleiche nicht eingesetzt werden.
(6) Abwasser aus der Herstellung von Asbestpapier gemäß Abs. 2 Z 6 (§ 2 Abs. 3 zweiter Satz der Chemikalien-Verbotsverordnung 2003, BGBl. II Nr. 477/2003) darf grundsätzlich nicht in ein Fließgewässer oder eine öffentliche Kanalisation eingeleitet werden; ausgenommen ist Abwasser, welches bei der routinemäßigen Reinigung und Wartung der zur Herstellung von Asbestpapier verwendeten Anlagen anfällt (Richtlinie 87/217/EWG zur Verhütung und Verringerung der Umweltverschmutzung durch Asbest, ABl. Nr. L 85 vom 28.03.1987, S 40).
(7) Soweit diese Verordnung keine von der Allgemeinen Abwasseremissionsverordnung abweichende Regelung enthält, gilt die Allgemeine Abwasseremissionsverordnung, ausgenommen § 4 Abs. 7 AAEV hinsichtlich des Abwassers aus der Reinigung von Abluft und wässrigen Kondensaten, die bei Tätigkeiten des Abs. 2 anfallen.
(8) Sofern es bei einer rechtmäßig bestehenden Abwassereinleitung gemäß Abs. 2 für die Einhaltung der Emissionsbegrenzungen der Anlagen A bis D erforderlich ist oder sofern bei einer beantragten Abwassereinleitung gemäß Abs. 2 die Einhaltung der Emissionsbegrenzungen der Anlagen A bis D nicht durch andere Maßnahmen gewährleistet ist, können unter anderem die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse von Betrieben oder Anlagen gemäß Abs. 2 betreffende Maßnahmen gemäß Anlage E entweder bei alleinigem oder bei kombiniertem Einsatz in Betracht gezogen werden (Stand der Vermeidungs-, Rückhalte- und Reinigungstechnik).
§ 2. Durch nachstehend genannte Parameter der Anlagen A bis D werden gefährliche Abwasserinhaltsstoffe gemäß § 33b Abs. 2 und 11 WRG 1959 erfasst: Toxizität und AOX.
§ 3. (1) Eine Abwassereinleitung gemäß § 1 Abs. 2 in ein Fließgewässer oder in eine öffentliche Kanalisation ist unter Bedachtnahme auf § 3 Abs. 10 AAEV an Hand der eingeleiteten Tagesfrachten (§ 6 AAEV) und eingeleiteten Jahresfrachten der Abwasserinhaltsstoffe zu beurteilen.
(2) Die höchstzulässige Tagesfracht eines als produktionsspezifische Fracht begrenzten Abwasserinhaltsstoffes ergibt sich durch Multiplikation der Emissionsbegrenzung aus der jeweiligen Tabelle 1 (Tageswert) der Anlagen A bis D mit der der wasserrechtlichen Bewilligung zu Grunde liegenden Größe der maximalen Tagesproduktionskapazität eines Zellstoff bzw. der maximalen Brutto- Tagesproduktionskapazität eines Papier herstellenden Betriebes oder einer solchen Anlage (ausgedrückt in Tonnen lufttrockenem Zellstoff bzw. Papier pro Tag).
(3) Die höchstzulässige Jahresfracht eines als produktionsspezifische Fracht begrenzten Abwasserinhaltsstoffes ergibt sich durch Multiplikation der Emissionsbegrenzung aus der jeweiligen Tabelle 2 (Jahreswert) der Anlagen A bis D mit der tatsächlichen Netto-Jahresproduktion eines Zellstoff oder Papier herstellenden Betriebes oder einer solchen Anlage (ausgedrückt in Tonnen lufttrockenem Zellstoff bzw. Papier pro Jahr).
§ 4. (1) Tageswerte und Jahreswerte sind einzuhalten. Ein Nachweis über die Einhaltung der Tageswerte ist im Rahmen der Eigenüberwachung und im Rahmen der Fremdüberwachung zu erbringen. Ein Nachweis über die Einhaltung der Jahreswerte ist im Rahmen der Eigenüberwachung zu erbringen. Sofern für einen Abwasserparameter sowohl ein Tageswert als auch ein Jahreswert vorgesehen ist, sind beide einzuhalten.
(2) In Bezug auf die Tageswerte gilt für die Eigenüberwachung:
- 1. Sofern in der Z 2 keine anderen Regelungen getroffen werden, gilt ein Tageswert als eingehalten, wenn bei fünf aufeinanderfolgenden Messungen vier Messwerte nicht größer sind als der Tageswert und lediglich ein Messwert den Tageswert um nicht mehr als 50% überschreitet („4 von 5“-Regel).
- 2. Bei den Parametern Temperatur und pH-Wert gilt der Tageswert als eingehalten, wenn er an 80% der Abwasserablaufzeit eines Tages unterschritten wird.
(3) In Bezug auf die Jahreswerte gilt für die Eigenüberwachung:
- 1. Sofern in der Z 2 keine anderen Regelungen getroffen werden, gilt ein Jahreswert als eingehalten, wenn die im Untersuchungsjahr tatsächlich eingeleitete Fracht nicht größer ist als die höchstzulässige Jahresfracht. Messwerte, die unterhalb der Bestimmungsgrenze liegen, sind auf den Wert 0 zu setzen.
- 2. Für den Parameter Abbaubarkeit - Zahn-Wellens-Test gilt ein Jahreswert als eingehalten, wenn der arithmetische Mittelwert aller Messwerte nicht kleiner ist als der Jahreswert.
(4) In Bezug auf die Tageswerte gilt für die Fremdüberwachung:
- 1. Sofern in der Z 2 keine anderen Regelungen getroffen werden, ist die Messung zu wiederholen, wenn bei bis zu viermal im Jahr durchgeführter Überwachung einer Einleitung ein Messwert eines Abwasserparameters ermittelt wird, der zwischen dem Tageswert und dessen 1,5fachem liegt. Ist bei der Wiederholungsmessung der Messwert nicht größer als der Tageswert, gilt der Tageswert als eingehalten. Bei häufigerer Überwachung im Jahr gilt die „4 von 5“-Regel gemäß Abs. 2.
- 2. Für die Parameter Temperatur und pH-Wert gilt Abs. 2 Z 2.
(5) Abweichend von § 7 Abs. 8 Z 1 AAEV gelten für Betriebe und Anlagen gemäß § 33c Abs. 6 Z 1 oder Z 2 WRG 1959 nachstehend genannte Mindesthäufigkeiten für maßgebliche Abwasserinhaltsstoffe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 AAEV im Rahmen der Eigenüberwachung:
- 1. kontinuierliche Messung des Abwasseranfalles, der Abwassertemperatur und des pH-Wertes,
- 2. tägliche Messung des Parameters Abfiltrierbare Stoffe,
- 3. tägliche Messung des Parameters Chemischer Sauerstoffbedarf oder, alternativ dazu, Gesamter org. geb. Kohlenstoff,
- 4. wöchentliche Messung der Parameter Biochemischer Sauerstoffbedarf, Gesamter geb. Stickstoff, Phosphor-Gesamt,
- 5. monatliche Messung des Parameters AOX bei Herstellung von elementarchlorfrei (ECF) gebleichtem Sulfatzellstoff,
- 6. alle zwei Monate eine Messung des Parameters AOX bei Herstellung von ECF-gebleichtem Sulfit- oder Magnefitzellstoff oder von Papier.
(6) Probenahme und Analyse für einen Abwasserparameter der Anlagen A bis D sind bei der Eigenüberwachung und bei der Fremdüberwachung gemäß § 7 Abs. 4 AAEV sowie gemäß den in Anlage F enthaltenen Methodenvorschriften durchzuführen.
§ 5. (1) Diese Verordnung tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Gleichzeitig treten die Verordnung über die Begrenzung von Abwasseremissionen aus der Erzeugung von gebleichtem Zellstoff, BGBl. II Nr. 219/2000, und die Verordnung über die Begrenzung von Abwasseremissionen aus der Herstellung von Papier und Pappe, BGBl. II Nr. 220/2000, außer Kraft.
(2) Für bei Inkrafttreten der Verordnung BGBl. II Nr. 62/2018 rechtmäßig bestehende Einleitungen gemäß § 1 Abs. 2 gilt Folgendes:
- 1. Wurde für die Einleitung noch nie eine erstmalige generelle Anpassung gemäß § 33c WRG 1959 ausgelöst und handelt es sich nicht um eine Anlage gemäß § 33c Abs. 6 Z 1 oder Z 2 WRG 1959, so hat sie gemäß § 33c Abs. 1 WRG 1959 nach Maßgabe des § 33c Abs. 6 WRG 1959 innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung den Emissionsbegrenzungen der Anlagen A bis D (für einen sonstigen Abwasserparameter gemäß § 4 Abs. 3 AAEV der entsprechenden Emissionsbegrenzung der Anlage A der AAEV) zu entsprechen. Wurde für die Einleitung noch nie eine erstmalige generelle Anpassung gemäß § 33c WRG 1959 ausgelöst und handelt es sich um eine Anlage gemäß § 33c Abs. 6 Z 1 oder Z 2 WRG 1959, so hat die Einleitung gemäß § 33c Abs. 1 WRG 1959 nach Maßgabe des § 33c Abs. 6 WRG 1959 innerhalb von vier Jahren nach der Veröffentlichung des Durchführungsbeschlusses der Kommission über Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) gemäß der Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (im Folgenden: IE-Richtlinie), ABl. Nr. L 334 vom 17.12.2010 S. 17, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 158 vom 19.06.2012 S. 25, in Bezug auf die Herstellung von Zellstoff, Papier und Karton (ABl. L 284 vom 30.9.2014, S 76) den Emissionsbegrenzungen der Anlagen A bis D (für einen sonstigen Abwasserparameter gemäß § 4 Abs. 3 AAEV der entsprechenden Emissionsbegrenzung der Anlage A der AAEV) zu entsprechen.
- 2. Wurde für die Einleitung bereits einmal eine generelle Anpassungspflicht gemäß § 33c Abs. 1 WRG 1959 ausgelöst und handelt es sich um eine Anlage gemäß § 33c Abs. 6 Z 1 oder Z 2 WRG 1959, so hat die Einleitung gemäß § 33c Abs. 1 WRG 1959 nach Maßgabe des § 33c Abs. 6 WRG 1959 innerhalb von vier Jahren nach der Veröffentlichung des Durchführungsbeschlusses der Kommission über Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) gemäß der IE-Richtlinie in Bezug auf die Herstellung von Zellstoff, Papier und Karton den Emissionsbegrenzungen der Anlagen A bis D (für einen sonstigen Abwasserparameter gemäß § 4 Abs. 3 AAEV der entsprechenden Emissionsbegrenzung der Anlage A der AAEV) zu entsprechen.
§ 6. Durch diese Verordnung werden die Vorgaben folgender Rechtsakte der Europäischen Union hinsichtlich Industrieemissionen umgesetzt:
- 1. IE-Richtlinie,
- 2. Durchführungsbeschluss der Kommission über Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) gemäß der IE-Richtlinie in Bezug auf die Herstellung von Zellstoff, Papier und Karton.
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Köstinger
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