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BGBl II 117/2017

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

117. Verordnung: Investmentfonds-Liquiditätsrisikomanagementverordnung - InvF-LRMV

117. Verordnung der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) über den Risikomanagementprozess für Liquiditätsrisiken von Investmentfonds (Investmentfonds-Liquiditätsrisikomanagementverordnung - InvF-LRMV)

Auf Grund des § 87 Abs. 3 Z 3 des Investmentfondsgesetzes 2011 - InvFG 2011, BGBl. I Nr. 77/2011, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 118/2016, wird verordnet:

Zweck

§ 1. Diese Verordnung dient der Festlegung von Kriterien, die ein angemessener Risikomanagementprozess für Liquiditätsrisiken gemäß § 88 InvFG 2011 zu erfüllen hat.

Anwendungsbereich

§ 2. Die Bestimmungen dieser Verordnung sind von Verwaltungsgesellschaften bei der Verwaltung von Organismen zur gemeinsamen Veranlagung in Wertpapieren (OGAW) einzuhalten. Auf Organismen für gemeinsame Anlagen, die gemäß dem 3. Teil 1. Hauptstück des InvFG 2011 gebildet werden, findet diese Verordnung keine Anwendung.

Anforderungen an das Liquiditätsrisikomanagement

§ 3. (1) Die Verwaltungsgesellschaft hat für jeden OGAW einen Risikomanagementprozess für Liquiditätsrisiken einzurichten, der der Anlagestrategie, dem Liquiditätsprofil und den Rücknahmegrundsätzen Rechnung trägt.

(2) Der Risikomanagementprozess für Liquiditätsrisiken hat zumindest sicherzustellen, dass

  1. 1. der OGAW eine den zugrunde liegenden Verbindlichkeiten angemessene Liquiditätshöhe beibehält, die auf einer Bewertung der relativen Liquidität der Vermögenswerte des OGAW am Markt basiert. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Liquiditätshöhe ist der für die Liquidierung erforderlichen Zeit, dem Preis oder Wert, zu dem die Vermögenswerte liquidiert werden können, sowie der Sensitivität der Vermögenswerte hinsichtlich anderer Marktrisiken oder Faktoren Rechnung zu tragen;
  2. 2. die Verwaltungsgesellschaft das Liquiditätsprofil des Vermögenswertportfolios des OGAW im Hinblick auf folgende Aspekte überwacht:
    1. a) den marginalen Beitrag einzelner Vermögenswerte, die wesentliche Auswirkungen auf die Liquidität des OGAW haben könnten;
    2. b) die wesentlichen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen, inklusive Eventualverbindlichkeiten und -verpflichtungen, die der OGAW bezüglich seiner zugrunde liegenden Verbindlichkeiten eingegangen sein könnte.

  1. 3. die Verwaltungsgesellschaft bei Anlagen des OGAW in andere Organismen für gemeinsame Anlagen den von den Vermögensverwaltern dieser anderen Organismen für gemeinsame Anlagen verfolgten Ansatz beim Liquiditätsmanagement überwacht, einschließlich durch die Durchführung regelmäßiger Prüfungen. Dabei sind zumindest die Anlagestrategie sowie die Rücknahmebestimmungen für die zugrunde liegenden Organismen für gemeinsame Anlagen, in die der OGAW investiert, und Änderungen dieser Umstände zu überwachen. Vorbehaltlich des § 88 Abs. 1 InvFG 2011 entfällt diese Verpflichtung, wenn die anderen Organismen für gemeinsame Anlagen, in die der OGAW investiert, aktiv auf einem geregelten Markt im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. Nr. L 173 vom 12.06.2014 S. 349, in der Fassung der Richtlinie (EU) 2016/1034, ABl. Nr. L 175 vom 30.06.2016 S. 8, oder einem gleichwertigen Markt eines Drittlands gehandelt werden;
  2. 4. die Verwaltungsgesellschaft angemessene Liquiditätsmessvorkehrungen und -verfahren umsetzt und aufrechterhält, die geeignet sind, die quantitativen und qualitativen Risiken von Positionen und beabsichtigten Investitionen zu bewerten, die wesentliche Auswirkungen auf das Liquiditätsprofil des Vermögenswertportfolios des OGAW im Hinblick auf das Gesamtliquiditätsprofil des OGAW haben;
  3. 5. die Verwaltungsgesellschaft über angemessene Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf die Liquidität der Vermögenswerte verfügt, in die der OGAW investiert hat oder in die eine Investition intendiert ist, einschließlich gegebenenfalls in Bezug auf das Handelsvolumen und die Preissensitivität und je nach Fall auf die Spreads einzelner Vermögenswerte, jeweils sowohl unter normalen als auch unter außergewöhnlichen Umständen;
  4. 6. die Verwaltungsgesellschaft die für die Steuerung des Liquiditätsrisikos jedes verwalteten OGAW erforderlichen Instrumente und Vorkehrungen berücksichtigt und umsetzt. Die Verwaltungsgesellschaft ermittelt die Umstände, unter denen diese Instrumente und Vorkehrungen sowohl unter normalen als auch unter außergewöhnlichen Umständen eingesetzt werden können und berücksichtigt dabei die faire Behandlung aller Anteilinhaber in Bezug auf jeden verwalteten OGAW. Der Risikomanagementprozess für Liquiditätsrisiken darf derartige Instrumente und Vorkehrungen nur vorsehen, wenn eine angemessene Offenlegung im Prospekt gemäß § 131 InvFG 2011 vorgenommen wurde.

(3) Die Verwaltungsgesellschaft dokumentiert ihren Risikomanagementprozess für Liquiditätsrisiken gemäß Abs. 1 und 2, überprüft ihn mindestens einmal jährlich und aktualisiert ihn bei Änderungen oder neuen Vorkehrungen.

(4) Die Verwaltungsgesellschaft berücksichtigt in ihrem Liquiditätsmanagementsystem und in ihrem Risikomanagementprozess für Liquiditätsrisiken gemäß Abs. 1 und 2 angemessene Eskalationsmaßnahmen, um zu erwartende oder tatsächliche Liquiditätsengpässe oder andere Notsituationen des OGAW zu bewältigen.

Limits und Stresstests

§ 4. (1) Die Verwaltungsgesellschaft setzt unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs und der Komplexität jedes von ihr verwalteten OGAW im Einklang mit den zugrunde liegenden Verbindlichkeiten und den Rücknahmegrundsätzen sowie den in den §§ 86 und 87 InvFG 2011 vorgesehenen Anforderungen im Zusammenhang mit den quantitativen und qualitativen Risikolimits adäquate Limits für die Liquidität oder Illiquidität jedes von ihr verwalteten OGAW.

(2) Die Verwaltungsgesellschaft überwacht die Einhaltung von gemäß Abs. 1 festgesetzten Limits und legt im Falle einer Überschreitung oder drohenden Überschreitung der Limits die erforderliche Vorgehensweise fest. Bei der Festlegung der erforderlichen Vorgehensweise berücksichtigt die Verwaltungsgesellschaft die Angemessenheit des Risikomanagementprozesses für Liquiditätsrisiken gemäß § 3, die Angemessenheit des Liquiditätsprofils der Vermögenswerte des OGAW und die Auswirkungen von Rücknahmeforderungen in atypischer Höhe.

(3) Die Verwaltungsgesellschaft führt unter Zugrundelegung von sowohl normalen als auch außergewöhnlichen Umständen regelmäßig Stresstests durch, mit denen sie die Liquiditätsrisiken jedes von ihr verwalteten OGAW bewerten kann. Die Stresstests

  1. 1. werden auf der Grundlage zuverlässiger und aktueller quantitativer oder, falls dies nicht angemessen ist, qualitativer Informationen durchgeführt;
  2. 2. simulieren jedenfalls mangelnde Liquidität der Vermögenswerte im OGAW sowie atypische Rücknahmeforderungen;
  3. 3. decken Marktrisiken und deren Auswirkungen, einschließlich der Auswirkungen auf Besicherungsanforderungen oder Kreditlinien ab;
  4. 4. tragen Bewertungssensitivitäten unter Stressbedingungen Rechnung; und
  5. 5. werden unter Berücksichtigung der Anlagestrategie, des Liquiditätsprofils, der Anteilinhaberart und der Rücknahmegrundsätze des OGAW in einer der Art des OGAW angemessenen Häufigkeit, jedoch mindestens monatlich, durchgeführt.

(4) Verwaltungsgesellschaften handeln im Hinblick auf das Ergebnis von Stresstests im besten Interesse der Anteilinhaber.

Kohärenz von Anlagestrategie, Liquiditätsprofil und Rücknahmegrundsätzen

§ 5. Die Verwaltungsgesellschaft hat sicherzustellen, dass das Liquiditätsprofil der Vermögenswerte des OGAW mit der Anlagestrategie und den Rücknahmegrundsätzen im Einklang steht, sodass die Anteilinhaber die Möglichkeit haben, ihre Anlagen in einer der fairen Behandlung aller Anteilinhaber des OGAW entsprechenden Art und im Einklang mit den Rücknahmegrundsätzen des OGAW und seinen Verpflichtungen zurückzugeben. Dabei berücksichtigt die Verwaltungsgesellschaft die Auswirkungen, die Rücknahmen auf die zugrunde liegenden Preise oder Spreads der einzelnen Vermögenswerte des OGAW haben könnten.

Inkrafttreten

§ 6. Diese Verordnung tritt mit 1. Juli 2017 in Kraft.

Ettl Kumpfmüller

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