vorheriges Dokument
nächstes Dokument

BGBl I 47/2013

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

47. Bundesgesetz: Durchführung unmittelbar anwendbarer unionsrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes
(NR: GP XXIV RV 2014 AB 2106 S. 185 . BR: AB 8877 S. 816 .)

47. Bundesgesetz zur Durchführung unmittelbar anwendbarer unionsrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes

Der Nationalrat hat beschlossen:

1. Hauptstück

Allgemeine Bestimmungen

Geltungsbereich und Ziel

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz dient der Durchführung der im Anhang angeführten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union auf dem Gebiet des Tierschutzes.

(2) Die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Gesundheit hat den Anhang durch Verordnung - sofern die Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren erfasst ist, im Einvernehmen mit der Bundesministerin bzw. dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft - zu aktualisieren und ergänzen.

Vollzug

§ 2. (1) Soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, ist Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes die Bezirksverwaltungsbehörde.

(2) Gegen Entscheidungen der Behörde in Verfahren nach diesem Bundesgesetz kann Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat im Land erhoben werden.

(3) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben beim Vollzug dieses Bundesgesetzes insoweit mitzuwirken, als dieser im Rahmen der ihnen gemäß § 34 Tierschutzgesetz (TSchG), BGBl. I Nr. 118/2004 Art. 2, übertragenen Mitwirkungspflicht erfolgt.

(4) Hinsichtlich der behördlichen Überwachung der Einhaltung dieses Bundesgesetzes ist gemäß §§ 35 bis 37 TSchG vorzugehen. Nähere Bestimmungen über die Kontrollen auf Schlachthöfen und die Personen, die diese durchführen, sind von der Bundesministerin bzw. vom Bundesminister für Gesundheit im Einvernehmen mit der Bundesministerin bzw. dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft durch Verordnung festzulegen.

Tierschutzombudsmann

§ 3. (1) Der gemäß § 41 TSchG bestellte Tierschutzombudsmann hat folgende Aufgaben, Rechte und Pflichten auch im Rahmen dieses Bundesgesetzes:

  1. 1. Der Tierschutzombudsmann hat die Aufgabe, die Interessen des Tierschutzes zu vertreten.
  2. 2. Der Tierschutzombudsmann hat in Verwaltungsverfahren einschließlich Verwaltungsstrafverfahren nach diesem Bundesgesetz Parteistellung. Er ist berechtigt, in alle Verfahrensakten Einsicht zu nehmen sowie alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Die Behörden haben den Tierschutzombudsmann bei der Ausübung seines Amtes zu unterstützen.
  3. 3. Der Tierschutzombudsmann hat der Landesregierung über seine Tätigkeit zu berichten.

(2) In Ausübung seines Amtes unterliegt der Tierschutzombudsmann keinen Weisungen.

Strafbestimmungen

§ 4. (1) Wer gegen die Bestimmungen der im Anhang genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union oder gegen die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verstößt, indem er einem Tier entgegen § 5 TSchG ungerechtfertigte Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 7 500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 15 000 Euro zu bestrafen.

(2) In schweren Fällen der Tierquälerei ist eine Strafe von mindestens 2 000 Euro zu verhängen.

(3) Wer außer in den Fällen der Abs. 1 und 2 gegen eine Bestimmung der im Anhang genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union oder gegen dieses Bundesgesetzes verstößt oder gegen auf dieses Bundesgesetz gegründete Verwaltungsakte verstößt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 3 750 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 7 500 Euro zu bestrafen.

(4) Nach Abs. 1 bis 3 ist auch zu bestrafen, wer es duldet, dass eine seiner Aufsicht und Weisung unterstehende Person den im Anhang genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Union, diesem Bundesgesetz oder den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den in Bescheiden enthaltenen Anordnungen zuwiderhandelt, obwohl sie bzw. er die Tat hätte verhindern können.

(5) Der Versuch ist strafbar.

(6) Die Behörde hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 3, sofern sie nicht nach § 21 Abs. 1a des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52, vorgeht, ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn das Verschulden der Beschuldigten bzw. des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung für das Wohlbefinden der betroffenen Tiere unbedeutend sind. Die Behörde hat die Beschuldigte bzw. den Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres bzw. seines Verhaltens mit Bescheid zu ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um die Beschuldigte bzw. den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Unter den in diesem Absatz angeführten Voraussetzungen können die Kontrollorgane gemäß § 35 TSchG von der Erstattung einer Anzeige, erforderlichenfalls nach Herstellung des rechtmäßigen Zustandes durch die Beanstandete bzw. den Beanstandeten, absehen; sie haben die Täterin bzw. den Täter in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam zu machen.

(7) Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn eine in Abs. 1 bis 3 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Verfall

§ 5. Gegenstände, die zur Übertretung der im Anhang genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union in Verbindung mit diesem Bundesgesetz verwendet wurden, sind für verfallen zu erklären, wenn zu erwarten ist, dass der Täter sein strafbares Verhalten fortsetzen oder wiederholen wird.

2. Hauptstück

Besondere Bestimmungen zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009

Leitfäden

§ 6. (1) Zur Ausarbeitung von Leitfäden gemäß Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (ABl. Nr. L 303 vom 18.11.2011 S. 1) sind die Wirtschaftskammer Österreich und die Landwirtschaftskammer Österreich berechtigt.

(2) Die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Gesundheit hat die Leitfäden zu prüfen und im Zuge dessen gegebenenfalls zu überarbeiten oder zu ergänzen. Dabei sind der Tierschutzrat gemäß § 42 TSchG und der Vollzugsbeirat gemäß § 42a TSchG zu hören. Die geprüften Leitfäden sind von der Bundesministerin bzw. vom Bundesminister für Gesundheit der Europäischen Kommission zu übermitteln und auf der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit zu veröffentlichen.

(3) Werden von der Wirtschaftskammer Österreich oder der Landwirtschaftskammer Österreich keine Leitfäden vorgelegt, obliegt die Ausarbeitung dieser der Bundesministerin bzw. dem Bundesminister für Gesundheit.

Kontaktstelle

§ 7. (1) Kontaktstelle gemäß Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 ist das Bundesministerium für Gesundheit.

(2) Die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Gesundheit kann Personen oder Institutionen mit der Erstellung von wissenschaftlichen Gutachten gemäß Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 beauftragen.

Durchführung von Schulungen und Prüfungen und Ausstellung von Sachkundenachweisen

§ 8. (1) Die Programme für die Schulungen, die Inhalte und die Modalitäten der Prüfungen gemäß Art. 21 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 werden basierend auf Vorschlägen der Wirtschaftskammer Österreich und der Landwirtschaftskammer Österreich von der Bundesministerin bzw. dem Bundesminister für Gesundheit durch Verordnung geregelt.

(2) Die Organisation und Durchführung von Schulungen und Prüfungen gemäß Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 hat durch die Wirtschaftskammern und die Landwirtschaftskammern oder durch Fortbildungsinstitute dieser Einrichtungen oder durch sonstige in der Verordnung gemäß Abs. 6 genannte einschlägige Ausbildungsstätten zu erfolgen. Diese haben jeweils eine Liste über die ausgestellten Zeugnisse zu führen. Den Behörden sind auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in die Liste zu gewähren oder die Liste in ihrer Gesamtheit zu übermitteln.

(3) Mit dem Zeugnis über die erfolgreiche Absolvierung der Schulung mit Abschlussprüfung ist bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Wohnsitzes ein Sachkundenachweis gemäß Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 zu beantragen. Personen, die eine entsprechende Schulung durch ein Zeugnis nachweisen können, aber keinen Wohnsitz in Österreich haben, haben den Sachkundenachweis bei der nach dem Ort der Verrichtung ihrer Arbeit örtlich zuständigen Behörde zu beantragen.

(4) Die Behörden gemäß Abs. 3 stellen die Sachkundenachweise aus. Dabei sind neben den verpflichtenden Angaben gemäß Art. 21 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 folgende personenbezogene Daten anzuführen:

  1. 1. Vor- und Nachname,
  2. 2. Geburtsdatum der Inhaberin bzw. des Inhabers,
  3. 3. Wohnsitzadresse.

(5) Die Behörden gemäß Abs. 3 haben jeweils eine Liste über die ausgestellten Sachkundenachweise zu führen und diese aktuell zu halten.

(6) Die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Gesundheit hat durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Erlangung von Sachkundenachweisen, die Anrechnung von einschlägigen Ausbildungen und die Form der Sachkundenachweise zu regeln.

(7) Kopien der Sachkundenachweise des Personals haben in den Schlachthöfen aufzuliegen. Der Behörde ist Einsicht zu gewähren.

(8) Die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Gesundheit hat die Kontaktdaten der in Abs. 1 genannten Stellen auf der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit zu veröffentlichen.

(9) Bis 8. Dezember 2015 ist die Erlangung eines Sachkundenachweises möglich, wenn eine Person mit entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten gemäß § 7 iVm Anhang I der Tierschutz-Schlacht-Verordnung, BGBl. II Nr. 488/2004 idF BGBl. II Nr. 31/2006, drei Jahre Berufserfahrung nachweist und keine Gründe vorliegen, die gemäß § 9 Abs. 1 einen Entzug bedeuten würden.

Entzug von Sachkundenachweisen

§ 9. (1) Der Sachkundenachweis ist von der Behörde mit Bescheid zu entziehen, wenn

  1. 1. aufgrund von Kontrollen festgestellt wird, dass einer der in Art. 22 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 genannten Gründe vorliegt und einer Verwarnung durch die zuständige Behörde nicht nachgekommen wurde, oder
  2. 2. die Inhaberin bzw. der Inhaber des Sachkundenachweises wegen schwerwiegender Verstöße in Zusammenhang mit einer Tätigkeit im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009, dieses Bundesgesetzes oder des § 32 TSchG rechtskräftig bestraft wurde, oder
  3. 3. eine rechtskräftige Bestrafung gemäß § 222 StGB erfolgt ist, oder eine Bestrafung gemäß § 222 StGB nur wegen Fehlens der Zurechnungsfähigkeit unterblieben oder der Staatsanwalt aufgrund diversioneller Maßnahmen gemäß § 198 StPO von der Strafverfolgung zurückgetreten ist.

(2) In Fällen des Entzuges ist der Sachkundenachweis der Behörde unverzüglich abzuliefern. Wird der Sachkundenachweis nicht abgeliefert, so ist er gemäß dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zu entziehen. Die Behörde, die den Sachkundenachweis entzieht, hat, wenn es sich dabei nicht um die Behörde handelt, die diesen ausgestellt hat, dieser unverzüglich Mitteilung zu erstatten und den eingezogenen Sachkundenachweis zu übermitteln. Die Behörde, die den Sachkundenachweis ausgestellt hat, hat den Entzug des Sachkundenachweises unverzüglich in der Liste gemäß § 8 Abs. 5 zu vermerken.

(3) Die Wiedererlangung ist im Falle eines Entzuges aufgrund von Abs. 1 Z 1 möglich, wenn durch abermalige positive Absolvierung der Schulung mit Prüfung gemäß § 8 Abs. 2 nachgewiesen wird, dass ein Entzugsgrund nach Art. 22 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 nicht mehr vorliegt. Im Falle eines Entzuges gemäß Abs. 1 Z 2 ist die Wiederholung der Schulung mit Prüfung einmal möglich.

Verordnungsermächtigung

§ 10. Die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Gesundheit kann unter Bedachtnahme auf die Zielsetzungen des § 2 TSchG sowie den anerkannten Stand der Wissenschaft und Technologie nähere Vorschriften zur Durchführung der im Anhang genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union durch Verordnung erlassen. Sofern die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere betroffen ist, ist das Einvernehmen mit der Bundesministerin bzw. dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft herzustellen. Im Hinblick auf die Ausstattung von Schlachthöfen ist das Einvernehmen mit der Bundesministerin bzw. dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend herzustellen. Soweit nicht öffentliche Interessen die beschleunigte Erlassung erfordern, sind zu diesen Verordnungen vor Erlassung der Tierschutzrat (§ 42 TSchG) und der Vollzugsbeirat (§ 42a TSchG) zu hören.

3. Hauptstück

Schlussbestimmungen

Vollziehungsklausel

§ 11. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist, soweit nichts anderes bestimmt wird, die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Gesundheit betraut.

(2) Mit der Vollziehung des § 2 Abs. 3 ist die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Inneres betraut.

Verweise

§ 12. Soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Anhang

Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (ABl. Nr. L 303 vom 18.11.2011 S. 1).

Fischer

Faymann

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)