203. Verordnung der Bundesministerin für Justiz, mit der die Kanzlei- und Gerichtsvollzieher/innen-Ausbildungsverordnung geändert wird
Auf Grund der §§ 23 bis 31 und 281 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 120/2012, und des § 67 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl. Nr. 86, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 120/2012, wird verordnet:
Die Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Grundausbildung für den Kanzleidienst der Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie für den Gerichtsvollzieher/innendienst (Kanzlei- und Gerichtsvollzieher/innen-Ausbildungsverordnung - KGAV), BGBl. II Nr. 374/2012, wird wie folgt geändert:
1. Nach § 16 wird folgender § 16a samt Überschrift eingefügt:
„Zusatzausbildung für eine Verwendung im Justiz-Servicecenter
§ 16a. (1) Eine dauerhafte Verwendung auf einem Arbeitsplatz in einem Justiz-Servicecenter (JSC) setzt - neben der entsprechenden fachlichen und persönlichen Eignung - die erfolgreiche Absolvierung
- 1. einer fachdienstwertigen Grundausbildung nach der vorliegenden Verordnung oder nach gleichzuhaltenden Bestimmungen für den Kanzleifachdienst (§ 25 Abs. 3 Z 2) sowie
- 2. des im Folgenden näher geregelten Zusatz-Ausbildungscurriculums (ZAC) für die Bereiche
- a) Kommunikation und Kundenkontakte,
- b) Praxisbezogene Fragestellungen in kundenorientierten Bereichen,
- c) Informationstechnik-Anwendungen in der Justiz,
- d) Behördenaufbau und -zuständigkeiten sowie
- e) Fremdsprachkenntnisse
(2) Bedienstete des Fachdienstes, die eine nicht bloß vorübergehende Verwendung in einem JSC anstreben, haben vor einer Betrauung mit einem Arbeitsplatz in einem JSC ein ZAC im Ausmaß von insgesamt 16 Ausbildungstagen (einschließlich der Wiederholungs- und Prüfungs- bzw. Reflexionstage) mit je acht Unterrichtsstunden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu absolvieren.
(3) Das ZAC kann modular oder in Blockform sowie erforderlichenfalls auch für Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus unterschiedlichen Oberlandesgerichts- bzw. Oberstaatsanwaltschaftssprengeln durchgeführt werden.
(4) Im Einzelnen umfasst das ZAC die im Folgenden näher angeführten Gegenstände und Ausbildungsinhalte im Umfang der ausgewiesenen Stundenzahlen mit dem anzustrebenden Ausbildungsziel, die im Rahmen der Ausbildung für den Kanzleifachdienst erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Hinblick auf die spezifischen Anforderungen in einem JSC weiter zu vertiefen:
- 1. Kommunikation und Kundenkontakte (3 Schulungstage, 1 Wiederholungs- und Reflexionstag)
- a) Kommunikation mit Parteien und Parteienvertreter/innen,
- b) Kommunikationsstörungen und deren Bewältigung,
- c) Verhalten in Konfliktsituationen,
- d) Verhalten bei Stress,
- e) Deeskalation und Deeskalationsstrategien sowie
- f) Zeitmanagement und -einteilung;
- 2. Praxisbezogene Fragestellungen in kundenorientierten Bereichen (3 Schulungstage, 1 Wiederholungs- und Prüfungstag)
- a) Außerstreit- und Familienrecht,
- b) Zivil- und Exekutionsrecht,
- c) Grundbuch und Firmenbuch sowie
- d) Straf- und Strafvollzugsrecht;
- 3. Informationstechnik-Anwendungen in der Justiz (3 Schulungstage, 1 Wiederholungs- und Prüfungstag)
- a) Netzwerk Justiz und Verfahrensautomation Justiz,
- b) vertiefte Informationen aus den einzelnen IT-Anwendungen der Justiz,
- c) aktuelle technische Entwicklungen und neue Anwendungen in der Informations- und Kommunikationstechnik sowie
- d) Datenschutz und Datensicherheit;
- 4. Behördenaufbau und -zuständigkeiten (eineinhalb Schulungstage, ein halber Wiederholungs- und Prüfungstag)
- a) Aufbau und Organisation der Gerichte und staatsanwaltschaftlichen Behörden,
- b) Aufgaben und Zuständigkeiten der Justizanstalten im Überblick,
- c) Aufgaben und Zuständigkeiten des Bundesministeriums für Justiz im Überblick,
- d) Aufgaben der Justizverwaltung im Überblick,
- e) Aufgaben der Verwaltungsbehörden außerhalb der Justiz im Überblick,
- f) Aufgaben der Verwaltungsgerichte im Überblick und
- g) Beispiele für Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen den genannten Bereichen;
- 5. Fremdsprachkenntnisse (eineinhalb Schulungstage, ein halber Wiederholungs- und Reflexionstag)
- a) Abwicklung von Gesprächen mit nicht deutschsprachigen Personen und
- b) justizspezifische Begriffe im Englischen.
(5) Die Schulungen sind, soweit dies organisatorisch durchführbar und unter Wahrung der persönlichen Sphäre der Schulungsteilnehmer/innen vertretbar ist, mit größtmöglichem Praxisbezug durchzuführen.
(6) Über die in Abs. 1 Z 2 lit. b bis d (bzw. in Abs. 4 Z 2 bis 4) angeführten Bereiche des ZAC sind gemäß den Festlegungen dieser Verordnung und des Bundesministeriums für Justiz insgesamt drei Teilprüfungen abzulegen, wobei sowohl mündliche Prüfungen als auch praktische Tests (in Papierform oder als Onlinetest) in Betracht kommen. Hinsichtlich der Ausbildungsinhalte nach Abs. 1 Z 2 lit. a und e (bzw. nach Abs. 4 Z 1 und 5) sind anstelle von Prüfungen zusammen eineinhalb Wiederholungs- und Reflexionstage abzuhalten. Im Übrigen gelten für die Organisation und Durchführung der ZAC die Bestimmungen der vorliegenden Verordnung mit der Maßgabe sinngemäß, dass keine kommissionellen Prüfungen stattfinden, sondern die Teilprüfung jeweils von der, dem oder den Vortragenden (oder vom Bundesministerium für Justiz hierzu bestimmten geeigneten Personen) abgenommen werden. Erforderlichenfalls sind vom Bundesministerium für Justiz ergänzende Festlegungen zu treffen.
(7) Das ZAC gilt als erfolgreich abgeschlossen, wenn
- 1. alle drei Teilprüfungen erfolgreich absolviert wurden und
- 2. hinsichtlich der Teilbereiche nach Abs. 1 Z 2 lit. a und e (bzw. Abs. 4 Z 1 und 5) insgesamt eineinhalb Wiederholungs- und Reflexionstage besucht wurden.
Teilprüfungen nach Z 1 können jeweils zweimal wiederholt werden, wobei die zweite Wiederholung vor einem Prüfungssenat stattzufinden hat (§ 31 Abs. 7 BDG 1979). Zuständig ist in einem solchen Fall ein Prüfungssenat für die Kanzleifachprüfung. Der erfolgreiche Abschluss des gesamten ZAC ist in einem Prüfungszeugnis festzuhalten.
(8) Wie bereits im Rahmen der allgemeinen Ausbildung ist auch bei der Organisation und Umsetzung eines ZAC insbesondere den Anforderungen der gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis, den pädagogischen Erfordernissen sowie den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung zu tragen.
(9) Im Sinne des Abs. 8 ist insbesondere von geeigneten Ausbildungs- und Schulungsangeboten
- 1. der anderen Planstellenbereiche der Justiz und
- 2. des Bundes außerhalb der Justiz (wie etwa der Verwaltungsakademie des Bundes)
im größtmöglichen Umfang Gebrauch zu machen; auf diesen Gesichtspunkt ist auch bei der Auswahl von Vortragenden besonders Bedacht zu nehmen.
(10) Mit Zustimmung des Bundesministeriums für Justiz können von der jeweiligen Dienstbehörde nach Maßgabe des § 30 BDG 1979 auf die jeweiligen Teilbereiche des ZAC ganz oder teilweise angerechnet werden:
- 1. außerhalb einer Grundausbildung für die Entlohnungsgruppen v4 und v3 erfolgreich abgeschlossene Ausbildungen, Ausbildungsteile oder sonstige Qualifizierungsmaßnahmen und Berufserfahrungen sowie
- 2. im Rahmen von Seminaren und sonstigen Fortbildungsveranstaltungen (innerhalb oder auch außerhalb der Justiz, wie beispielsweise an der Verwaltungsakademie des Bundes) erfolgreich absolvierte Zusatzausbildungen, und zwar auch dann, wenn diese vor Beginn der Grundausbildung für die Entlohnungsgruppe v3 besucht wurden.
Dabei ist festzustellen, ob bzw. in welchem Umfang dadurch Elemente des ZAC ersetzt werden. Im Fall einer Anrechnung ist der Inhalt des angerechneten Teilbereichs nicht zum Gegenstand einer Teilprüfung zu machen.
2. Dem § 25 wird folgender Abs. 6 angefügt:
„(6) § 16a in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 203/2013 tritt mit 1. September 2013 mit der Maßgabe in Kraft, dass für Bedienstete, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits mit einem bewerteten Arbeitsplatz in einem JSC betraut sind, keine Verpflichtung zur Ablegung des ZAC besteht, doch bei Bedarf eine Teilnahme und Absolvierung auch von Teilen davon im Rahmen der Fortbildung ermöglicht werden soll.“
Karl
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