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BGBl II 258/2011

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

258. Verordnung: Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur
[CELEX-Nr.: 32008L0096]

258. Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur

Auf Grund des § 5d des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 62/2011, wird verordnet:

Folgenabschätzung hinsichtlich der Straßenverkehrssicherheit

§ 1. (1) Wesentliche Elemente der Folgenabschätzung hinsichtlich der Straßenverkehrssicherheit gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 des Bundesstraßengesetzes 1971 (BStG 1971), BGBl. Nr. 286, in der jeweils geltenden Fassung, sind

  1. 1. die Definition der Straßenverkehrssicherheitsziele,
  2. 2. die Beschreibung der Istsituation und der Nullvariante im Prognosezeitpunkt im Einflussbereich des Vorhabens und
  3. 3. die Erörterung der Folgen, die die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten in Bezug auf die Straßenverkehrssicherheit mit sich bringen.

(2) Die Folgenabschätzung hat alle Angaben zu enthalten, die für eine Kosten-Nutzen-Analyse der untersuchten Lösungsmöglichkeiten notwendig sind.

(3) Die Folgenabschätzung besteht in der Betrachtung der Verkehrsleistungen, der Unfallraten und der Unfallschwere in den jeweiligen Betrachtungsabschnitten, wobei zusätzlich insbesondere folgende Aspekte zu berücksichtigen sind:

  1. 1. geografische Lage (zB Erdrutsch-, Überschwemmungs- und Lawinengefahr),
  2. 2. Arten von Knoten und Abstand zwischen ihnen,
  3. 3. Fahrgeschwindigkeiten,
  4. 4. Straßenquerschnitt (zB Anzahl der Fahrstreifen, Breite der Fahrbahn, bauliche Mitteltrennung),
  5. 5. Trassierung in Lage und Höhe (Straßenachse).

(4) Für Vorhaben nach § 4 Abs. 3 BStG 1971 ist im Einreichprojekt eine vereinfachte Folgenabschätzung durchzuführen, welche die Elemente des Abs. 1 umfasst.

Straßenverkehrssicherheitsaudit

§ 2. (1) Der Bund (Bundesstraßenverwaltung) bestellt einen unabhängigen, gemäß § 5a oder § 5b BStG 1971 zertifizierten Straßenverkehrssicherheitsgutachter für die Durchführung des Straßenverkehrssicherheitsaudits gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4 BStG 1971. Dieser verfasst für jede Projektstufe einen Auditbericht, in dem er auf die sicherheitsrelevanten Entwurfsmerkmale hinweist. Beabsichtigt der Bund (Bundesstraßenverwaltung) einen vom Gutachter in seinem Bericht aufgezeigten Sicherheitsmangel nicht in der nächsten Projektstufe zu beheben, so hat er dies in einem Anhang zum Bericht darzulegen und zu begründen.

(2) Für die Projektphase „Einreichprojekt“ sind im Auditbericht insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  1. 1. Witterungsverhältnisse,
  2. 2. Fahrgeschwindigkeiten,
  3. 3. Straßenquerschnitt (Querschnittselemente),
  4. 4. räumliche Linienführung,
  5. 5. Sichtverhältnisse,
  6. 6. Gestaltung von Knoten,
  7. 7. Trassierungsparameter in Lage und Höhe,
  8. 8. Straßenseitenraum einschließlich Vegetation,
  9. 9. Ausstattung mit Parkplätzen.

(3) Für die Projektphase „Bauprojekt“ sind im Auditbericht insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  1. 1. Trassierung in Lage und Höhe,
  2. 2. Trassierungsparameter,
  3. 3. räumliche Linienführung,
  4. 4. Sichtverhältnisse,
  5. 5. Gestaltung von Knoten,
  6. 6. übereinstimmende Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen,
  7. 7. Straßenbeleuchtung,
  8. 8. Straßenausstattung,
  9. 9. Straßenseitenraum einschließlich Vegetation,
  10. 10. feststehende Hindernisse neben der Straße,
  11. 11. ordnungsgemäße Ausstattung der Parkplätze,
  12. 12. Berücksichtigung ungeschützter Verkehrsteilnehmer (Motorradfahrer),
  13. 13. benutzerfreundliche Anpassung von Fahrzeugrückhaltesystemen (Mittelstreifen und Schutzeinrichtungen zur Vermeidung einer Gefährdung ungeschützter Verkehrsteilnehmer).

(4) Für die Projektphase „Fertigstellung des Baus“ sind im Auditbericht insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  1. 1. zusätzliche Ausstattungen im Straßenraum,
  2. 2. Sicherheit der Verkehrsteilnehmer und Sichtverhältnisse bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen (zB Dunkelheit, Regen, Nebel),
  3. 3. Erkennbarkeit von Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen,
  4. 4. Zustand der Straßendecke.

(5) Der Bund (Bundesstraßenverwaltung) hat dem Bundesminister/der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie den Auditbericht

  1. 1. für die Projektphase „Einreichprojekt“ gemeinsam mit dem Einreichprojekt,
  2. 2. für die Projektphasen „Bauprojekt“ und „Fertigstellung des Baus“ möglichst vor, spätestens aber innerhalb eines Jahres nach Verkehrsfreigabe

    vorzulegen.

(6) Sollten bestimmte Sicherheitsdefizite gehäuft auftreten, so hat der Bundesminister/die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie dafür Sorge zu tragen, dass entsprechende Richtlinien zur Abhilfe erarbeitet werden.

Straßenverkehrssicherheitsanalyse des in Betrieb befindlichen Straßennetzes und Veröffentlichung von Straßenabschnitten mit hoher Unfallhäufigkeit

§ 3. (1) Im Zuge einer Straßenverkehrssicherheitsanalyse gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 und Abs. 5 BStG 1971 wird das gesamte in Betrieb befindliche Straßennetz, soweit es Teil des transeuropäischen Straßennetzes ist, in Abschnitte mit mindestens 3 km Länge eingeteilt. Die Straßenverkehrssicherheitsanalyse ist dem Bundesminister/der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie binnen einem Monat nach Fertigstellung vorzulegen.

(2) An jenen Straßenabschnitten, die gemäß der Straßenverkehrssicherheitsanalyse das größte Potenzial für die Senkung der Unfallkosten haben, veranlasst der Bund (Bundesstraßenverwaltung) umgehend, spätestens aber binnen einem Jahr einen Lokalaugenschein durch ein Expertenteam, in dem mindestens ein gemäß § 5a oder § 5b BStG 1971 zertifizierter Straßenverkehrssicherheitsgutachter vertreten sein muss.

(3) Ergebnis des Lokalaugenscheins ist ein Bericht zum jeweils untersuchten Straßenabschnitt, der

  1. 1. die Beschreibung des untersuchten Straßenabschnitts,
  2. 2. einen Verweis auf eventuell früher verfasste Berichte über denselben Straßenabschnitt,
  3. 3. die Analyse etwaiger Unfallberichte,
  4. 4. die Zahl der Unfälle sowie der getöteten und schwer verletzten Personen in den vergangenen drei Jahren sowie
  5. 5. eine Liste unfallverhütender Maßnahmen, die kurz-, mittel- oder langfristig umsetzbar sind,

    enthält. Dieser Bericht samt allfälligem Anhang ist dem Bundesminister/der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie binnen einem Monat nach Fertigstellung vorzulegen.

(4) Der Bund (Bundesstraßenverwaltung) hat Straßenabschnitte mit hoher Unfallhäufigkeit anhand von Karten auf seiner Internetseite zu veröffentlichen.

Straßenverkehrssicherheitsüberprüfungen

§ 4. (1) Prüfinhalte der jährlichen einfachen Straßenverkehrssicherheitsüberprüfungen gemäß § 5 Abs. 1 Z 4 und Abs. 6 BStG 1971 sind jedenfalls:

  1. 1. Freihaltung des Sichtraumes,
  2. 2. ordnungsgemäßer Zustand der Fahrbahndecke,
  3. 3. ordnungsgemäßer Zustand der Fahrzeugrückhaltesysteme und Verkehrszeichen,
  4. 4. Vollständigkeit der Bodenmarkierung,
  5. 5. Funktionsfähigkeit der Entwässerungsanlagen,
  6. 6. Funktionsfähigkeit vorhandener Notrufeinrichtungen,
  7. 7. Funktionsfähigkeit von Beleuchtungen.

(2) Die Durchführung der jährlichen einfachen Straßenverkehrssicherheitsüberprüfungen ist zu protokollieren.

(3) Prüfinhalte der vertieften Straßenverkehrssicherheitsüberprüfungen gemäß § 5 Abs. 1 Z 4 und Abs. 6 BStG 1971 sind jedenfalls:

  1. 1. Anlage- und Sichtverhältnisse,
  2. 2. Straßenausrüstung,
  3. 3. Informationsdarbietung und -aufnahme,
  4. 4. lichttechnische Gegebenheiten,
  5. 5. Erhaltungs- inklusive Fahrbahnzustand,
  6. 6. klimatische Einflüsse,
  7. 7. kollisionsmechanische Gefährdungen.

(4) Die Durchführung der vertieften Straßenverkehrssicherheitsüberprüfungen hat durch einen unabhängigen, gemäß § 5a oder § 5b BStG 1971 zertifizierten Straßenverkehrssicherheitsgutachter zu erfolgen. Dieser hat die Ergebnisse der vertieften Straßenverkehrssicherheitsüberprüfungen inklusive Befund und Sanierungsvorschlägen in einem Bericht festzuhalten. Beabsichtigt der Bund (Bundesstraßenverwaltung) einen vom Gutachter in seinem Bericht aufgezeigten Sicherheitsmangel nicht zu beheben, so hat er dies in einem Anhang zum Bericht darzulegen und zu begründen. Der Bericht samt allfälligem Anhang ist dem Bundesminister/der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie binnen einem Monat nach Fertigstellung vorzulegen.

(5) Sollten im Zuge der vertieften Straßenverkehrssicherheitsüberprüfungen bestimmte Sicherheitsdefizite gehäuft auftreten, so hat der Bundesminister/die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie dafür Sorge zu tragen, dass entsprechende Richtlinien zur Abhilfe erarbeitet werden.

Straßenverkehrssicherheitsgutachter

§ 5. Durch die im Folgenden angeführten Belege ist die fachliche Qualifikation für die Tätigkeit eines zertifizierten Straßenverkehrssicherheitsgutachters (§ 5a BStG 1971) als erfüllt anzusehen:

  1. 1. Zeugnisse über
    1. a) den erfolgreichen Abschluss der Studienrichtung Bauingenieurwesen oder Wirtschaftsingenieurwesen - Bauwesen oder Maschinenbau oder Wirtschaftsingenieurwesen - Maschinenbau oder Kulturtechnik und Wasserwirtschaft oder Landmanagement - Infrastruktur - Bautechnik oder einer mit diesen Studienrichtungen vergleichbaren Studienrichtung oder eines vergleichbaren Fachhochschul-Studienganges und
    2. b) eine mindestens dreijährige fachliche Tätigkeit auf den Gebieten der Straßenplanung, der Sicherheitstechnik im Straßenverkehr und der Unfallanalyse und
    3. c) die erfolgreiche Absolvierung des Lehrganges für Straßenverkehrssicherheitsgutachter

  1. 2. Zeugnisse über
    1. a) den erfolgreichen Abschluss einer berufsbildenden höheren Schule oder deren Sonderformen, deren Ausbildung im Bereich der Bautechnik, des Maschinenbaus oder des Wirtschaftsingenieurwesens (mit Ausbildungsschwerpunkt Betriebsmanagement) liegt, und
    2. b) eine mindestens fünfjährige fachliche Tätigkeit auf den Gebieten der Straßenplanung, der Sicherheitstechnik im Straßenverkehr und der Unfallanalyse und
    3. c) die erfolgreiche Absolvierung des Lehrganges für Straßenverkehrssicherheitsgutachter.

Lehrgang für Straßenverkehrssicherheitsgutachter

§ 6. (1) Ziel des Lehrganges ist die Erlangung der spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die Ausübung der Tätigkeit eines zertifizierten Straßenverkehrssicherheitsgutachters erforderlich sind.

(2) Der Lehrgang hat die in der Anlage festgelegten Ausbildungsinhalte sowie die Mindestanzahl der Ausbildungseinheiten zu umfassen. Eine Ausbildungseinheit hat mindestens 45 Minuten zu betragen.

(3) Der Lehrgang ist mit einer schriftlichen Prüfung abzuschließen. Über den erfolgreichen Abschluss des Lehrganges ist ein Zeugnis auszustellen.

Umsetzung von Unionsrecht

§ 7. Durch diese Verordnung wird die Richtlinie 2008/96/EG über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur, ABl. Nr. 319 vom 29.11.2008 S. 59, umgesetzt.

Inkrafttreten

§ 8. Diese Verordnung tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

Anlage

Ausbildungsinhalte

Mindesteinheiten

Relevante Rechtsgrundlagen in Österreich

1

Planungsgrundsätze der Straßentrassierung (Theorie- und Praxisteil)

4

Fahrbahnentwässerung

1

Straßenzustand

2

Unfallanalyse und Maßnahmen zur Sanierung von Unfall- und Gefahrenstellen

3

Nichtmotorisierter Verkehr (Fußgänger- und Radverkehr)

2

Motorisierter Zweiradverkehr

2

Großfahrzeugverkehr

2

Psychologische Aspekte im Straßenverkehr

2

Informationsaufnahme im Straßenverkehr

4

Lichttechnische Zusammenhänge

2

Verkehrstechnik und Straßenausrüstung

4

Verkehrssteuerung mit Verkehrslichtsignalanlagen

2

Erstellung eines Auditberichtes

2

Vertiefungseinheiten

3

Praktisches Auditbeispiel und Prüfung

4

Bures

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