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BGBl II 94/2007

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

94. Verordnung: Gerichtsvollzieher-Ausbildungsverordnung-v3

94. Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Grundausbildung für den Gerichtsvollzieherfachdienst in der Entlohnungsgruppe v3 (Gerichtsvollzieher-Ausbildungsverordnung-v3)

Auf Grund der §§ 23 bis 31 und 281 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 129/2006, und des § 67 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl. Nr. 86, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 166/2006, wird verordnet:

Anwendungsbereich und Ziele der Grundausbildung

§ 1. (1) Diese Verordnung regelt die Grundausbildung für den Gerichtsvollzieherfachdienst (Entlohnungsgruppe v3).

(2) Die in dieser Verordnung verwendeten personenbezogenen Ausdrücke umfassen Frauen und Männer gleichermaßen. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.

(3) Vorrangige Ziele der Grundausbildung sind es,

  1. 1. die Kenntnisse zu vermitteln, die zu einer qualitativ hochwertigen Erfüllung der Aufgaben des Gerichtsvollzieherfachdienstes erforderlich sind,
  2. 2. die Bediensteten mit dem Dienst im Justizressort im Allgemeinen und im Gerichtsvollzieherfachdienst im Besonderen vertraut zu machen und
  3. 3. die erforderlichen Kenntnisse über die Aufbau- und Ablauforganisation der Gerichte und Staatsanwaltschaften einschließlich der Informationstechnik-Anwendungen zu vertiefen.

Gestaltung der Grundausbildung; Vortragende

§ 2. (1) Die Grundausbildung ist als praktische Verwendung (Schulung am Arbeitsplatz) und als Ausbildungslehrgang in Blockform zu gestalten.

(2) Die Grundausbildung beginnt mit einer zumindest einjährigen praktischen Verwendung, wird fortgesetzt mit dem Ausbildungslehrgang und endet mit der kommissionellen Prüfung.

(3) Die Ausbildungsmodule des Ausbildungslehrgangs haben alle zeitgemäßen und zweckmäßigen Formen der Wissensvermittlung, insbesondere auch e-learning-Systeme, zu nutzen.

(4) Als Vortragende und Trainer in den einzelnen Modulen sind fachlich und pädagogisch qualifizierte Bedienstete des Justizressorts heranzuziehen, die über die erforderliche persönliche und soziale Kompetenz verfügen.

(5) Die Vortragenden haben über die Leistungen der Lehrgangsteilnehmer und ihre Mitarbeit während des Ausbildungslehrgangs schriftliche Aufzeichnungen zu führen, die auf Aufforderung dem Präsidenten des Oberlandesgerichts vorzulegen sind.

(6) Die Vortragenden haben sich in ihrem Fachgebiet gemäß den Anforderungen der modernen Erwachsenenbildung unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse der Erwachsenenpädagogik und Lernpsychologie regelmäßig weiterzubilden.

Ausbildungslehrgang

§ 3. (1) Die Ausbildungslehrgänge sind von den Präsidenten der Oberlandesgerichte nach Bedarf und jedenfalls so einzurichten, dass jeder Gerichtsvollzieher der Entlohnungsgruppe v4, der vom Präsidenten des Oberlandesgerichts zur Grundausbildung nach dieser Verordnung zugelassen wird, diese im Rahmen der für den Fachdienst gesetzlich vorgesehenen zweijährigen Ausbildungsphase absolvieren kann.

(2) Voraussetzungen für die Zulassung zum Ausbildungslehrgang sind neben den planstellen-, bedarfs- und eignungsmäßigen Voraussetzungen:

  1. 1. die erfolgreich abgeschlossene Grundausbildung (erfolgreich abgelegte Gerichtsvollzieherprüfung)
    1. a) nach der Verordnung der Bundesministerin für Justiz, BGBl. II Nr. 93/2007, über die Grundausbildung für den Gerichtsvollzieherdienst (Entlohnungsgruppe v4) oder
    2. b) nach der Dienstanweisung des Bundesministers für Justiz, JABl. Nr. 1/1924, über die Prüfung zur Erlangung eines Dienstpostens des Zwangsvollstreckungsdienstes oder
    3. c) nach der Übergangsbestimmung des § 9 Abs. 3 der in lit. a zitierten Verordnung und
  2. 2. die Absolvierung der nach den Regelungen gemäß Z 1 geforderten praktischen Verwendungen.

(3) Einem Ausbildungslehrgang sind nicht mehr Teilnehmer zuzuweisen, als in der vorgesehenen Schulungseinrichtung Bildschirmarbeitsplätze zu Ausbildungszwecken zur Verfügung stehen.

(4) Erforderlichenfalls kann mit Zustimmung der Bundesministerin für Justiz die Zulassung zu einem vom Präsidenten eines anderen Oberlandesgerichts veranstalteten Ausbildungslehrgang erfolgen.

(5) Im Ausbildungslehrgang sind folgende Gegenstände - soweit sie für den Gerichtsvollzieherfachdienst von Bedeutung sind - im Umfang der ausgewiesenen Stundenzahlen zu unterrichten:

 

Stunden- ausmaß

Fächergruppe

1.

Grundzüge des Zivil- und Handelsrechts sowie des Wechsel- und Scheckrechts

32

Zivil- und

Strafrecht

2.

Grundbuch- und Firmenbuchrecht

8

3.

Grundzüge des Strafrechts mit schwerpunktmäßiger Behandlung der strafbaren Handlungen gegen die Staatsgewalt sowie der strafbaren Verletzungen der Amtspflichten und der verwandten strafbaren Handlungen

8

4.

Exekutionsordnung und exekutionsrechtliche Nebengesetze und Verordnungen

40

Exekutions- und Insolvenzrecht

5.

Schuldenregulierungsverfahren; Unternehmensinsolvenzrecht (Konkurs- und Ausgleichsordnung)

8

6.

Dienst- und Besoldungsrecht (einschließlich Personalvertretungsrecht)

16

Dienst- und Verfassungsrecht

7.

Bundesverfassung und Behördenorganisation; Europäische Union

8

8.

Organisation und innere Einrichtung der Gerichte und Staatsanwaltschaften;

Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz

8

Geschäftsordnung, Gebühren und Betriebswirtschaft

9.

Vollzugsgebührengesetz

8

10.

Gerichtsgebühren-, Kosten- und Einbringungswesen, Reisegebühren und Gebührenanspruchsrecht, Kassenbuchführung, Aufgaben der Verwahrungsstellen

8

11.

Grundbegriffe der Betriebswirtschaftslehre unter besonderer Berücksichtigung des angewandten Inkassowesens

16

12.

Informationstechnik-Anwendungen der Justiz einschließlich Textverarbeitungen

16

Informationstechnik,

Arbeitsorganisation und Kommunikation

13.

Techniken der Arbeits- und Zeiteinteilung (Arbeitsorganisation);

Verhalten gegenüber Parteien einschließlich Konfliktmanagement und Umgang mit schwierigen Situationen

40

Gesamtstundenausmaß des Grundausbildungslehrgangs ...

216

 

(6) Die Gestaltung des Unterrichts hat nach modernen pädagogischen und didaktischen Gesichtspunkten zu erfolgen. Soweit dies zweckmäßig ist, sind auch e-learning-Systeme einzusetzen. Der Unterricht in den jeweiligen Gegenständen ist tunlichst mit praktischen Übungen zu verbinden; die Informationstechnik-Anwendungen sind - unter besonderer Berücksichtigung der für die Verfahrensautomation Justiz bestehenden Verfahrensvorschriften - ausschließlich unter Verwendung von Bildschirmarbeitsplätzen zu unterrichten.

(7) Hat ein Bediensteter mehr als ein Drittel der Lehrgangsstunden versäumt, ist die Zulassung zum Lehrgang zu widerrufen.

(8) Die im Abs. 5 ausgewiesenen Stundenzahlen können mit Zustimmung der Bundesministerin für Justiz aus pädagogischen und didaktischen Rücksichten in jedem Ausbildungsgegenstand und in jeder Fächergruppe um jeweils ein oder zwei Stunden über- oder unterschritten werden; dabei hat jedoch die Gesamtzahl der Lehrgangsstunden unverändert zu bleiben. Ebenso kann mit Zustimmung der Bundesministerin für Justiz aus pädagogischen und didaktischen Gründen die zeitliche Abfolge der im Abs. 5 genannten Ausbildungsinhalte und Ausbildungsziele modifiziert werden; der Gesamtinhalt ist jeweils beizubehalten.

Praktische Verwendung

§ 4. (1) Die praktische Verwendung (Schulung am Arbeitsplatz) hat zumindest ein Jahr zu dauern. Sie ist im Gerichtsvollzieherdienst als praktische Verwendung im Sinne der Z 3.20 der Anlage 1 zum BDG 1979 zurückzulegen. Die gesetzlichen Überstellungsvoraussetzungen insbesondere nach der zitierten Bestimmung bleiben davon unberührt.

(2) Die Schulung am Arbeitsplatz obliegt jeweils dem unmittelbar Vorgesetzten.

(3) Abwesenheitszeiten (wie Urlaub, Krankenstand, Beschäftigungsverbot, Präsenz-, Ausbildungs- und Zivildienst) sind bei der Berechnung der Dauer der praktischen Verwendung im Sinne dieser Verordnung im Ausmaß von höchstens 15 Arbeitstagen zu berücksichtigen.

(4) Die Zeit einer Teilzeitbeschäftigung zählt für die Berechnung der Dauer der praktischen Verwendung im Umfang des jeweiligen Beschäftigungsausmaßes.

Gerichtsvollzieherfachprüfung

§ 5. (1) Die Gerichtsvollzieherfachprüfung ist als praktische und als mündliche Prüfung abzulegen.

(2) Die Absolventen des Ausbildungslehrgangs sind vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes, der den Ausbildungslehrgang veranstaltet hat, zur Gerichtsvollzieherfachprüfung zuzuweisen.

(3) Voraussetzungen für die Zulassung zur Gerichtsvollzieherfachprüfung sind

  1. a) die praktische Verwendung in dem in § 4 festgelegten Mindestausmaß und
  2. b) die Absolvierung des Ausbildungslehrgangs nach § 3.

§ 6. (1) Die praktische Prüfung ist als Onlinetest sowie als Klausurarbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz abzulegen. Sie darf insgesamt nicht länger als fünf Stunden dauern und hat mindestens drei und höchstens fünf der Aufgaben nach Z 1 bis Z 11 sowie überdies eine Aufgabe nach Z 12 zu umfassen:

  1. 1. Aufnahme eines Pfändungsprotokolls auf Grund eines schwierigen Sachverhalts;
  2. 2. Aufnahme eines Protokolls
    1. a) über schwierige Vollstreckungshandlungen betreffend die Verwertung von Fahrnissen im Rahmen einer Exekution auf bewegliche körperliche Sachen (§§ 249 ff EO) oder einer Exekution auf Ansprüche auf Herausgabe und Leistung körperlicher Sachen (§§ 325 ff EO),
    2. b) über Vollstreckungshandlungen bei der Exekution auf andere Vermögensrechte nach §§ 331 ff EO,
    3. c) über die pfandweise Beschreibung eines Rechts,
    4. d) über einen Wechselprotest.
  3. 3. Aufnahme eines Protokolls über eine vollzogene Räumung;
  4. 4. Berechnung des unpfändbaren Teils des beim Vollzug vorgefundenen Bargelds (§ 250 Abs. 1 Z 5 und § 261 EO);
  5. 5. Erstellung einer komplizierten Gebührenberechnung gemäß den Bestimmungen des Vollzugsgebührengesetzes, BGBl. I Nr. 31/2003;
  6. 6. Prüfung des ADV-E-Registers auf vorschriftswidrige Eintragungen;
  7. 7. Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses einer juristischen Person;
  8. 8. Aufnahme eines Protokolls über die Einführung eines Zwangsverwalters in ein Unternehmen;
  9. 9. Berechnung einer umfangreichen betriebenen Forderung und Berechnung der Vergütung;
  10. 10. Aufnahme eines Protokolls über den Vollzug einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382d EO;
  11. 11. Vorbereitung einer Kindesübergabe im Sinne des Erlasses vom 12. Jänner 2005, BMJ-B4.500/0003-I 1/2005;
  12. 12. Erarbeitung einer Stellungnahme zu einem jeweils vorzugebenden Sachverhalt aus dem Gerichtsvollzugsdienst auf Grundlage des im Ausbildungslehrgang vermittelten Fachwissens.

(2) Die Prüfungsaufgaben der praktischen Prüfung sind jeweils so zu verteilen, dass bei jedem Prüfungstermin (zumindest drei Kandidaten) möglichst alle in Abs. 1 aufgezählten Aufgaben gestellt werden.

(3) Die mündliche Prüfung umfasst die im § 3 Abs. 5 aufgezählten Gegenstände im Umfang des Unterrichtsstoffs. Sie darf mit höchstens vier Kandidaten gleichzeitig abgehalten werden.

(4) Die Dienstprüfung gilt dann als erfolgreich abgelegt, wenn die praktische Prüfung (Onlinetest und Klausurarbeit) sowie die mündliche Prüfung bestanden wurden.

Prüfungskommission

§ 7. (1) Bei jedem Oberlandesgericht ist eine Prüfungskommission zu errichten.

(2) Vorsitzender der Prüfungskommission ist der Präsident des Oberlandesgerichtes. Die Bundesministerin für Justiz hat, nach Einholung eines Vorschlags des Präsidenten des Oberlandesgerichtes, seine Stellvertreter und die weiteren Mitglieder der Prüfungskommission unter Bedachtnahme auf fachliche und pädagogische Qualifikation auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen.

(3) Zu Stellvertretern des Vorsitzenden sind zum Richteramt befähigte Personen zu bestellen; zu weiteren Mitgliedern der Prüfungskommission können - neben zum Richteramt befähigten Personen - auch Rechtspfleger in Exekutionssachen und Mitarbeiter des gehobenen Dienstes der FEX-Leitungseinheiten der Oberlandesgerichte bestellt werden, die jeweils über mehrjährige Erfahrungen im Bereich des Gerichtsvollzugsdienstes verfügen.

Benotung und Zeugnis

§ 8. (1) Die Beurteilung der Prüfung erfolgt mit dem Kalkül „bestanden“ (gegebenenfalls mit Auszeichnung aus bestimmten Fächergruppen) oder mit „nicht bestanden“.

(2) Über die bestandene Dienstprüfung ist vom Vorsitzenden der Prüfungskommission ein Zeugnis auszustellen. Im Zeugnis sind sämtliche Prüfungsmodule der Dienstprüfung in Fächergruppen gegliedert zu bezeichnen; gegebenenfalls sind bei der betreffenden Fächergruppe die Worte „mit Auszeichnung bestanden“ anzufügen (§ 31 Abs. 5 zweiter Satz BDG 1979). Allfällige Anrechnungen sind festzuhalten.

(3) Das Original des Zeugnisses ist dem Ausbildungsteilnehmer auszuhändigen. Eine Zweitschrift des Zeugnisses ist gemeinsam mit den Ergebnissen der praktischen Prüfungsarbeit (§ 6) im Personalakt abzulegen.

Prüfungssenat

§ 9. (1) Der Prüfungssenat besteht aus dem Vorsitzenden der Prüfungskommission oder einem seiner Stellvertreter und zwei weiteren Mitgliedern.

(2) Die Auswahl der Aufgaben für die praktische Prüfung obliegt dem Vorsitzenden des Prüfungssenats oder dem von ihm beauftragten Mitglied des Prüfungssenats. Der Vorsitzende oder das von ihm beauftragte Mitglied hat auch für die Beaufsichtigung bei der praktischen Prüfung zu sorgen.

(3) Die Aufteilung des Prüfungsstoffs bei der mündlichen Prüfung obliegt dem Vorsitzenden des Prüfungssenats; der Vorsitzende kann Fragen aus dem gesamten Prüfungsstoff stellen.

Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 10. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Mai 2007 in Kraft.

(2) Gemäß § 234 Abs. 1 BDG 1979 tritt mit Ablauf des 30. April 2007 die Verordnung des Bundesministers für Justiz, BGBl. Nr. 507/1973, mit der die Ausbildung für die Gerichtsvollzieherfachprüfung und die Gerichtsvollzieherfachprüfung geregelt werden, außer Kraft.

(3) Die nach der im Abs. 2 zitierten Verordnung erfolgreich abgelegte Gerichtsvollzieherfachprüfung ersetzt die Grundausbildung nach der vorliegenden Verordnung.

(4) Vor dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung begonnene, zum Teil oder zur Gänze absolvierte Praxiszeiten auf Grund der Regelung gemäß Abs. 2 sind auf die praktische Verwendung nach der vorliegenden Verordnung anzurechnen. An den gesetzlichen Überstellungsvoraussetzungen (siehe insbesondere Z 3.20 der Anlage 1 zum BDG 1979) tritt dadurch keine Änderung ein.

(5) Verweisungen in dieser Verordnung auf andere Rechtsvorschriften des Bundes sind als Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen.

Berger

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